Umwelt | Toblacher Gespräche

Was wissen die Tiere?

Die 33. Ausgabe der Toblacher Gespräche rückt die Tiere in den Mittelpunkt: Was verbindet uns mit ihnen? Und wie werden wir unserer Verantwortung ihnen gegenüber gerecht?
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Spengler Neff, Anet
Foto: Marion Nitsch - Bioviehtag 2018

“Sie müssen nicht über die Folgen ihres Handelns informiert werden, – sie kennen sie bereits.” Mit diesen Worten leitet Kurator Karl-Ludwig Schibel die 33. Ausgabe der Toblacher Gespräche ein. Warum also weiter über unsere Handlungen und deren Bezug zu Tier- und Umwelt sprechen?

Genau deshalb! Die meisten von uns wissen um die fatalen Folgen von Fleisch- und Milchkonsum auf Tier, Mensch und Umwelt Bescheid - und legen abends trotzdem ihr Steak auf den Grill. Aber auch vegan lebende Menschen nehmen unweigerlich an einem imperialen Lebensstil teil, der auf der Ausbeutung von Natur und Menschen basiert: “Vielleicht ist es gerade das Bewusstsein darüber, wie tief und umfassend die Transformation sein muss, das es schwer macht, an die Bedeutung des eigenen Handelns zu glauben”, so Schibel. “Daher geht es im Engagement für ein solidarisches Zusammenleben von Mensch und Tier vielleicht weniger um Hamburger oder Sojaburger, sondern um ein Bewusstsein für die eigenen Kompromisse”.

 

Rationale Schildkröten und Kraken?

 

Dieses Bewusstsein für die eigenen Kompromisse und die Auswirkungen von individuellen Maßnahmen und politischen Engagement auf unsere Beziehung zu Umwelt, Mensch und Tier wird bei den Toblacher Gesprächen unter dem Motto “Was wissen Tiere” vom 30/09- 02/10 im Mittelpunkt stehen. Das von Wolfgang Sachs und Karl-Ludwig Schibel ausgearbeitete Programm rückt dabei vor allem die Tiere, die in der Umwelt und Klimadebatte von vielen vernachlässigt werden, ins Scheinwerferlicht:

 

So spricht Ludwig Huber beispielsweise über Rationalität und Bewusstsein von Schildkröten und Kraken, Anet Spengler Neff über glückliche Kühe und Fabian Scheidler über die Rätselhaftigkeit von Mensch und Tier. Wer hingegen nicht nur mitdiskutieren, sondern auch selbst etwas erleben möchte, schleicht sich am Freitagnachmittag mit dem Landesjägermeister Günther Rabensteiner auf die Pirsch.

Die Fragen, die sich für und durch die einzelnen Referentinnen und Referenten ergeben, sind vielfältig, komplex, kontrovers. Salto.bz darf einen kurzen “sneak peek” auf einige der Antworten präsentieren. 
 

Salto.bz: Jetzt mal ganz ehrlich: Was wissen Tiere wirklich?

Anet Spengler Neff (Forschungsinstitut für biologischen Landbau, Frick): Tiere wissen genau, wie sie ihr Leben führen möchten und was sie für ein gutes Leben brauchen. Goethe schrieb mal: “die Tiere werden durch ihre Organe belehrt”, und genau so ist es. Bei den Wiederkäuern sind das vor allem die Verdauungsorgane, die auf die Verwertung von Gras ausgerichtet sind und die Gliedmaßen, die auf ausdauerndes Gehen auf weichem Boden spezialisiert sind. Daraus folgt: Wenn eine Kuh auf der Weide Gras und Kräuter fressen kann, ist sie in ihrem Element. Sie weiß genau, welche Kräuter, Sträucher, Gräser sie wann fressen will: Sie frisst, was ihr guttut. Tiere wissen eigentlich alles, was mit ihrem eigenen Lebensbereich zu tun hat: im Seelischen, im Physiologischen, im Physischen. Jedes Tier hat solches Wissen. Über Dinge, die sie in ihrem Leben nicht berühren, haben sie hingegen kein Wissen, sie denken auch nicht darüber nach.

 

Daniel Felderer (Südtiroler Veganismus-Aktivist und Blogger): Tiere wissen ganz genau, dass sie - sobald sie auf dem Tiertransport landen - der Tod und die Hölle beim Schlachter erwartet. Tiere sind sehr feinfühlig. Ich habe vor Schlachthöfen mit eigenen Augen in die ihren geblickt, diese Blicke sagen ALLES. Aber im Prinzip ist es völlig irrelevant, ob wir wissen, was genau Tiere wissen oder denken, weil sie genau wir ein gewisses Bewusstsein und Schmerzempfinden besitzen. Das ist Grund genug, sie zu respektieren und nicht als Produkte zu züchten.

Wo trefft ihr in eurer Arbeit auf den größten Widerstand, wenn es um Tierwohl und Veränderung geht?

Spengler Neff: Widerstand kommt eigentlich von all dem, was heute in der Landwirtschaft als “normal” gilt: von dem, was in den Lehrbüchern steht, was Futtermittelhändler und Genetikanbieter verkaufen und was die Agrarlobby vertritt, die mit dieser Art der Landwirtschaft viel Geld verdient (nicht die Bäuerinnen und Bauern). Oft sind es Leute, die meinen, eine artgerechte Nutztierhaltung sei nicht wirtschaftlich oder Leute, die sich in eine bestimmte Art der Tierhaltung und Tierzucht verbissen haben und sich nichts anderes vorstellen können: also z. B. Menschen, für die eine sehr hohe Milchleistung bei Kühen im Vordergrund steht. Ich möchte den Menschen, die nicht in der Landwirtschaft arbeiten, aber zeigen, dass man glückliche Nutztiere halten und gleichzeitig als Mensch glücklich sein kann.

 

Felderer: Der Widerstand liegt in Tradition, Komfort und fehlendem Bewusstsein. Viele wissen nicht, für welches Leid sie verantwortlich sind, indem sie tierische Produkte kaufen. Andere wissen was passiert, unterstützen den Tiermissbrauch aber trotzdem weiter. So wird man vom unbewussten zum bewussten Täter. In jedem anderen Kontext würde man dafür verurteilt und zur Stellung gezogen. Warum ist das, wenn es um leidensfähige Tiere geht, anders?

 

Text & Interview von Valentina Gianera.

 

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Peter Gasser Mo., 19.09.2022 - 10:18

Ein wichtiger Artikel, ein wichtiges Anliegen.

Zitat: “In jedem anderen Kontext würde man dafür verurteilt und zur Stellung (Verantwortung? Anmerkung durch den Schreiber) gezogen. Warum ist das, wenn es um leidensfähige Tiere geht, anders?”
Diese Aussage ist absolut unzutreffend, um nicht zu sagen, sie ist falsch.
Wird man zur Verantwortung gezogen, wenn man Kaffee kauft oder Schokolade isst (Kinder-Sklavenarbeit in Afrika, Einsatz verbotener Pflanzenschutzmittel), wird man zur Verantwortung gezogen, wenn man Textilien aus Asien kauft (Baumwolle verarbeitet in den Umerziehungslagern der Uiguren, Einsatz verbotener Pflanzenschutzmittel)?
Nein, man wird natürlich nicht.
Die Liste ist meterlang fortzuführen, die Umstände sind in vielen Beiträgen recherchiert und bestätigt. Nirgends aber wird der Konsument dafür “zur Verantwortung gezogen”. Nirgends.

(Möglicherweise trifft dieser Umstand auch für den Pullover und das Käppi im Bild zu).

Mo., 19.09.2022 - 10:18 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Mo., 19.09.2022 - 21:52

Der Mensch ist physiologisch ein Allesfresser, wie z.B. Das Schwein. Damit gehört Fleisch und Fisch eigentlich auf die Einkaufsliste. Dass Nutztiere artgerecht gehalten und schonend geschlachtet werden sollten, wäre ein Mindestmaß an Respekt, das wir den Tieren entgegenbringen müssten, fragen Sie dazu einfach mal bei Lidl und Tönnies nach. Das ganze Gelabere nützt absolut nix, wenn den Großen das am A... vorbeigeht, oder aber diese Firmen werden boykottiert - davon merke ich aber auch nix. Übrigens, Homo sapiens sapiens (kein Druckfehler) wird zu den Hominiden gezählt, wie unsere Nächstverwandten, die Bonobos und Schimpansen. Schönen Gruß vom nackten Affen.

Mo., 19.09.2022 - 21:52 Permalink