Hofburggarten Heller
Foto: André Heller
Gesellschaft | Fritto Misto

Brixen braucht’s!

Der geplante Heller-Garten in Brixen stößt nach wie vor auf Widerstand: Wieso bloß?
Eigentlich hatte ich mich ja nach Gründen gegen das Heller-Projekt in Brixen umschauen wollen. Aber je mehr ich mich damit beschäftigte, desto klarer wurde mir: Es muss sein! Deshalb an dieser Stelle drei jedem helleren (pardon) Kopf absolut einleuchtende Gründe für die „10-Millionen-Sause“ Hofburggarten:
 

1. Brixen ist so meh ohne

 

Wir haben ja alle einen heiligen Respekt vor Brixen, der ehrwürdigen Bischofsstadt. Aber wenn wir ehrlich sind: So richtig fetzen tut sie nicht. Hofburg: langweilig. Dom und Kreuzgang: pfff. Lauben: gähn, die gibt’s anderswo auch. Alles lieb und adrett, kunsthistorisch wertvoll, gewiss, aber: Kickt nicht so richtig auf des Touris Instagram Account, was ja heutzutage das Kriterium für eine zeitgemäße Stadtentwicklung sein muss. Natürlich, da gibt’s noch dieses fotogene Festival mit dem freshen Beamer und die alljährliche superkitschy Weihnachts-Lichtshow, das macht schon mehr her als verstaubte Fresken, aber reicht halt noch lang nicht aus, um sich in punkto Instagramability neben Paris, London, Rom zu reihen.
 
Her mit den Buddhas, den wasserspeienden Riesen oder den Obstbäumen als Morsecode.
 
Deshalb: Her mit den Buddhas, den wasserspeienden Riesen oder den Obstbäumen als Morsecode. Sonst wird das nichts mit den Likes. Dass Heller-Fanboys und -girls auch einfach 96 km weiter nördlich (Wattens) oder 190 km südlich (Gardone) fahren könnten, um Gärten des Meisters zu besichtigen, darf kein Argument dagegen sein. Heller-Gärten sollten wie Autobahnraststätten sein: Alle 50 Kilometer einer, bevor man am Mangel aus leichtverdaulichem Selfie-Futter eingeht. Heller-Gärten als Menschenrecht, jawoll.
 
 

2. Brixen soll sich opfern

 
Ihr Bischofsstädtler*innen seid ja bestens vertraut mit der christlichen Lehre, sprich Opferlamm und so weiter. Jahrhundertelang hattet ihr Pomp und Gloria, Weihrauch und Würden, da wird’s jetzt Zeit in die Niederungen des verschwitzten Overtourism hinabzusteigen. Nehmt den tourismusgeplagten Gemeinden des Landes doch karitativ ein wenig von ihrem Kreuz ab und öffnet barmherzig eure Tore für noch mehr Tagestouristen. Mir schwebt da eine Art Mini-Mundus Südtirol vor: Alles, was des Insta-Touristen Herz begehrt, könnte doch nach Brixen verfrachtet werden und ihm so lange, unspektakuläre Wege ersparen. Bringt den Ötzi in die Acquarena, verpflanzt das Ranui-Kirchl vor die Uni, macht’s ein Hologramm vom Pragser Wildsee. Die Ureinwohner*innen könnten ja in strukturschwache Gemeinden (die vielleicht wirklich von einem Heller-Garten profitieren würden) abwandern, wenn ihnen der Rummel zu viel wird. Brixen könnte unser Venedig werden. Less is more? Ach was: Think big!

 

 

3. Wegen der Kunstförderung 

 

Auch Mäzenatentum liegt den Bischofsstädtler*innen mehr als anderen seit jeher im Blut, weshalb es ihnen nur natürlich vorkommt, zehn Millionen Euro an Steuergeldern in die Kunst zu investieren, schlappe 1,2 Millionen davon gehen an Hellers Büro. Hätte man damit nicht lokale Künstler*innen unterstützen, die pandemiegerüttelt froh um einen Auftrag wären, und einen Garten bestückt mit junger Südtiroler Kunst andenken können? Hätte, könnte, sollte, freilich, aber wer will das fotografieren? Sehr unsexy Vorstellung für Instaboys und -girls, so eine No-name-Ansammlung von sperriger, womöglich monochromer und hässlicher (!) „Kunst“, (magari noch bei freiem Eintritt, pfui!) während die Hellersche Schöpfung meist freundlich, spektakulär, love and peace ist.
 
Kunst ist, was letztendlich allen irgendwie gefällt, Massengeschmack eben.
 
Das gefällt jedem Baby, und doch ist es eine wahre „opera d’arte“ wie der Staatsrat in seinem Urteil festhielt (https://www.salto.bz/de/article/21072022/instagram-hotspot-hofburggarten), für die keine Ausschreibung nötig war, weil sie das „apprezzamento (…) nel mondo“ hat und die „comunita‘ dei critici“ und die „persone competenti del ramo (nonche‘ di gusto raffinato)“ das halt so sehen. (Ersetze „Kunstwerk“ durch „Marke“, und ich bin einverstanden). Somit wäre auch die ewige Frage: Was ist Kunst? dank der Expertise des Staatsrats (Heller Fanboys- und -girls, obviously) geklärt. Kunst ist, was letztendlich allen irgendwie gefällt, Massengeschmack eben. Kunst muss den Betrachter nicht tief im Innersten anrühren, sie muss gute Laune machen. (Eine im Urteil gezogene hochnotpeinliche Parallele zum Werk Caravaggios erspare ich den Leser*innen aus Gründen der Pietät und des Respekts vor Letzterem).  Außerdem sind unsere Künstler*innen eh schon gewohnt am Hungertuch zu nagen, während Hellers finanzielle Fallhöhe in der Pandemie bestimmt eine andere war. Gönnen wir’s ihm!
 
Kunst muss den Betrachter nicht tief im Innersten anrühren, sie muss gute Laune machen.
 
Erschöpft sind die Argumente an dieser Stelle noch lange nicht. Man könnte noch anführen, dass der vorgesehene Eintritt für Einheimische eine wertvolle pädagogische Maßnahme in Zeiten der Ressourcenknappheit ist („Nichts ist umsonst!“), dass es beruhigend ist, wenn ein solches Projekt in Zeiten wie diesen nicht vom Tisch ist, weil es nur bedeuten kann, dass das Börserl prall gefüllt ist und keiner Inflation, Heizkosten etc. fürchten muss, weil mir hom’s jo, dass auf die Zwei-Klassen-Medizin logischerweise eine Zwei-Park-Politik folgen muss, aber lassen wir’s gut sein. Die letzten Zweifler*innen müssten längst überzeugt sein. Schließen möchte ich mit einem Zitat des Meisters höchstselbst:

„Das Reisen war ursprünglich eine Tat der Gottsuchenden und später der Handelstreibenden, noch später der Eroberer und ganz spät eine der Touristen. Man begreift, es kam jeweils Schlimmeres nach.“

Go for it, Brixen! Wohl bekomm’s.

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Hartmuth Staffler Fr., 29.07.2022 - 08:27

Das Projekt ist unter dem Titel "Heller Wahnsinn" bereits in der Faschingszeitung besprochen worden. Mehr ist dazu eigentlich nicht zu sagen. Geld zum Verschwenden hat man ja genug.

Fr., 29.07.2022 - 08:27 Permalink
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M A Fr., 29.07.2022 - 08:52

Wie ist es überhaupt möglich, dass eine Gemeindeverwaltung imstande ist soviel Geld zu versenken und gegen die eigene Bevölkerung zu "arbeiten", obwohl eigentlich gefühlt jeder und jede gegen das "Projekt" in dieser Form ist...?

Fr., 29.07.2022 - 08:52 Permalink
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Lollo Rosso Fr., 29.07.2022 - 13:45

Antwort auf von M A

Ja, das möchte ich auch wissen. Wenn die Brixner ihre Stimme erheben, wird das doch kaum durchgezogen, oder? Die Kurie wird es sich auch nicht vertun wollen mit ihnen. Was sagt denn der Bischof? Gebt das Geld den hungernden Menschen in Afrika und lasst den Hofgarten wie er ist!

Fr., 29.07.2022 - 13:45 Permalink
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Hartmuth Staffler Fr., 29.07.2022 - 15:53

Antwort auf von Lollo Rosso

Anstatt die Stimme zu erheben, sollten die Brixner wohl besser überlegen, für wen sie ihre Stimme bei der nächsten Wahl in die Urne werfen. Wenn es keine Opposition gibt, die diesen Namen verdient, und selbst die Grünen nicht gegen den Hellerschen Garten gestimmt haben, dann wird das aber schwierig. Laut Kurie soll das Gottesvolk übrigens nicht die Stimme, sondern die Herzen erheben. Diese Situation ist nicht sehr erhebend.

Fr., 29.07.2022 - 15:53 Permalink
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Gregor Beikircher Sa., 30.07.2022 - 18:09

Leider haben es auch die Bürgerlistler/Grünen nicht rechtzeitig erkannt, was hier abgeht. Seit ich selbst vom Brixner Gemeinderat weg bin, ist Vieles falsch gelaufen und die SVP-Macher hatten niemand mehr, der ihnen so richtig Paroli bot und gar manchesmal das Steuer herum gerissen hat.

Sa., 30.07.2022 - 18:09 Permalink
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Armin Kobler Mo., 01.08.2022 - 18:15

Ich bin kein Brixner und habe mich deshalb hinsichtlich der Bewertung des Projektes in der vorliegenden Form zurückzuhalten. Aber an eines will ich erinnern: über den botanischen Garten haben damals alles geschimpft, auch und besonders weil er sehr viel Landesgeld verschlungen hat. Sogar Meraner Hoteliers waren dagegen. Un jetzt? Wer möchte ihn – besonders dort – missen?
Damit will ich nicht behaupten, dass das gleiche in Brixen passieren muss. Aber es könnte sein.

Mo., 01.08.2022 - 18:15 Permalink
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Sepp.Bacher Mo., 01.08.2022 - 19:48

Antwort auf von Armin Kobler

Der Botanische Garten ist nicht für die Stadtbewohner gedacht, sondern für bezahlende Besucher. So viel ich verstanden habe, möchten die Brixner, mindesten viele davon, ein Stück Natur zum Ausruhen und Genießen für die Bürger der Stadt. Sagen wir einen Stadtpark oder so ähnlich. Darin liegt der Unterschied. Das würde sicher auch noch dazu weniger kosten. Aber es verdient auch niemand mehr daran.
In Zeiten von Overtourism darf man keine zusätzlichen Attraktionen errichten, welche wieder Touristen anziehen!

Mo., 01.08.2022 - 19:48 Permalink
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Walter Kircher Do., 11.08.2022 - 07:52

... man vernimmt beinah täglich von "Problemen" deren Ursache im fehlenden Geld liegt ...!
Zugleich sind Summen im Spiel, Steuergelder wie private und "Geisterzahlen" (Kryptoziffern) als Folge von etwas wovon man selten hört: BESESSENHEIT ... (meist männlich)!
Muss einmal gesagt werden!!

Do., 11.08.2022 - 07:52 Permalink