Politik | Landesregierung

Die Iden des April

Am Freitag entscheidet sich im Südtiroler Landtag das politische Schicksal von Arno Kompatscher und Philipp Achammer. Jetzt plant Thomas Widmann den nächsten Streich.
Landtag
Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Für Arno Kompatscher ist es bis zum letzten Augenblick ein Spießrutenlauf.
Aber nicht nur für den Landeshauptmann wird die Abstimmung am Freitagvormittag zur Verkleinerung der Landesregierung zur Bewährungsprobe, sondern es steht auch die politische Zukunft von Philipp Achammer mit auf dem Spiel.
Der SVP-Obmann und der Landeshauptmann marschieren seit dem 1. April 2022 im Gleichschritt. Man hat sich zusammengerauft und in der Parteileitung und im erweiterten Parteiausschuss ein Maßnahmenpaket durchgesetzt, mit dem die aktuelle, schwere Krise unterm Edelweiß überwunden werden soll.
 
 
 
Die einschneidende Maßnahme dabei: die Delogierung von Sanitätslandesrat Thomas Widmann aus der Landesregierung. Weil Widmann trotz des Entzuges der Kompetenzen vor vier Wochen nicht freiwillig den Regierungsplatz räumt, muss Arno Kompatscher die Landesregierung um ein Mitglied verkleinern. Nur so wird er Widmann los.
Darüber stimmt der Landtag am Freitagvormittag ab. Dabei braucht es jede verfügbare Stimme der Mehrheit, um diese Verkleinerung durchzubringen. Die große Frage aber: Wird das Duo Kompatscher/Achammer die erforderliche Stimmenanzahl wirklich erreichen?
Es kann alles passieren“, sagt selbst ein Mitglied der Landesregierung.
Wobei die größte Gefahr aus den eigenen Reihen kommt.
 

Die Abstimmung

 
Die Abstimmung im Landtag erfolgt offen. Die Abgeordneten müssen elektronisch mit Ja, Nein oder Enthaltung abstimmen. Ihre Abstimmungsverhalten ist auf der großen Tafel einsehbar, und die Namensliste wird dem offiziellen Protokoll beigelegt. Das heißt: Es kann keine Heckenschützen geben. Denn es ist ersichtlich, wer wie abstimmen wird.
Auf einer bewegten Sitzung vergangene Woche haben Kompatscher, Achammer und die Neo-Fraktionssprecherin Magdalena Amhof die SVP-Fraktion auf eine gemeinsame Gangart eingeschworen. Die Vorgabe: Es gilt der Fraktionszwang, die Abgeordneten müssen sich an die Vorgabe der Partei halten und für die Verkleinerung stimmen.
 
 
Doch nicht nur auf dieser Sitzung wurde der Unmut über diese Vorgaben von einigen Abgeordneten angesprochen. Vor allem die sogenannte Bauernfraktion, bestehend aus Franz Locher, Sepp Noggler und Manfred Vallazza, hat ihr Bauchweh mit der Widmann-Abberufung signalisiert.
 

Geschlossen dagegen

 
Dabei ist die Ausgangslage für die Abstimmung im Landtag klar.
Die Opposition wird geschlossen gegen den Antrag von Arno Kompatscher stimmen. Die Begründung: Formal wird hier eine neue Landesregierung gewählt. Man habe bereits 2019 bei der Wahl dieser Landesregierung nicht das Vertrauen ausgesprochen, deshalb sei es nur konsequent, jetzt dieselbe Linie beizubehalten.
Ein Nein wird auch von Thomas Widmann kommen. Der scheidende Landesrat hat das im Parteiausschuss bereits angekündigt. Man kann wohl kaum verlangen, dass der Betroffene selbst für seine Abwahl stimmt.
 
 
Es wird am Freitag im Landtag also 17 Nein-Stimmen geben. Weil es in den ersten beiden Wahlgängen die absolute Mehrheit braucht, muss die gesamte Mehrheit für die Verkleinerung stimmen. Nur so geht sie durch. Ohne Widmann kommt die Mehrheit auf genau 18 Stimmen.
Was aber, wenn einer aus der SVP, der Lega oder von Forza Italia in diesem Vormittag unpässlich ist? Oder plötzlich Covid-positiv? Weil Landtagspräsidentin Rita Mattei sich bereits mehrmals gegen offen gegen die Online-Videositzung ausgesprochen hat, ist eine Stimmabgabe  von zuhause aus nicht möglich.
Dann aber fehlt der Mehrheit eine Stimme zur nötigen absoluten Mehrheit.
 

Nogglers Störfeuer

 
Dass die Kompatscher-Kritiker durchaus über solche Manöver nachdenken, wird an einer Wortmeldung von Sepp Noggler deutlich. Der Vinschger SVP-Landtagsabgeordnete, bis vor wenigen Monaten Landtagspräsident und derzeit amtierender Vizepräsident, wartet am Mittwoch gegenüber den Dolomiten mit einem überraschenden Szenario auf.
Bei Stimmengleichheit wäre der Antrag schon nach dem ersten Wahlgang abgelehnt“, sagt Sepp Noggler zum Ebner-Tagblatt. Geht die Abstimmung 17 zu 17 aus, wäre nach Nogglers Rechtsauffassung der Antrag abgelehnt und es würde gar nicht mehr zu einem zweiten Wahlgang kommen. So würde die Widmann-Rettung aufgehen.
 
 
 
In Wirklichkeit ist diese Auslegung aber völliger Humbug.
Die Abstimmung im Landtag wird durch das neue Südtiroler Wahlgesetz geregelt. Dort heißt es an Artikel 71 unter dem Titel „Ausscheiden aus dem Amt eines Landesrates - Ersetzung“:
 
„Sollten einzelne Mitglieder der Landesregierung wegen Amtsverlust, Ableben, Rücktritt, Annahme eines Misstrauensantrages oder aus sonstigem Grund aus dem Amt scheiden, nimmt der Landtag innerhalb von 90 Tagen auf Vorschlag des Landeshautpmannes deren Ersetzung auf Grundlage der Bestimmungen des Artikels 68, sofern anwendbar, vor.“
 
Im zitierten Artikel 68 geht es um die Wahl der Landesräte. Dort steht im Gesetz:
 
Auf Vorschlag des Landeshauptmannes wählt der Landtag die Landesräte in einer einzigen namentlichen Abstimmung mit der absoluten Mehrheit der Abgeordneten, unbeschadet der Bestimmungen laut Absatz 2. Nach dem zweiten Wahlgang genügt die einfache Mehrheit der Abstimmenden."
 
Sowohl im Generalsekretariat wie auch im Rechtsamt des Landtages ist man der eindeutigen Auffassung, dass es eine klare Mehrheit für die Annahme oder die Ablehnung des Antrages braucht. Bei Stimmengleichheit bedarf es deshalb auf jeden Fall eines weiteren Wahlganges.
Sepp Nogglers Vorstoß ist aber wohl kein Zufall; bei seiner Einschätzung dürfte der Wunsch Vater des Gedanken sein.
 

Geplante Watschen?

 
Innerhalb der SVP gibt es einige, die aus Solidarität zu Thomas Widmann und aus Gegnerschaft zu Arno Kompatscher damit liebäugeln, den Landeshauptmann zumindest im ersten Wahlgang auflaufen zu lassen. Es wäre ein Wink mit dem Zaunpfahl.
Dazu braucht nur einer aus der SVP-Fraktion zu fehlen. Oder einer oder eine drückt "aus Versehen" den falschen Knopf.
Zudem gibt es eine andere Variante. Die SVP braucht die Stimmen der drei Lega-Abgeordneten und des Forza Italia Abgeordneten Carlo Vettori. Für die Abgeordneten der Volkspartei gilt bei der Abstimmung der Fraktionszwang, für die Mehrheitspartner aber nicht.
Demnach könnte es sich jemand aus diesen Reihen im letzten Moment anders überlegen.
Auch hier hat man versucht, in einer gemeinsame Mehrheitssitzung am vergangenen Freitag die Reihen zu schließen. Dabei hat sich Giuliano Vettorato in seinem Abstimmungsverhalten bewusst nicht festgelegt. Nach Informationen von Salto.bz ist es Thomas Widmann, der den Landeshauptmannstellvertreter in diesem Sinne bearbeitet. Jedenfalls tuschelten die beiden während dieser Mehrheitssitzung auffallend intensiv miteinander.
Man will so die Spannung erhöhen und Kompatscher & Co nervös machen.
 
 
Dabei ist allen klar, dass ein Scheitern der Abwahl Widmanns im ersten Wahlgang einem klaren Misstrauensantrag gegen Arno Kompatscher gleichkommt. Es wäre aber auch ein offener Affront gegen den SVP-Obmann. Denn unter der Leitung von Philipp Achammer hat die Partei eine klare Vorgangsweise festgelegt.
Kommen am Freitag im ersten Wahlgang die nötigen 18 Stimmen nicht zusammen, wird es auf jeden Fall im Landtag eine längere Sitzungsunterbrechung und ein anschließendes Donnerwetter unterm Edelweiß geben.
Man wird innerhalb der SVP-Fraktion abklären müssen, ob Entscheidungen des SVP-Parteiausschusses von den gewählten Abgeordneten einfach ignoriert werden können.
 

Widmanns nächster Schachzug.

 
Es ist ausgerechnet der Hauptdarsteller dieser Polit-Affäre, der einen Tag vor der Abstimmung im Landtag aber die Karten neu mischt.
 
 
Am Donnerstag kurz vor Mittag verschickt der Landesrat ohne Portefeuille eine Einladung zu einer Pressekonferenz. Sie findet am Freitag um 9 Uhr im Südtiroler Landtag statt. Was Widmann dabei sagen wird, ist nicht bekannt. Es wird mit größter Wahrscheinlichkeit eine dieser Blitzkonferenzen werden, in denen Widmann ein Statement verliest und Nachfragen nicht gestattet sind.
Vieles spricht aber dafür, dass Thomas Widmann auf der Pressekonferenz seinen Rücktritt als Landesrat bekanntgeben wird. Damit spielt er dem Duo Kompatscher/Achammer den nächsten, böswilligen Streich.
Vieles spricht aber dafür, dass Thomas Widmann auf der Pressekonferenz seinen Rücktritt als Landesrat bekanntgeben wird. Damit spielt er dem Duo Kompatscher/Achammer den nächsten, böswilligen Streich.
Zu diesem Zeitpunkt kann man die außerordentliche Landtagssitzung nicht mehr abblasen. Das heißt: Man wird über die Verkleinerung der Landesregierung trotzdem abstimmen müssen. Weil aber dann - so wie in der Resolution der SVP-Parteileitung verlangt - der Rückzug Widmann vollzogen ist, gelten alle Vorgaben nicht mehr.
Es soll der Freifahrtsschein dafür sein, Arno Kompatscher und Philipp Achammer wenig später im Landtag auflaufen zu lassen.
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Harry Dierstein Do., 28.04.2022 - 12:55

Mein Rat an alle Südtiroler Journalisten: Ignorieren Sie dieses primitive Südtiroler Vaccaland-Theater.

Bleiben Sie in Ihren Redaktionen, schreiben in Ruhe Ihre Artikel und lassen Widmann einfach sein, was er ist: ein lokaler Provinzpolitker, der seine Grenzen nicht kennt.

Do., 28.04.2022 - 12:55 Permalink
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Franz Oberhofer Do., 28.04.2022 - 13:02

Es dürfte wohl eher die Auslegeung des Gesetzes-Passus von Herrn Francheschini Umbug sein. Es braucht eine qualifizierte Mehrheit für die Annahme des Antrages und NICHT eine qualifizierte Mehrheit zur Ablehnung. Bei Stimmengelichheit wäre der Antrag daher abgelehnt. Zum Glück arbeitet Herr Francheschini nicht beim Rechstamt;)

Do., 28.04.2022 - 13:02 Permalink
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Johannes A. Do., 28.04.2022 - 13:43

In allen demokratischen Ländern erfolgt die Abstimmung über die Regierung in geheimer Abstimmung, damit einzelne Abgeordnete nach ihrem Gewissen entscheiden können, ohne dem Druck mächtiger Lobbys und politischer Verbindungen ausgesetzt zu werden.

Warum ist das in Südtirol anders? Soweit ich weiß, ist das eine relativ neue Gegebenheit.

Do., 28.04.2022 - 13:43 Permalink
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△rtim post Do., 28.04.2022 - 15:13

Der Īdūs des Aprilis ist der 13. und nicht der 29. Und LH Kompatscher ist auch noch nicht Gaius Iulius Caesar, auch wenn hier ganz dick auftragen, wohl nun gar eine Dolchstoßlegende im Landtag gezeichnet werden soll.
Na, die Verschwörungerzählung ist hier wohl eher mediale Einschwörung für LH Kompatscher und SVP-Obmann Achammer.
Ansonsten würde man hier auch Kritisches zur politischen Kultur, über das Missmanagement, das Debakel der verweigerten Rücktritte lesen.
Denn eigentlich heißt Demokratie ja immerhin noch eine sich selbst ehrliche machende Fehlerkultur und Verantwortung mit allen Konsequenzen zu übernehmen und gewiss nicht solche Hütchenspielerei und ein Weiterso.
Jetzt nach dem zusätzlichen Geldregen für die Kuh des Bauern, der natürlich kein Stimmenkauf ist, muss es dann am 29.04. schon mal klappen - auch ohne journalistische Einseitigkeit oder?
Ansonsten wird es schon FI, M5S ... richten, wohl mit Aussicht auf einen zukünftigen Posten…
Kurzum der Landtag soll auch noch dafür herhalten, was die SVP intern aufgrund der verweigerten Rücktritte nicht imstande war umzusetzen: sich (neu) zu sortieren.
Wo kommen wir da hin — demokratiepolitisch?
Eigentlich gilt es doch (nach Silvius Magnago) wohl eher der Partei und insbesondere der Volksvertretung zu dienen und sich nicht ihrer zu bedienen – oder?
Wieso sind dann eigentlich die Rücktrittsverweiger nicht zumindest schon längst aus der SVP ausgeschlossen worden?
Darüber würde man als Leser-in vielleicht auch mal wieder gern was von einem kritischen und unabhängigen Journalisten erfahren.

Do., 28.04.2022 - 15:13 Permalink
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Stefan S Do., 28.04.2022 - 16:15

Antwort auf von △rtim post

"Ansonsten würde man hier auch Kritisches zur politischen Kultur, über das Missmanagement, das Debakel der verweigerten Rücktritte lesen."
M. E. ist insbesondere in diesem Medium reichlich und am ausgewogesten darüber berichtet worden.
Ansonsten stimme ich Ihnen im 2 Teil Ihres Kommentars zu.
->" Kurzum der Landtag soll auch noch dafür herhalten, was die SVP intern aufgrund der verweigerten Rücktritte nicht imstande war umzusetzen: sich (neu) zu sortieren."
und
"Eigentlich gilt es doch (nach Silvius Magnago) wohl eher der Partei und insbesondere der Volksvertretung zu dienen und sich nicht ihrer zu bedienen – oder?" Eigentlich und oder am Anfang und Ende darf man ruhig streichen ;-)

Do., 28.04.2022 - 16:15 Permalink