Politik | Soziales

Die soziale Not wird größer

Gestern wurde der Entwurf eines der wichtigsten Strategiepapiere des Landes vorgestellt. Dieses enthält die Leitlinien und Schwerpunktthemen für den Sozialbereich.
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Foto: Salto.bz
Im Vergleich zum Landesgesundheitsplan und anderen Strategiepapieren des Landes führt der Landessozialplan in der öffentlichen Berichterstattung und Wahrnehmung gemeinhin ein eher stiefmütterliches Dasein. Dabei geht es um wesentliche und zentrale Bereiche der Gesellschaft wie die Pflege und Betreuung von Senioren, Menschen mit Beeinträchtigungen sowie um die Hilfe für Minderjährige und Frauen in Notsituationen, um nur einige Beispiele zu nennen.
 
 
 
Aufgenommen wurden die Arbeiten am neuen Landessozialplan im Jänner 2020, durch den Ausbruch der Corona-Pandemie verzögerte sich der Fortgang allerdings und Treffen von Arbeitsgruppen und Workshops, die eigentlich in Präsenz hätten stattfinden sollen, mussten online abgehalten werden. Nichtsdestrotrotz verlief die Ausarbeitung des Planes in einem sehr partizipativen Prozess, wie sowohl Kurt Promberger, Direktor des Instituts für Public Management von Eurac Research, als auch Karl Gudauner von der Gesellschaft „Chiron – für Bildung und Forschung“ bei der gestrigen Präsentation in der EURAC erläuterten. Beide Institutionen waren maßgeblich an der Erstellung, die in Zusammenarbeit mit dem Ressort Soziales durchgeführt wurde, beteiligt.
 

„Ein wahrer Kraftakt“

 
Wie Soziallandesrätin Waltraud Deeg in ihren einleitenden Worten betonte, seien die vergangenen zwei Jahre für den Bereich Soziales ein wahrer Kraftakt gewesen. Die Corona-Pandemie habe das Sozialwesen auf das Äußerste gefordert. „In Krisenzeiten wird jedoch immer auch die Autonomie auf eine harte Probe gestellt“, so Deeg, die in diesem Zusammenhang auf die staatlichen Verordnungen zu den eingeschränkten Besuchszeiten in den Seniorenheimen und die Impfpflicht verwies. In diesem Bereich, der ohnehin von Fachkräftemangel gekennzeichnet ist, hat diese Maßnahme zu Kündigungen von gut ausgebildeten und langjährigen Mitarbeitern geführt, und nach wie vor ist der Personalmangel groß, wie Deeg betonte. Die Soziallandesrätin verwies aber auch auf die gute Arbeit der letzten Jahrzehnte, die sich gelohnt habe, und dass man den Fokus darauf legen müsse, was „gehalten habe“. Allerdings wurden während der Pandemie auch einige Schwachstellen ausgemacht und daraus Handlungsstrategien abgeleitet, wie beispielsweise dass zukünftig wohl eine bessere Zusammenarbeit der Bereiche Soziales und der Sanität gefordert sei. „Ein weiterer Anlass zur Besorgnis gibt die wachsende soziale Ungerechtigkeit“, so Deeg, die auf die stiefmütterliche Behandlung des Sozialbereichs bei der Verteilung der Landeshaushaltsgelder verwies. Mit 10,3 Prozent ist das Ressorts Soziales und Familie nicht gerade mit Finanzmitteln gesegnet.
 
 
 
Die wichtigsten Strategien und Inhalte des neuen Landessozialplanes wurden von Michela Trentini, Direktorin der Landesabteilung Soziales, vorgestellt. Verstärkt will man in Zukunft auf die Entwicklung eines größeren Gemeinschaftssinns setzen, in dem die Mitglieder der Gesellschaft sich um ihre Nächsten kümmern. Weiters soll auf die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der direkt Betroffenen gesetzt werden. Ein großes Augenmerk wird in Zukunft auf den Kampf gegen die Armut und die Ausbildung von Fachpersonal gelegt. Auch die Sozialsprengel sollen reformiert, die bereits angesprochene Zusammenarbeit zwischen Sanität und Sozialbereich weiter gestärkt und das Volontariat und Ehrenamt stärker hervorgehoben werden. „Die Qualität der Dienste muss dabei jedoch immer gewährleistet bleiben“, betonte Trentini. Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, sollen künftig die Angebote von Schulungen und Lehrgängen, wie dies bereits in Zusammenarbeit mit den beiden Landesfachhochschulen für Gesundheitsberufe Claudiana und E. Lévinas gelungen ist, ausgebaut werden. Glücklicherweise sei jene Gruppe von Senioren, die noch rüstig und selbstständig den Alltag bewältigen, relativ groß, so Trentini, die betonte, dass die Seniorenbetreuung darauf abzielen müsse, die selbstständige Lebensführung zu fördern. Dazu sollten auch neue Wohnformen angedacht und mobile, teilstationäre Betreuungsangebote wie auch stationäre Dienste ausgebaut werden. Die Direktorin der Landesabteilung Soziales kündigte in diesem Zusammenhang die Gründung von Kompetenzzentren für Demenzerkrankungen in den verschiedenen Südtiroler Bezirken an.
Auch für den Schutz von Minderjährigen und die Betreuung von Menschen mit Behinderungen will man erweiterte Betreuungsangebote schaffen. Um den dritten Sektor, sprich das Volontariat und das Ehrenamt, stärker einzubinden, setzt man sich zum Ziel, die Bürokratie abzubauen, sowie Strategien und Pläne gemeinsam voranzutreiben als Alternative zu öffentlichen Aufträgen.
Zum Abschluss erläuterte Trentini noch den weiteren Fahrplan. So erwarte man sich bis Mitte Oktober die Rückmeldung seitens der Stakeholder, um anschließend die Endversion auszuarbeiten. Nach der Einholung der Gutachten seitens des Sozialbeirates und des Rates der Gemeinden soll der Plan der Landesregierung vorgelegt werden.
  
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Dietmar Nußbaumer Di., 13.09.2022 - 21:17

Inflation und überteuerte Preise für alle Energieträger (hängt natürlich zusammen, ist aber nicht überall nachvollziehbar) sind für die Unter- und Mittelschicht eine bittere Pille. Wie die Betriebe das überleben, müssen wir erst sehen. Insolvenzen gehen einher mit Arbeitslosigkeit, wer bezahlt dann die sozialen Leistungen? Putins Kriegsführung geht in Europa leider auf.

Di., 13.09.2022 - 21:17 Permalink
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Klemens Riegler Mi., 14.09.2022 - 23:45

Landessozialplan? Anno 2020? … und nach der Pandemie und mitten in der Energiepreis-Schweinerei kommt sowas?
Warum nicht auf die Versäumnisse hinweisen und eingestehen dass man - sorry frau Landesrat - es komplett verschlafen hat den PNRR - Fond anzuzapfen. Man bzw. Frau hätte halt irgendwann wissen müssen, dass da was zu holen gewesen wäre. Jetzt wird’s knapp!

Mi., 14.09.2022 - 23:45 Permalink
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Michael Bockhorni So., 16.10.2022 - 09:50

"Entwicklung eines größeren Gemeinschaftssinns ..., in dem die Mitglieder der Gesellschaft sich um ihre Nächsten kümmern... "Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der direkt Betroffenen".... das Volontariat und Ehrenamt stärker hervorgehoben...Um den dritten Sektor, sprich das Volontariat und das Ehrenamt, stärker einzubinden, setzt man sich zum Ziel, die Bürokratie abzubauen, sowie Strategien und Pläne gemeinsam voranzutreiben als Alternative zu öffentlichen Aufträgen". Also vom bedarfsgerechten Aus- bzw. Umbau der professionellen Dienste lese ich da kaum etwas. Wie konkret soll der "Kampf gegen die Armut" aussehen? Der Dritte Sektor besteht überwiegend aus privaten Organisationen (Sozialgenossenschaften und Vereinen), welche in diesem Bereich hauptamtliche Mitarbeiter*innen beschäftigen, welches z.T. durch Freiwillige unterstützt werden. Deswegen benötigt es ja auch öffentliche Aufträge, um die Lohnkosten zu decken.

So., 16.10.2022 - 09:50 Permalink