Wirtschaft | EU Green Deal

Klima, Strukturwandel und soziale Frage

Die ökologische Transformation von Wirtschaft und Konsum – ein Balanceakt zwischen ökonomischen Risiken und Sicherung von Lebensgrundlagen und Lebensbedingungen.
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Windkraft
Foto: (c) Dan Meyers unsplash

Die EU hat mit dem Green Deal ein ehrgeiziges Projekt zur Umstellung des gesamten Markt-, Konsum- und Wirtschaftssystems auf umweltverträgliche Produktionsweisen auf den Weg gebracht. Der Wandel muss von der Industrie über die Energieerzeugung und den Bausektor bis hin zur Landwirtschaft vollzogen werden. Spezifische Strukturprogramme und verschiedene Regulierungsmechanismen bilden den Rahmen für die Umsetzung der EU-Klimaziele bis 2030. Hervorzuheben sind insbesondere das Europäische Emissionshandelssystem (Emission Trade System ETS) und die Festlegung von auf die Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder zugeschnittenen jährlichen Emissionsobergrenzen (Effort Sharing Regulation ESR). Angestrebt wird die Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 55%. Die einzelnen Länder sind dazu angehalten, im Einvernehmen mit den Sozialpartnern Programme zur Dekarbonisierung in den einzelnen Wirtschaftssektoren zu entwickeln und sozial verträgliche Regelungen für die lange Phase des Übergangs zu vereinbaren. Da geht es um unsere Zukunft, weshalb den entsprechenden Weichenstellungen die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.

Es ist schwierig, eine Win-Win-Win-Situation herbeizuführen.

Die Schwierigkeit besteht darin, den Klimawandel erfolgreich umzusetzen und die Kosten der ökokompatiblen Reformen mit der ökonomischen Prosperität der Unternehmen und den massiven Auswirkungen auf Beschäftigung und Einkommenssicherung der Mitarbeiter*innen in Einklang zu bringen. Die sozialen Aspekte werden im EU-Green Deal angesprochen. Da die Kompetenz für sozialstaatliche Belange bei den einzelnen Mitgliedsländern liegt, fehlen aber klare Vorgaben dazu, wie Einkommenssicherung und Vermeidung sozialer Notlagen in der Phase des Übergangs sichergestellt werden sollen.

Ökonomische Risiken dürfen nicht die soziale Sicherheit gefährden.

Ein so tiefgreifender Wandel birgt ökonomische Risiken in sich und stellt eine Herausforderung für die Stabilität der sozialen Sicherungssysteme dar. Seit 2008 anhaltende Wirtschaftskrisen und zuletzt Pandemie und Ukrainekrieg bremsen augenscheinlich die Innovationsbereitschaft. Die ist jedoch notwendig, um Klimapolitik und Strukturwandel erfolgreich umzusetzen. Politik und Sozialpartner stehen in der Verantwortung, die anstehenden Systemänderungen ohne einschneidende soziale Verwerfungen über die Bühne zu bringen. Gelingt es, das Steuerrad der EU stabil und zielgerichtet auf dem Weg zum klimaneutralen Kontinent zu halten? Werden in den einzelnen Mitgliedsstaaten in der Übergangszeit bis 2030 angemessene Regelungen zur Einkommenssicherung und Beschäftigung getroffen? Diese Fragen steht im Mittelpunkt der Tagung von AFB-EZA am 20. und 21. Mai in der Cusanus-Akademie in Brixen.

EGB fordert Mitsprache der Arbeitnehmer*innen.

Der Europäische Gewerkschaftsbund hat 2021 in einer Resolution eine detaillierte Überprüfung der Auswirkungen der weitreichenden Reformen auf die Beschäftigungslage und den Qualifikationsbedarf in den einzelnen Wirtschaftssektoren und auf regionaler Ebene gefordert. Diese Bestandsaufnahme und die systematische Einbeziehung der Sozialpartner werden als Voraussetzung dafür betrachtet, den anstehenden Wandel sozial verträglich zu gestalten. Arbeitnehmer*innen und sozial schwache Gruppen der Bevölkerung werden ähnlich wie bei Wirtschaftskrisen die Umbrüche in der Wirtschaftsstruktur und hinsichtlich der beruflichen Qualifikationserfordernisse als erste zu spüren bekommen. Negative Auswirkungen sind auch angesichts der Lücken in der sozialstaatlichen Absicherung absehbar, die während der Pandemie festgestellt worden sind.

Die Finanzierung der Innovation soll Risiken in Chancen umwandeln.

Im Hinblick auf die Einleitung der langen Phase des Übergangs ist ein spezifischer Finanzfonds (Just Transition Fund JTF) eingerichtet worden, damit „niemand zurückgelassen wird“, wie es die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen formulierte. Die erforderlichen Reformen sollen in Investitionschancen umgemünzt werden. Der Fonds wird aus dem EU-Next-Generation-Fonds und dem mehrjährigen EU-Budget gespeist. Er bietet vor allem jenen Mitgliedsstaaten eine Unterstützung, deren Wirtschaft stark von fossilen Brennstoffen abhängig ist und die besonders viele Arbeitskräfte in diesen Industriezweigen beschäftigen. Im Zeitraum 2021-2027 soll dieser Fonds europaweit ein Investitionsvolumen von insgesamt an die 100 Milliarden Euro erreichen.

In dieser Woche steht im EU-Parlament die Genehmigung des EU-Fonds für das soziale Klima (Social Climate Fund SCF) an. Dieser soll für die Mitgliedsstaaten Mittel bereitstellen, um zur Linderung der Energiearmut Investitionen für die Verbesserung der Energieeffizienz der Gebäude und die Ausstattung mit umweltverträglichen Technologien zu ermöglichen. Diese Maßnahmen sollen vor allem armutsgefährdeten Haushalten und Kleinstunternehmen zugutekommen sowie den Bedarf im ländlichen Raum berücksichtigen.

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Josef Fulterer So., 05.06.2022 - 20:28

Wenn die EU mit der Reduktion von 55 % der Treibhausgase bis 2030 wirklich ernst machen will, dann muss sie die EU_Mandatare beratenden Lobbisten der übermächtigen Autoindustrie, der maßlosen Energiekonzerne und der unersättlichen Finanzjounglere, aus Brüssel vertreiben und eine Politk anpeilen, mir der auch die unteren Einkommensschichten, ohne soziale Unterstützung ein würdiges Leben führen können.

So., 05.06.2022 - 20:28 Permalink