Politik | Rüstung und Klima

Militär: Gift für den Klimaschutz

Dem Klimaschutz hätte nichts Schlimmeres in die Quere kommen können als der Krieg in der Ukraine. Er löst in den NATO-Ländern gewaltige Zusatzausgaben fürs Militär aus.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Die russische Invasion in diesem souveränen Land löst in ganz Europa ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis vor einer aggressiven Autokratie und die Aufrüstung der NATO aus. Jetzt sehen sich die europäischen NATO-Partner einschließlich Italiens geradezu gezwungen, das von den USA seit Langem eingeforderte 2%-Ziel für die Militärausgaben aufs BIP zu erfüllen. Dieses Geld fehlt dann in weit wichtigeren Ressorts wie z.B. Investitionen in die Energiewende.

Für den Klimaschutz ist dieser Krieg fatal. Militär und Rüstung gehören zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen. Bereits 2020 hat das Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung (ISW) Krieg und Militär als Klimakiller Nr.1 ausgemacht, denn das Militär gehört überall zu den größten Verbrauchern von fossiler Energie. Weltweit werden fast 2000 Mrd. USD fürs Militär ausgegeben, allein 50% von den USA. Das Militär schluckt Massen an Energie nicht nur für die Produktion von Rüstungsgütern, sondern vor allem für seinen „Normalbetrieb“: Manöver, Transporte, weltweite Militärstützpunkte, Treibstoff für alle Zwecke. Die Regierungen beziffern mangels Berichtspflicht nicht den CO2-Ausstoß des Militärs und dieser ist auf Druck der NATO aus sämtlichen UN-Klimadokumenten ausgeklammert geblieben. Wenn auch Militär und Politiker damit argumentieren, dass nur militärische Verteidigungsfähigkeit Sicherheit gewährleistet, ist Rüstung für den realen Bedarf der Menschen Verschwendung und für das Klima Gift.

Wilhelm Rohr bringt einige Fakten über die bisherigen klimaschädlichen Auswirkungen militärischer Aktivitäten: „Das US-Militär ist mit seinen über 1000 Militärstützpunkten weltweit der größte Verbraucher fossiler Brennstoffe und stößt jährlich 73 Mio. Tonnen CO² aus, mehr als die meisten der 140 Länder und als manche Industriestaaten. Allein das US-Verteidigungsministerium ist mit einem Anteil von fast 80% am gesamten fossilen Energieverbrauch der USA als staatliche Verwaltung beteiligt und damit einer der größten Klimasünder in der Welt. Der Treibstoffbedarf liegt seit Jahren bei 85 Mio. Barrel. Ein Forscherteam bezifferte den Kohlendioxidausstoß des US-Verteidigungsministeriums zwischen 2001 und 2017 auf 1,2 Mrd. Tonnen. Wäre das Pentagon ein Staat, läge es auf Platz 55 der größten Emittenten weltweit…Allein auf der umstrittenen US-Luftwaffenbasis im deutschen Ramstein werden bei jährlich 30.000 Starts und Landungen 1,35 Mrd. Kubikmeter klimaschädliche Abgase freigesetzt“, so Wilhelm Rohr. Der fliegende Großtransporter Galaxy verbraucht bei einem Start 3.500 Liter Treibstoff. Ein Eurofighter produziert pro Flugstunde 11 Tonnen CO². Der Kampfpanzer Leopard verbraucht auf 100 km bis zu 530 Liter Diesel.

Die Militärausgaben belasten die Atmosphäre und zerstören die Umwelt nicht nur direkt durch ihre Emissionen. Die jetzt zusätzlich in die Rüstung gepumpten Milliarden der NATO wird entziehen dem Klimaschutz in vielen Ländern dringend benötigte Finanzmittel. Zum einen kann man den Schub zum Ausstieg der EU-Länder aus der Abhängigkeit von russischen Kohle, Gas und Öl als positiven Nebeneffekt des Kriegs gegen die Ukraine betrachten. Zum anderen wird gerade das zu einer klimaschädlichen Laufzeitverlängerung von Kohlekraftwerken führen und die Abhängigkeit von Fracking-Gas aus Nordamerika und fossilen Energieträgern aus arabischen Autokratien führen, die wie z.B. Saudi Arabien im Yemen sich mit Angriffskriegen auch nicht zurückhalten.

Rüstung heizt die Klimakrise doppelt an. Sechs Mal so viel wird fürs Militär ausgegeben als für den Klimaschutz. Der Finanzfluss in den Klimaschutz ist 3-6 Mal niedriger, als für die Erreichung des 1,5°-Ziels eigentlich nötig wäre (vgl. IPCC, Report 2022). Die Friedensdividende des Endes des Kalten Kriegs löst sich unter den Bombardements der ukrainischen Städte in Luft auf. Zuviel Kapital fließt jetzt in Rüstung und Militär, zu wenig bleibt für den Klimaschutz. Eine fatale Entwicklung. Ganz klar: die demokratische Welt muss sich verteidigen, Autokratien müssen in Grenzen gewiesen werden und der russischen Barbarei in der Ukraine ein Ende setzen. Dann muss sich die internationale Staatengemeinschaft schnellstens auf eine neue Sicherheitsordnung verständigen, um von den heute weltweit 2000 Milliarden USD an globalen Militärausgaben wieder herunterzukommen, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Dabei sind wieder die NATO-Länder als erste gefragt.

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Ludwig Thoma Mi., 06.04.2022 - 18:10

Die Nato gibt jetzt schon 20-Mal für Militär und Rüstung aus als Rußland. Das konnte den Einmarsch Rußlands in die Ukraine nicht verhindern. Aber nun wird gesagt: Seht her, die marschieren in die Ukraine ein, wir müssen unbedingt noch mehr für Militär und Rüstung ausgeben.

Mi., 06.04.2022 - 18:10 Permalink
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Peter Gasser Mi., 06.04.2022 - 19:21

Antwort auf von Ludwig Thoma

Ich bitte Sie, Deutschland hat nicht eine kampfbereit ausgebildete Infanterie-Division, kaum 20 Panzer einsatzbereit, und die Kampfpiloten müssen ihre Pflicht-Flugstunden zum Erhalt des Flugscheines auf gemieteten Hubschraubern des ADAC machen... bleiben Sie doch bei der Wirklichkeit.
Und warum braucht man (leider wieder) Waffen?
Ja, wegen Kriegsverbrechern und Großreich-Träumern wie Putin.
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“Das konnte den Einmarsch Rußlands in die Ukraine nicht verhindern”: Ihr logischer Bezug erscheint offenkundig (wieder) falsch: wäre die Ukraine in der Nato gewesen, hätte dies die Invasion sehr wohl verhindert worden!

Mi., 06.04.2022 - 19:21 Permalink
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Ludwig Thoma Mi., 06.04.2022 - 22:13

Antwort auf von Peter Gasser

Es ist beneidenswert, wie Sie in weniger als zwei Monaten vom Experten für Virologie und m-rna Impfstoffen zum Experten für Militärstrategie geworden sind. Ich stelle mir gerade die Entrüstung vor, mit der Sie noch vor einem Jahr, ach was, vor 6 Monaten, auf die politische Forderung reagiert hätten, die Rüstungsausgaben auf 2%/BIP zu bringen.

Mi., 06.04.2022 - 22:13 Permalink
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Christian I Do., 07.04.2022 - 16:49

Antwort auf von rotaderga

Da gibt es ein sehr interessantes Buch, kann mich leider nicht mehr an der Autorin erinnern (eine bekannte internationale Journalistin), die ganz schön dokumentiert, wie in dieser globalen Welt alles mit alles verbunden ist, hauptsache man kann damit GELD machen!

Do., 07.04.2022 - 16:49 Permalink
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Peter Gasser Mi., 06.04.2022 - 23:25

Antwort auf von Peter Gasser

Es ist zu lesen und man kann sich des Eindrucks nicht verwehren, dass Einzelne bei jedem Dialog *zwanghaft* von der Sache, um die es geht, zur Person switchen *müssen*.
Stimmt man diesen nicht zu, ist man anderer Ansicht als diese, geht’s ad personam los -
gemäß Netiquette steige ich höflich aus.
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(Schade, dass Dialoge systematisch (und wohl auch absichtlich) zerstört werden - schade um Salto, und was es in den Nutzungsbedingungen versucht: eine Community, Menschen, gebildet, welche *in der Sache* und argumentativ in Dialog treten; *darum* verlassen so viele, welche sachlich/fachlich diskutieren möchten, den Community-Bereich).

Mi., 06.04.2022 - 23:25 Permalink
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Thomas Unterwinkler Do., 07.04.2022 - 00:44

Im UN-Sicherheitsrat haben Russland und China ein Vetorecht. Auf dieses werden sie nicht verzichten. Daher ist der Sicherheitsrat im Falle eines Angriffskriegs von Russland oder China nicht handlungsfähig. Daran wird sich in Zukunft nichts ändern.
Der Vergleich des russischen Überfalls auf die Ukraine mit der Operation Allied Force der NATO im Kosovokrieg 1999 ist nicht angebracht. Solche Vergleiche sind (auch) Teil der russischen Propaganda. Im Kosovo gab es seitens des Westens massive Anstrengungen über die regulären Kanäle wie den UN-Sicherheitsrat etwas zu erreichen. Russland hat jedoch von seinem Vetorecht Gebrauch gemacht. Anschließend wurde im Rahmen der Responsibility to protect-Doktrin unter klarer Betonung des Ausnahmecharakters sowie unter strenger Beweisführung verhältnismäßig gegen ein Regime militärisch interveniert, welches nachweislich schwerste Menschenrechtsverletzungen vorgenommen hat.
Dass die NATO in der vorliegenden geopolitischen Lage aufrüstet, ist - leider - eine Notwendigkeit. Zum Verständnis empfehle ich die Stellungnahme der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung:
https://www.hsfk.de/kommunikation/themenseite-ukraine#c5265

Do., 07.04.2022 - 00:44 Permalink
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Thomas Benedikter Do., 07.04.2022 - 12:49

Richtig, lieber Peter Gasser, wäre die Ukraine der NATO schon gleich 2018 beigetreten, als sie dieses Bestreben in ihre Verfassung aufgenommen hat, hätte man diese Invasion verhindern können, weil Putin nur auf der Ebene von militärischen Machtverhältnissen agiert und reagiert. Der Syrien-Krieg war damals schon 7 Jahre im Gang, es war erkennbar, wozu das Putin-Regime willens und fähig war.
Georg Lechner weist auf die Notwendigkeit von Sanktionen im Fall von Verstößen gegen den Art. 42 der UN-Charta hin. Richtig, aber auch generell Sanktionen der UN bei Bruch der Konvention zur Verhütung und Bestrafung von Völkermord vom 9.12.1948: (https://de.wikipedia.org/wiki/Konvention_%C3%BCber_die_Verh%C3%BCtung_u…)
Vorher braucht es natürlich eine Reform des UN-Sicherheitsrates, um ihn erstens von der inneren Entscheidungsblockade und zweitens von Vertretern von Kriegsverbrecherregimes zu befreien. Eine traurige Stunde der UN vorgestern, als der russische UN-Botschafter vor der Weltöffentlichkeit die Verbrechen in Bucha bestritt. Man stelle sich einen NS-Diplomaten vor, der im Völkerbund die Existenz von Konzentrationslagern bestreitet.
Vergleiche von Angriffskriegen mit den NATO-Interventionen in BiH und Kosovo sind nicht angebracht, ganz der Meinung von Thomas Unterwinkler. Es ging damals um die "Responsibility to protect", die von der UNO vernachlässigt wird und die leider seit damals auch nicht im Völkerrecht klar kodifiziert worden ist.

Do., 07.04.2022 - 12:49 Permalink