Umwelt | Vogelwelt

Tödliches Blei

Einen lautlosen und qualvollen Tod müssen jährlich hunderttausende von Vögeln in der EU erleiden. Der Grund? Bleihaltige Munition, die mit dem Futter aufgenommen wird.
aquile, saturnismo, piombo
Foto: Parco Nazionale dello Stelvio
Besonders bedroht sind Greifvögel, wie im Salto-Beitrag „Dentro il quadrilatero della Morteeindrucksvoll aufgezeigt wird. Zitiert wird darin unter anderem eine Studie des Vogelkundlers Enrico Bassi, wissenschaftlicher Leiter des Bartgeier- und Steinadler-Monitorings im Nationalpark Stilfserjoch, mit welcher nachgewiesen werden konnte, dass zwei von fünf tot aufgefundenen Greifvögeln erheblich mit Blei kontaminiert waren. Derzeit wird der Südtiroler Adlerbestand auf 65 bis 70 Brutvogelpaare geschätzt. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 ging man noch von 40 bis 50 Paaren aus.
„Wir sind uns des Problems wohl bewusst“, erklärt Benedikt Terzer, Geschäftsführer des Südtiroler Jagdverbandes, und betont, dass der Verband im regen Austausch mit Bassi und anderen Wissenschaftlern stehe. „Wir unterstützen das LIFE-Projekt „Alps Lead Free“, das von Bassi ausgearbeitet wurde. „Leider hat es auf EU-Ebene nicht die erforderliche Punktezahl erreicht“, so Terzer. Nichtsdestotrotz seien verschiedene weitere Bemühungen im Gange, beispielsweise steht ein mögliches neues LIFE-Projekt (Life Ostalpen Bartgeier) in den Startlöchern, welches vom Landesbund für Vogelschutz Bayern, dem Nationalpark Hohe Tauern und der Vulture Conservation Fundation maßgeblich lanciert wird. Hier stehen gleich mehrere Themen im Fokus, wie beispielsweise die Nahrungskette, Unfälle aufgrund von Windkraftanlagen oder Kabel sowie ein Monitoring der Greifvögel.
 
 
 
Bereits seit Jahren fordern verschiedene Umweltverbände wie der WWF ein Verbot bleihaltiger Munition. Laut einer Studie eines deutsch-britischen Forschungsteams, die im im Fachjournal „Science of the Total Environment“ erschienen ist, sind Greifvogel-Populationen in Europa aufgrund der bleihaltigen Munition deutlich kleiner als sie eigentlich sein müssten. Das toxische Schwermetall gelangt in die Körper der Tiere, wenn sie Bleisplitter, die sich in den Eingeweiden erlegter Tiere befinden, mit der Nahrung aufnehmen. Diese werden üblicherweise vom Jäger an Ort und Stelle zurückgelassen. Nach Schätzungen der Europäischen Chemikalienagentur ECHA sind 135 Millionen Vögel von Bleivergiftung bedroht. Nach langen Debatten hat die EU im Jahr 2020 die Verwendung von bleihaltiger Schrotmunition in Feuchtgebieten untersagt, nachdem dem giftigen Bleischrot jährlich eine Million Wasservögel in der EU zum Opfer fielen.
 
 
 
Auch im Nationalpark Stilfser Joch wurde der Einsatz von bleihaltiger Munition gänzlich verboten, wie der Geschäftsführer des Jagdverbandes erklärt. Nachdem es in Südtirol bereits weitreichende Restriktionen gebe, habe ein guter Teil der Jägerschaft inzwischen freiwillig auf bleifreie Munition umgestellt. Eine Umfrage, die im Rahmen des Interreg-Projektes „Alpbionet“ vor rund zwei Jahren durchgeführt wurde, in welchem der Nationalpark Hohe Tauern, die Autonome Provinz Bozen und das Amt für Naturparke eingebunden war, hat ergeben, dass beispielsweise im Gebiet des Naturparks Riesenferner-Ahrn inzwischen 44 Prozent der Jäger bleifreie Munition verwenden. „Das ist eine sehr hohe Zahl, wenn man bedenkt, dass die Umstellung auf freiwilliger Basis geschieht“, so Terzer.
 
Vor 20 Jahren war die umweltschädigende Wirkung von Blei-Munition noch kein Thema.
 
Die Umstellung auf bleifreie Munition sei dabei ein laufender Prozess, wobei die verschiedenen Projekte wie Alpbionet oder das Life-Projekt über den Bartgeier in den Ostalpen hier zu einer wichtigen Sensibilisierung beitragen. Vor 20 Jahren sei die umweltschädigende Wirkung von Bleimunition noch kein Thema gewesen, berichtet der Geschäftsführer des Jagdverbandes. Mittlerweile gibt es aber Alternativen und durch viel Aufklärungsarbeit mittels Works-Shops und Fachartikel sei es gelungen, die Jägerschaft für dieses Thema zu sensibilisieren.
 

Warum Blei-Munition?

 
Bleimunition ist sehr effektiv, wenn es darum geht, ein Tier schnell und möglichst schmerzlos zu töten. Wie Terzer berichtet, hat es bis vor Kurzem kaum gleichwertige bleifreie Munition gegeben. Während ein Blei-Geschoß aufpilzt, wenn es das Ziel trifft und dadurch seine tödliche Wirkung voll entfaltet, durchschlagen Geschosse aus härteren Materialien den Körper und führen dadurch zu Verletzungen, jedoch nicht zum unmittelbaren Tod des Tieres. Die Tatsache, dass bleifreie Geschosse härter als bleihaltige waren, hat anfangs noch dazu geführt, dass die Geschosse teilweise keine zufriedenstellende Tötungswirkung entfaltet haben und nicht gerne verwendet wurden. 
 
Ist die Munition unzuverlässig, fügt man dem Tier unnötiges Leiden und möglicherweise einen qualvollen Tod zu.
 
„Ist die Munition unzuverlässig, fügt man dem Tier unnötiges Leiden und möglicherweise einen qualvollen Tod zu“, erklärt der Geschäftsführer. Inzwischen haben die Munitionshersteller jedoch auch erkannt, dass sie in die Entwicklung bleifreier Alternativen investieren müssen. Dadurch ist die Verfügbarkeit an zufriedenstellend funktionierender bleifreier Munition gestiegen, und sie wird voraussichtlich in den nächsten Jahren noch deutlich ansteigen. Damit werden wichtige Anreize für die Umstellung geschaffen. „Die Jägerschaft bemüht sich indes mit gezielten Maßnahmen, die Verwendung bleifreier Munition weiter zu fördern. So wurde auf Initiative des Jagdverbandes ein Hersteller bleifreier Munition ausfindig gemacht, der sich dazu bereit erklärt hat, sein neuestes Produkt in Südtirol für Testzwecke zur Verfügung zu stellen“, berichtet Terzer.   
 
Nachdem die EU ein grundsätzliches Verbot von bleihaltiger Munition ins Auge fasst – angepeilt wird das Jahr 2023 – wird die Jägerschaft zwangsweise auf Alternativen umstellen müssen. Während dieser Übergangsphase gibt es aber durchaus noch weitere Maßnahmen, um dem lautlosen Sterben durch Bleivergiftung ein Ende zu setzen. So erlaubt das Bundesland Tirol zwar bis auf weiteres die Verwendung von Bleimunition, allerdings müssen Kadaver und Aufbrüche restlos aus dem Wald entfernt werden, damit sie nicht in die Nahrungskette der Wildtiere gelangen.
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Christian I Mi., 11.05.2022 - 09:08

Qualvollen Tod... interessante questa Tierliebe di serie A e serie B. Quando si tratta delle pecore dei contadini sbranate dai lupi nei media i commenti si sprecano. Quando si tratta di aquile che muoiono come "effetto collaterale" dei cacciatori... silenzio!

Mi., 11.05.2022 - 09:08 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Do., 12.05.2022 - 22:23

Fragt sich, ob die Jäger die Enten und Hasen auch essen. Habe noch keinen Jäger mit deutlichen Anzeichen einer Bleivergiftung gesehen. Vielleicht schafft da ein guter Roter Abhilfe.

Do., 12.05.2022 - 22:23 Permalink