Politik | Großraubtiere

Nun sag‘, wie hast du‘s mit dem Wolf?

Franz Locher hat gestern die Gretchenfrage zum Thema Wolf gestellt. Landesrat Arnold Schuler will von einem eigenständigen Südtiroler Weg aber nichts wissen.
Wolfs Interaktion
Foto: Stefan Borkert

„Irgendwer wird das Risiko auf sich nehmen und eine Entscheidung treffen müssen, ansonsten haben wir bald mehr Wölfe als Schafe in Südtirol“, erklärte der Landtagsabgeordnete Franz Locher in seiner unnachahmlichen Art bei der gestrigen Landtagssitzung. Damit machte der Sarner Politiker in aller Öffentlichkeit deutlich, was er von der nach Konsens und Einvernehmen suchenden Politik der Südtiroler Landesregierung hält. Im Rahmen der aktuellen Fragestunde forderte Locher von Landwirtschaftslandesrat Arnold Schuler Auskunft über den Stand der Dinge zum Wolfsmanagement. Nicht zu überhören waren der Frust und der Ärger in Lochers Stimme über zwei Jahre Untätigkeit und die Forderung, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Mit breiter Mehrheit hatte der Landtag 2019 einen Beschlussantrag, eingebracht von Franz Locher, Josef Noggler und Manfred Vallazza, angenommen, der unter anderem vorsah, einen Managementplan zu erarbeiten, um sensible Gebiete wolfsfrei zu halten.

 

 

„Im Frühjahr 2022 wurden bereits einige Wolfsrisse in Südtirol gezählt und der Sommer verheißt nichts Gutes“, so Locher, der eine Studie der nationalen Umweltbehörde ISPRA zitierte, wonach in den Jahren 2020/21 die Wolfspopulation in Italien auf etwa 3.300 Exemplare angestiegen ist. „Die Bewirtschaftung der Bergbauernhöfe und vor allem der Almen wird durch die Ausbreitung des Wolfes infrage gestellt“, betonte der Bauernvertreter und forderte Aufklärung darüber, welche Maßnahmen ergriffen wurden, um das Land Südtirol zu ermächtigen, die Entnahme von Wölfen und Hybriden zu regeln und wie die Landesregierung gedenkt, auf ein wolfsfreies Südtirol bzw. auf ein Südtirol, in dem Wölfe reduziert werden dürfen, hinzuarbeiten.
 

Rechtliche Grundlage fehlt

 
„Das Thema Großraubwild beschäftigt uns bereits seit Jahren. Wir wissen aber auch, wie komplex diese Materie ist und mit wievielen Emotionen die Debatten geführt werden“, erklärte Landesrat Arnold Schuler und wies auf die Schwierigkeiten hin, die rechtlichen Grundlagen für einen Handlungsspielraum zu schaffen. Bereits mit Annahme des Beschlussantrages sei klar gewesen, dass Südtirol das Wolfsproblem nicht im Alleingang lösen könne. In Absprache mit den übrigen Regionen Italiens und den Alpenländern versuche man bereits seit Längerem, Druck aufzubauen, um die notwendigen Maßnahmen umzusetzen.

 

 

Es sei wesentlich einfacher, eine Tierart unter Schutz zu stellen, als diesen Schutzstatus wieder aufzuheben, erklärte der Landwirtschaftslandesrat und wies darauf hin, dass man heute nicht mehr behaupten könne, dass der Wolf in Europa vom Aussterben bedroht sei. So wie bei allen anderen Tierarten bräuchte es auch beim Wolf Regulierungsstrategien. „Leider lässt die Gesetzeslage keinen Spielraum zu“, betonte Schuler und erklärte, dass ein Managementplan erst dann einen Sinn habe, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorhanden sind. „Wir haben uns mehrfach und auf allen politischen Ebenen bemüht, Lösungen zu erzielen  bisher allerdings mit wenig Erfolg“, so der Landesrat. Auch die Wirkung von Herdenschutzprojekten könne man schwer abschätzen, da nur wenige umgesetzt worden seien.
 
Wir wissen alle, dass es so nicht mehr weitergehen kann und ich ersuche, dass wir früher oder später einen eigenständigen Weg gehen. Ansonsten wird irgendwann einmal der Frust draußen zu groß werden.
 
Locher wies in seiner Replik darauf hin, dass es ihm sehr wohl bewusst sei, dass es sich um kein einfaches Unterfangen handelt. „In diesem Staat ist es sehr schwierig, einen Schritt weiter zu kommen“, so Locher, der auf das schwedische Modell hinwies, das durchaus eine Regulierung zulässt. „Wir wissen alle, dass es so nicht mehr weitergehen kann und ich ersuche, dass wir früher oder später einen eigenständigen Weg gehen. Ansonsten wird irgendwann einmal der Frust draußen zu groß werden.
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Herta Abram Mi., 08.06.2022 - 12:06

…. das Standardtotschlagargument fehlt nie,- bei einigen Bauernvertretern: Ob Wolf, Milchpreis oder die zuwenig finanziell anerkannte Landschaftspflege, usw. - anscheinend zwingt alles, laut BV, Bauern zum Aufhören….
Bitte, liebe politischen BauernVertreter: Geht ENDLICH WEG VOM OPFERNARRATIV!!
Herr Locher, wir leben nun in einer Zeit, in der wir Krisen als Dauerzustand verstehen- lernen -müssen! Der Umgang mit dem Wolf ist eine ZukunftsHerausforderung unter vielen! Und "sture Hintanhalte Taktik“ können wir uns schlichtweg nirgends mehr leisten! Weder bei Wolf noch beim Klimanotstand!
Unreflektiertes, instrumentalisierendes, populistisches Dahergerede löst gar nichts! Befeuert aber das Gefühl der Verwirrung, der Unsicherheit, des Hasses, der Ohnmacht des Einzelnen. Führt zu Angst und Hetze und vergrößert die Gräben innerhalb der Gesellschaft. Ist es das was Sie wollen, Herr Locher?
Die emotionale Beeinflussung Anderer zu seinem eigenen Vorteil widerstrebt unseren demokratischen Grundzügen, Herr Locher!
Ich würde mir wünschen Sie würden endlich damit beginnen, die Dinge sachlich, vernünftig und in einer breiter und tiefer gedachten Sichtweise zu behandeln, bzw. Informativ, Transparent, Konstruktiv und kooperativ zu handeln!
(Zu meiner Person: Ich lebe in der Stadt und bin im Sommer Hirtin)

Mi., 08.06.2022 - 12:06 Permalink
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rotaderga Mi., 08.06.2022 - 13:48

Antwort auf von Herta Abram

Ich bin auch voll bereit die Meinungen der "Stadtler " zu akzeptieren.
Geht mit gutem Beispiel voran bzw weiter: Ratten Mäuse Marder Wolf Wildschweine usw dürfen in Siedlungen mit hoher Bevölkerungsdichte genauso leben wie auf dem Land, oder?

Mi., 08.06.2022 - 13:48 Permalink
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Laurin Kofler Mi., 08.06.2022 - 23:15

Antwort auf von rotaderga

Ich bin gegen eine (Wieder)Ausrottung des Wolfes, aber ganz klar für eine angemessene Regulierung. Aber ich gebe Frau Abram zum Teil schon Recht: dieses Opfer-Narrativ ist schon sehr penetrant. Jeder von uns hat mit Krisen und Herausforderungen zu kämpfen. Was mich aber letztlich immer wieder irritiert ist, daß von den Bauernvertretern immer wieder gefordert wird, daß die Politik und der allgemeine Bürger stärker in die Pflicht genommen werden soll, um den Bauernstand zu erhalten. Bei den Bauernvertretern sitzen seit Jahren die selben Personen an den Schalthebeln, der Bauernstand wird (zum Teil zu Recht) gefördert und subventioniert. Und trotzdem wird die Situation für die Menschen auf den Bauernhöfen immer prekärer, wobei parallel immer mehr "Stadler" bereit sind, angemessene Preise für gute Agrarprodukte zu bezahlen. Deshalb ist meine Frage, ob man nicht mal die die Methoden und Arbeitsweisen der organisatorischen Führung des Bauernstandes kritisch hinterfragen sollte? Wenn beim FC Bayern München die Mannschaft trotz ausgezeichneter Spieler immer verliert, tauschen sie auch den Trainer aus, und nicht das Publikum, das die Tickets kauft.

Mi., 08.06.2022 - 23:15 Permalink
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Herta Abram Fr., 10.06.2022 - 11:12

Antwort auf von Laurin Kofler

Abgesehen vom Wolf:
https://www.buchkatalog.de/webapp/wcs/stores/servlet/ProductDisplay?sto…
---sehr aufschlussreicher Trailer!---

In diesem Fim: " Der Bauer und der Bobo" kommen, viele gegenwärtige Probleme der Bergbauern/ Landwirtschaft, klar ans Licht und die oft unterschiedlichen Annahmen von Stadtler und Bauern.....

Und: Dass wir -Stadtler und Bauern- lernen müssen, gegenseitiges Verständnis
zu entwickeln und MITEINANDER REDEN müssen, um überhaupt eine Chance zu haben, die Zukunft - für unsere Kinder-, lebenswert zu erhalten.

Fr., 10.06.2022 - 11:12 Permalink
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Laurin Kofler Mo., 13.06.2022 - 23:02

Antwort auf von Herta Abram

Ich bin mir sehr wohl der Herausforderungen der Landwirtschaft bewußt und ich gestehe, daß ich keinem Bergbauer neidisch bin. Umso mehr bin ich dafür, Berglandwirtschaft zu fördern, zu bewahren und zu schützen – koste es was es wolle. Was ich meine ist, daß so mancher ihrer "Vertreter" in Bozen nicht umbedingt das Beste für sie sind/wollen.

Mo., 13.06.2022 - 23:02 Permalink
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Herta Abram Mi., 08.06.2022 - 14:32

Rotageder, Sie meinen eigentlich sind "Stadler", beim Wolfsthema disqualifiziert?
Gibt es außer dieser Killerphrase auch sonst noch Argumente? Oder bedingt ein vernünftiges Wolfsmanagement Ratten, Marder, usw. in der Stadt?

Mi., 08.06.2022 - 14:32 Permalink
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Herta Abram Fr., 10.06.2022 - 16:40

Antwort auf von rotaderga

https://www.salto.bz/de/article/14072021/ueber-die-illusion-vom-wolfsfr…
Anbei ein Lese- und Aufklärungslink -zur Realität. Natürlich steht es Ihnen frei, diese weiterhin zu negieren. Ich sag: Wie vorm Wolf geht die Bealmung oft nicht mehr. Wir werden mit Hüten beginnen müssen. Dazu braucht es nun gute Einfälle und Solidartät, - ein würdiges Ziel.

Fr., 10.06.2022 - 16:40 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Mi., 08.06.2022 - 22:20

Steht hier eigentlich italienisches Recht über europäischem Recht. Sieht europäisches Recht ein Management vor? Kann mir das von berufener Seite beantwortet werden?

Mi., 08.06.2022 - 22:20 Permalink
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Manfred Klotz Do., 09.06.2022 - 07:42

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

Grundsätzlich genießt EU-Recht prinzipiell Anwendungsvorrang gegenüber nationalem Recht (auch gegenüber dem nationalen Verfassungsrecht). Nach der so genannten Habitatsrichtlinie (EU 92/43/EEC) sind alle „absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung“ verboten. Ausnahmen sind jedoch möglich.
Die Tötung von Wölfen unter den strengen Ausnahmebestimmungen des Artikels 16 der Richtlinie soll aber nach wie vor nur das letzte Mittel darstellen.
Wenn ein einzelner Wolf TROTZ PRÄVENTIVER Maßnahmen, wie z.B. geeigneter elektrifizierter Herdenschutzzäune, Hütehunde sowie der Anwesenheit von Hirten, ernste wirtschaftliche Schäden, etwa an Weidevieh, verursacht hat oder aller Voraussicht nach verursachen wird, kann er unter den Voraussetzungen des Artikel 16 der Richtlinie entnommen werden. Es obliegt zunächst den zuständigen nationalen Behörden und Gerichten, zu entscheiden, ob die in Artikel 16 genannten Voraussetzungen für eine Entnahme DIESES Wolfs gegeben sind. Dabei müssen drei Voraussetzungen vorliegen: erstens muss ein in Artikel 16 genannter Entnahmegrund vorliegen, wie etwa der Schutz von Menschen und Weidetieren; zweitens darf keine andere zufriedenstellende Alternative existieren; drittens darf die Entnahme keinen negativen Einfluss auf den angestrebten günstigen Erhaltungszustand der Art haben.
Die Mitgliedsstaaten haben ebenfalls die Möglichkeit, Vorgaben für die Anwendung der europarechtlichen Bestimmungen an die zuständigen Behörden zu erteilen, etwa in Form gesetzlicher Regelungen oder im Rahmen von Leitfäden. Diese müssen jedoch in vollem Einklang mit den europäischen artenschutzrechtlichen Bestimmungen stehen sowie die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH vollständig berücksichtigen. Will heißen, auch hier steht EU-Recht über nationalem Recht. Der Europäische Gerichtshof hat im Oktober 2019 ein Urteil zum Abschuss von Wölfen gefällt das die strikten Auflagen bekräftigt. Demnach müssen Behörden zukünftig ein klares Ziel definieren und wissenschaftlich belegen, dass der Abschuss der Tiere diesem Ziel dient und dass es keine Alternativen gibt. Das bloße Vorliegen von Rissen reicht nicht aus.

Do., 09.06.2022 - 07:42 Permalink
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Peter Gasser Do., 09.06.2022 - 09:18

Antwort auf von Manfred Klotz

... das ist korrekt und richtig und bezieht sich auf den “Wolf”.
Wie aber ist die Situation bei Hybriden, also Mischlingen aus Wolf und Hund?
Diese sind eine Gefahr für den “günstigen Erhaltungszustand” der Population und der Art.
Verschiedene Autoren sprechen in aktuellen Studien in Italien von 20 - 50% Hybriden, manche gar schon nicht mehr von Wölfen, sondern von einem genetischen Hybridschwarm an Wolfshunden.
Auch in Südtirol gibt es dazu Untersuchungen.
Ob jemand über die diesbezüglichen Fakten informieren würde?

Do., 09.06.2022 - 09:18 Permalink
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Profil für Benutzer Klemens Riegler
Klemens Riegler Do., 16.06.2022 - 18:47

Wieviele Schafe, Ziegen & Rinder gibt es in Südtirol?
Wieviele Wölfe oder Hybride gibt es in Südtirol?
Wie hoch ist der finanzielle Schaden der von Mardern angerichtet wird und die Mechaniker freut?

Do., 16.06.2022 - 18:47 Permalink