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Ölmarkt im Krisenmodus

Der Ukraine-Krieg hat die Ölpreise stark in die Höhe getrieben, Verbraucher zahlen Rekordpreise für Benzin und Diesel
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Seit Beginn des Ukraine-Krieges haben die bereits vorher hohen Ölpreise Rekordwerte erreicht. Am 8. März verzeichnete der Tagespreis für die Erdöl-Sorte Brent* an den Börsen einen Höchstwert von fast 130 U$ pro Barrel. Der Ukraine-Krieg und die daraus resultierende unsichere geopolitische Lage haben den weltweiten Ölmarkt in einen Krisenmodus versetzt.

Russland ist einer der weltweit größten Exporteure von Erdöl und exportiert auch beachtliche Mengen von Produkten aus Erdöl. Obwohl Öl aus Russland in Europa nicht unter die Sanktionen fällt, scheinen derzeit immer mehr Käufer russisches Öl zu meiden. Finanzierungen und Transporte werden wegen der Sanktionen problematisch, so hat sich zum Beispiel der dänische Schiffstransporteur Maersk, die weltweite größte Container-Reederei, aus dem Russland-Geschäft zurückgezogen.

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Der Erdölpreis ist nicht nur von Angebot und Nachfrage abhängig, sondern richtet sich stark nach zukünftigen Erwartungen. Zudem spielen vor allem in Zeiten starker Unsicherheit Spekulationen an der Börse eine wichtige Rolle bei den Ölpreisen.  Nach Rekordpreisen in der zweiten Märzwoche ist der der Ölpreis wieder gefallen, steigt aber seit zwei Tagen wieder. Wie es in den kommenden Tagen, Wochen und Monaten weitergeht ist ungewiss. Solange sich die geopolitische unsichere Lage nicht stabilisiert und mögliche zukünftige Lieferunterbrechungen von russischem Öl im Raum stehen, kann es immer wieder zu starken Preiserhöhungen kommen und die Ölpreise werden wohl auf einem hohen Niveau bleiben, wobei mit starken Preisschwankungen zu rechnen ist.

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Preise für Benzin und Diesel erreichen Rekordwerte

Der Ukraine-Krieg hat dazu geführt, dass die Benzin- und Dieselpreise Rekordwerte erreicht haben. In der zweiten Märzwoche 2022 stieg der durchschnittliche Benzinpreis in den EU-Ländern auf über 2 Euro pro Liter, das entspricht einem Anstieg von 50% verglichen mit dem Preis im Jänner 2021. Auch die Dieselpreise und Heizölpreise sind stark gestiegen. Autofahrer und die Wirtschaft insgesamt werden durch die hohen Preise stark belastet. Die hohen Transportkosten schlagen sich auch in vielen Waren und Dienstleistungen nieder und die bereits hohe Inflation wird weiter in die Höhe getrieben.

Die höchsten Benzinpreise mussten in der 2. Märzwoche in den Niederlanden bezahlt werden, vor Deutschland Finnland und Italien. Im EU-Durchschnitt entfällt fast die Hälfte des Preises, den die Verbraucher an der Tankstelle zahlen, auf Steuern. In manchen EU-Länder machen die Steuern auf Benzin sogar mehr als die Hälfte aus. Italien liegt bei den Steuern im Spitzenfeld, nur Malta, Griechenland, die Niederlande, Finnland und Schweden zahlen noch mehr Steuern.  Je nach Land gibt es verschiedene Steuern und Abgaben auf Benzin und Diesel, wobei manche Steuern fix und manche variabel sind. Sobald die Preise steigen, erhöhen sich auch die variablen Steuern (Mehrwertsteuer) und der Staat kassiert mit.

Die Regierungen haben die Möglichkeit die Steuern zu senken, zum Beispiel durch eine geringere Mehrwert- oder Mineralölsteuer oder durch Kürzung der CO2-Abgabe. Manche Länder haben bereits Steuererleichterungen beschlossen oder sind dabei über die diversen Möglichkeiten von Entlastungen für die Verbraucher zu verhandeln.

In den vergangenen Tagen wurde immer wieder Kritik laut, dass die Benzin- und Dieselpreise trotz sinkender Ölpreise seit einigen Tagen nicht entsprechend sinken. Wer die hohen Gewinne kassiert, ist nicht eindeutig geklärt. Energie-Analysten gehen davon aus, dass momentan vor allem die Raffinerien, aber auch die Mineralölkonzerne  hohe Gewinnmargen kassieren.

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Könnten die EU-Länder ein russisches Ölembargo verkraften?

Die USA, die neben Saudi-Arabien und Russland zu den weltweit größten Ölproduzenten zählen, haben ein Ölembargo gegen Russland verhängt und versuchen die Ölimporte aus Russland unter anderem mit Lieferungen aus Venezuela zu kompensieren **. Die EU ist stark von importiertem- auch von russischem Öl abhängig. Trotzdem wurde auch in der EU im Rahmen der Sanktionen gegen Russland über ein eventuelles Ölembargo gegen russisches Öl gesprochen, doch vorläufig hat man sich gegen ein solches Embargo ausgesprochen. Die große Frage ist, könnten die EU-Länder den Ausfall von russischem Öl ersetzen?

Vor allem die OPEC-Ölproduzenten*** aus den Golfstaaten Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait haben relativ große, freie Kapazitäten und wären in der Lage ihre Produktion innerhalb von wenigen Wochen hochzufahren und mehr Öl auf den Weltmarkt zu bringen.

Ein positiver Abschluss der Verhandlungen um ein Atomabkommen mit dem Iran könnte bald erfolgen. Die bestehenden Sanktionen gegen den Iran würden dann aufgehoben werden und der Iran könnte im Laufe des Jahres Öl im Umfang von etwa 1,5 Millionen Barrels/Tag auf den Markt bringen.

Die Mitgliedsländer der Internationalen Energiebehörde (IEA)**** verfügen über sehr hohe strategische Öl-Reserven im Umfang von über 1,5 Milliarden Barrel, die dazu angelegt wurden in Zeiten von Erdölknappheit den Markt zu entlasten. Am 1. März haben sich die IEA-Länder einstimmig auf einen ersten Notfallplan geeinigt und beschlossen 60 Millionen Barrel Öl aus ihren strategischen Reserven freizugeben. Dadurch soll den Ölmärkten signalisiert werden, dass es infolge des russischen Einmarsches in der Ukraine zu keinen Versorgungsengpässen kommen wird. 60 Millionen Barrel der strategischen Erdölreserven entsprechen gerade einmal 4 % der gesamten strategischen Reserven, es besteht also noch enorm viel Spielraum nach oben.

Die IEA hat am 18. März 2022  einen zehn-Punkte-Plan***** vorgestellt, um die Nachfrage nach Öl in den „fortgeschrittenen Volkswirtschaften“ (= advanced economies) innerhalb weniger Monate erheblich zu senken und so das Risiko einer Öl-Versorgungs-Krise zu vermindern. Durch diese Maßnahmen könnten im Laufe der nächsten 4 Monate bis zu 2,7 Millionen Barrels am Tag Ölverbrauch eingespart werden.

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Russisches Öl könnte kurzfristig substituiert werden, einerseits durch höhere Importe von anderen Ölproduzenten und andererseits durch Freigabe von adäquaten Mengen der strategischen Reserven der IEA-Länder. Im Falle von Gas verfügen die europäischen Länder über keine strategischen Gasreserven, außerdem könnten bei einem etwaigen russischem Gaslieferstopp die Ausfälle kurzfristig nur teilweise durch Lieferungen aus anderen Ländern ersetzt werden, da es an ausreichenden Infrastruktur-Kapazitäten (Gasverflüssigungsanlagen, LNG-Terminals) fehlt.

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Mittel- und langfristig wird die jetzige Krisensituation dazu führen, dass die EU-Länder diverse Maßnahmen setzen werden, um die Abhängigkeit sowohl von russischem Öl- als auch von russischem Gas zu reduzieren. Ein schnellerer Ausbau erneuerbarer Energien, Einsparungen beim Energieverbrauch, Steigerung der Energieeffizienz in allen Bereichen und eine stärkere Diversifikation der Öl- und Gas-Importländer zählen zu den wichtigsten Maßnahmen.

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Aus welchen Ländern importieren die EU-Länder Erdöl?

Nach neuesten Zahlen der EU-Statistik-Behörde Eurostat, importierten die EU-Länder im ersten Halbjahr 2021 ein Viertel des Erdöls aus Russland. Zählt man die Produkte aus Erdöl dazu, so beläuft sich der Anteil auf circa 30%, während die Abhängigkeit der EU-Länder von russischem Gas im Durchschnitt bei über 40% liegt. Andere wichtige Öl-Importländer für die EU sind Norwegen, Kasachstan, die USA, Libyen und Nigeria. Die restlichen Lieferländer befinden sich größtenteils im Mittleren Osten, wie Saudi-Arabien, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate, Katar und Irak und in Afrika, wie Algerien, Angola, Äquatorial Guinea, Gabun, Ghana, der Kongo und Tunesien. Manche EU-Länder importieren auch Erdöl aus Aserbeidschan, sowie aus Brasilien und Kanada.

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Aus welchen Ländern importiert Italien Erdöl?

Italien hat seine Erdölimporte stark diversifiziert, im Jahr 2021 bezog Italien Erdöl aus 19 Ländern, rechnet man die Importe von Produkten aus Erdöl dazu, dann sind es 22 Länder. Der Anteil der Ölimporte aus Russland ist mit 9,9% wesentlich niedriger als der Anteil im EU-Durchschnitt (25%).

Fast ein Viertel des importierten Erdöls in Italien stammte 2021 aus Aserbeidschan, an zweiter Stelle folgt Libyen mit 18,7% vor dem Irak mit 13,9%. Russland ist mit 9,9% der viertgrößte Erdöllieferant vor Saudi-Arabien mit 9,6%. Sollte die EU ein Ölembargo beschließen oder Russland die Erdöllieferungen einstellen, wäre Italien weniger stark betroffen als die meisten anderen EU-Länder.

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Anmerkung: 1 Barrel entspricht 159 Liter

* Brent ist der Referenz-Rohölpreis (benchmark) für Europa, während WTI (West Texas Intermediate) der Referenzpreis für Rohöl in den USA ist. Der Referenzpreis wird als Bezugsbasis für die Preise anderer Erdölsorten herangezogen. Brent ist eine Nordsee-Erdölsorte, WTI ist eine in den USA/Texas geförderte Erdölsorte. Die beiden Erdölsorten sind qualitätsmäßig ähnlich, die Preise können aber leicht abweichen, da in Europa und den USA häufig unterschiedliche Markt-Bedingungen herrschen.

** Gegen Venezuelas Ölindustrie gibt es seit 2019 von Seiten der USA massive Sanktionen. Wegen der veränderten geopolitischen Lage scheinen die USA nun wieder mehr Interesse am venezolanischen Öl zu haben. Präsident Maduro kommt das nur gelegen, denn die Wirtschaft des lateinamerikanischen Staates liegt schon lange im Argen und braucht dringend mehr Einnahmen aus dem Ölverkauf.

*** Die OPEC (Organisation of Petroleum Exporting Countries), die Organisation erdölexportierender Länder ist eine zwischenstaatliche Organisation, die 1960 geründet wurde, mit dem Ziel die Interessen der Länder zu vertreten. Derzeit gehören der OPEC 13 Mitgliedsstaaten an: Algerien, Angola, Äquatorial Guinea, Gabun, Iran, Irak, Kuwait, Kongo, Libyen, Nigeria, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate und Venezuela. Seit einigen Jahren arbeitet die OPEC mit Russland und einigen anderen wichtigen Erdölproduzenten zusammen, um über ein Produktionsquoten-System den Erdölpreis zu beeinflussen. In den vergangenen Jahren war diese Zusammenarbeit auch weniger oder mehr erfolgreich.

**** Zur Internationalen Energiebehörde (IEA) gehören die meisten OECD Staaten. Die IEA wurde 1974 als Reaktion auf den ersten „Ölpreis-Schock“ gegründet. Die IEA-Mitgliedsstaaten verfügen über Notvorräte von 1,5 Milliarden Barrel, welche die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen bei plötzlichen Ölversorgungsengpässen abmildern sollen. Bis zum Ukraine-Krieg fanden erst  dreimal in der Geschichte der IEA gemeinsame Aktionen bezüglich Freisetzung von einem Teil der strategischen Reserven statt: 1991, 2005 und 2011.

Unter fortgeschrittenen Volkswirtschaften oder "advanced economies" versteht man Länder mit einem hohen Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt (BIP) und einem sehr hohen Industrialisierungsgrad.

***** Der 10 Punkte Plan der IEA zur Reduzierung des Erdölverbrauchs umfasst folgende Maßnahmen

  • Reduzierung der Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Autobahnen um mindestens 10 km/h
  • möglichst bis zu drei Tage pro Woche von zu Hause aus arbeiten
  • Autofreie Sonntage in den Städten
  • öffentlicher Verkehrsmittel billiger machen und Anreize für Mikromobilität, Zu-Fuß-Gehen und Radfahren schaffen
  • alternierende Fahrverbote für Privatautos in Großstädten
  •  Fahrgemeinschaften bilden und spritsparend fahren
  • Förderung einer effizienten Fahrweise von Lkw und Lieferfahrzeugen
  •  Einsatz von Hochgeschwindigkeits- und Nachtzügen anstelle von Flugzeugen, wo es eine solche Möglichkeit gibt
  • Vermeiden von Geschäftsflügen, wenn es Alternativen gibt
  • Verstärkte Einführung elektrischer und Energie-effizienterer Fahrzeuge

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Profil für Benutzer Günther Schweigkofler
Günther Schwei… Sa., 19.03.2022 - 09:21

@ "Der 10 Punkte Plan der IEA zur Reduzierung des Erdölverbrauchs umfasst folgende Maßnahmen
- Einsatz von Hochgeschwindigkeits- und Nachtzügen anstelle von Flugzeugen, wo es eine solche Möglichkeit gibt
- Vermeiden von Geschäftsflügen, wenn es Alternativen gibt"

Solange Flüge deutlich billiger sind als Alternativen, wird sich da wohl wenig ändern. Flugtreibstoff ist nach wie vor steuerbefreit.

Sa., 19.03.2022 - 09:21 Permalink
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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Fr., 25.03.2022 - 08:26

Antwort auf von Günther Schwei…

Die hohen Treibstoffpreise haben bereits zur überlegteren Benutzung der privaten Fahrzeuge geführt und die Umerziehung zum Klima-freundlicheren Verhalten eingeleitet.
Der Ausbau der Radwegenetze, eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit und die höhere Besteuerung der übermotorisierten über zwei Tonnen schweren SUVs, würde das Mobilitätsverhalten in eine vernünftigere Richtung leiten.

Fr., 25.03.2022 - 08:26 Permalink
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Profil für Benutzer Sepp.Bacher
Sepp.Bacher Fr., 25.03.2022 - 10:36

Antwort auf von Günther Schwei…

Ich habe gestern in einem deutschen Magazin gelesen, dass die Rohölpreise anfanglich mit Gas und Strom gestiegen sind, dann aber wieder abgefallen und aktuell nicht mehr viel höher sind. Der Preis an der Tankstelle blieb aber weiter hoch - ähnlich wie Gas und Strom. Das müsste wohl auch eine Behörde interessieren und dafür sorgen, dass der Verbraucher-Preis mit den Rohöl-Preisen wieder sinkt. Stattdessen wird mit Steuergeldern der Preis gesenkt, die Konzerne aber weiter hohe Gewinne machen.

Fr., 25.03.2022 - 10:36 Permalink
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Monika Psenner Sa., 26.03.2022 - 12:54

Antwort auf von Sepp.Bacher

@Sepp Bacher
Normalerweise bewegen sich die Preise für Öl und Benzin/Diesel relativ im Gleichschritt mit dem Ölpreis, doch derzeit scheinen sie weitgehend entkoppelt zu sein, so lautet die Kritik. Es liegt der Verdacht nahe, dass die großen Mineralölkonzerne (Raffinerien, Großhandel) unangemessen hohe Gewinne machen.
Der deutsche Wirtschaftsminister Habeck hat das Kartellamt beauftragt die Benzin- und Dieselpreise genau zu beobachten. Sollte sich herausstellen, dass die Ölmultis unangemessen hohe Gewinne erzielen, werde man entsprechende gesetzgeberische Maßnahmen setzen. "Es darf nicht sein, dass Unternehmen (Ölmultis) aus der jetzigen Situation unangemessene Gewinne schlagen", so Habeck.
Nach Kritik an den trotz sinkenden Ölpreises weiter hohen Benzinpreisen untersucht auch die Bundeswettbewerbsbehörde in Österreich den Kraftstoffmarkt.

Sa., 26.03.2022 - 12:54 Permalink