Wirtschaft | Interview

„Neues Handeln unabdingbar“

Angesichts Fachkräftemangel und Klimawandel setzt Patrick Jageregger auf frische Produkte aus der Region. Er ist der neue Präsident des Südtiroler Köcheverbandes.
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Foto: SKV
Patrick Jageregger wurde am 20. Juni vom Vorstand des Südtiroler Köcheverbandes (SKV) einstimmig zum neuen Präsidenten gewählt. Er ist der Nachfolger von Reinhard Steger, der für mehr als 20 Jahre das Amt innehatte. Jageregger ist Lehrkraft für Kochen, Fachbereichsleiter Küche und Koordinator der Küchenmeisterausbildung an der Landesberufsschule für das Gast- und Nahrungsmittelgewerbe „Emma Hellenstainer“ in Brixen.
Gerade deshalb ist es ungemein wichtig, den Kochberuf innovativ, zukunftsorientiert und modern weiterzuentwickeln und in der Gesellschaft zu positionieren.
salto.bz: Herr Jageregger, welche Aufgaben übernehmen Sie als Präsident des Südtiroler Köcheverbandes?
 
Patrick Jageregger: Die Aufgabe des Präsidenten ist es, Sprachrohr für den Kochberuf in Südtirol zu sein, den Verband und die Interessen seiner Mitglieder nach innen und nach außen zu vertreten, die Qualität der Aus– und Weiterbildung zu optimieren, zu fördern und weiterzuentwickeln. Und das so wichtige Berufsbild der Köchin, des Kochs in der Öffentlichkeit noch besser zu verankern.
 
Gibt es auch bei den Köch:innen einen Fachkräftemangel?
 
Wie in der gesamten Wirtschaft gibt es auch hier einen Fachkräftemangel. Gerade deshalb ist es ungemein wichtig, den Kochberuf innovativ, zukunftsorientiert und modern weiterzuentwickeln und in der Gesellschaft zu positionieren. Die gesamte Gesellschaft befindet sich in einem Wertewandel. Diesem müssen wir gemeinsam in der Aus- und Weiterbildung, an den Schulen, am Arbeitsplatz, in der Lehre und in den eigenen Köpfen Rechnung tragen. In vielen Bereichen ist ein neues Denken und Handeln unabdingbar, damit wir auch in Zukunft viele Menschen für den Kochberuf begeistern können.
 
 
Wie wollen Sie die Frischeküche in Südtirol weiterentwickeln?
 
Ich bin ein Fan der Südtiroler Produkte und des saisonalen Kochens. Die Südtiroler Landwirtschaft hat so viele, wunderbare Produkte zu bieten. Hier gilt es – und auch das wird mein großes Bestreben sein – den Fokus immer wieder auf den eigenen Boden, auf die eigenen Produkte zu lenken und junge Menschen dafür zu sensibilisieren. Denn ansonsten werden diese sehr schnell vergessen. Es gibt nichts Besseres und Gesünderes als mit frischen Produkten zu kochen, daraus Speisen zuzubereiten und die Leidenschaft und Geschmackserlebnisse im Gaumen erlebbar zu machen. Diese Genuss-Botschaften versuche ich, gezielt zu transportieren und zu kommunizieren.
Die Menschen interessieren sich viel mehr für gesunde Lebensmittel und einen gesunden Lebensstil.
Laut dem Weltklimarat verursachten von 2007 bis 2016 die Land- und Forstwirtschaft und das gesamte Ernährungssystem 23 Prozent der menschengemachten Treibhausgase. Wie können Köch:innen hier einen Beitrag zum Klimaschutz leisten?
 
Dies ist leider eine erschreckende Tatsache. Ich bin davon überzeugt, wenn wir den Gedanken der Nachhaltigkeit, der Regionalität und Saisonalität noch viel besser und gezielter umsetzen, können wir einen kleinen Beitrag zur Besserung leisten.
Über die eigenen Verbandsmedien wird dieses Thema bevorzugt behandelt. Wir zeigen laufend Ansätze auf, wo jede einzelne Köchin, jeder einzelne Koch tagtäglich einen Beitrag leisten kann. Wie z.B. bei der Einsparung von Trinkwasser oder der Reduzierung von Plastik, wie z.B. Klarsichtfolie. Mit einer saisonalen Frischeküche tragen wir Sorge dafür, dass die Kreisläufe klein und begrenzt bleiben. Es muss nicht immer zu jeder Jahreszeit alles auf den Tisch kommen. Was die Ernährung anbelangt, hat es in den Köpfen vieler Menschen in den letzten Jahren ein Neudenken gegeben. Die Menschen interessieren sich viel mehr für gesunde Lebensmittel und einen gesunden Lebensstil. Wir als Südtiroler Köchinnen und Köche sind angehalten, die Gesellschaft und unsere Gäste dahingehend stark zu sensibilisieren, hier starke Akzente zu setzen und die Südtiroler Gesellschaft und den Tourismus dahingehend auch nachhaltig zu erziehen.
 
Was sind aus Ihren Augen die schönen und was die belastenden Seiten beim Beruf des Kochs bzw. der Köchin?
 
Zu den schönsten Seiten zählt sicherlich die Verarbeitung von frischen Lebensmitteln. Daraus etwas Köstliches zu zaubern und die Südtiroler:innen und unsere Gäste damit zu verwöhnen. Ja, zu begeistern. Es gibt nichts schöneres, als durch Speisen und ihr besonderes Aroma, Kindheitserinnerungen bei unseren Gästen zu wecken. Ganz nach dem Motto ‚Heute ist ein guter Tag, Menschen glücklich zu machen‘.
Belastend sind sicherlich die sehr, sehr hohen Erwartungshaltungen, die besonderen Arbeitszeiten und die Ungeduld vieler Gäste. Dadurch entstehen ständiger Druck und nicht immer angenehme Stresssituationen.
 
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Laurin Kofler Di., 28.06.2022 - 09:47

Gefühlt wird in fast jedem Hotel oder Gastbetrieb Essen aus saisonalen und regionalen Produkten aufgetischt. Wenn ich aber so durch Südtirol fahre, sehe ich außer Äpfel und Wein relativ wenige andere Gemüse- und Obstsorten. Und wenn, dann in recht bescheidenen Mengen.

Di., 28.06.2022 - 09:47 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 29.06.2022 - 17:22

Antwort auf von Laurin Kofler

Je mehr die Einheimischen regionale Produkte kaufen, um so mehr wird auch angebaut. So lange aber zum Beispiel in den Südtiroler Krankenhäusern und in den meisten öffentlichen Mensen ausschließlich italienische Produkte von oft zweifelhafter Quaität verarbeitet werden, besteht wenig Aussicht auf Besserung.

Mi., 29.06.2022 - 17:22 Permalink
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Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Mi., 29.06.2022 - 22:25

Antwort auf von Stefan S

Das mit den "pösen pösen" Italienern ist ausschließlich ihre Idee. Ich finde die Italiener im Gegensatz zu ihnen nicht böse. Ich sehe aber nicht ein, warum ich in Brixen im Krankenhaus ausschließlich Milchprodukte aus Mittelitalien bekomme (dort wird es vermutlich nur Produkte aus Deutschland geben, was ebenso oder noch mehr unsinnig ist), wo wir in Südtirol doch eine Menge Milch und Käse produzieren. Mir geht es um die Regionalität, die kurze Lieferwege garantiert und damit umweltfreundlich ist. Das gilt für ihre Mensa in Deutschland, mit der sie anscheinend eine schlechte Erfahrung gemacht haben, ebenso wie für das Krankenhausessen in Südtirol oder in Italien.

Mi., 29.06.2022 - 22:25 Permalink