Wirtschaft | Volksbank

Unlautere Vorladungen

Die Volksbank versucht durch Privatverhandlungen das Aktionärskomitee Südtirol auszuschalten. Die Verbraucherschützer wenden sich jetzt an die Börsen- und Bankenaufsicht.
Aktionärskomitee Südtirol
Foto: Salto.bz
Es sind schwere Geschütze, die Walter Andreaus und Massimo Cerniglia an diesem Nachmittag auffahren. „Wir fordern hiermit die Börsenaufsichtsbehörde Consob und die Banca d'Italia auf, dringend einzugreifen, um zu überprüfen, ob das Verhalten der Volksbank korrekt und nach den geltenden gesetzliche Vorschriften ist“, sagen die beiden unisono in die Mikrophone der anwesenden Journalistinnen und Journalisten.
Das Aktionärskomitee Südtirol hat am Montag zur Pressekonferenz geladen. Zusammen mit Rechtsanwalt Alessandro Caponi skizziert das Duo im Bozner Kolpinghaus das bisher letzte Kapitel in der Auseinandersetzung mit der Südtiroler Volksbank. Es geht dabei auch um eine Vorgangsweise der Bank, die von den Verbraucherschützen offen angeprangert wird. „Die Bank versucht durch ein offensichtliches Foul, uns von den Verhandlungen und von der Partie auszuschließen“, bemüht Walter Andreaus einen Vergleich aus der Welt des Fußballs.
Mit der Pressekonferenz hat jetzt ein Gerichtsstreit, der seit Jahren lodert, einen neuen Höhepunkt erreicht.
 

Die Verfehlungen

 
Massimo Cerniglia eröffnet die Pressekonferenz mit einem Gedenken an die vor 30 Jahren von der Mafia ermordeten Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo Borsellino. Cerniglia, der ein enger Freund des Bürgermeisters von Palermo Leoluca Orlando ist und Mitbegründer von dessen Bewegung „Rete“ war, zitiert einen Falcone-Spruch: „Man muss dem Geld folgen“.
Es ist die stimmige Einleitung auf das, was danach folgt.
Das Aktionärskomitee Südtirol vertritt seit fast zwei Jahren Südtiroler Sparerinnen und Sparer in ihrem Kampf gegen die lokalen Banken. Die Volksbank hat jahrelang ihre Aktien unter Verstoß gegen die Vorschriften für Finanzprodukte an die Kunden verkauft, was durch zahlreiche Gerichtsurteile am Landesgericht inzwischen bestätigt wurde.
Selbst das Schiedsgericht für Finanzstreitigkeiten (ACF) bei der Börsenaufsichtsbehörde Consob hat bereits vor über einem Jahr festgestellt, dass die Volksbank in mindestens 39 Fällen die geltenden Vorschriften nicht eingehalten hat, wodurch den Sparern und Sparerinnen ein großer Schaden entstanden ist. „Das Schiedsgericht spricht von "ingannevole“", so Cerniglia.
 
 
Weil die Volksbank aber kurzerhand die ACF-Schiedssprüche ignoriert, mussten sich die Geschädigten an die ordentliche Gerichtsbarkeit wenden. „Die systematische Nichteinhaltung der ACF-Beschlüsse durch die Volksbank hat den Sparern schweren Schaden zugefügt und erfordert ein sofortiges Eingreifen der Aufsichtsbehörde, die die Pflicht hat, vom Finanzvermittler mehr Transparenz und Fairness zu verlangen“, hieß es am Montag auf der Pressekonferenz.
Das Aktionärskomitee hat inzwischen über 1.800 konkrete Fälle gesammelt, in denen die Bank die geltenden Vorschriften nicht eingehalten hat. Es geht dabei um eine Summe von 30 Millionen Euro.
Das Aktionärskomitee hat inzwischen über 1.800 konkrete Fälle gesammelt, in denen die Bank die geltenden Vorschriften nicht eingehalten hat. Weil diese Aktionäre eine formale Beschwerde an die Bank geschickt haben, musste die Volksbank die Vertragsunterlagen den Betroffenen zuschicken.
In den vergangenen Monaten ist dann aber etwas einmaliges passiert“, sagt Anwalt Massimo Cerniglia.
 

Die Privatverhandlungen

 
Nach mehreren Urteilen am Bozner Landesgericht zugunsten von geschädigten Sparern und mit über 1.800 Beschwerden im Haus sieht es für die Volksbank keineswegs gut aus.
Die Bankenführung scheint deshalb eine "Aktion Schadensbegrenzung" eingeleitet zu haben.
Anstatt sich mit der gesamten Gruppe der beschwerdeführenden Sparerinnen und Sparern auseinanderzusetzen, hat man einige von ihnen einzeln vor die Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltskammer Bozen geladen.
Die „Privatverhandlungen“ seien der eindeutige Versuch, das Aktionärskomitee Südtirol vollständig von den Verhandlungen auszuschließen. Zudem sei diese Vorgangsweise rechtlich nicht haltbar. Anwalt Massimo Cerniglia: „Mit diesen Mediationen versucht die Volksbank, die Sparer des Schutzes zu berauben, den sie aus freien Stücken dem Aktionärskomitee anvertraut haben, um ohne wirkliche Beratung zu sehr niedrigen Prozentsätzen im Vergleich zu dem Schaden, den die Bank selbst verursacht hat, einen Vergleich zu erreichen“.
Das Aktionärskomitee klagt deshalb öffentlich an: Die Bank, die sich bereits beim Verkauf der Aktien nicht korrekt und transparent verhalten habe, würde auch bei der Entschädigung wenig transparent und fair vorgehen.
 
 
Das Aktionärskomitee prangert dieses "unsägliche Verhalten“ der Volksbank offen an. Gleichzeitig weist man am Montag auf die zentralen Kritikpunkte hin:
 
  • die einzelnen Aktionäre und Aktionärinnen müssten ihre Rechte gegen völlig unangemessene Abfindungssummen aufgeben;
  • den Sparern werde nicht ermöglicht, von der Stärke des Aktionärskomitees zu profitieren, sodass sie isolierte Mediationsverfahren in einer nicht vollständig transparenten Weise abschließen;
  • es wird nicht berücksichtigt, dass sowohl das Landesgericht Bozen als auch das Finanzschiedsgericht den Sparern in ähnlichen Fällen eine prozentuale Entschädigung in Höhe von 80 bis 100 % des erlittenen Schadens zuzüglich der Aufwertung und der gesetzlichen Zinsen zugesprochen haben.
 

Die Pilotklage

 
Das Aktionskomitee Südtirol forderte am Montag seine Mitglieder auf, sich vor solchen Mediationsverfahren in Acht zu nehmen, da sie ihre Rechte in den am besten geeigneten Gremien geltend machen und unangemessene Schlichtungslösungen ablehnen sollten.
Insbesondere werden alle Mitglieder aufgefordert, das Aktionärskomitee über solche Mediationen zu informieren und „geschlossen“ aufzutreten. Die Betroffenen sollen der Bank antworten, dass sie nicht bereit sind, eine Summe von weniger als 85 Prozent des erlittenen Schadens zu akzeptieren.
Es geht nicht an, dass die Volksbank als freundlicher Gönner auftritt, sondern es geht um eine konkrete Lösung, die für alle gleich, gerecht und transparent ist“, sagt Massimo Cerniglia. Auf der Pressekonferenz teilte man auch mit, dass die beauftragen Anwälte bereits ein erstes Pilotverfahren gegen die Volksbank beim Landesgericht Bozen angestrengt haben. Die erste Verhandlung ist für den 7. Juli 2022 angesetzt.
Der Kampf geht damit in die heiße Phase“, meint Walter Andreaus. Massimo Caponni erinnert daran, dass es bei den bisher eingereichten Beschwerden um eine Summe von 30 Millionen Euro gehe.  „Die Bank soll endlich die Verantwortung tragen“, fordert das Aktionärskomitee, „die Aktien zurücknehmen und den Menschen das gesamte investierte Geld zurückzahlen“.
Doch genau davon will man in der Bozner Schlachthofstraße nichts wissen.