Politik | Bettenstopp

Bürgermeister als Bettenkönige

Die Grüne Fraktion stimmte gestern (1. August) gegen das Gutachten der SVP zum sogenannten Bettenstopp. Riccardo Dello Sbarba über die Gründe.
Riccardo Dello Sbarba
Foto: Grüne Verdi Verc
Salto.bz.: Bei der Abstimmung im Landtag stimmten die Grünen noch für das sogenannte Bettenstoppgesetz. Warum Ihr Nein im 2. Gesetzgebungsausschuss zum Gutachten der SVP für die Durchführungsverordnungen?
 
Riccardo Dello Sbarba: Ich habe gegen das Gutachten der SVP gestimmt, weil meine Vorschläge von der SVP abgelehnt worden sind. Die Ablehnung ist sozusagen beiderseitiger Natur. Mein Gutachten ging nämlich in die vollkommen entgegengesetzte Richtung, und zwar sollte das Gesetz zur Bettenobergrenze ernst genommen werden und somit das Regelwerk von Tourismuslandesrat Arnold Schuler mit seinen Ausnahmen und Sonderfällen korrigieren. Meiner Ansicht nach handelt es dabei nämlich nicht nur um das Ergebnis unzähliger Kompromisse zwischen den verschiedenen Interessensgruppen, sondern auch um das Ergebnis der Auseinandersetzungen innerhalb der SVP-Lager – ersichtlich sowohl am Gutachten des Ausschusspräsidenten Franz Locher als auch an jenem des Rates der Gemeinden.
 
Die Ablehnung ist sozusagen beiderseitiger Natur.
 
Was waren Ihre Gründe, für das Landesgesetz zu stimmen?
 
Wir haben für die Bettenobergrenze gestimmt in der Meinung, dass es tatsächlich um eine Obergrenze ginge. Nun sind wir allerdings an einem Punkt angelangt, wo das Motto lautet: Mehr Betten für alle. Nach der Abstimmung im Landtag ist es darum gegangen, wie mehr Flexibilität in der Handhabung erreicht und Ausnahmeregelungen hinzugefügt werden können. Das Resultat ist, dass in den kommenden Jahren auf so viele Betten aufgestockt werden kann, wie man will und man sich immer eine Reserve in der Hinterhand behält.
 
 
 
Mit dem neuen Gesetz wird sich also nichts ändern?
 
Nein, was die Anwendung betrifft, wird sich meines Erachtens in den ersten Jahren nichts ändern. Es war zwar wichtig, dass ein Gesetz zur Bettenobergrenze erlassen worden ist, aber gleichzeitig steht bereits jetzt fest, dass in den kommenden Jahren ein Zuwachs erfolgen wird. Die Gesetzgebung sieht nämlich keinen Bettenstopp in dem Sinn vor, sondern sie regelt die Möglichkeit der Bettenaufstockung. Zu den rund 234.000 Betten, die derzeit in Südtirol vorhanden sind, werden meiner Einschätzung nach noch weitere 30.000 Betten hinzukommen. Die bereits durchgeführte Erhebung spiegelt die Realität nämlich nicht wieder. Die Betriebe haben die Möglichkeit, durch eine Lizenzänderung Anspruch auf mehr Betten anzumelden. Was heißt das? Man kann davon ausgehen, dass die Tourismustreibenden diese Möglichkeit in Anspruch nehmen werden – das steht schließlich jedem Inhaber eines Beherbergungsbetriebes frei und dieser Prozess findet derzeit statt. Auch Landeshauptmann Arno Kompatscher und die SVP wissen, dass wir mit Abschluss der Bettenzählung mehr Betten haben werden als jetzt.
 
Warum also ein neues Gesetz?
 
Die Verwaltung bekommt damit die Möglichkeit der Kontrolle und alle bisher inoffiziell geführten Betten werden so ans Tageslicht kommen – im Nachhinein allerdings auch genehmigt. Jene Beherbergungsbetriebe, die beispielsweise über 140 Betten verfügen und die Möglichkeit hatten, zehn weitere Gäste unterzubringen, werden sicher um die maximal zulässige Genehmigung für 150 ansuchen. Es wird also in Zukunft keine Grauzonen mehr geben. Man wird allerdings sehen müssen, ob man in der Lage sein wird, den Bettenzuwachs auch unter Kontrolle zu halten und das exponentielle Wachstum der Touristenströme einzudämmen. Es gibt sicher einige Punkte die Anlass zu Besorgnis geben.
 
Welche beispielsweise?
 
Einer dieser Punkte ist das Verhältnis bzw. die Zusammenarbeit zwischen Land und Gemeinden. Abgesehen vom Konzept, dass alle Beherbergungsbetriebe unter einem Dach zusammengefasst werden sollten – dieses Dach wurde übrigens sehr weit nach oben angehoben –, wurde das Konzept der Bettenbörse mehr oder weniger vollkommen über Bord geworfen. Dieses ging ursprünglich davon aus, dass 50 Prozent jener Betten, welche durch die Auflassung von Betrieben frei werden, in der Gemeinde verbleiben sollten, die übrigen 50 Prozent sollten in die Bettenbörse des Landes einfließen. Das Land sollte dann die Möglichkeit haben, diese Betten an touristisch schwach erschlossene Gebiete zu vergeben. Die Bettenbörse war als Instrument der Umverteilung gedacht. Auf Druck des Rates der Gemeinden wurde der Verteilungsmechanismus nun dahingehend geändert, dass 95 Prozent der frei werdenden Betten in der jeweiligen Gemeinde verbleiben und nur mehr fünf Prozent in den Pool des Landes fließen und an andere Gemeinden vergeben werden können. Fünf Prozent sind nichts! Dieses Instrument der Umverteilung kann so seine eigentliche Wirkung nicht entfalten. Das bedeutet, dass die touristisch starken Gemeinden weiterhin stark bleiben werden und die schwachen schwach. Dem aber noch nicht genug: Die Gemeinden haben die beinahe ausschließliche Entscheidungskompetenz, wie die frei werdenden Betten – und auch die 7.000 Betten des sogenannten „Vorschusses“ – in ihrer Gemeinde vergeben werden. Jede der 116 Südtiroler Gemeinden kann ihr eigenes Regelwerk für die Bettenvergabe erstellen, das bedeutet 116 verschiedene Regelwerke – die einen strenger, die anderen liberaler.
 
Der Kompromiss lautete schließlich: Allen wird alles genehmigt.
 
Wir sind mit einem Gesetz gestartet, das den Anspruch hatte zu definieren, wieviel Tourismus Südtirol bzw. die Gesellschaft noch vertragen können. Man hat sich in die Rolle der Bürger und Bürgerinnen versetzt, die bisweilen unter den Auswüchsen des Tourismus leiden. Dann, bei der Ausarbeitung der Durchführungsbestimmungen, hat man sich immer weiter von dieser Position entfernt und die einzelnen Lobbys wie der HGV oder der Bauernbund konnten zunehmend ihre Wünsche und Forderungen einbringen. Der Kompromiss lautete schließlich: Allen wird alles genehmigt. Und schließlich hat auch der Rat der Gemeinden mit seinem Gutachten dazu beigetragen, dass man von der ursprünglichen Idee abgegangen ist.
 
Verständlich. Die Gemeindepolitiker werden nicht gegen ihre eigenen Interessen handeln …
 
Natürlich, aber man muss auch die andere Seite bzw. die negativen Folgen bedenken. Wenn die Gemeinden über die Vergabe von 95 Prozent der frei werdenden Betten entscheiden können, dann bedeutet das, dass der Bürgermeister zum Bettenkönig wird. Dem höchsten Amtsträger einer Gemeinde fällt damit eine sehr große Machtbefugnis zu.
Ich bin zwar einverstanden mit dem Gesetzestext, das Gutachten zur Durchführungsbestimmung musste ich aber ablehnen, weil es in die vollkommen entgegengesetzte Richtung geht. In diesem Zusammenhang weise ich auch darauf hin, dass sich die SVP damit selbst widerspricht. Für mich hat es den Anschein, als habe die SVP eine Kehrtwendung vollzogen und die Grundausrichtung des Gesetzestextes im Nachhinein bereut – vermutlich auch aufgrund der internen Konflikte.
 
 
 
Hat die SVP nicht mit offenen Karten gespielt?
 
Mein Eindruck ist, dass das Konzept der Bettenobergrenze innerhalb der Partei nicht grundlegend durchdacht worden ist bzw. sich auch nicht alle Entscheidungsträger eingehend damit befasst haben. Das gestern genehmigte Gutachten zu den Durchführungsbestimmungen enthielt nämlich zahlreiche Formulierungsfehler und Fehler inhaltlicher Natur, auf die wir hingewiesen haben und die auf unser Betreiben hin korrigiert wurden. Es sind auch einige Passagen im Text vorhanden, die darauf schließen lassen, dass es keine klare Vorstellungen über die Umsetzung gibt. Weiters habe ich den Eindruck, dass Landeshauptmann Arno Kompatscher und Landesrat Arnold Schuler, auf die dieses Gesetz zur Bettenobergrenze zurückgeht, hier zu sehr nachgeben mussten. Daraus ergibt sich beispielsweise ein Glaubwürdigkeitsproblem hinsichtlich der Nachhaltigkeitstage, bei denen auch der Overtourismus ein Thema sein wird. Kompatscher wollte einen nachhaltigeren Tourismus und wir haben ihn auf diesem Weg unterstützt. Abgesehen vom ständigen Hin und Her in der SVP, scheint er sich mit seinen Zielen und seiner Meinung nicht mehr durchsetzen zu können. Und nun scheint dasselbe zu passieren wie beim neuen Raumordnungsgesetz, wo man mit einem hohen Ziel gestartet ist, aber nach und nach das ursprüngliche Konzept aufgeweicht wurde. Auch bei diesem Gesetz haben wir die Befürchtung, dass es nicht auf einen Bettenstopp hinauslaufen wird, sondern eher auf einen „Betten-Boom“.
 
Wenn die Gemeinden über die Vergabe von 95 Prozent der frei werdenden Betten entscheiden können, dann bedeutet das, dass der Bürgermeister zum Bettenkönig wird.
 
Es geht also nur um die Kontrolle bzw. eine Bestandsaufnahme der Betten?
 
Korrekt, aber daraus ergibt sich wiederum ein gravierendes Problem, denn die Kontrolle obliegt den Gemeinden. Wir haben bereits in der Vergangenheit gesehen, dass die Kontrolle der Betten in den Gemeinden nicht funktioniert. Beispielsweise sind uns Fälle in einigen Gemeinden bekannt, wo die Bürgermeister eigentlich die Lizenzen einziehen müssten, weil die Beherbergungsbetriebe längst geschlossen sind. Dennoch scheinen sie offiziell auf und damit auch die angeblich zur Verfügung stehenden Betten. Das heißt, dass wir zum einen nicht wissen, wieviele Betten tatsächlich in Südtirol vorhanden sind und zum anderen wissen wir um die Problematik, die „eigenen Leute“ kontrollieren zu müssen. In der Durchführungsverordnung steht dazu nur ein Satz: Die Kontrollfunktion liegt bei den Gemeinden. Richtlinien, wie diese Kontrolltätigkeit wahrgenommen werden soll, gibt es keine. Sowohl die Vergabe der frei werdenden Betten als auch die Kontrolle überlässt man somit der Willkür der Gemeinden. Ich bin überzeugt, dass das noch für viel böses Blut sorgen wird.
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Josef Fulterer Sa., 03.09.2022 - 05:19

An allen Beherbergungsbetrieben wurde in den vergangenen 60 Jahren bei den Bauten Änderungen vorgenommen, für die genaue Pläne mit der Einzeichnung der geplanten Betten gefordert wurden.
Um die derzeit vorhandenen GÄSTE-BETTEN fest zu stellen, genügt eine genaue und unbestechliche Zählung, mit Abzug der meist sehr großzügigen Dienstwohnung für den Besitzer, sowie der "ausgewiesenen Personalzimmer."
Mit dem vom Landtag genehmigte Gesetz zur Bettenobergrenze, wird Südtirol "an seiner GIER nach IMMER MEHR erticken" / die NICHT-GASTGEWERBE-BÜRGER werden den Gästen ihre Verachtung offen zeigen. Die Gäste werden andere Urlaubsorte aussuchen, in denen sie nicht mit dem IM STAU-und SCHLAGE-STEHEN, ihren Urlaub verplempern müssen.

Sa., 03.09.2022 - 05:19 Permalink
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Christoph Bart… Sa., 03.09.2022 - 07:17

Kein Bettenstopp, dafür Bettenboom? Wenn das stimmt, wäre es nicht nur absurd, sondern ekelerregend. Nicht nur, dass der verlogene Bettenstopp mit Stand: 2019 zu keiner Entschärfung der Situation führt (da bereits viel zu viel (schädlich) gebaut), Bürgermeister/innen in die Position als Alleinentscheider/innen (Monarch/inn/en) zu erheben, öffnet bzw. vervielfacht Korruption und Willkür; es könnte der Todesstoß sein.

Sa., 03.09.2022 - 07:17 Permalink
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Salto User
Günther Alois … Sa., 03.09.2022 - 08:19

Kurz um das neue Bettengesetz ist für die "Katz" wieder gut getrickst Svp, der Schuss könnte allerdings tatsächlich nach hinten losgehen mit den 1000 genehmigten AUSNAHMEN! Genug ist genug Herr LH ,Schuler ,Locher und restliche Svp Obertrickser!

Sa., 03.09.2022 - 08:19 Permalink