Umwelt | Nachhaltigkeit

Quo Vadis, Klimaplan?

Will man großzügig sein, so kann man beim von der Landesregierung vorgelegten Heft mit 50 Seiten vom halben Klimaplan sprechen, ohne zu werten. Fragen stellen sich viele.
Klimaplan
Foto: Land Südtirol
Schon in der Einleitung des mit Hochglanz-Bildern von IDM und Pixabay geschmückten und  mit dem „Klimaneutral“ Sigel von Climate Partner gebrandeten Dokuments findet sich der Verweis darauf, dass hier nur ein Ist-Zustand abgebildet wird und Netto-Emissions-Ziele mit Beispielen für die Jahre 2030, 2037 und schließlich 2040 präsentiert werden. Der vorliegende Plan ist nämlich nur Teil eins von zwei: Der „allgemeine Teil“, wie man es selbst nennt. Der „spezifische Teil“ soll dann bis spätestens Juni des nächsten Jahres ausformuliert werden.
 

Schwammige Visionen

 
Außer einer Benennung der derzeitigen Emissionsquellen und der Ziele von 55, 70 und schließlich 100% CO₂ Reduktion als Ziel zu den oben genannten Jahren, werden für 2030 und 2037 geplante Reduktionen von N₂O (Lachgas) und CH₄ (Methan) festgelegt, von 20 und 40% für beide Klimagase respektive. Als Ausgangspunkt für die Errechnung aller Ziele wird das Jahr 2019 verwendet. Kompensationszahlungen für Reduktionsmaßnahmen sind dabei „nur eine Ultima Ratio“, sieht es allerdings als Muss, dass „Südtirol seinen finanziellen Beitrag zur Unterstützung armer Länder auf dem Weg zur Klimaneutralität leistet“. Der Abschnitt „Vision“ fährt fort: Der Anteil von erneuerbarer Energie will man von derzeit 67% (Keine Quellenangabe oder Angabe, worauf sich diese Energieangabe bezieht) bis 2030 auf 75% und 2037 auf 85% erhöhen.
 
 
 
Für die „Klimaneutralität“ muss er, so heißt es weiter, „letztlich“ 100% erreichen. Unklar auch, warum etwa im Zusammenhang mit CO₂ von Klimaneutralität gesprochen wird, obwohl die Treibhausgase Methan und Lachgas deutlich weniger stark reduziert werden oder wie deren Emission ausgeglichen werden soll. Weiters geht es um Wirtschaftswachstum in von der Klimawende profitierenden Sektoren und die die Reduktion der armutsgefährdeten Bevölkerung um 10 Prozentpunkte bis 2030, wobei der Stand 2019 bei 18% lag.
 

Fünf Strategien

 
Ähnlich schwammig wie die „Vision“ lesen sich die Strategien für deren Umsetzung, gegliedert in fünf Teilbereiche auf eine dreigegliederte umweltökonomische Maßnamen-Gruppierung. In den fünf Strategien stellt man fest, dass Treibhausgase freisetzende Tätigkeiten oder Verhaltensweisen reduziert werden müssen, durch weniger schädliche Aktivitäten ersetzt werden müssen, dass Energie aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden muss, „die Resistenz und Resilienz“ gegen Folgen des Klimawandels gesteigert werden muss und schließlich, dass „unvermeidbare Belastungen sozialverträglich und fair“ verteilt oder abgefedert werden sollen. Die angeführten Beispiele sind dabei banal und naheliegend.
Bei den Maßnamen zur Umsetzung folgen erstens, Gebote und Verbote als „Gesetze, Verordnungen, oder etwas weicher als Richtlinien oder Ethik-Codizes“, die in Bereichen eingesetzt werden „in denen unmittelbare Gefahr im Verzug ist“. Zweitens, „Anreize, welche bestimmte Verhaltensweisen belohnen oder erschweren“, Bepreisungen, aber auch Sonderrechte etwa für energieautarke Gebäude möchte man hierin fassen. Drittens, mit dem Prädikat des „nachhaltigsten“ Ansatzes versehen ein „kultureller Wandel“, wofür man allerdings mindestens „eine halben Generation, also ca. 15 Jahre“ einrechnet. Diese Maßnamen sollen auf lange Sicht „viele Instrumente der Gruppe 1 und 2 ersetzen“, wird es „auch langfristig nicht möglich sein, wirklich alle Mitglieder der Gesellschaft zu überzeugen“. Da man im „kulturellen Wandel“ das größte Potential, aber auch eine zu lange Säumigkeit verortet, möchte man mit „Bildungs- und Kommunikationsmaßnahmen“ den Strategiekatalog ergänzen. Klingt, bis auf das Vertrauen, welches man in die anhaltende Vernunft der Bevölkerung setzt vernünftig, konkreter wird man hier noch nicht.
 
 
 
Im Abschnitt Status Quo werden Grafiken zu Hilfe gezogen, um die aktuellen Quellen der Treibhausgase grafisch zu quantifizieren. Quellenangaben fehlen auch hier. Interessant ist dabei, dass man im Verkehr zwar rund 37% der Emissionen auf der A22 sieht, aber auch in Bezug auf den „heimischen Verkehr und den auf Südtirol bezogenen Quell-Ziel-Verkehr“ doch 90% der Emissionen im „Gestaltungsbereich unseres Landes“ sieht. Die einfachen Übersichts-Grafiken berücksichtigen dabei nicht den komplexeren graue Energie, weder im Import, noch im Export.
 
 

16 Aktionsfelder

 
Im Hauptteil des Klimaplans werden auf 32 Seiten 16 „Aktionsfelder“ abgesteckt. Man beginnt mit  Bespielen „welche in den letzten Jahrzehnten erreicht wurden“, zu diesen zählt man CO₂ Einsparungen in der Fernwärme von „jährlich an die 300.000 t CO₂“, die zwar nicht durch neue Anlagen, aber durch „Optimierung des Netzes“ und Anschluss öffentlicher Gebäude weiter voran getrieben wird. Es folgen die landeseigenen Gebäudestandards und Sanierungsmaßnahmen, der Südtirol Pass und Einsparungen bei öffentlichen Beleuchtungsanlagen.
Es folgen die eigentlichen Aktionsfelder in welchen die Landesregierung Handlungsbedarf oder Potential sieht: Kommunikation und Bewusstseinsbildung (bewusst an erster Stelle, da man hier die „Grundlage aller anderen Hebel in der Klimapolitik“ sieht), Schwerverkehr und Warentansport (Verlagerung auf die Schiene besonders wünschenswert), Personenverkehr (Vermeidung von Verkehr durch Homeoffice, sowie Verlagerung auf öffentliche Verkehrsmittel) und das Bauen (Verbesserung der Energieeffizienz bei Neubauten und Sanierungen, auch in Bezug auf graue Energie). Als fünftes und folgende Felder wird das Heizen (ambitionierte 60% bis 2030, 85% bis 2037 sollen an Öl und Gas gespart werden, ab 2023 dürfen kein Ölheizungen in Neubauten installiert werden), Land- und Forstwirtschaft (wo man die größten Schwierigkeiten in Sachen Einsparungen voraussieht), Industrie (Schwerpunkte bei Energieersparnissen und Studie zur Abwärmenutzung), sowie der Private Dienstleistungssektor (weiter unterteilt in Handel, Tourismus und Transport, wofür jeweils Lösungsbeispiele angeführt werden). Im neunten Aktionsfeld will man mehr Klarheit über Graue Energie gewinnen (Ein Rechenwerk für die Provinz soll bis 2023 erarbeitet werden), die Folgepunkte sind Stromproduktion -Speicherung und -Transport (Hier liegen die Schwerpunkte vor allem bei Photovoltaik und Netzausbau), Biomasse (Man setzt auf einen Klimacheck 2025, bei dem die Effizienz gesteigert werden soll und eine Ergänzung der Substitution durch andere Energieträger geprüft werden soll), sowie langfristige CO₂ Senken (Hier wird etwa der Torf Abbau verboten, Holzbauweise geboten). In den letzten vier Punkten schenkt man ein Augenmerk Resilienz und Anpassung (wo man auf die Identifikation von Handlungsbereichen durch Expertinnen bis Ende Jahres setzt), Ernährung und Konsum (Fleischarme oder -freie Mensa-Kost innerhalb nächsten Jahres in ein Konzept fassen), das Feld der unterstützenden Leistungen und Zertifizierung, inklusive Planung (es geht hier vor allem um die Anfertigung von Studien, die direkte Verwertung finden, hier geht es auch um die Erstellung eines Finanzierungskonzepts bis 2023), sowie, an letzter Stelle um die Forschung (Hier will man Vernetzungsmöglichkeiten und Plattformen auf Euregio-Basis als Motor nutzen).
Obwohl die Sprache des Klimaplans keine elitäre ist, hat man das Gefühl, dass hier eine Sprache gesprochen wird, die es schwer nachvollziehbar macht, was den nun aus Sicht der Landesregierung für sie bindend ist und was nicht.
Obwohl die Sprache des Klimaplans keine elitäre ist, hat man das Gefühl, dass hier eine Sprache gesprochen wird, die es schwer nachvollziehbar macht, was den nun aus Sicht der Landesregierung für sie bindend ist und was nicht. Das kann zu einigen Frustrationen führen wenn ein Plan, der erst im nächsten Jahr fertig gestellt wird, dann auch noch seit 2019 in Ausarbeitung ist. Die Präsentation mit Überlänge in der Bozner Messe kommentierte ein Bürger mit einem lautstarken „Und das soll Bürgerpartizipation heißen?“, als die Fragerunde nach drei Fragen aus dem Mit-Mach-Tool Slido und zwei weiteren aus dem Saal aus Zeitgründen für beendet erklärt wurde.
 
 
 
Ein schlechter Look, nachdem die erste halbe Stunde des Time-Slots mit drei aufwändigen Image-Spots von Werbepartnern, einem 60 Sekunden Countdown, sowie Anmoderation und Danksagungen verbracht hat. Dadurch, dass die gesamte Landesregierung und die wissenschaftlichen Berater des Plans zu Wort kamen wurde viel gesagt, aber wenig beantwortet, auch wenn der Landeshauptmann um zwei Fragen verlängerte. Die ständige Wiederholung und Überbetonung des Umstands, dass es das größte Einsparungspotential bei den Bürgern gäbe, erinnerte an den Umstand, dass der CO₂-Fußabdruck von BP als Konzept eingeführt wurde und sollte nicht für die Politik als Rechtfertigung dienen, wenn ambitionierte Ziele verfehlt werden.
Als reines Marketingdokument möchte man den Plan allerdings nicht sehen, sondern als bindenden Beschluss. Ein Fakt, der zwar nicht in die Printausgabe direkten Einzug hielt, es aber in die von der Landes Presseagentur online zur Verfügung gestellte PDF-Fassung als vertikale Randnotiz „Beschluss Nr./N. Delibera: 0606/2022. Digital unterzeichnet / Firmato digitalmente: Arno Kompatscher, 00F45352 - Eros Magnago, 00E60FF2“ auf alle Seiten geschafft hat. Dass Südtirol bis 2040 klimaneutral sein wird ist also beschlossene Sache.
 
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Josef Fulterer Mi., 07.09.2022 - 06:21

Die Politiker leben immer noch im Glauben, dass man mit viel Geld die KLIMA-KRISE schon abwenden wird:
Übertriebene Prämien für die über 2 Tonnen schweren E-Protzkarossen, KOSTSPIELIGE EDV-gestützte Verkehrs-Planungen, SAU-teure KlMA-Plapper-VERANSTALTUNGEN usw.
In Wirklichkeit müsste:
dem Steuer-feien Treiben in der Luft,
dem Straßen verstopfenden Privatverkehr,
dem mit EXPORT-PRÄMIEN gepuschten LASTEN-VERKEHR durch die ganze Welt,
der unsinnigen GLAS-KISTEN-ARCHITEKTUR, die in den 3 wärmeren Jahreszeiten mehr Energie frisst, wie für die Heizung im Winter,
KRÄFTIGE ABMAGERUNGS-KUREN verpasst werden.

Mi., 07.09.2022 - 06:21 Permalink
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Karl Trojer Mi., 07.09.2022 - 09:21

Es wäre nützlich, wenn den Bürger:innen von kompetenter Stelle ein knappes aber vorrangiges Paket an Maßnahmen vorgelegt würde, in dem deren Möglichkeiten zum Klimaschutz mit Prioritäten aufgelistet sind.
Die Politik ihrerseits muss dringend und massiv handeln, sie muss angemessene, rechtlich verbindliche Bedingungen schaffen und auf allen ihr möglichen Ebenen koordiniert Taten setzen ! Es ist 1 vor 12 !

Mi., 07.09.2022 - 09:21 Permalink
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G. P. Mi., 07.09.2022 - 10:53

Es wird keine einzige konkrete Maßnahme genannt! Dafür hört man nur Floskeln, Floskeln, Floskeln ...
Nachdem 2040 kein einziger der jetzigen Politiker mehr im Amt sein wird, können Sie uns erzählen, was sie wollen ... und 2 Mio. Euro für die Nachhaltigkeitstage aus dem Fenster werfen.

Mi., 07.09.2022 - 10:53 Permalink
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Martin Sitzmann Mi., 07.09.2022 - 12:58

zur Abwechslung statt der Jammererei über die hohlen Floskeln mal ein konkreter Impuls:
Jeder Tourist, der mit Öffis anreist, kann sie hier kostenlos nutzen und zahlt keine Tourismustaxe. Jeder, der mit dem PKW/Motorrad/Flugzeug anreist, zahlt eine fünfmal so hohe Tourismustaxe.
Nur eine kleine von ganz vielen Maßnahmen, die eine Transformation einleiten können, zudem aus dem Ärmel geschüttelt. Aber ein konkreter Vorschlag, im Unterschied zum gesamten Klimaplan, wie er bislang vorliegt...

Mi., 07.09.2022 - 12:58 Permalink
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Christian I Mi., 07.09.2022 - 13:35

Antwort auf von Martin Sitzmann

Auf dem Papier eine super Idee! Leider in der Praxis schwer umsetzbar, aus einem ganz einfachen Grund: Personalmangel! Schon jetzt sind relativ wenige Oeffis unterwegs und die sind schon meistens ùberfùllt. Man bràuchte 2, 3, 4, ...? mal so viel Busse wie jetzt: wo findet man die Busfahrer?

Mi., 07.09.2022 - 13:35 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Mi., 07.09.2022 - 19:53

Je mehr Hochglanz, umso weniger Inhalt. Von der Politik und Wirtschaft erwarte ich mir keine wirksamen Maßnahmen, ich hoffe dass die Jungen aufwachen. Fridays for Future war schon mal ein brauchbarer Anfang. Jugend, macht weiter so! Euch gehört die Zukunft, also schaut auch drauf.

Mi., 07.09.2022 - 19:53 Permalink
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Herta Abram Do., 08.09.2022 - 08:36

Ja es schaut - nicht nur bei der SVP - so aus, als ob man die unausweichlichen Herausforderungen noooch weiter in die Zukunft verschieben möchte! (- war bei der Vorstellung des Klimaplans da)
Die Nachhaltigkeitsanstrengungen der Staaten (und Regionen wie Gemeinden) müssen deutlich radikaler werden, wenn die „enkelgerechten“ Ziele in den Jahren 2030 bzw. 2050 erreicht werden sollen.
Es liegt nun an uns, der Politik zu signalisieren, dass mit einer konsequenten Klimapolitik auch Wahlen zu gewinnen sind. https://www.barfuss.it/leben/flitterwochen-der-nachhaltigkeit-sind-vorb…
Besonders unser Alltagsverhalten wird ausschlaggebend sein - nicht nur danach fragen, was unsere Regierungen für die Nachhaltigkeit machen kann, sondern insbesondere auch danach, was wir für die Zukunft des Planeten beitragen können. u. a.: mit zivilem Ungehorsam ://sustainabilitydays.com/de/speaker/gail-bradbrook

Alle leiden unter dem Klimanotstand!! Ältere leiden anders.- Ein Anstieg der Durchschnittstemperatur um 2 Grad lässt die Zahl der Hitzetoten um 50 Prozent steigen. https://www.derstandard.at/story/2000137320465/die-bringschuld-der-gene…
Ob Klimaschutz in einer Demokratie möglich ist, liegt an uns Bürgern, nicht nur am Engagement einer Gruppe!

Do., 08.09.2022 - 08:36 Permalink
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Herta Abram Do., 08.09.2022 - 15:40

Herr Freis Statement zeigt auf, mit was für Geisteshaltungen auch zu rechnen ist: -Ähnliche Abwehrreflexe, wie bei der Anti-Coronapolitik. Wenn bereits angesichts einer konkreten Seuche in der Heimatgesellschaft eine politische Nachfrage nach Oppositionspolitikern entstanden ist, die die offizielle Krisenbekämpfungspolitik als „totalitär“, „diktatorisch“, „entmündigend“, „elitengesteuert“ oder gar „menschenrechtswidrig“ ablehnen, was müssen wir dann erst recht erwarten, wenn für das (weit abstraktere und „internationalistischere“) Ziel der Rettung des Planeten massiv in unsere Lebensgewohnheiten und Vermögenwerte eingegriffen wird?! (Toggenburg)
Ich hab keine Ahnung wie man bei solchen FreiVorstellungen, eine Schnittstelle zu "gemeinsamer, solidarischer Klimaschutzanstrengung" finden kann.

Do., 08.09.2022 - 15:40 Permalink