Umwelt | Klimakrise

Schuldenerlass gefordert

Die Kampagne Debt for Climate fordert einen Schuldenerlass für Länder, die noch immer unter dem Kolonialismus leiden. Nur so könne dort Geld in Klimaschutz fließen.
trockener_see_burkina_faso.jpg
Foto: Yoda Adaman on Unsplash
Wie wir mit dem Klimawandel umgehen, ist auch eine Geldfrage: Wer kann wie viele Summen für den Schutz des Klimas und in die Anpassungen an Stürme, Dürren und Überschwemmungen investieren? Während einige Weltregionen, vielfach im globalen Norden wie die Europäische Union mit dem Green Deal, ankündigen, Klimaschutz als eine der obersten Prioritäten zu betrachten, sind andere Weltregionen etwa in Afrika, Asien und Südamerika damit beschäftigt, ihre Bevölkerung aus der Armut zu holen und wirtschaftlich mit anderen Ländern mitzuhalten. Gleichzeitig spüren viele Menschen dort die Auswirkungen des Klimawandels schon jetzt am eigenen Leib.
 
 
Die internationale Kampagne Debt for Climate will hier ansetzen, um es auch ärmeren Ländern zu ermöglichen, einen Beitrag für den Klimaschutz und für die Erreichung der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) zu leisten. Dabei greift sie koloniale Zusammenhänge auf und setzt sie in Verbindung mit der globalen Klimaschutzbewegung, die in Europa selbst vor der Herausforderung steht, nicht nur weiße, privilegierte Menschen anzusprechen. Etwa kritisieren Black, Indigenous and People of Color (BIPoC) in Deutschland immer wieder, dass es Bewegungen wie Fridays For Future an migrantischen Perspektiven fehlt.
 

Rassismus in der Klimabewegung

 
„Wir haben mit Rassismus in verschiedensten Formen zu kämpfen – und unsere Perspektiven werden kaum einbezogen. Fridays for Future (FFF) ist mehrheitlich weiß und akademisch – und das steht oft im Vordergrund. Die Klimakrise betrifft alle, aber MAPA (Most affected People and Areas, also Menschen in den von der Klimakrise am meisten betroffenen Regionen, Anmerkung d. R.) sind seit 500 Jahren – seit Beginn des Kolonialismus – von Ausbeutung betroffen und zahlen den höchsten Preis für die Klimakrise. Ein wichtiger Faktor im Aktivismus ist auch Polizeigewalt, weil wir als BIPoC davon besonders stark betroffen sind“, erklärt etwa die Schwarze Aktivistin Winta P. von BIPoC for Future im Interview mit der deutschen Nachrichtenseite taz.
Die Graswurzel-Initiative Debt for Climate ist im Gegensatz zu Fridays for Future nicht im globalen Norden mit Greta Thunberg in Schweden gestartet, sondern wird von Menschen aus dem globalen Süden angeführt. Ihr Ziel ist es, die Schulden verarmter Länder zu streichen, sodass diese es sich leisten können, fossile Energieträger im Boden zu lassen und eine gerechte Energiewende zu finanzieren. Ihr leitender Grundsatz ist dabei, dass Klimagerechtigkeit nicht ohne soziale Gerechtigkeit umgesetzt werden kann.
 

Raus aus der Schuldenspirale

 
„Die globale Debt-for-Climate-Initiative hat das Potenzial, fossile Energieträger im Wert von Billionen von Dollar im Boden zu lassen und gleichzeitig Länder von einer erdrückenden Schuldenlast zu befreien, die häufig als Instrument eingesetzt wird, um noch mehr natürliche Ressourcen zu extrahieren“, erklärt die Initiative auf ihrer Webseite. Ihre nächste Aktion läuft von 14. Oktober, anlässlich des Jahresgipfels des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington D.C., bis zum 8. November, da beginnt in Ägypten die UN-Klimakonferenz (COP27).
 

Ihr Vorwurf an diese mächtigen Geldgeber lautet, dass politische und wirtschaftliche Entscheidungen in internationalen Institutionen wie dem IWF und der Weltbank zum Vorteil der Industrieländer und zum Nachteil der ärmeren Länder getroffen werden. Sowohl der IWF als auch die Weltbank, eine UN-Sonderorganisation, vergeben Kredite an Länder ohne ausreichend Währungsreserven. Sie entstanden beide 1944 als internationale Steuerungsinstrumente, um Währungsturbulenzen zu verhindern.
Debt for Climate wirft ihnen vor, Länder des globalen Südens und periphere Länder des globalen Nordens zu kontrollieren, da diese Länder durch ihre hohen finanziellen Schulden wenig Spielraum für eigene Entscheidungen haben. Oftmals handle es sich um „verachtenswerte“ Schulden, die illegal und/oder durch Korruption gewonnen wurden, oft verfassungswidrig, durch de facto Regierungen und/oder durch Verstöße gegen die Statuten der Kreditinstitutionen selbst.
 

Keine faire Wirtschaft

 
Ein im März 2022 in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „Global Environmental Change“ publizierter Artikel zur Ausbeutung im globalen Süden untermauert diese These mit dem Beispielsjahr 2015: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich der Norden im Jahr 2015 netto 12 Milliarden Tonnen Rohstoffäquivalente, 822 Millionen Hektar Boden, 21 Exajoule Energie und 188 Millionen Personenjahre Arbeit im Wert von 10,8 Billionen US-Dollar zu Preisen des Nordens angeeignet hat – genug, um die extreme Armut 70 Mal zu beenden. Während des gesamten Zeitraums belief sich der Abfluss aus dem Süden auf 242 Billionen Dollar.“
Diese Bereicherung des globalen Nordens entspricht einem Viertel seines Bruttoinlandprodukts. Zudem stellten die Autor:innen des Fachartikels fest, dass die Verluste des globalen Südens die gesamten Hilfsgelder in diesem Zeitraum um das 30-fache übersteigen. Sie resümieren: „Unsere Analyse bestätigt, dass der ungleiche Austausch eine wichtige Triebkraft für globale Ungleichheit, ungleiche Entwicklung und ökologischen Zusammenbruch ist.“
 
 
Bild
Profil für Benutzer Karl Gudauner
Karl Gudauner Do., 29.09.2022 - 10:39

Es ist nicht nur ein Schuldenerlass für die betroffenen Länder gerechtfertigt, sondern ein langfristiger Entwicklungsplan zu erstellen, der von den Nutznießern der Ausbeutung (Länder, Konzerne) finanziert wird. Das entsprechende Finanzvolumen ist aufgrund einer Berechnung zu quantifizieren, die für die letzten 30-50 Jahre die ungerechtfertigten Rendite in Relation zu den entgangenen Entwicklungschancen ermittelt.

Do., 29.09.2022 - 10:39 Permalink