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Messners Mission

Reinhold Messner bastelt an gleich drei Museums-Projekten – und findet scharfe Worte für sein Heimatland: “Südtirol ist ein Land der Neider und Kleingeister.”
MMM Dolomites
Foto: Nicole Windegger

“Das ist geheim – und bleibt geheim.” Reinhold Messner verliert kaum ein Wort über das Vorhaben. Der Südtiroler Extrembergsteiger ist dabei, sich zu einer weiteren Expedition aufzumachen. Oder, besser, zu einer Expansion. Die führt ihn weit über den Brenner hinaus. Nach Nepal. Und nach Nordtirol. Doch auch in seiner Heimatprovinz ist der gebürtige Villnößer rührig unterwegs. Konkret im Hochpustertal. Messners Mission ist dabei immer dieselbe: neue Museen errichten – und das fördern, was er in Südtirol bis heute schmählich vermisst. “Wir müssen viel mehr in Kulturtourismus investieren, nicht nur in Halli Galli irgendwo auf einer Berghütte”, sagt der 77-Jährige nicht ohne Ärger in der Stimme.

 

Von Innsbruck nach Sexten

 

Der prominente Besuch ist in Innsbruck nicht unbemerkt geblieben. Vor einigen Wochen weilte Reinhold Messner in der Tiroler Landeshauptstadt. Ein Besuch beim scheidenden Landeshauptmann Günther Platter stand an. “Ich habe mich angeboten, eine Idee an Herrn Platter weiterzugeben”, bestätigt Messner einen Bericht der Tiroler Tageszeitung. Mit dabei waren der Tiroler Alpinist Wolfgang Nairz und der Präsident des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) Andreas Ermacora. Die Idee, von der Messner spricht: ein Alpenmuseum in Innsbruck. Den Standort habe man bereits ausgemacht: “In einer bestimmten Struktur, die aktuell leer steht.” Platter sei “ganz begeistert” gewesen, so Messner. Jetzt bleibe abzuwarten, ob der neue Landeshauptmann – in Tirol finden am 25. September 2022 vorgezogene Landtagswahlen statt – die Idee aufgreife oder nicht. So neu sind die Pläne nicht: Bereits zur Jahrtausendwende gab es in Innsbruck weit gediehen Pläne für ein “Haus der Alpen”, mit ähnlicher Zielrichtung – ein Wunschprojekt des damaligen Tiroler Landeshauptmannes Herwig van Staa. Verwirklicht wurde es nie. Er selbst werde das künftige Museum, so es entstehen sollte, nicht führen oder gar in das Messner Mountain Museum (MMM) eingliedern, sondern einzig bei Konzept und Umsetzung helfen, stellt Reinhold Messner klar. Mehr Details will er partout nicht verraten. “Das in Innsbruck ist und bleibt geheim.” 

In einen ähnlichen Mantel des Schweigens hüllen Messner und das MMM-Team ein weiteres Projekt, das der Extrembergsteiger und Museumsmacher in Sexten plant. In der Bergstation der mittlerweile stillgelegten Helm-Seilbahn hat Messner einen neuen Standort für das MMM ausgemacht. Seit 2017 führt Tochter Magdalena das Kulturunternehmen Messner Mountain Museum GmbH. Heute gehören sechs Strukturen dazu: fünf in Südtirol, eines auf dem Monte Rite in den Belluneser Dolomiten. Die sechs Häuser beschäftigen sich mit der Haltung und Beziehung Mensch-Berg. Geführt werden sie alle ohne öffentliche Subventionen oder Beiträge – “was es während der Pandemie nicht leicht gemacht hat, aber wir haben es geschafft”, berichtet Messner.

 

Im “Dolomites” am 2.181 Meter hohen Monte Rite in der Nachbarprovinz Belluno geht es um das Thema Fels(klettern) und Dolomiten. Eröffnet wurde es 2002. Es war das zweite MMM-Haus. Als solches sind seine Stunden zwanzig Jahre später gezählt. Das Dolomiten-Museum werde aus der MMM-Struktur herausgenommen und in die Messner Mountain Heritage eingegliedert, verriet Reinhold Messner jüngst der Leserschaft der Berliner Zeitung. Messner Mountain Heritage ist ein Start-Up-Unternehmen, das Messner mit seiner Ehefrau Diane Schumacher gegründet hat und weltweit Bergmuseen unterstützt. Der Standort Monte Rite habe sich über die Jahre als zu unattraktiv entpuppt, weil zu abgelegen, berichtete das Wochenmagazin ff schon im Juni 2020. Das Fels-Museum soll nach Sexten umziehen. So Messners Plan, von dem er damals aber sagte, dass man in Bozen wenig halte: “Das Kuenzer-Ressort soll Nein gesagt haben.” Die für Raumordnung zuständige Landesrätin widerspricht Messner nun vehement.

 

Kein Nein und eine Lösung

 

Ja, es stimmt, bestätigt der Bürgermeister von Sexten, Thomas Summerer, die Nachricht, die man auf Nachfrage von salto.bz im MMM nicht weiter kommentieren will: “Reinhold Messner möchte an der alten Bergstation der Helm-Seilbahn ein Museum realisieren.” Und zwar gemeinsam mit der Drei Zinnen AG, die das Skigebiet 3 Zinnen Dolomiten betreibt und der das Gebäude gehört. Die Helm-Seilbahn war von 1981 bis zur Sommersaison 2020 in Betrieb. Heute führt eine neue 10er-Kabinenbahn auf einer neuen Trasse auf den beliebten Aussichtsberg.

Die Gemeinde Sexten sei 2020 mit dem Ansinnen an sie herangetreten, das Gebäude der stillgelegten Helm-Seilbahn auf 2.000 Metern Meereshöhe als museale Einrichtung neu zu nutzen, erinnert sich Urbanistik-Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer im Gespräch mit salto.bz. So einfach sei das aber nicht, denn “vorgesehen war, dass im Zuge des Baus der neuen Bahn die alte, nicht mehr genutzte Bergstation abgetragen wird”. Eine Möglichkeit, um den Abriss abzuwenden, wäre gewesen, das Gebäude in die Liste der technischen Kulturgüter aufzunehmen. “Wir haben ein Gutachten in Auftrag gegeben”, erinnert sich die Landesrätin, “mit dem Resultat, dass das Gebäude für den Denkmalschutz nicht alt genug ist”. Dass sie bzw. ihr Ressort gegen ein Museum am Helm sei, wie von Reinhold Messner in den Raum gestellt, weist Hochgruber Kuenzer kategorisch von sich: “Wir haben nicht Nein gesagt. Wir haben nach Lösungen gesucht.

 

Gelöst hat die Sache am Ende die Gemeinde Sexten. Mit einer Bauleitplanänderung. Das Verfahren sei noch von der Verwaltung seines Vorgängers Fritz Egarter eingeleitet worden, präzisiert Thomas Summerer, der im Oktober 2020 zum Bürgermeister gewählt wurde. Die Gemeinde hat die Fläche, auf der die alte Bergstation steht, in eine Zone für öffentliche Einrichtungen umgewidmet. Damit sind die urbanistischen Voraussetzungen geschaffen, um den Bau zu erhalten und in ein Museum umzuwandeln. Erste Gespräche mit Messner und der Drei Zinnen AG habe es bereits gegeben, verrät der Bürgermeister. “Das Projekt selbst liegt uns noch nicht vor. Wir gehen davon aus, dass es demnächst in die Gemeindekommission für Raum und Landschaft kommt.”

 

Die Dolomiten ziehen um

 

In Sexten – und auch in Bozen – bewertet man Messners Vorhaben durchwegs positiv. Sexten sei geradezu prädestiniert für ein Dolomiten-Museum, sagen Bürgermeister und Landesrätin unisono. “Das Interesse an so einem Museum ist auf Südtiroler Territorium wohl größer als am Monte Rite”, vermutet Maria Hochgruber Kuenzer. Auch die Option, bereits bestehende Bausubstanz zu nutzen, trifft auf Zustimmung. “Es ist vernünftig, das Gebäude einer nachhaltigen Nachnutzung zuzuführen anstatt ein neues zu bauen”, so Thomas Summerer. “Die Frage, ob ein Museum auf den Berg muss, ist ein Argument – ein anderes ist, dass die graue Energie ja bereits verbraucht ist; außerdem bleiben die unterirdischen Garagen für Pistenfahrzeuge an der alten Bergstation ohnehin erhalten”, wägt Maria Hochgruber Kuenzer ab. 

Reinhold Messner jedenfalls passt der Umzug des Dolomiten-Museums vom Belluno nach Sexten optimal ins Konzept. Zu ff meinte er 2020, dass Luis Durnwalder – mit dem Alt-Landeshauptmann ist Messner bekanntlich gut befreundet – ihm einmal gesagt gesagt habe: “Messner-Museen gehören nach Südtirol, nur nach Südtirol.” Diesen Auftrag sieht er mit der “Heimholung” aller MMM-Strukturen erfüllt. “Dann ist das Ganze perfekt”, meint Messner Ende voriger Woche zu salto.bz. Doch er verfolgt noch ein Ziel – dasselbe wie tausende Kilometer entfernt: mehr Verständnis für den Berg und eine touristische Nutzung seiner Kultur(en) zu etablieren. “Denn das ist, was uns fehlt.”

 

Von der Kultivierung Südtirols

 

Im Himalaya-Gebirge bastelt Reinhold Messner derzeit an einem weiteren Museum – über das er viel bereitwilliger spricht als über die beiden in Nord- und Südtirol. In Nepal entsteht das “Sherpa Himal”, ein Museum, das den Sherpas gewidmet ist. Das Bergvolk besiedelte um 1500 von Tibet aus den Süden des Himalaya. “Sherpa Himal” wird mithilfe der Messner Mountain Heritage gebaut. “Ich hoffe, es gelingt uns, das Museum im Laufe des nächsten Jahres fertig zu stellen. Es soll am Ende den Sherpas gehören, den Menschen, die dort leben und die ihren Gästen auch die Möglichkeit geben sollen, die kulturellen Hintergründe zu verstehen”, so Messner. Das liege ihm am Herzen, denn “Alpinismus ist eben nicht nur Sport. Als solcher wird er verstanden von Leuten, die keine hintergründige Ahnung haben. Alpinismus ist eine kulturelle Erscheinung.” Und dafür bzw. für seine Museen erwarte er sich in Südtirol mehr Akzeptanz und Aufmerksamkeit. 

Denn obwohl “wir nach dem Ötzi das erfolgreichste Museum in Südtirol sind” und viele Besucher extra nach Südtirol kämen und hier zur Wertschöpfung beitrügen, existiere das MMM für die hiesigen Medien und Tourismuswerbung so gut wie gar nicht. Es fehle an Sensibilität. Stattdessen werde wieder vermehrt auf “irgendwelchen Lederhosen-Kitsch” gesetzt. “Kultur-Tourismus wird auf der internationalen Bühne zu wenig genutzt.” Der Vorwurf geht auch Richtung IDM. “Diese ganze Seite in der FAZ und der Süddeutschen Zeitung, als man Angela Merkel benutzt hat, um für Südtirol Werbung zu machen – das war eine Peinlichkeit. Da sollen die Südtiroler schauen, wo sie bleiben, mit ihrer IDM.”

 

Ausgesuchte Gästeschichten ansprechen, die kulturelle Tourismuskraft stärken, Abkehr von der “Lederhosen-Kultur”: Diese Marschrichtung sieht Messner für den Südtiroler Tourismus als die richtige. Dann würden sich auch Debatten wie jene um den “Overtourism” erledigen. Für sich selbst und sein Engagement wünscht sich der Extrembergsteiger, der heuer – gemeinsam mit Lilli Gruber und dem kürzlich verstorbenen Joseph Zoderer – das Ehrenzeichen des Landes Tirol erhalten hat, kein Schulterklopfen: “Das hilft gar nichts. Ich will nur mindestens wahrgenommen werden.” Große Hoffnungen macht er sich keine: “Wir sind nicht gewillt, hinter die Kulissen zu schauen. Wir sind ein Land der Neider, Südtirol ist ein Land der Kleingeister, mit selbstzerstörerischem Potential.” Auf die Frage, ob er denn nicht in die Suppe spucke, aus der er löffelt – schließlich profitiert auch er von Südtirol und seinen Bergen –, antwortet Reinhold Messner mit einer Gegenfrage: “Profitiere ich vom Land oder profitiert das Land von mir?”

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Robert Hölzl Mo., 04.07.2022 - 10:45

“Das hilft gar nichts. Ich will nur mindestens wahrgenommen werden.”
Was heißt das? Ist "wahrnehmen" jetzt so wie "wertschätzen" ein Synonym für mehr Geld?
Messner war für eine Zeit der weltbeste und innovativste Höhenbergsteiger der Welt und schon immer ein sehr intelligenter und guter Geschäftsmann, aber er war auch schon immer der Meinung, dass er immer recht hat und wer nicht seiner Meinung war oder ist, mit seiner Verachtung zu rechnen hat(te). Trotzdem muss man anerkennen, dass er (meist) "put his money where his mouth is" (wie der Ami sagt).

Mo., 04.07.2022 - 10:45 Permalink
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Sebastian Felderer So., 10.07.2022 - 20:08

Ach "Lederhosenkultur" haben wir schon lange keine mehr, ich würde eher sagen. eine Mischkultur wischen IDM, NOI, LEGA und dem GROSSEN VOGEL. Führerlos, konzeptlos, aber voller Egoismus und NEID (wie Messner richtig feststellt). Nachhaltigkeit am Samstagabend oder gar am Sonntag nach dem Hochamt in Völs. Während der Woche Absegnung von Monsterprojekten ohne Kopf und Fuß, als würde das eine mit dem anderen nichts zu tun haben. Nach 50 Jahren kommen sie drauf, dass Urlaub auf dem Bauernhof der größte Schwindel aller Zeiten seit jeher war, der Bettenstop wird zum Zankapfel innerhalb der SVP. Sofern es diese überhaupt noch gibt. Vinschger und Sarner, Pusterer und Unterlandler geraten sich in die Haare. Früher waren es die Verbände, die sich gegeneinander angelegt haben. Heute wütet der Flächenbrand. Politische Vertreter bearbeiten bereits ihr Aktionsfeld, 2023 wirft seine Schatten voraus. Ich fürchte aber, dass aus den Schatten ein reinigendes Gewitter wird, Blitze einschlagen wie im Hochsommer, dass es gleichsam die Vorhänge bei den Wahlkabinen zerreißt. Dann vielleicht haben die heutigen Akteure ausgesch ....... und aus der Freunderlwirtschaft könnte ein neues Südtirol entstehen, das auf Qualität in jeder Beziehung, Nachhaltigkeit, Kultur, Bildung und saubere Verwaltung setzt. Ob es dafür in Südtirol überhaupt noch fähige Leute gibt, wage ich fast zu bezweifeln. Der Wildwuchs hat schon zulange gewuchert und Heilkräuter aus dem Lande vertrieben. Leider.

So., 10.07.2022 - 20:08 Permalink
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kuno prey Mo., 11.07.2022 - 12:22

die katz (r. messner) beisst sich in den schwanz… auf einer seite plädiert messner gegen den massentourismus, auf der anderen setzt er museen auf die berge, die für städter ohne technischen hilfsmitteln nur schwer erreichbar sind. herr messer, bei allem respekt, aber bleiben sie doch am (tal)boden.

museen sollten auch ein inhaltlich gut durchdachtes konzept haben und kein sammelsurium von konzeptlos zusammengeworfen objekten sein; archistars bügeln solchen falten auch nicht glatt.

Mo., 11.07.2022 - 12:22 Permalink