Umwelt | Kommentar

Schwitzen statt denken

Viele intelligente Menschen wissen, was in der Klimakrise zu tun wäre. Doch die auf Ausbeutung basierte Dienstleistungsgesellschaft hindert uns daran.
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Foto: Pixabay
Wenn ich Ihnen sagen würde, dass das Problem an der Klimakrise die Bürojobs sind, dann würden Sie wahrscheinlich denken, dass ich zusammenhangloses Zeug von mir gebe. Noch dazu habe ich selbst als Journalistin einen Bürojob.
Aber alles von Anfang an. Gegen 7:30 Uhr früh muss ich für gewöhnlich zum Bahnhof und ärgere mich wie so viele über den Morgenverkehr. Viele Personen sitzen auf dem Weg in die Arbeit in einem Pkw mit vier Sitzen alleine. Das ist leider die Regel, Autos werden oft von nur einer Person benutzt. Der Ressourcenverbrauch und die Treibhausgasemissionen für die Fortbewegung einer Person sind dabei unverhältnismäßig groß.
Einer der Gründe, wieso Menschen gerne mit dem Auto zur Arbeit fahren, sind das Verhindern von Schweißflecken und eine gutsitzende Frisur. Beides ist beim Radfahren nicht garantiert. Ein gepflegtes Äußeres ist eine der Voraussetzungen für eine Position in einem mehr oder weniger wichtigen Büro mit einer mehr oder weniger wichtigen Aufgabe.
Solange Länder des globalen Nordens, wie Italien, Deutschland oder die USA, beim Klimaschutz keine wirksamen Fortschritte erbringen, sind Länder wie Indien wenig motiviert, selbst klimafreundlicher zu werden.
Erhält ein junger Mensch nach seinem mühsam erbrachten Studienabschluss den heiß ersehnten Job (im Idealfall kein Praktikum und unbefristet) in einem Büro, ist er stolz auf seine Position. Project Manager. Data Analyst. Referentin für Migration. Nachhaltigkeitsredakteur. Steuerberaterin. You name it.
 
 
Da sitzen wir in unseren Büros und schreiben über die aktuellen Herausforderungen unserer Zeit. Immer öfter wird dabei auch zurecht die globale Erderwärmung genannt. Wir schreiben von sozial-ökologischer Transformation, partizipativer Demokratie und ja sogar von Klimagerechtigkeit. Wenn von Klimagerechtigkeit die Rede ist, dann sind nicht nur die jungen Generationen gemeint, sondern auch Menschen, oft im globalen Süden, die unter den steigenden Temperaturen und Wetterextremen bereits jetzt leiden, aber im Vergleich zu anderen sehr wenig Treibhausgase ausgestoßen haben.
Gleichzeitig gibt es viele Minderheiten, die sich in allen Ländern dieser Welt für mehr Klimaschutz, für den Erhalt der Biodiversität und für die Menschenrechte einsetzen.
Haben sie ein Recht auf Asyl in Europa, weil sie Klimaflüchtlinge sind? Haben ihre Länder ein Recht auf Kohleabbau und Wirtschaftswachstum trotz Klimakrise? Eines ist klar: Solange Länder des globalen Nordens, wie Italien, Deutschland oder die USA, beim Klimaschutz keine wirksamen Fortschritte erbringen, sind Länder wie Indien wenig motiviert, selbst klimafreundlicher zu werden.
Solange wohlhabende Länder mittels gut finanzierter Werbekampagnen großer Konzerne im Konsum das Glück versprechen, glauben viele Menschen das – egal ob sie in Afrika, Asien, Australien, Amerika oder Europa leben. Gleichzeitig gibt es viele Minderheiten, die sich in allen Ländern dieser Welt für mehr Klimaschutz, für den Erhalt der Biodiversität und für die Menschenrechte einsetzen. Aber wir sind noch zu wenig. Und vielleicht auch zu feige.
Greta Thunberg streikte im Sommer 2018 zum ersten Mal vor dem schwedischen Parlament. Seitdem hat Fridays for Future die Klimakrise in die Schlagzeilen gebracht. Nachhaltigkeit ist nun das Wort der Stunde. Viele Unternehmen sowie Politiker:innen nutzen die Gelegenheit, Green Washing zu betreiben. Was uns fehlt, ist Mut für Neues. Ich weiß, diesen Satz kennen Sie schon. Aber neu ist nicht gleich nachhaltig, oder?
Die meisten Nachhaltigkeitsexpert:innen sind sich einig, dass Klimaneutralität nur durch das Einsparen von Ressourcen möglich ist – weniger Massentierhaltung, weniger Kleidung, weniger Autos, weniger CO2. In einer Dienstleistungsgesellschaft, die es gewohnt ist, Produkte aus allen Ländern dieser Welt im Supermarkt zu kaufen und ungebremst von einem Ort zum anderen zu gelangen, klingt diese Ansage verständlicherweise wenig attraktiv.
Regionale Wirtschaftskreisläufe brauchen Menschen, die nicht nur im Fitnessstudio oder in der Sauna schwitzen wollen.
Leider stimme ich den Nachhaltigkeitsexpert:innen zu. Aber ich denke, wir sollten einen noch zu wenig beleuchteten Aspekt betrachten: unsere Jobs. Durch Arbeit wird Wertschöpfung kreiert, als Dankeschön erhalten wir einen Gehalt pro Monat. Bürojobs erzeugen Wissen, es werden Produktionsmengen in Auftrag gegeben, Workshops organisiert, wichtige Excel-Tabellen erstellt, Artikel geschrieben. Mit Bürojobs verwalten, kommentieren und analysieren Menschen die globalisierte Welt und damit auch die Klimakrise. Gelöst wird sie dadurch leider nicht.
 
 
Wollen wir Treibhausgase senken, müssen wir Transportwege kürzen und Energie auch in Produktionsprozessen einsparen. Regionale Wirtschaftskreisläufe brauchen Bäuer:innen, Schneider:innen, Frisör:innen und Mechaniker:innen. Sie brauchen Menschen, die nicht nur im Fitnessstudio oder in der Sauna schwitzen wollen.
Ein Studienabschluss kann, muss aber nicht notwendig sein, um als Mensch, eine nachhaltige Tätigkeit auszuüben. Die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich weniger Treibhausgase zu produzieren, ist bei einem Job außerhalb eines Büros sogar wahrscheinlicher. Schließlich verbrauchen wir mit Bildschirmen und Internet ein beträchtliches Maß an Energie. Wer beispielsweise in der Landwirtschaft tätig ist, speichert beim Setzen von Pflanzen sogar CO2.
Deshalb weg von den Hörsälen, hinein ins Feld, in die Küche oder in die effiziente, intelligent gebaute und menschenfreundliche Fabrik! Damit meine ich auch meine Wenigkeit, wenngleich meine berufliche Karriere noch nicht festgelegt ist. Nebenbei würde uns eine klimafreundliche Bildungspolitik vielleicht ein wenig die Angst nehmen, keine Spitzenposition in unserer ausdifferenzierten Dienstleistungsgesellschaft zu finden. Das heißt nicht, dass alle Bürojobs sinnlos sind – aber es sind zu viele!
 
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Josef Fulterer Di., 28.06.2022 - 21:26

Fra il dire e il fare, cè il mare. ... sagen die Italiener.
Seit über 40 Jahre warnen die Wissenschaftler vor der Klimakrise. Die Politiker zelebrieren seither sehr großspurig ihre jährliche Klimakonferenzen, aber außer vollmundigen Beteuerungen, haben sie mit dem Blick auf die nächsten Wahlen, die erforderlichen wirksamen Beschlüsse nicht zustande gebracht.

Di., 28.06.2022 - 21:26 Permalink
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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Mi., 29.06.2022 - 22:52

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

Die kleinen Kreislaufe werden leider nicht genügen um die Klimakrise abzuwenden.
Da muss den Politikern schon deutlich mehr einfallen, als die mehr als fragliche Suventionierung der Tonnen-schweren E-Karossen und der sinnvolle Ausbau des Nahverkehrs mit Bussen:
- Der Einsatz der fossilen Brennstoffe muss Welt-weit auf die Mengen zurück gefahren werden, die vor 50 Jahren verbraucht wurden.
- Den überegionalen Reiseverkehr muss die Eisenbahn übernehmen.
- Der überregionale Frachtverkehr muss auch zur Eisenbahn. Die Frächter können die Verteilung von den voraussichtlich in Südtirol notwendigen 2 Container-Bahnhöfen übernehmen.
- Beim Flugverkehr ist endlich der Treibstoff und der CO2-Ausstoß zu besteuern! Der Bau und der Betrieb der Flughäfen ist den Benützern anzulasten.
- Die Strom-fressende Klimatisierung der Glas-Kisten-Architektur muss so hoch versteuert werden, dass die Besitzer den Spass an diesem architektonischen Schwachsinn verlieren.
- Gleiches gilt auch für die aufgeblähten 4 + 5 Sterne-Hotels, mit ihren verrückten Wellness-Lanschaften und Hallenschwimmbädern mit Außenbereich.
- Der kindischen Sucht zu überhöhten Treibstoff-fressenden Geschwindigkeiten und der verrückten Rennfahrerei, könnte mit einer progressiven Steuer auf die Fahrzeuge abgeholfen werden. z.B. Geschwindigkeiten über 100 Km/h Nennleistung, je 10 Km/h + 50 %.

Mi., 29.06.2022 - 22:52 Permalink
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Hei Cos Sa., 02.07.2022 - 10:21

Antwort auf von Josef Fulterer

Von Fulterer (Peter?!) - wie oft - weise Worte und für (vielzu-)viele allzu schwerwiegemde Inhalte, - besonders für uns, von Opulenz geblendeten gutverdienenden Bürger der "ersten Welt".
Zusätzlich zu den vorherigen, ganz richtig durchzusetzen Maßnahmen:
"Wir", - die wirklich bewussteren und auch tatsächlich nachhaltig lebende Menschen -, müss(t)en uns besser vernetzen und mit bewussteren (?) Politiker wirksamer zusammen arbeiten!
"Wir" sollten auch von unserem 'Elfenbeinturm' runtersteigen...!?)
Damit viele der wirklich nachhaltig wirksamen Maßnahmen auch in ihrer ausschlaggebenden Tragweite von den übrigen, willigen Mitbürgern verstanden und umgesetzt werden!
Aber gibt es sie...?!?
Unser sog. aufgeschlossenes Bildungssystem hätte auch eine riesige, vielversprechende Rolle zu spielen. Auch hier: Gibt es die wirklich weitsichtigen Akteure (Bildungspoliker, Schulfuhrungskrafte und nicht zuletzt die dazu bereiten Lehrkräfte...)?!?
Ich befürchte, - alles zusammengenommen -, die meisten Mitbürger denken eher: Solange es möglich ist lasse ich es mir gut gehen, - danach die Sintflut!
Sind die meisten von uns Wohlgenährten wirklich so 'DEKADENT', dass uns die 'wahrscheinlich apokalyptische Zukunft' unserer Kinder und Enkel so gleichgültig lässt?!?
Bitte keine Ausrede mit unserer so einfach auszusprechen 'Ohnmächtigkeit', denn jeder von uns kann in seinem kleinen Wirkungsumfeld was Entscheidendes umsetzen! Ich - z
B. - habe auf mein Auto verzichtet und bin noch nie mit einem Fernflug in die Ferien geflogen, - nur um einige persönliche Maßnahmen zu erwähnen.
Übrigens: 'Wir' müssen unsere nachhaltige Lebensweisen "hoffähiger" machen (d.h., sie nicht nur als eine schwere Last/Bürde bewerten, sondern als der einzige Ausweg erkenn, - aus der sich immer schneller auswirkenden Klimakatastrophe!), damit auch möglichst viele der jungen Generation solche Lebensweisen als 'erstrebenswert' (cool, geil...) ansehen und auch tatsächlich und möglichst schnell (!) in ihrem Alltag umsetzen.
Denn nur wir 'vier Hansln' können es nicht schaffen!
Also: Auf geht's!

Sa., 02.07.2022 - 10:21 Permalink
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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer So., 03.07.2022 - 07:05

Antwort auf von Hei Cos

Die Einsicht und das konsequente Verhalten von möglichst vielen jungen Menschen, zur Abwendung der Klimakrise ist lobenswert. Es wird aber nicht reichen, um die Klima-Kipppunkte abzuwenden, die große Flächen der Erde mit landwirtschaftlicher Produktion zu Wüsten machen, in denen auch das Wohnen nur mehr unter erschwerten Bedingungen möglich ist. (Sahara, Wüsten in Australien, Nordsibirien, Antarktis ...)
Die Politker sind gefordert, sich nicht weiterhin von den großen Konzernen steuern zu lassen!!! und endlich:
- bei der Flugindustrie die Steuern auf den Treibstoff einführen und die vollen Kosten der Fluplätze anlasten, sowie CO2 Belastung angemessen auf zu rechnen
- der Bundesdeutsche Jubelschrei der Autoindustrie, "Freie Fahrt für freie Bürger!", ist einem Geschwindigkeitslimit von maximal 100 km/h zu bremsen und mit einer progressiven Steuer für den Ankauf, sowie den Betrieb zu belasten (z.B. ab 100 km/h Nennleistung, je 10 km/h + 50 % Steuer)
- der überverglasten Architektur sind die verursachten CO2 Belastungen anzulasten
- Gleiches gilt auch für die Krebs-artig wuchernden 4+ 5 *Sterne Hotels, mit ihren überheizten Wellnesanlagen und den Hallenschwimmbädern bis in den Außenbereich
- der überregionale Reise- und der Frachtverkehr muss zurück zur Eisenbahn verlagert werden
- dem Welt-weiten Herumkarren von Waren sind die vollen CO2-Belastungen aufzurechen

So., 03.07.2022 - 07:05 Permalink