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Störfront aus dem Osten

Der Kampf der beiden großen Lager innerhalb der SVP geht weiter. Die kompatschernahen Kandidaten erhalten jetzt überraschend Konkurrenz in ihren Wahlkreisen. Kein Zufall
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Foto: svp.eu
Der Mann weiß, was er tut.
Noch am Sonntagnachmittag, die offizielle Kandidatenfindung ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal abgeschlossen, verschickt er ein Schreiben an alle SVP-Ortsgruppen von Salurn bis Naturns.
Darin heißt es:
 
Ich muss zugeben, dass ich zunächst überrascht war, als ich von einigen von Euch in der letzten Woche darauf angesprochen wurde, eine Kandidatur für die Abgeordnetenkammer in Betracht zu ziehen. Der große Zuspruch von verschiedener Seite hat mich aber dazu ermutigt, diesen Schritt zu gehen. Gestärkt durch diesen Zuspruch bin ich überzeugt, dass ich als Vertreter der Parteibasis die Interessen Südtirols und die Anliegen der Südtirolerinnen und Südtiroler in Rom gut vertreten könnte.“
 
Lorenz Ebner, 44 Jahre alt, von Beruf Anwalt, Ortsobmann und Koordinierungsobmann der SVP Eppan, seit eineinhalb Jahren SVP-Fraktionssprecher im Eppaner Gemeinderat, fühlt sich zu Höherem berufen. Ebner war als junger Jurist vor vielen Jahren Mitarbeiter der Autonomiefraktion in der Abgeordnetenkammer. Jetzt will er wieder dorthin zurück.
Nur diesmal als Onorevole. Lorenz Ebner kandidiert bei den SVP-internen Vorwahlen im Kammerwahlkreis Süd.
 
 
 
Es ist eine direkte Kampfansage an den amtierenden Kammerabgeordneten Manfred Schullian. Noch vorvergangene Woche hat Lorenz Ebner als Eppaner SVP-Chef dem Kalterer Parlamentarier die volle Unterstützung seiner Ortsgruppen zugesichert. Doch dann kam die Kehrtwende.
Es waren ausgerechnet die Bozner SVP-Senioren, die als erstes den Kandidatenvorschlag Lorenz Ebner offiziell hinterlegten. Danach folgten die Eppaner Ortsgruppen. Auf der entscheidenden Sitzung vergangene Woche in Eppan wurde gegen Schullian ins Feld geführt, dass er zu wenig mit der Parteibasis und den SVP-Funktionären kommuniziere.
Auch deshalb findet sich im Ebner-Schreiben an die SVP-Ortsobleute ein klarer Seitenhieb:
 
„Was mir aber noch viel wichtiger ist: Ich möchte in jedem Fall auch nach den Wahlen einen regen Kontakt und Austausch mit Euch pflegen und verbürge mich dafür, in den Ortsgruppen präsent und Euch ein verlässlicher Ansprechpartner zu sein.“
 
 
 
Dabei ist Ebners Überraschung über die eigene Kandidatur nur schlecht gespielt. Denn sein Antreten ist in Wirklichkeit nur Teil eines breiten sommerlichen Störmanövers.
Lorenz Ebner steht beruflich und politisch jener Gruppe nahe, die im Buch „Freunde im Edelweiß“ beschrieben wird. Ebner ist Sozius in der Kanzlei von Christoph Perathoner, dem langjährigen Obmann des SVP-Bezirkes Bozen Stadt und Land, der als Folge der SAD-Affäre seinen Hut nehmen musste.
Manfred Schullian war einer der wenigen SVP-Funktionäre, der sich in dieser Affäre kein Blatt vor den Mund genommen hat und in einem Facebook-Post mit dieser Clique äußerst scharf ins Gericht gegangen ist. Dass im Kammerwahlkreis Süd jetzt ausgerechnet mit Lorenz Ebner ein Perathoner-Partner gegen ihn den Ring steigt, ist deshalb wohl alles andere als Zufall, sondern Teil eines Planes.
 

Der Machtkampf

 
Bei den jetzt angemeldeten Gegenkandidaturen geht es weniger um die parteiinterne Demokratie als um einen Machtkampf unterm Edelweiß. Es sind zwei Lager, die sich seit langem unversöhnlich gegenüberstehen.
Auf der einen Seite die konservative, sich nach Mitte-Rechts sehnende Volkspartei um Meinhard Durnwalder und Herbert Dorfmann, die vom Machtblock Athesia publizistisch unterstützt wird. Auf der anderen Seite die Gruppe um Arno Kompatscher, Karl Zeller und Julia Unterberger, deren politische Ausrichtung in Richtung Sozialdemokratie geht.
Irgendwo dazwischen bewegt sich SVP-Obmann Philipp Achammer. „Der Philipp ist am Ende immer auf der Seite der Gewinner“, beschreibt ein altgedienter SVP-Funktionär die Rolle des Parteiobmannes.
 
 
 
Es ist die Durnwalder/Dorfmann-Gruppe, die in Sachen Parlamentswahlen derzeit eindeutig Oberwasser hat. Man hat es geschafft, die SVP als „blockfrei“ zu positionieren. Dabei geht es vor allem um den Senatswahlkreis Bozen-Unterland. Dort wird die SVP allein antreten und damit dem italienischen Mitte-Rechtsbündnis einen Senator oder eine Senatorin schenken. Man hat den Versuch von Kompatscher & Co., sich mit den italienischen Mitte-Links-Kräften auf einen gemeinsamen Kandidaten zu einigen, bereits im Vorfeld im Keim erstickt.
Zudem hat Meinhard Durnwalder in seiner Funktion als Sprecher der Bezirksobleute die Wahlordnung für die anstehenden Parlamentswahlen verfasst. Zwei entscheidende Korrekturversuche Kompatschers sind vom Parteiausschuss mehrheitlich abgeblockt worden.
Vor allem aber präsentiert sich der SVP-Kosmos dieser Tage geographisch gespalten. Während Durnwalder & Co. es geschafft haben in ihren Wahlkreisen im Osten erst keinerlei Gegenkandidaturen für Renate Gebhard und Meinhard Durnwalder - beide sind bereits jetzt wiedergewählt - aufkommen zu lassen, kommt es in den Wahlkreisen im Westen - ausgerechnet dort, wo die Kompatscher-Getreuen Julia Unterberger und Manfred Schullian antreten wollen - überraschend zu gewichtigen Gegenkandidaturen.
In dieser Optik kann man auch das Antreten von Lorenz Ebner gegen Manfred Schullian sehen. „Es hat massive Anrufe aus dem Osten des Landes gegeben“, sagt ein Überetscher SVP-Funktionär. Die Namen der Anrufer will er Salto.bz gegenüber nicht nennen.
 

Meraner Versuchskaninchen

 
Es sind Julia Unterberger im Senat und Manfred Schullian in der Kammer, die der mächtigen Gruppe besonders im Weg stehen. Zum einen haben beide allein aus ihren Funktionen als Vorsitzende der Autonomiefraktion im Senat (Unterberger) und als Vorsitzender der gemischten Fraktion in der Kammer (Schullian) ein Standing im Parlament, das sie von den restlichen Südtiroler Hinterbänklern abhebt. Zum anderen macht die Tatsache, dass Julia Unterberger die ehemalige Ehefrau des „Erzfeindes“ Karl Zeller ist, die kämpferische Meraner Senatorin zum natürlichen Ziel.
Doch für einen Abschuss braucht es einen Jäger.
Nachdem die von den Dolomiten lancierte Gegenkandidatur Harald Stauders gescheitert ist, weil der Lananer Bürgermeister das Spiel durchschaute, hat man den Jäger in Martin Ganner gefunden.
Der Meraner Anwalt, Jagdfreund von Athesia-Boss Michl Ebner, tritt im Senatswahlkreis West gegen Julia Unterberger an. Obwohl sich der Bezirk Burggrafenamt zweimal einstimmig für die Unterberger-Kandidatur ausgesprochen hat und dabei die Bauernfunktionäre mitgestimmt haben, hat der Bezirksbauernausschuss Ganner nachträglich als Kandidat aus dem Zylinder gezogen. Als Anwalt ist Ganner unter anderem auf Hofübergaben spezialisiert und hat damit in der Bauernlobby ein berufliches, privates und politisches Standbein.
Nach Informationen von Salto.bz wurde der ehemalige Burggräfler Bezirksobmann Martin Ganner bis heute (Montag, 10 Uhr) von keiner einzigen SVP-Ortsgruppe vorgeschlagen. Trotzdem dürfte er gegen Julia Unterberger antreten.
 
 
 
Doch die geplante Operation hat einen entscheidenden Schönheitsfehler.
Laut SVP-Wahlordnung muss mindestens eine Kandidatin in den drei Senatswahlkreisen weiblich sein. Setzen sich drei Männer bei den SVP-internen Vorwahlen durch, rückt die meistgewählte Frau in einem der drei Wahlkreise nach. Das wäre dann auf jeden Fall Julia Unterberger. Ganners eher unwahrscheinlicher Erfolg bei den Vorwahlen wäre somit ein Pyrrhussieg.
 

Suche nach Frau

 
Aber auch hier bauen die SVP-Strategen aus dem Osten vor. Man sucht fieberhaft nach einer Frau, die als SVP-Kandidatin im Senatswahlkreis Bozen-Unterland antritt. Es ist jener Wahlkreis, in dem die SVP im Alleingang kaum Chancen hat. Mit dieser weiblichen Kandidatur wäre die Frauenquote erfüllt und bei einem Ganner-Sieg gegen Unterberger hätte der Jäger das Rom-Ticket in der Tasche.
Auch terminlich hat man diesen Fahrplan perfekt abgestimmt. Die Vorwahlen finden am 16. August statt. Nur im Senatswahlkreis Bozen-Unterland gibt es keine Vorwahl. Dort hat das Duo Arno Kompatscher/Philipp Achammer ein Vorschlagsrecht. Abgestimmt und nominiert wird der Kandidat oder die Kandidatin dann am 17. August vom SVP-Parteiausschuss.
Setzt sich im Burggrafenamt Martin Ganner durch, muss der Parteiausschuss für den Bozner Senatswahlkreis am nächsten Tag eine Frau aufstellen. So jedenfalls ist es im Regiebuch der Unterberger-Gegner vorgesehen.
 
 
 
Vor diesem Hintergrund haben Arno Kompatscher & Co einen Gegenplan entworfen. Der Landeshauptmann und seine Getreuen wollen Giovanni Seppi als SVP-Kandidat im Senatswahlkreis Bozen-Unterland vorschlagen. Der 49-jährige Leiferer Vizebürgermeister ist nicht nur ein unverbrauchtes Gesicht, er hat lange in der Stadtgemeinde Bozen als Geometer gearbeitet und ist jetzt für die Gemeinde Kaltern tätig. Seppi, der allgemein geschätzt wird, hat damit mehrere Standbeine im Wahlkreis. Als Flughafengegner schwimmt er auch gegen den Strom.
Seppi hat aber vor allem zwei taktische Vorteile. Mit seinem italienischen Namen soll er auch für die gemäßigten Italiener im Wahlkreis wählbar sein. Und er ist mit einer Dolomiten-Redakteurin verheiratet. Diese Verbindung sollte ein Sperrfeuer aus dem Hause Athesia auf den Kompatscher-Kandidaten erschweren.
Ich werde mir aber erlauben, Euch alle in den nächsten Tagen anzurufen und um Eure Unterstützung zu werben“, schreibt Lorenz Ebner in seinem Brief an die SVP-Ortsobleute.
Der Schullian-Herausforderer wird in den nächsten zwei Wochen sicher nicht der Einzige sein, der am Telefon hängen wird. 
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Michael Kerschbaumer Mo., 08.08.2022 - 13:53

"Auf der anderen Seite die Gruppe um Arno Kompatscher, Karl Zeller und Julia Unterberger, deren politische Ausrichtung in Richtung Sozialdemokratie geht", ...und die von alto und der TZ publizistisch unterstützt werden.

Mo., 08.08.2022 - 13:53 Permalink
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Sepp.Bacher Mo., 08.08.2022 - 14:50

Antwort auf von Michael Kerschbaumer

"Auf der anderen Seite die Gruppe um Arno Kompatscher, Karl Zeller und Julia Unterberger, deren politische Ausrichtung in Richtung Sozialdemokratie geht"....?? Davon ist in der Realpolitik nichts zu merken: Kompatscher ist Getreuer der Wirtschaftslobbys. Lohnempfänger und Renter mit ihren Problemen - Kaufkraftverlust, Inflation und Hungerrenten usw. - ignoriert er; gesehen bei der Verteilung der Gelder im Nachtragshalt. Obwohl in letzter Zeit dauernd auf diese Problem hingewiesen wurde.
Er ist in den besten Jahren und verdient überdurchnittlich gut, also sind ihm genannte Probleme und Zielgruppen fern. Man soll das bei den nächsten Landagswahlen nicht vergessen. Er hat zwar breite Unterstüztung bei den alternativen Medien und den eher alternativ-grüne-links orientierte Wählern.
Sicher ist auch mir lieber ein Kompatscher als Durnwalder oder Dorfmann. Und leider ist bei der SVP kein alternativer Kandidat, der sich vor allem um genannte Zielgruppe kümmert, in Sicht. (Vielleicht die Rosmarie Pamer!?)

Mo., 08.08.2022 - 14:50 Permalink
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Salto User
Günther Alois … Mo., 08.08.2022 - 14:52

Wo bleiben die Programme? L'obietivo da ragiungere a Roma dove si trova? Zum schämen,was da wiedereinmal in der svp"Sammelpartei" abläuft,es geht nur um Sessel und Macht,und das schlimmste daran,nachher,wenn etwas schief läuft,ist immer Rom die Schuld,weil wir zum Großteil nur Bauern und Schmarotzer/ innen im Senat und der Kammer finden werden!

Mo., 08.08.2022 - 14:52 Permalink
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Peter Gasser Mo., 08.08.2022 - 14:54

Team-Arbeit 2022... nicht einmal ein Kanninchenzüchterverein kann auf diese Art und Weise erfolgreich arbeiten...
oder: wenn Pilot und Copilot und Fluglotse gegeneinander arbeiten, stürzt jedes Flugzeug ab.

Mo., 08.08.2022 - 14:54 Permalink
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△rtim post Mo., 08.08.2022 - 23:03

Reines Ablenkungsmanöver. Statt Themen, Südtirol-Agenden lieber vermeintliche Rivalitäten, Intrigen, Verschwörungen ...
Anders gefragt: Wer als Arbeiter-in ... Mindestrentner-in, Wähler-in würde sich ohne diese eigentlich sehr durchschaubare (medialen) Politinszenierung ansonsten dafür überhaupt interessieren, wer nun persönlich innerhalb dieser reinen Advokaten-Kaste in Rom neben goldenen Politikerinnenprevilegien auch noch als Zugabe möglichst viel für sich bzw. die Anwaltssozietät lukrieren kann, um jährlich als Top-Verdiener-in zu glänzen?
Demokratie braucht Wechsel. Auch wenn es unsere politische Elite nicht wahrhaben will: Der Kern von Demokratie liegt im regelmäßigen Austausch der Mächtigen.

Mo., 08.08.2022 - 23:03 Permalink
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Josef Fulterer Di., 09.08.2022 - 06:33

Antwort auf von △rtim post

Höchste Zeit das Wahlgesetz zu ändern und den Bürgern "die Möglichkeit wirklich zu wählen, wieder zurück zu geben!"
Es ist ein politischer Skandal, wie sich die Meute der Rechtsanwälte mit allen erdenklichen schrägen Methoden, um die sicheren Plätze auf der SVP-Liste für die Parlamentswahlen balgt, um in Rom einen Sessel zu wärmen, allenfalls die Stimme zu verkaufen und "in der Hauptsache aber, um an die Rententöpfe heran zu kommen, die sich die Politiker skandalös bis weit über den Rand gefüllt haben."
Ein Politker in Rente kann auch nur einmal essen, es muss nicht 5 mal am Tag Kaviar sein und das Totenhemd hat keine Taschen.

Di., 09.08.2022 - 06:33 Permalink
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M A Di., 09.08.2022 - 07:29

Wenn die Unterlandler nicht zur Wahl gehen, darf sich keiner wundern!
Das Unterland verkommt anscheinend langsam zu einem Basar...

Di., 09.08.2022 - 07:29 Permalink
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Elisabeth Garber Mi., 10.08.2022 - 07:58

Immerhin, die "Freunde im Edelweiss" samt Medienimperium haben es bis in den ORF geschafft. Die SVP hingegen schafft sich als Volks-Partei (...) von Wahl zu Wahl, vor den Augen aller, als solche ab. Der brutale parteiinterne Machtkampf genießt absolute Priorität. Ausgenommen bei jenen, die man längst oder unlängst abgeschossen hat und jenen, die noch auf der Abschussliste stehen. Namentlich wären dies der LH und sein Kreis. Die Köpfe dieses Kreises passen m.M.n. sowieso nicht in den volkstümlichen Lobby-Sumpf alias Klein-Ibiza.
https://oe1.orf.at/artikel/696085/Klein-Ibiza-und-das-grosse-Schweigen

Mi., 10.08.2022 - 07:58 Permalink