Politik | Gastbeitrag

Südtirol und der Donbass

Die Beziehungen Südtirols zum autoritären Russland sind weit enger als allgemein bekannt. Ein Blick auf die Zeit als Südtirols Autonomie Modell für den Donbass war.
Donbass
Foto: Ildigitale.it
Der ehemalige Landeshauptmann Luis Durnwalder warb in der Ost-Urkaine für Autonomie.
Es ist lange her. Vor sieben Jahren stellte Durnwalder auf Einladung der „Volksrepublik“ Donezk die Südtiroler Autonomie vor. Er empfand sich als Botschafter der Autonomie und – so seine Aussage damals – als möglicher Stichwort-Geber für eine friedliche Lösung des Konflikts.
Vertreter von „Forza Italia“, der Partei von Silvio Berlusconi, animierten Durnwalder, das Modell Südtirol vorzustellen. Immerhin warben auch italienischen Spitzenpolitiker wie Ministerpräsident Matteo Renzi und Außenminister Paolo Gentiloni bei ihren Besuchen in Moskau für Südtirol als Lösungsmodell des Konflikts in der östlichen Ukraine.
So verteidigte Durnwalder auch die Annahme der Einladung.
 
 
Eingeladen wurde der Ex-Landeshauptmann von Jean-Luc Schaffhauser, Europaparlamentarier des rechtsradikalen Front-National. Durnwalder sollte auf dem Internationalen Forum „Donbass: Gestern, heute morgen“ über die Lösung von Minderheiten-Problemen sprechen. Neben Durnwalder waren weitere west-europäische Gäste mit dabei, Alessandro Bertoldi von der Parteijugend von Forza Italia in der Provinz Bozen, Alessandro Musolino, auch er von Forza Italia, ein ausgewiesener Putin-Propagandist in einem rechten Netzwerk und zwei griechische Parlamentsabgeordnete von Nea Dimokratia und der linksradikalen Syriza.
 
 
Seine Zusage an dem obskuren Treffen begründete Durnwalder mit dem Argument, zu einer Lösung beitragen zu wollen. Es gibt eine Ähnlichkeit zwischen dem Donbass und Südtirol, führte Durnwalder aus. Auch in Donezk und Luhansk sei die Zusammensetzung der Volksgruppen mit jener Südtirols vergleichbar: „Dort sind zwei Drittel Russen und ein Drittel Ukrainer. Sie haben viele Fragen gestellt und nach den Möglichkeiten der Autonomie gefragt … Sobald ich über jene Bereiche gesprochen habe, die beim Staat geblieben sind, wie etwa Außenpolitik, Heer, Polizei und Steuern, waren die Reaktionen eher negativ,“ erinnert sich Durnwalder.
 
 
Seine Aufgabe bestand damals darin, zu informieren, ohne sich politisch vereinnahmen zu lassen, wies Durnwalder Kritik an seinem Auftritt zurück. Durnwalder reiste über Moskau in die „Volksrepublik“ Donezk ein, die ukrainische Regierung erklärte den ehemaligen Landeshauptmann von Südtirol zur unerwünschten Person. Seine ehemalige Partei, die Südtiroler Volkspartei, betonte, dass Durnwalder als Privatperson und nicht als Vertreter der SVP oder Südtirols in den inzwischen russisch besetzten Donbass reiste.
Die ukrainische Regierung erklärte den ehemaligen Landeshauptmann von Südtirol zur unerwünschten Person.
Durnwalder hatte als Landeshauptmann ein Faible für den starken Mann im Kreml und für seine Anhänger. Schon 2009 gründete Durnwalder mit Vladimir Jakunin, Präsident der russischen Eisenbahn und Putin-Vertrauten das Russische Zentrum Borodina in der Südtiroler Kleinstadt Meran. Ziel, die Beziehungen zwischen Südtirol und Russland zu fördern. Jakunin, er stand bereits auf der EU-Sanktionsliste, war als Präsident des "Zentrums der nationalen Ehre" nach Südtirol gekommen.
 
 
 Zu den Gründungsmitgliedern des neuen Borodine-Vereins zählen das Land Südtirol, die Gemeinde Meran, die Handelskammer, die Freie Universität Bozen und eine Reihe russischer Institutionen, darunter auch die russische Botschaft in Rom.
Jakunin wurde zum Präsidenten des neuen Borodine-Vereins ernannt. An der Gründungsfeier nahmen hochkarätige russische Persönlichkeiten teil wie der Sport- und Tourismusminister Vitali Mutko, der Präsident der russischen Handelskammer und Ex-Premier Yevgeny Primakov, der russische Botschafter in Rom, Alexey Meshkov und oder der Präsident des russischen Skiverbands, Andrey Bokarev.
Der Kreis schließt sich, über die christliche US-Rechte bis zu gewichtigen US-Republikanern um Ex-Präsident Trump und Putin-Russland. Dazwischen das autonome Land Südtirol.
Der Vollständigkeit halber muss erwähnt werden, dass es einen traditionsreichen russischen Kulturverein in Meran seit langer Zeit schon gab. In der Habsburger Monarchie hatte sich in der Meraner Kurstadt eine russische Gemeinde eingerichtet. Diese Gemeinden sind heutzutage meist zu Lautsprechern für Putin geworden.
Das Putin-Russland ließ in Südtirol auch einen Honorarkonsul wirken, Bernhard Kiem. Er drängte auf weitere Partnerschaften zwischen Russland und Südtirol, Vorbild die Zusammenarbeit Südtirols mit Kamtschatka. Dort lässt das Moskauer Regime Land und Leute ausplündern. Die Zusammenarbeit brachte für Südtiroler Unternehmen einige Aufträge aus Russland. Während der damaligen „Krim-Krise“ warb Honorar-Konsul für eine „objektive Betrachtung“ der Annektion.
 
 
Dem nicht genug. Die ehemalige Familienreferentin in der Stadtverwaltung der Stadtgemeinde Brixen, inzwischen SVP-Landtagsabgeordnete, Paula Bacher nahm 2014 an einer Familientagung in Moskau teil. Die Botschaft dieser „Familientagung“, Kampf gegen die liberale Demokratie, gegen Abtreibung und Homosexualität.
Die in den USA von extremen Rechten (dazu zählen viele Republikaner um Ex-Präsident Donald Trump) getragene „World Congress of Families“ wird in Russland von potenten Förderern unterstützt. Allen voran Wladimir Jakunin, damals Chef der russischen Staatsbahn und enger Vertrauter Wladimir Putins. Seine Frau Natalia wurde mit ihrer Stiftung „Heiligkeit der Mutterschaft“ sehr aktiv.
Der Kreis schließt sich, über die christliche US-Rechte bis zu gewichtigen US-Republikanern um Ex-Präsident Trump und Putin-Russland. Dazwischen das autonome Land Südtirol.
 
 
Bild
Profil für Benutzer Johannes A.
Johannes A. Mo., 28.02.2022 - 22:45

Danke für die Info. Besonders die Teilnahme Bachers an solchen Veranstaltungen ist mehr als skandalös. Ich hoffe, dass mittlerweile viele Putin Freunde ihre Meinung geändert haben.

Es bleibt eine Frage offen: Wieso hat Herr Mayr sich 2020 bereit erklärt, für die SVP zu kandidieren, für eine Partei die er (manchmal zurecht) ständig kritisiert? War es der Wille zur Macht oder wollte er als grünes U-Boot die Partei von innen verändern?

Mo., 28.02.2022 - 22:45 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Stefan S
Stefan S Di., 01.03.2022 - 09:21

"In der Habsburger Monarchie hatte sich in der Meraner Kurstadt eine russische Gemeinde eingerichtet. Diese Gemeinden sind heutzutage meist zu Lautsprechern für Putin geworden."
Na da wundert es ja nicht das der BM in Meran die Nutzung von Zarenbrunn zur Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen als Provokation an das Regime in Moskau sieht.

Di., 01.03.2022 - 09:21 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Di., 01.03.2022 - 09:23

Der Bacher kann man eine gewisse Naivität zugute halten. Für den Durnwalder sollte diese Ausrede wohl nicht gelten. Aber die deutschen Sozialisten haben mit ihrem Schröder ja auch eine unangenehme Überraschung erlebt.

Di., 01.03.2022 - 09:23 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Stefan S
Stefan S Di., 01.03.2022 - 09:46

Antwort auf von Hartmuth Staffler

Die sog. Sozialisten nennen sich Sozialdemokraten, kleiner feiner Unterschied aber hochnot peinlich ist das mit Schröder schon. Das sich Politiker nach Ihrem offiziellen Wirken die Taschen mit Insider Wissen vollstecken ist man ja schon gewohnt, traurig genug, aber wenn dann auch noch hardcore Rechtsnationalisten dadurch unterstützt werden entbehrt jeglicher politischen Logik. Schrecklich was Macht mit Menschen macht.

Di., 01.03.2022 - 09:46 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Domenica Sputo
Domenica Sputo Di., 01.03.2022 - 13:11

La promozione culturale ha un ruolo fondamentale nella politica estera di un Paese, da sempre ne è vettore strategico. Mica per niente la Farnesina si occupa anche della cd. Diplomazia culturale.
Curioso dunque apprendere che anche taluni politici di spicco a livello provinciale si siano prestati da tempo ad agire sostanzialmente a vantaggio della diplomazia culturale del Cremlino, da Borodina fino al più recente protocollo d’intesa concordato lo scorso anno in occasione del “Moscow-South Tyrol: Restart” presso la Camera di Commercio di Bolzano.
Molto interessante anche la presenza del giovane Bertoldi (https://www.corriere.it/politica/13_giugno_05/mini-silvio-bertoldi-gaff…) nella delegazione in visita a Donetsk nel 2015, lo stesso che tutt’oggi pare collaborare con Giovannetti, consigliere comunale a Bolzano (https://www.ab-group.it/elementor-3953/).

Di., 01.03.2022 - 13:11 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Klaudia Niederwieser
Klaudia Niederwieser Di., 01.03.2022 - 14:58

Herr Mayr, das stimmt schlichtweg nicht! Bei der Tagung ging es um kinderreiche Familien und nichts anderes. Frau Bacher stammt selbst aus einer kinderreichen Familie, informieren Sie sich bei Ihrer Kollegin von der Rai, die auch dabei war und bestätigen kann, dass das Thema "kinderreiche Familien" war. Wenn die Roten, Grünen oder die Lilanen Kapital daraus schlagen wollen, sind sie hier falsch.
Gerade in dieser schwierigen Zeit sind solche Fakenews nicht angebracht!

Di., 01.03.2022 - 14:58 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Di., 01.03.2022 - 16:48

Antwort auf von Klaudia Niederwieser

Die gute Paula hat es sicher gut gemeint. Dass sie nicht mitbekommen hat, wie man sie missbraucht hat, ist verständlich. Sie ist ja keine internationale Politikerin. Es war daher wohl nicht angebracht, die gute Paula auf die gleiche Stufe mit dem Durnwalder zu stellen, dem es nicht entgangen sein kann, mit wem er sich da eingelassen hat. Hinterher ist es aber immer sehr leicht, begangene Fehler zu erkennen und zu kritisieren.

Di., 01.03.2022 - 16:48 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Hannes Mayr
Hannes Mayr Mi., 02.03.2022 - 10:15

Antwort auf von Klaudia Niederwieser

Es wäre vielleicht angebracht, dass der Autor bei derartigen Vorwürfen an eine Person auch dessen Quellen nennt. Laut Wikipedia hat dieser World Congress of Families 2014 in Moskau gar nicht stattgefunden: https://en.wikipedia.org/wiki/World_Congress_of_Families#History

"The 2014 WCF conference was scheduled to be held in September in Russia,[52] and was promoted as "the 'Olympics' of the international Pro-Life movement supporting the Natural Family".[53] Because of the situation in the Ukraine and Crimea, planning for the conference was suspended."

Mi., 02.03.2022 - 10:15 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Mi., 02.03.2022 - 13:59

Antwort auf von Hannes Mayr

Eine verlässliche Quelle für die Teilnahme der Paula an der Tagung in Moskau ist wohl ihre Freundin Klaudia Niederwieser, die hier ihre Teilnahme an dieser faschistischen Tagung herzhaft verteidigt hat. Das ist wahre Freundschaft. Wenn die Paula gar nicht dort gewesen wäre, hätte man sie ja nicht verteidigen müssen. Für mich gilt aber weiterhin die Unschuldsvermutung. Woher sollte die Paula, die ja kein internationales Beratergremium für Außenpolitik hinter sich hat, wissen, um was für eine zweifelhafte Veranstaltung es sich gehandelt hat, an der sie guten Glaubens teilgenommen hat?

Mi., 02.03.2022 - 13:59 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Thomas Benedikter
Thomas Benedikter So., 06.03.2022 - 20:56

Ein Dank an Wolfgang Mayr für diese wichtigen Hintergrundinformationen. Mal abgesehen von der Geschichte von der mehr oder weniger naiven Paula Bacher, geht es bei diesem Vorstoß von Luis Durnwalder im Donbass vor 7 Jahren schon um den Versuch, irgendetwas Konstruktives zur Lösung dieses Konflikts beizutragen. Diese gute Absicht kann man dem Alt-Landeshauptmann schon konzedieren und ein bloßes Informationstreffen ist keine diplomatisch-offizielle Vermittlungsinitiative. In solchen Konfliktherden über Südtirol als Modellfall zu berichten, kann auch hilfreich sein. Im Allgemeinen wird die Exportierfähigkeit dieses Modells allerdings überschätzt. Zum einen hat es seine Grenzen, zum anderen müssen solche Konflikte wie jener des Donbass auf einer anderen Ebene gelöst werden, zumal sie auch auf anderer Ebene geschürt und herbeigeführt worden sind. Die Bestätigung hat man durch Putins laufenden Angriffskrieg erhalten.

Allerdings macht es einen Unterschied, ob sich ein Friedensaktivist, eine Journalistin, ein Wissenschaftler oder ein hochrangiger Politiker auf solch ein Treffen einlässt. Die Ukraine, deren offizielles Staatsgebiet Durnwalder auf seiner Mission in der "Republik" Donezk betreten hat, ist nicht einbezogen worden. Ukrainische Vertreter waren anscheinend beim Treffen auch nicht dabei. Unabhängige Medienvertreter für die Berichterstattung darüber wohl auch nicht. Die genannten Organisatoren des ganzen Besuchs reichlich fragwürdig. Die damaligen Gastgeber von Durnwalder bedrohen, beschießen, misshandeln und töten nicht erst seit 24.2.22 ukrainische Zivilisten im Donbass und in den Nachbargebieten. Somit gut gemeint, aber weit weniger gut getroffen.

So., 06.03.2022 - 20:56 Permalink