Wirtschaft | Unternehmerempfang

"Sehr geehrter Herr Landeshauptmann..."

Beim heurigen Unternehmerempfang am Montagabend liefern sich Heiner Oberrauch und Landeshauptmann Arno Kompatscher einen politischen Schlagabtausch im europäischen Stil.
Heiner Oberrauch
Foto: Salto.bz

Heiner Oberrauch zückt beim Unternehmerempfang scharfe Worte, als er der Landesregierung und den anwesenden Unternehmerinnen und Unternehmern am Montagabend gegenübertritt. Herzstück der Kritik: die im Herbst 2021 beschlossene Erhöhung der Wertschöpfungssteuer für Betriebe IRAP von 2,68 auf 3,9 Prozent. Eine Anhebung, die - so der Präsident des Unternehmerverbandes - im Anbetracht der momentanen wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht nachvollziehbar sei. Man sei aber zuversichtlich, dass die Steuererhöhung wieder zurückgenommen werde, so die Einladung des Präsidenten; eine Einladung, die Landeshauptmann Arno Kompatscher mit Kopfschütteln, aber nicht ohne Zugeständnisse gradiert.

 

Freude schöner Götterfunken

 

Die Elite der Südtiroler Wirtschaft und Politik tummeln sich im Innenhof der Bozner Messe, als die aus Russland stammende Opernsängerin Oskana Lazareva zusammen mit der ukrainischen Violinistin Anna Vladimirovna Nenasheva und dem italienischen Pianisten Gianfranco Messina die Europahymne anstimmen: “Freude schöner Götterfunken…”, leiten sie die Rede des Präsidenten des Unternehmerverbandes, Heiner Oberrauch ein, der - von einem tiefblauen, mit goldenen Sternen besetzten Podest - sogleich den Krieg in der Ukraine und dessen wirtschaftliche und soziale Folgen anspricht: “Leider ist es nicht die Zeit, groß zu feiern.”, so Oberrauch. “In Europa gibt es Krieg. Aber auch hierzulande geraten immer mehr Familien und Unternehmen in Existenznot.”

 

So seien die Exportzahlen zwar im Steigen, rund ein Drittel der Südtiroler Unternehmen habe im Jahr 2021 aber eine negative Bilanz aufweisen müssen.

 

Im Kreuzfeuer der Kritik

 

Angesichts der wirtschaftlich schwierigen Situation, aber auch der Resilienz, die Südtirols Unternehmen seit Beginn der Pandemie unter Beweis stellten, hätte man sich von der Politik eine gewisse Anerkennung erwartet, so Oberrauch. Stattdessen, “sehr geehrter Landeshauptmann”, seien die Unternehmerinnen und Unternehmer durch die Anhebung des IRAP-Steuersatzes abgestraft worden. Und das in einer Zeit, in der die Wirtschaft mit Lieferengpässen, steigenden Energiepreisen und Fachkräftemangel kämpfe, der Landeshaushalt jedoch ein stetiges Wachstum erfahre. “Wir sind aber zuversichtlich”, so Oberrauch, “dass diese Erhöhung wieder zurückgenommen wird”, erklärt Oberrauch den Anwesenden, unter denen sich auch die Vertreter der Landesregierung gesellen.

 

Eine Zuversicht, der Kompatscher mit einigen Richtigstellungen und einem Versprechen antwortet: Der Landeshaushalt sei zwar, wie Oberrauch festgestellt habe, in den letzten Jahren gewachsen, dies sei aber nicht nur dem Wirtschaftswachstum, sondern vor allem den erfolgreichen Finanzverhandlungen mit Rom zuzuschreiben. Zudem habe es in all dieser Zeit keine einzige Steuererhöhung gegeben; die Diskrepanz zwischen dem Anstieg des pro Kopf verfügbaren Bruttoeinkommen (8% seit 2013) und dem Wachstum des Landeshaushalts (knapp 30%) könne also nicht auf eine gierige öffentliche Hand zurückgeführt werden. Im Gegenteil: mit den Mehreinnahmen habe man die Unternehmen während der Pandemie unterstützt.

 

Zugeständnisse mit klarem Ziel

 

Wenn jetzt die IRAP nach einem im italienischen Vergleich lange sehr niedrigen Steuersatz angehoben würde, so will die Landesregierung damit sicherstellen, einen ausgewogenen Haushalt führen zu können. Trotzdem sei man bereits dabei, die Maßnahme zu überarbeiten: für Investitionen, die den heutigen Herausforderungen in Europa antworten, wie jene in erneuerbare Energien, Umwelt- und Bodengesundheit oder Digitalisierung, sollen Absetzbeträge vorgesehen werden. Mit dieser Maßnahme könnten tugendhafte Unternehmen sogar unter den vorherigen Steuersatz gelangen, so Kompatscher.

 

Der Landeshauptmann zeigt diesbezüglich sich erfreut, dass viele Südtiroler Unternehmen, die Chance, die in der Herausforderung des Klimawandels steckt, bereits ergriffen hätten. Er nehme die zuvor ausgesprochene Einladung der Wirtschaftsvertreter, einen gemeinsamen, europäischen Weg in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen, also gerne an. Diese setze jedoch mutige Entscheidungen voraus, die kurzfristig auch wehtun werden.

Oberrauch selbst, der zuvor einen schlanke Staaten und lokale Verwaltungen als Voraussetzung für Investitionen in den ökologischen Umbau beschwört hatte, konnte sich nach den Worten des Landeshauptmanns nur ein gequältes Lächeln abringen: “Ja wir arbeiten gerne zusammen”, so der Präsident des Unternehmerverbandes. Man dürfe aber keine komplizierten Wege gehen: vor allem im Bezug auf die Steuerpolitik hätten sich einfache Senkungen bewährt.

 

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Dietmar Nußbaumer Di., 14.06.2022 - 21:29

Arme SVP. Sie macht es den Unternehmern nicht recht, nicht dem HGV, nicht den Bauern und den Arbeitnehmern sowieso nicht. Vielleicht sollte die Partei mal sagen, was Sache ist: Dieser Staat ist seit Jahrzehnten pleite.

Di., 14.06.2022 - 21:29 Permalink
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Klemens Riegler Di., 14.06.2022 - 23:16

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

Die arme SVP muss es nicht allen recht machen. Hier geht es um die Landesregierung. Und die sollte es zumindest so vielen wie möglich RECHT machen und dabei die Zukunft nicht außer acht lassen.
Und was die Pleite-Staaten betrifft: WIR SIND STAAT und wir haben immer noch mehr Geld als der Staat Schulden hat. (Nicht nachdenken was das bedeutet!) Vor 20 Jahren hatten die ItalienerInnen sogar doppelt so viel Besitz und Geld als der Staat Schulden hatte. Heute ist es nur mehr gut 15% mehr als der Schuldenberg. Die Piefke & Innen waren vor 20 Jahren sogar ärmer als die ItakerInnen. Heute sind sie allerdings gleich "arm" oder "reich" wie damals ... trotz Bazuka !

Di., 14.06.2022 - 23:16 Permalink
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△rtim post Di., 14.06.2022 - 21:37

Der Südtiroler Unternehmerverband sollte sich wohl eher mal fragen: Kann so ein Präsident weiterhin glaubhaft den Verband vertreten, insbesondere, wenn jemand der öffentlichen Verwaltung ständig Ratschläge über das Sparen gibt, aber gleichzeit derart zum Nachteil des Gemeinwesens agiert (Sondermüll-Masken-Skandal in Österreich und Südtirol)?

Di., 14.06.2022 - 21:37 Permalink
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Klemens Riegler Di., 14.06.2022 - 23:28

Antwort auf von △rtim post

So ein Präsident ist mir immer noch lieber als ein gewissenloser Wirtschaftsbonzen, dem der Blick für das Ganze und für die Zukunft fehlt.
Außerdem schätze ich die Lage um den Masken-Skandal etwas anders ein ... oder sogar genau diametral gegenüber: Es war m.M.n zum Vorteil für das Gemeinwesen dass jemand in dieser Notsituation Masken und Schutzmaterial organisieren konnte. Dass das Material nicht allen Normen entsprochen hat ist Pech aber auch nicht der Weltuntergang. Glaubt wirklich jemand, dass jede FFB2-Maske aus dem Supermarkt einen Test bestehen würde? Wobei ich in den zwei Jahren keinen einzigen Menschen gesehen habe, der eine FFB2 überhaupt richtig getragen hat. P.s. ich war aber auch nicht auf der Covid-Station eines KH´s

Di., 14.06.2022 - 23:28 Permalink
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Günther Alois … Mi., 15.06.2022 - 08:21

Wetten: kurz vor den kommenden Landtagswahlen 2023 wird die IRAP gesenkt,um wieviel????? So lange wird diese Angelegenheit von der SVP, wahrscheinlich bewusst hinausgezogen! Stimmenfang für die Dummen?

Mi., 15.06.2022 - 08:21 Permalink
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Herta Abram Mi., 15.06.2022 - 08:31

Zur Wirtschaftwachstumvorstellung:Uns als Gesellschaft muss klar werden, dass wir (wieder) lernen müssen, dass es auch mal ab- oder rückwärts geht – oder es Stagnation gibt. Wir müssen lernen mit "Verlusten" umzugehen. Das Versprechen des moderne Kapitalismus,
vom "Mehr" und "Besser" ist brüchig geworden....
Die Frage ist, ob eine Politik denkbar ist, die nicht mehr auf dem klassischen Fortschrittsversprechen basiert und eine Art Verlustmanagement leisten kann? Dazu muss uns ganz klar sein, dass Populismuspolitik/erInnen, dies nicht können!
Ich denke, Arno Kompatscher's Politik ist eher die der Prävention, Risikokalkulation und Weiterentwicklung. Und das ist ein guter Weg.

Mi., 15.06.2022 - 08:31 Permalink
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Martin Sitzmann Mi., 15.06.2022 - 13:05

Tja, und schon knickt man wieder ein vor den Lobbys... jaja, die Wahlen 2023 werfen einen langen Schatten voraus.
Wir alle, die gesamte Gesellschaft, wird die Trauerarbeit leisten müssen, dass wir den Zenit überschritten haben. WENIGER ist das neue Motto, das sich am Horizont abzeichnet. Aber noch winden sich die Wachstumsgläubigen wie die Fische auf dem Trockenen, wenn sie "weniger" hören.
Wie soll mit weniger erwerbstätigen Menschen ein Mehr an BIP erwirtschaftet werden? Die Produktivität lässt sich nicht beliebig steigern. Wenn die Zitrone ausgepresst ist, kommt kein Saft mehr heraus.
Wir müssen lernen, weniger Welt zu verbrauchen.

Mi., 15.06.2022 - 13:05 Permalink