Gesellschaft | Fußball

„Padovani, das sind die anderen“

Meinen Geburtstag habe ich auf der Gästetribüne des Drusus-Stadions inmitten von Padova-Fans verbacht. Hätte mir das jemand vor einer Woche erzählt, hätte ich gelacht.
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Foto: Michael Denzer
Es war mein erster Besuch im Fußballstadion und er stand gleich unter einem besonderen Vorzeichen. Nicht, dass ich ein Fan wäre, der für den FC Südtirol brennt, aber eine gewisse Sorge war da, dass eine unterschwellige Sympathie mich an falscher Stelle hätte jubeln lassen können. Als Fan des Spiels habe ich dennoch, zumindest beim Vereinsfußball keine feste Loyalität, aber war schon lange an der Dynamik vor Ort interessiert, gerade in einem mit 5.500 Plätzen restlos ausverkauften Stadion. Da capo.
 
Ma sei sicuro che devi entrare da questa parte?
 
„Ma sei sicuro che devi entrare da questa parte?“ Bei der Eingangskontrolle, bei welcher ich Ticket und Ausweis vorzeigen muss, bin ich froh, früh dran zu sein, denn darauf, dass mein Papierausweis nicht dem im restlichen Staatsgebiet ähnelt, hatte ich keinen Gedanken verloren. Da vor und hinter mir gerade niemand in der Schlange steht, bleibt es bei einer gehobenen Augenbraue. Ich finde zu meinem Sitzplatz und überschätze gleich dessen Bedeutung: Ab Anpfiff gibt es hier keine Sitz- sondern 90 Minuten lang nur noch Stehplätze auf den Stühlen. 
Beim Blick aufs Spielfeld, auf dem noch keine Spieler, aber dafür – für mich als Allergiker – furchteinflößende Pollenwolken sind, bin ich froh um die Existenz von Antihistaminika und um meinen selbstgebastelten „Scudo“.
 
Während sich die beide Mannschaften warm kicken und sich die Ränge füllen, hole ich mir ein Bier und weise einen Mann in Bomberjacke auf den Euro hin, den er fallen gelassen hat. Er guckt nicht mehr böse und dankt höflich. Zurück an meinem Platz, habe ich auch schon keinen mehr. Die Reihe hinter mir ist aufgerückt und besetzt mit jedem Bein einen Stuhl. Ich beschließe mit dem zu beginnen, was mir im Vorfeld geraten wurde: „mimetizzarmi“.
 
Ich kenne nicht alle der nun beginnenden Fangesänge, aber sie sind einfach, schnell zu lernen und die vorherrschende Euphorie ist ansteckend. Meine Stimme ist – wenn auch oft etwas undeutlich, um Textunsicherheiten zu kaschieren – doch laut und das macht beliebt. 
Bis zum Anpfiff habe auch ich einen Platz auf den Stühlen und damit einen besseren Blick auf den Dirigenten mit Megaphon, der unseren Teil des Chors „harmonisiert“, wie auch auf das Spielfeld. Trotzdem sind das Tor Padovas kaum und die Spielfeldmitte nur sporadisch, an den großen Fahnen vorbei zu sehen. 
 
 
 
Keine Chance, den Anpfiff zu hören, den Anstoß zu sehen, dennoch weiß man sofort, dass es losgeht. Die Spannung in der Luft ist eine andere. Bei der kritischen Selbstbetrachtung bin ich überrascht: Der Unparteiische wirkt von meinem Punkt aus plötzlich ganz und gar parteiisch und die für meinen Fan-Block angemessene Reaktion auf die ersten beiden guten Torchancen kommen ganz von selbst. Fußball ist ein Sport der großen Emotionen und die färben die Wahrnehmung.
Die anfängliche Nervosität als „crucco di merda“ aufzufliegen, hat sich auf das Spiel übertragen und ich habe das Gefühl, dass die 15 Minuten Pause nach der ersten Spielhälfte nicht nur den Spielern am Platz gut tun, sondern auch meiner Stimme.
 
Ich habe einfach nur Spaß und bin im Gegensatz zu den „Padovani“ neben mir etwas lockerer als in der ersten Hälfte.
 
Die Texte sind zu Formeln geworden, die ich nicht mehr hinterfrage, nicht mehr oder weniger militaristisch als es die italienische Nationalhymne ist. Ich habe einfach nur Spaß und bin im Gegensatz zu den „Padovani“ neben mir etwas lockerer als in der ersten Hälfte; da wechselt „Sudtirol“ und Odogwu kommt auf den Platz. 
Ich bin mir sicher, dass ich auch in den ersten zwei Dritteln der Partie etwas davon hätte mitbekommen können, aber ich konnte und wollte nicht verstehen. Südtiroler Spieler auszubuhen, so weit zu gehen, das war für mich Teil des Spiels – und nicht persönlich gemeint, falls diesen Text einer von ihnen liest – doch zwischen „Buuuh“ und „Uh Uh Uh“ liegt eine Welt. Ehrlich gesagt dachte ich naiverweise, dass es diese Affenlaute vor allem in den höchsten Fußballligen gäbe, dass sie auch etwas mit Neid auf astronomische Spieler-Gehältern zu tun hätten.
 
Ich höre noch vereinzelte rassistische Kommentare und schäme mich, aber nicht genug, um die Konfrontation zu suchen.
 
Es ist schwer bis unmöglich, Rassismus zu quantifizieren, zu sagen wie viele da mitmachen – wie viele, um dazuzugehören und wie viele aus eigenem Hass und Antrieb, aber emotional trenne ich mich in diesem Moment schon wieder von meiner Kurzzeitliebe. Ich höre noch vereinzelte rassistische Kommentare und schäme mich, aber nicht genug, um die Konfrontation zu suchen, jemand hinter mir anzusprechen und womöglich eine Szene auszulösen. Die schwarzen Spieler Padovas erhalten zwar keine offenen Anfeindungen, aber auch verhalteneren Applaus, wenn sie das Spielfeld betreten oder verlassen. Ich zähle die Minuten und bin nicht mehr ins Spiel involviert, hätte nicht mehr reflexartig im „wir“ gesprochen, wie es Fußballfans tun, die man nach dem Spiel ihrer Mannschaft fragt. Padovani, das sind die anderen.
 
Padova trennte am Ende vom Sieg in der Nachspielzeit nur ein Glanzparade Poluzzis.
 
Am Ende das 0:0, welches sich passend anfühlt, da sich das doch nur gespielte Gemeinschaftsgefühl in ein Nichts aufgelöst hat. Padova trennte am Ende vom Sieg in der Nachspielzeit nur ein Glanzparade Poluzzis. Ein Fan stimmt mit „Ma quando torno a Padova“ die Hymne des Clubs an, aber kaum wer singt mit. Die Ernüchterung ist groß. Über einen traumhaft schönen Eisack und an Polizisten in voller Montur vorbei werden die Padovani und ich zu den Bussen geschleust. Einer knipst noch ein Foto als Souvenir und ich entferne mich bei der ersten sich bietenden Gelegenheit von der Gruppe. Da der Pollenflug nach wie vor stark ist, tausche ich meine Maske gegen eine unbemalte.
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Georg Markart So., 17.04.2022 - 19:12

Ich weis nicht ob Michael Denzer wirklich im Stadion auf der "Canazza" Gäste- Tribüne war und wenn,dann nur um das Verhalten der Gäste zu erleben. Ich jedenfalls war auf der Canazza Tribüne, rechts von mir die Mutter von Galuppini sie war natürlich entäuscht,daß ihr Sohn nicht zum Einsatz kam und sagte,speriamo che L"allenatore lo lascia giocare a Trieste sul suo ruolo da Centroavanti.Vor mir Ex Serie A Schiedsrichter Bazzoli und ganz rechts unten die FCS Ultra-Fans wo die FCS Spieler aus den Kabinen kommen. Schade,daß diese Fans den FCS nur mit den Worten Alto,Alto,Alto, oder Italia Italia anfeuern,da fast ausschließlich italienischer Muttersprache und Südtirol zu rufen ist für sie einfach zu schwierig.Leider gibt es auch ungehobelte Fans wie jener ältere Unterlander der gestern die Padua -Spieler immer wieder mit den Worten " maiali" beleidigt hat.
Ich wollte hier nur kurz mitteilen,wie ich gestern dieses Spiel erlebt habe.

So., 17.04.2022 - 19:12 Permalink