Wirtschaft | Interview

„Jede Einzelentscheidung wichtig“

Michael Frei von Alperia gibt einen Ausblick auf die nächsten Schritte der Energiewende: Sie gelingt nur, wenn Effizienz mit erneuerbaren Energien Hand in Hand geht.
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Foto: Alperia

Michael Frei ist der Bereichsleiter im Marketing von Alperia. Im Interview erklärt er, wie der Strommarkt funktioniert, welche Rolle darin Konsument:innen spielen und was in Sachen Energiewende auf uns zu kommt.

Salto.bz: Herr Frei, werden Treibhausgase gesenkt, wenn Einzelpersonen Energie sparen?

Michael Frei: Ja, natürlich werden damit Treibhausgase gesenkt. Der Konsum von Energie verursacht Treibhausgase, hauptsächlich ist das bei privaten Haushalten durch Heizen der Fall. Denn beim Heizen wird häufig Erdgas benutzt, das einen wesentlichen Anteil am ökologischen Fußabdrucks eines Haushaltes ausmacht. Allerdings können Konsument:innen auf Green Gas setzen, dabei werden die ausgestoßenen Treibhausgase, die bei der Verbrennung von Erdgas entstehen, mit Umweltschutzprojekten kompensiert. Das heißt, die gesamte CO2-Bilanz bleibt neutral. Aber beim Heizvorgang werden die Treibhausgase dennoch ausgestoßen, das kann man derzeit nicht verhindern.

 

Beim Energieverbrauch ist jede Einzelentscheidung extrem wichtig.

 

Was hat das Klima konkret davon, wenn ich statt dreimal nur zweimal die Woche die Waschmaschine einschalte?

Jede Einzelperson für sich genommen hat relativ gesehen eine geringe Auswirkung, weil jede Person insgesamt eine relativ geringe Energiemenge nutzt. Würde aber jeder zum Beispiel 10 Prozent Energie einsparen, hätte das eine starke Auswirkung. Da jeder Mensch einen Grundbedarf an Energie hat, ist es aber noch wichtiger, für welche Energieform man sich entscheidet. Würden sich alle Bürger:innen eines Staates für grüne Energie entscheiden, dürfte niemand mehr Energie, die durch das Verbrennen fossiler Brennstoffe gewonnen wird, in das staatliche Stromnetz einspeisen, weil es keine Abnehmer mehr geben würde. Von daher ist jede Einzelentscheidung extrem wichtig.

Was passiert mit dem Strom, den ich nicht verwende? Wird er irgendwo gespeichert?

Der Strom wird nur dann gespeichert, wenn ein privater Haushalt über einen Stromspeicher verfügt, etwa die Batterien einer Photovoltaikanlage. Derzeit ist die Speicherkapazität von Strom viel zu gering, um Strom für Gemeinden oder Staaten zu speichern. Wenn die Menschen weniger Energie verbrauchen, speist der zentrale Netzbetreiber auch weniger Energie ins Stromnetz. Denn das nationale Stromnetz wird in Echtzeit über Algorithmen an den derzeitigen Stromkonsum angepasst, um die Spannung konstant zu halten. Dabei haben Wasserkraftwerke im Vergleich zu Atomkraftwerken den Vorteil, dass ihre Stauseen riesige Stromspeicher darstellen. Denn die Menge an produziertem Strom kann hier durch die Menge des Wassers, das durch die Turbinen läuft, viel leichter angepasst werden als etwa bei einem Atomkraftwerk.

 

 

Wie geht Alperia als Energieunternehmen mit dem Thema Energiesparen um?

Energiesparen ist für Alperia ein wichtiges Thema. Deshalb erarbeiteten wir gemeinsam mit der italienischen Konsumentenschutzorganisation Altroconsumo einen Ratgeber zum Thema Energiesparen. Den Ratgeber geben wir Privatkunden bei jeder Vertragsunterzeichnung mit, die Inhalte sind aber auch im Internet verfügbar. Dort erklären wir beispielsweise, wie man die Heizung optimal einstellen oder die Standby-Geräte managen kann. Denn die Standby-Geräte wie der Fernseher werden meist nicht ausgesteckt, ein einzelner Fernseher verbraucht dabei nicht viel Strom, doch in Summe kommt eine beträchtliche Menge an sinnlos verbrauchtem Strom zusammen. Unser Tochterunternehmen Alperia Green Future ist außerdem darauf spezialisiert, mit Firmenkunden Energieeffizienzprojekte umzusetzen, um eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft zu stärken.

 

Mit einer Photovoltaikanlage inklusive Speicherung kann die eigene Energie verwendet und grüner Strom produziert werden.

 

Sie haben davor erwähnt, dass erneuerbare Energien eine wesentliche Rolle beim Klimaschutz spielen. Wie können hier Haushalte und Unternehmen aktiv werden?

Bei Nachhaltigkeit ist neben dem Energiesparen Photovoltaik sowohl für private Haushalte als auch für Unternehmen ein wichtiges Thema. Mit einer Photovoltaikanlage inklusive Speicherung kann die eigene Energie verwendet und grüner Strom produziert werden. Dieser Strom ist dann zu 100 Prozent CO2-neutral und billiger, als wenn der eigene Strom an den Netzbetreiber verkauft und dann aber wieder inklusive Verteilungs- und Transportspesen teurer eingekauft werden muss. Privatkunden mussten deshalb die Sonnenenergie idealerweise tagsüber verbrauchen, weil die Sonne tagsüber scheint. Das ist nicht ideal, weil die Menschen unter der Woche nach der Arbeit meistens nachtsüber zuhause sind. Früher war die Anschaffung eines Stromspeichers für Privathaushalte noch sehr teuer und aufwändig. Mittlerweile gibt es am Markt sehr interessante Angebote, aber nicht in allen Haushalten ist die Installation einer Photovoltaikanlage mit Stromspeicher möglich und sinnvoll.

 

Bis zum Jahr 2050 wird es laut EU voraussichtlich in Europa über 260 Mio. sogenannte Prosumer geben, die selbst Energie produzieren und nicht nur konsumieren.

 

Wie kann die lokale Produktion von Solarenergie ausgebaut und optimiert werden?

Ein interessanter Lösungsweg für die effektive Nutzung von Solarenergie sind Energiegemeinschaften. Sie ermöglichen es Haushalten und Unternehmen, auch Solarenergie von benachbarten Flächen zu nutzen. Um genossenschaftliche Energiegemeinschaften zu forcieren, kooperiert Alperia in einem Projekt mit dem Raiffeisenverband und dem Energie-Dienstleister Regalgrid. In Zukunft werden Energiegemeinschaften wesentlich sein, denn trotz der gesteigerten Effizienz werden wir durch eine zunehmende Elektrifizierung der Gesellschaft, insbesondere durch die Elektromobilität, mehr Strom benötigen. Lokal produzierte Sonnenenergie wird daher in ganz Europa eine wichtige Rolle spielen. Bis zum Jahr 2050 wird es laut der Europäischen Union voraussichtlich in Europa über 260 Millionen sogenannte Prosumer geben, die selbst Energie produzieren und nicht nur konsumieren.

 

 

Mit welchem bürokratischen Aufwand ist der Bau einer Photovoltaikanlage verbunden?

Es hängt von dem Anbieter ab. Bei Alperia zum Beispiel ist im Preis einer schlüsselfertigen Photovoltaikanlage auch die Abwicklung der bürokratischen Anforderungen inkludiert, der Kunde muss sich nicht selbst darum kümmern. Gleichzeitig gibt es interessante Fördermöglichkeiten. Wenn der Superbonus 110 Prozent (Teil des Dekrets für den wirtschaftlichen Wiederaufschwung, Anmerkung d. R.) nicht in Anspruch genommen werden kann, kann man durch alternative Fördermöglichkeiten den sogenannten „sconto in fattura“ mit Abtretung des Steuerguthabens „cessione del credito“ nutzen und direkt 50 Prozent Rabatt erhalten. Der Anbieter übernimmt hier die Steuerverrechnung und die Rückzahlung über die Steuererklärung aufgeteilt auf zehn Jahre entfällt. Damit bezahlt der Kunde nur 50 Prozent des effektiven Preises, bekommt also den Rabatt direkt in der Rechnung.

In Zeiten des Klimawandels müssen wir auch mit Wetterextremen wie Trockenheit rechnen. Wie geht Alperia mit diesem Risiko um?

Wasserkraftwerke sind von der Witterung abhängig, es braucht die Schneeschmelze und Niederschläge. Wenn es weniger regnet, kann auch weniger Strom produziert werden. Zudem garantiert Alperia durch die gespeicherten Wassermengen in den Stauseen Reschen, Zufritt, Ulten- und Schnalstal in den Nächten mit konkretem Nachtfrostrisiko die Bereitstellung von bis zu 20.000 Litern Wasser pro Sekunde, die für die Frostschutzbewässerung in unserer lokalen Landwirtschaft notwendig sind. Nichtsdestotrotz müssen wir den Klimawandel im Interesse aller so gering wie möglich halten, um extreme Verwerfungen im Bereich Wetter zu verhindern. Denn nicht nur die Möglichkeit Energie zu produzieren, wird durch Wetterextreme schwieriger, sondern es kommen eine Vielzahl von Herausforderungen auf uns zu.

 

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Konrad Hofer Mi., 06.04.2022 - 11:04

Hallo,

das Bild Photovoltaikanlage: Solarenergie spielt bei der Energiewende in Europa eine zentrale Rolle. (Foto: Othmar Seehauser) ist eine Solarthermieanlage für die Brauchwassererwärmung und/oder Heizungsunterstützung und nicht eine Photovoltaikanlage! Links unten im Bild sieht man den Anschluss für die Wärmeträgerflüssigkeit.

Mi., 06.04.2022 - 11:04 Permalink