Politik | SVP

„Verfall in die Barbarei“

Thomas Widmann tritt als Landesrat nicht freiwillig zurück. Der Landtag soll in abwählen. Diese Abstimmung könnte dann das Ende von Arno Kompatscher einleiten.
Widmann, Thomas
Foto: Salto.bz
Es ist absurde Situation.
Gut 40 Journalistinnen und Journalisten, Kameraleute und Fotografen drängen sich im Korridor im fünften Stock des Landhauses 3/A, dort wo Landesrat Thomas Widmann sein Büro hat. Keine 20 Minuten lang redet Widmann an diesem Vormittag. Er verliest ein vorbereitetes Statement, zuerst auf deutsch und dann auf italienisch. Schon vorab taucht Widmanns persönlicher Referent Benjamin Reckla auf und verkündet, dass keine Fragen auf der Pressekonferenz erlaubt und vorgesehen sind. Auch das scheint ein neuer Stil in der Volkspartei im März 2022 zu sein.
Das wirklich Absurde an dieser Veranstaltung ist aber die Tatsache, dass die Anwesenden danach kontrovers darüber diskutieren, was Thomas Widmann überhaupt gesagt habe. Tritt er jetzt zurück oder nicht? Das war die Frage, die sich die Presseleute nach dem Widmann-Auftritt gegenseitig stellen.
Es ist ein Frage, die nicht so einfach zu beantworten ist. Und ein taktisches Vakuum, das Widmann ganz bewusst, geschaffen hat.
 

Eine Kampfansage

 
Thomas Widmann ist ein Kommunikationsprofi. Deshalb überlässt er in dieser eindeutig wichtigsten Phase seines politischen Leben, in der es um die Entscheidung geht, ob seine Karriere zu Ende geht oder er weiterhin das politische Leben dieses Land maßgeblich mitbestimmt, nichts dem Zufall.
 
 
Sein Statement hat der Landesrat ohne Portefeuille äußerst geschickt formuliert. Im Ton sachlich, im Inhalt weder zu aggressiv noch zu lasch. Die eigentliche Botschaft schwingt dabei zwischen den Zeilen mit. Es ist eine Kampfansage an Arno Kompatscher. Und das auf ganzer Linie.
So widerspricht Thomas Widmann der Aussage von Arno Kompatscher, er habe ihm bereits am vergangenen Donnerstag den Rücktritt aus der Landesregierung nahgelegt. „Wie Sie wissen hat mich der Landeshauptmann am Montag, und ich betone: erst am Montag, aufgefordert, zurückzutreten“, sagt der scheidende Landesrat. Um dann zu erklären:  „Ich habe das abgelehnt, nicht leichtfertig, sondern aus gut überlegten Gründen“.
 

Die Abwahl

 
Wer an diesem Vormittag darauf wartet, dass Thomas Widmann sagt „Ich trete als Landesrat zurück“, der wartet auf diesen Satz vergeblich.
Denn Widmann spielt den Schwarzen Peter und die heiße Kartoffel kurzerhand an den Landeshauptmann zurück. „Es geht hier um ein persönliches Problem, das der Landeshauptmann mit mir hat“, laute seine einfache Lesart eines Politskandals. Die Folge daraus laut Widmann: „Daher musste der Landeshauptmann diesen Schritt setzen und für ihn die Verantwortung übernehmen, nicht ich.
Widmanns Gangart: Er tritt weder als Landesrat noch als Landtagsabgeordneter zurück. Sondern er will, dass Arno Kompatscher im Landtag einen Misstrauensantrag einreicht und der Landtag dann über diesen abstimmt.
Thomas Widmann sagt in Richtung Arno Kompatscher: „Es liegt daher an ihm auch die nächsten Schritte zu setzen – also dem Landtag eine neue Zusammensetzung der Regierung vorzuschlagen und zur Abstimmung zu bringen.“ Dies sollte – nach Meinung Widmanns - möglichst schnell geschehen.
Und dann schiebt der geschasste Landesrat einen Satz nach, der wie ein Drohung klingt: „Falls er dies nicht tun sollte, werden wir die Vorgehensweise in der Partei und gegebenfalls im Landtag klären.
 

Der Fallschirm?

 
Die Taktik ist klar.
Philipp Achammer hat bereits am Montag klargestellt, der er als SVP-Obmann, nicht der Meinung sei, dass Thomas Widmann aus der Landesregierung zurücktreten solle. Demnach wird das Ganze als eine Art Privatfehde zwischen Kompatscher und Widmann hochstilisiert.
 
 
Vor allem aber ist der Ausgang einer solchen Abstimmung im Landtag kaum vorhersehbar.
Innerhalb der SVP-Fraktion gibt es inzwischen eine Mehrheit, die auch angestachelt durch die Positionierung des SVP-Obmannes, dem Landehauptmann bewusst Prügel in den Weg legen könnte. Die Misstrauensabstimmung gegen Widmann wäre dabei die beste Gelegenheit.
Für die parteiinterne Kommission war die Angelegenheit erledigt.
Thomas Widmann
Nach Informationen von Salto.bz hat es in den vergangenen Tagen auch Kontaktversuche aus der SVP-Spitze zu einigen Oppositionsparteien gegeben. Man braucht für eine Watschen gegen Kompatscher auch Stimmen der politischen Minderheit.
Wobei eines allen Akteuren klar ist: Geht die Abwahl von Thomas Widmann im Landtag schief, dann kann Arno Kompatscher als Landeshauptmann die Koffer packen.
Unabhängig wie diese Abstimmung ausgeht, sicher ist aber jetzt schon, dass die Opposition gegen Kompatscher in den kommenden 18 Monaten eine Stimme mehr haben wird. Denn Widmann kündigte unmissverständlich an, dass er als SVP-Abgeordneter im Landtag bleiben werde.
Ich werde dann meine politische Arbeit nicht mehr als Regierungsmitglied fortführen können, sehr wohl aber als Mandatar im Landtag“, meint der bisherige Landrat auf der Pressekonferenz. Und weiter: „Ich habe nämlich einen Wählerauftrag, den ich so gut wie möglich erfüllen muss und will.
 

Sieben Telefonate

 
Den SAD-Skandal und seine Aussagen und Rolle in den Abhörungen spielt Thomas Widmann an diesem Vormittag bewusst herunter. Es habe nur insgesamt 7 Telefongespräche in vier Monaten gegeben, die abgehört wurden. „Ein Komplott sieht anders aus“, konstatiert der abgesetzte Gesundheitslandesrat. Dass er dabei die Treffen mit Ingemar Gatterer zu erwähnen vergisst, ist nur ein Detail am Rande, das an diesem Vormittag kaum jemand auffällt.
Gleichzeitig geht Thomas Widmann zum Gegenangriff über:  
 
„Ich habe vor über 3 Jahren eine unschöne Aussage getätigt, in einem Vier-Augengespräch, das nicht für die Öffentlichkeit gedacht war. Der eigentliche Skandal ist, dass diese Aussage veröffentlicht wurden.
Doch das wird von den kritischen Medien totgeschwiegen. Wenn das zum Standard in der zwischenmenschlichen Beziehung wird, verfallen wir in der Barbarei. Für die parteiinterne Kommission war die Angelegenheit erledigt. Der Landeshauptmann hat von sich aus nie den Versuch einer Klärung gemacht. Ich bin ein Team-Player. Deshalb hat es mich verwundert, dass das Vertrauen genau jetzt nicht mehr da ist, obwohl dem Landeshauptmann alles, was im Buch steht, bekannt war.“
Die Botschaft ist klar. Das Ganze ist nur ein Frage der verletzten Eitelkeit von Arno Kompatscher.
Die Botschaft ist klar. Das Ganze ist nur ein Frage der verletzten Eitelkeit von Arno Kompatscher.
Der Landeshauptmann ist das einzige Problem, das die Südtiroler Volkspartei, derzeit hat.
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Profil für Benutzer G. P.
G. P. Mi., 30.03.2022 - 14:35

Jeden Tag eine Pressekonferenz, jeden Tag eine neue Überraschung. Schon jetzt beste Doku-Soap ever ... und noch ist ein Ende nicht in Sicht.

Mi., 30.03.2022 - 14:35 Permalink
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Robert Hölzl Mi., 30.03.2022 - 14:57

"Der Landeshauptmann ist das einzige Problem, das die Südtiroler Volkspartei, derzeit hat."
Nein, wohl nicht das einzige Problem, aber eines der Probleme sicher. Und das vielleicht größte Problem für Südtirol ist, dass kein Nachfolger für Kompatscher viel besser sein wird, falls überhaupt. Die paar Personen in der SVP, die die notwendige Integrität und Fähigkeiten haben, stehen nicht zur Verfügung und die Opposition, falls sie überhaupt zum Zuge käme, steht auch nicht besser da.
Gute Nacht.

Mi., 30.03.2022 - 14:57 Permalink
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Robert Hölzl Mi., 30.03.2022 - 16:40

Antwort auf von M A

In meinen Augen eventuell Julia Unterberger und Schullian. Aber beide sind chancenlos und würden wahrscheinlich gar nicht zur Verfügung stehen. Unterberger hat mir während ihrer Zeit im Landtag nicht gefallen, da zu einseitig orientiert. Scheint sich gebessert zu haben; aber vielleicht trügt es mich auch durch die Entfernung bedingt.

Mi., 30.03.2022 - 16:40 Permalink
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Martin Sitzmann Mi., 30.03.2022 - 15:35

Wind of change...
Mir kommt die momentane Situation grad so ähnlich vor wie am Beginn der Pandemie vor 2 Jahren und wie traurigerweise am 24.02.2022:
Dinge kommen ins Rutschen, die man für unverrückbar gehalten hat. Auf einmal wird möglich, was bisher unmöglich schien.
Bahnt sich die Zeit der normalen demokratischen Zustände in Südtirol an? Wenn dann noch das Gesetz gegen das Medienmonopol durchgeht, habe ich endgültig Hoffnung, dass Südtirol im 21. Jahrhundert angekommen ist.

Mi., 30.03.2022 - 15:35 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 30.03.2022 - 16:32

Ich bin dem Thomas Widmann dankbar für die gute Arbeit, die er als Landesrat für Gesundheit geleistet hat, und für die treffenden Worte, mit denen er Landeshauptmann Kompatscher charakterisiert hat.

Mi., 30.03.2022 - 16:32 Permalink
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Herta Abram Mi., 30.03.2022 - 16:52

Herr Widmann Ihre Putschpläne, Allmachtsalüren und grenzenlose Arroganz fallen Ihnen gerade auf den Kopf. Ihr tiefgekränktes Ego, welches nur noch auf Rache sinnt, lassen wir Ihnen nicht mehr durchgehen!
Den nun gibts den„Aufstand der Anständigen“.
Nochmals zum Nachhören, wieso Ihr Stil untragbar ist.
Podcast mit Artur Oberhofer:
https://www.barfuss.it/artikel/%E2%80%9Eaufstand-der-anst%C3%A4ndigen%E…

Mi., 30.03.2022 - 16:52 Permalink
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Profil für Benutzer Thomas Unterwinkler
Thomas Unterwinkler Mi., 30.03.2022 - 16:56

Ich habe Widmann während der Pandemie oft kritisiert, weil ich sein Pandemiemanagement stark verbesserungswürdig fand. Südtirols Bilanz (etwa die Todeszahlen) fällt im Vergleich zu ähnlichen Regionen ja auch eher schlecht aus. Mein Eindruck war aber nicht, dass Widmann böswillig gehandelt hätte, sondern dass er - mangels Erfahrung und Sachkenntnis - schlicht mit dem Pandemiemanagement überfordert war.
Nun aber muss ich feststellen, dass Widmann offenbar Anstand und Verantwortungsbewusstsein vollends verloren hat - frei nach dem Motto: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich‘s gänzlich ungeniert!
Den Grund dafür, dass der LH das Vertrauen zu Widmann verloren hat, kann jede/r Südtiroler/in im Internet nachhören. Wenn Widmann jetzt durch seine Weigerung, als Landesrat zurückzutreten, im Verbund mit der Athesia politisches Chaos und Neuwahlen auslöst, dann gilt für ihn das, was er über den LH gesagt hat:
„Wir haben noch nie so einen schwachen Landesrat gehabt, und noch nie einen, der so viel Schaden für das Land gemacht hat, in so kurzer Zeit! Das ist meine aufrichtige Meinung!“

Mi., 30.03.2022 - 16:56 Permalink
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Josef Fulterer Do., 31.03.2022 - 06:17

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

Thomas Unterwinkler beschreibt die Qualitäten vom Widmann sehr treffend. Dem Kompatscher war es immerhin gelungen, in der vorigen Legislaturperiode, den Widmann "aus dem Futtertrog Landesregierung zu vertreiben," wo er unter der Schirmherrschaft vom großen Luis, den Gatterer Mast / SAD-Skandal angeschoben hat.
[enfernt - SCM]
Ein hartes Stück Arbeit für seine Bewunderer, aus dem handfesten SAD-Skandal, eine Provinzposse um beleidigte Parteigrößen zu zaubern, die ihr Mundwerk nicht im Griff haben.

[- Dieser Kommentar wurde moderiert - Salto-Community-Management]

Do., 31.03.2022 - 06:17 Permalink
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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Di., 05.04.2022 - 07:06

Antwort auf von Josef Fulterer

Bereits unter dem Durnwalder hat der Widmann anlässlich der Wahlen, mindestens zweimal die Parteikasse so gründlich geplündert, dass sich die SVP nur mehr mit allerhand finanztechnischen Tricks und mit dem Verkauf des SVP-Sitzes in Bozen, vor dem Konkurs retten konnte. Bei einer der Wahlen hat er auf viel kritisierten Schautafeln von 9 x 9 Metern, in Übergröße zusammen mit dem großen Luis, seine angebliche politische Beliebtheit gestrickt.
Bei der vorigen Landtagswahl war es dem Kompatscher gelungen, den Widmann aus den allgemein bekannten Gründen, vom Futtertrog Landesregierung fern zu halten. Der Gatterer hat mit sich einer ganzen Reihe von Prozessen, gegen die die Vertreibung aus Widmanns Maststall zu wehren versucht.
Bei den letzten Landtagswahlen hat er es wieder geschafft, sich vom Achhammer als Wahlmanger küren zu lassen und dabei für sich eine so dicke Scheibe abzuschneiden, um wieder laut Stimmemergebnis als unentbehrlich, im Futtertrog der Landesregierung auftreten zu können.
Seine Tätigkeit als Sanitätslandesrat mit den Schlauchhalstüchern und Maskengeschichten, war eher stümperhaft. Südtirol hat in Italien überdurchschnittlich viele Corona-Tote.

Di., 05.04.2022 - 07:06 Permalink