Wirtschaft | Skitourismus

Was ist in Gröden los?

Die Klimakrise ist nicht zu übersehen, trotzdem will man in Gröden auf klimaschädlichen Großveranstaltungen nicht verzichten.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
VAL GARDENA GRÖDEN FIS SKI WORLD CUP
Foto: Salto.bz

So tief wie noch nie stecken wir in der Klimakrise. Zwischen Wassernotstand, Energiekrise, Überschwemmungen, Murenabgängen und Waldsterben ist es nur schwer, nicht hinzuschauen.

Ein Blick lohnt sich dementsprechend auch auf den Skitourismus: Studien zeigen, dass er generell rückgängig ist. Unter anderem besagt die letzte Studie der Eurac Bozen des Geo-Ökologen und Klimafolgenforscher Marc Zebisch, dass bereits in 15 bis 20 Jahren die klimatischen Bedingungen so verändert sein werden, dass der Betrieb für Skigebiete bis zu 1800 m nicht mehr rentabel sein wird. Schon jetzt ist der Ressourcenverbrauch für die künstliche Beschneiung haarstreubend und in Italien werden 90% der Pistenflächen künstlich beschneit. Eine Daumenregel der Wirtschaftskammer Österreich besagt, dass pro Hektar beschneiter Piste 3000 Kubikmeter Wasser nötig sind. Ein Skitag einer Person verbraucht 18 Kilowattstunden Strom, etwa 180 Stunden Fernsehen. (Süddeutsche Zeitung, “Umweltsünde Skifahren?”, 19.01.2022) Im Aplenraum ist die Schneedeckendauer rückläufig, die Temperatur ist im Zeitraum 1975 bis 2000 um 1,3 Grad Celsiuns gestiegen, 7 auf 10 Winter waren in den letzen zehn Jahren um 1 Grad Celsius wärmer als im Durchschnitt (FF 38/2022).
Bei so einem Szenario sollte man für die Dolomiten eine Diversifizierung des Winterangebots anstreben, weg vom Monopol des Skitourismus und hin zu einem zukunftsorientierteren Angebot. Wir sehen es jetzt mit der Energiekrise: nichts ist langfristig ökonomisch und sozial schädlicher, als von einem Monopol abhängig zu sein.

Aber dem ist nicht so: Man will mehr! Trotz Gegenwind von Seiten der Bevölkerung stimmen die Gemeinden in Gröden der Kandidatur für eine Skiweltmeisterschaft zu. Das Budget für diese Kandidatur: 1.1000.000 Euro, Großteils aus Steuergeldern finanziert.
Über die Versuche das Event als nachhaltig zu verkaufen, kann man nur lachen. So steht es im Depliant: Die bestehenden Pisten werden ausgeweitet, Varianten gebaut, neue Wasserspeicherbecken wurden schon gebaut. Tunnel für die Logistik der Menschenmengen sind geplant, bestehende Aufstiegsanlagen werden erneuert, höchstwahrscheinlich mit Steigerung der Beförderungskapazität. Im Zielraum wird ein Zuschauerstadion samt unterirdischen Parkplätzen entstehen und die Bergstation soll renoviert bzw. erweitert werden. Da nützt der Wille das Event plastic-free zu gestalten und Wasserstoff getriebene Schneekatzen einzusetzen, rein gar nichts. Pures Greenwashing.
Bei Immobilienpreisen, die im Tal schon jetzt für “normale” BürgerInnen untragbar sind, einer akutisierenden Wohnungsnot und überdurchschnittlichen Lebenskosten, kann man auch über die sozialen Auswirkungen eines solchen Events besorgt sein. Denn noch mehr internationale Sichtbarkeit bringt auch noch mehr Spekulation.

Was ist los in Gröden? Bei einer durch die Klimakrise geplagten Erde, ist die Investition in eine Skiweltmeisterschaft schlicht und einfach verantwortungslos und einzig von einer Lobby gepusht, die scheinbar gar nichts von einer nachhaltigen Zukunft hält.
Entscheidungen im Tourismus, die wie in diesem Fall riesige Auswirkungen auf die Lebensqualität vor Ort haben, sollten die lokale Bevölkerung im Entscheidungsprozess miteinbeziehen, zum Beispiel durch ein Referendum. Es geht schließlich um unsere Zukunft.  

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Herta Abram Mo., 03.10.2022 - 18:45

Gestern beging der Planet unfreiwillig den sogenannten Earth Overshoot Day - in Österreich fiel dieser heuer bereits auf den 6. April. Ab diesem Tag übersteigt die menschliche Nachfrage nach nachwachsenden Ressourcen die Fähigkeiten der Erde, sie zu reproduzieren: ab heute leben wir quasi auf ökologischem Kredit.
Dieser Tag zeigt Jahr für Jahr aufs Neue und leider immer früher im Jahr: die Spezies Mensch, mit all ihren Technologien, Ablenkungen, Lifestyles und Konsum- und Produktionsmustern, beansprucht unseren Planeten und seine Schätze zu Wasser, zu Land und in der Luft weit über Gebühr und gefährdet so nichts weniger als die Grundlagen der menschlichen Existenz sowie jener vieler weiterer Spezies auf diesem Planeten.
Weitere Informationen zum Earth Overshoot Day: https://www.overshootday.org/newsroom/country-overshoot-days/

Mo., 03.10.2022 - 18:45 Permalink
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Herta Abram Mo., 03.10.2022 - 19:03

Antwort auf von Herta Abram

Die Vorstellung, es gebe eine von uns getrennte Natur, mit der wir beliebig verfahren können, die wir abbaggern, aufheizen, zerlegen, neu zusammsetzen und kontrollieren können wie ein Bauingeneur seine Materialien, ist eine tödliche Täuschung!
Es braucht eine Politik der Teilhabe und der planetaren, sozialen Verantwortung,- beginnend im eigenen Dorf!

Mo., 03.10.2022 - 19:03 Permalink
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Josef Fulterer Di., 04.10.2022 - 07:24

Italien ist mit seinem Wirtschaftssystem, bereits seit dem 15.Mai 2022 bei den KLIMA-SÜNDERN, die mehr verbrauchen als nachwächst.
Südtirol ist wegen der unfrei-willigen Brenner-Verkehrs-Achse, der IMMER-NOCH-MEHR-GLÄUBIKEIT, den inzwischen auch außer den Saisons-Spitzenzeiten zunehmenden Verkehrs-Staus + der Gummi-Band-Betten-Obergrenze, ein kräftiger Mitverursacher.

Di., 04.10.2022 - 07:24 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Di., 04.10.2022 - 20:37

Die Abfahrt auf der Sasslong gehört zum Skizirkus, mehr wäre absoluter Wahnsinn. In Zukunft wird wohl Wasserskiing angesagt sein (dafür sind Grödens Schwimmbäder aber zu klein - sollte jetzt witzig sein).

Di., 04.10.2022 - 20:37 Permalink
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Markus S. Di., 04.10.2022 - 20:44

Mir ist keine neue Piste, kein neues Speicherbecken und keine neue Straße bekannt, die eigens für die WM geplant ist. Die Umfahrung von St.Ulrich wurde schon vor vielen Jahren geplant, als noch keine WM auf dem Radar stand. Wovon spricht hier Frau Elide Mussner?!?

Und was die Angst anbelangt, dass durch eine WM die Immobilien teurer werden nur so viel: diese Angst hatte man schon vor 30 Jahren und daher gegen eine neue WM gestimmt - dennoch ist danach alles teurer geworden.

Wo sie allerdings recht hat: man darf nicht auf ein Monopol setzen und sollte das Winterangebot diversifizieren. Es gibt nicht nur den Skisport.

Di., 04.10.2022 - 20:44 Permalink
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Herta Abram Mi., 05.10.2022 - 08:51

Antwort auf von Markus S.

Markus S sagt: "Mir ist keine neue Piste, kein neues Speicherbecken und keine neue Straße bekannt, die eigens für die WM geplant ist...."
Dies könnte wohl mit der Transparenz- und der Demokratievorstellung des Gemeinderats zu tun haben?!, sage ich.
Ich bin ganz bei Frau Mussner! "Da die Entscheidungen im Tourismus, die wie in diesem Fall riesige Auswirkungen auf die Lebensqualität vor Ort haben, sollten die lokale Bevölkerung im Entscheidungsprozess miteinbeziehen, zum Beispiel durch ein Referendum. Es geht schließlich um unsere Zukunft."
Frage an die BürgerInnen: "Wer ist einverstanden, mit unseren Steuergeldern, weiterhin die Zerstörung unserer Lebensgrundlage, also der Natur mit-zu-finanzieren?"

Mi., 05.10.2022 - 08:51 Permalink
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Elide Mussner Mi., 05.10.2022 - 10:53

Antwort auf von Markus S.

Hallo Herr Markus,
ich habe nichts erfunden, sie können alles schwarz auf weiß in der Brochure für die Kandidatur zur WM, nachlesen.
Zum Thema "neue Piste", gebe ich ihnen die gleiche Antwort, die mir von einem Skiunternehmer gegeben wurde: ist eine Variante eine neue Piste? Meiner Meinung nach schon, aber natürlich ist jeder der eigenen Meinung berechtigt.
Lieben Gruß

Mi., 05.10.2022 - 10:53 Permalink
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Daniele Menestrina Mi., 05.10.2022 - 20:56

Antwort auf von Elide Mussner

Sehr geehrte Frau Mussner gemäß den Bestimmungen des Internationalen Schiverbandes FIS braucht es für eine Variante eine eigene neue Homologierung, denn die für die schon bestehende Rennpiste ausgestellte kommt nicht zum Tragen. Somit ist eine Variante eine neue Piste.
Zusätzliche Info: auch für eine schon bestehende Piste auf der Eingriffe vorgenommen werden, die zu einer Änderung der Konformation führen oder sonst neue Streckenführung oder Sicherheitsmassnahmen erfordern, braucht es eine neue Homologierung auch wenn die alte noch nicht abgelaufen ist. Es handelt sich also auch in solch einem Fall technisch und gemäß den Regeln um eine neue Piste.

Mi., 05.10.2022 - 20:56 Permalink
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Elide Mussner Mi., 05.10.2022 - 10:59

Antwort auf von Am Pere

Es geht ja gar nicht darum, den Skitourismus jetzt abzuschaffen. Wir brauchen noch den Skitourismus. Es geht aber darum den Skitourismus nicht weiterhin zu potenzieren. Unsere Ressourcen sollten wir in zukunftsfähige Wirtschaftsmodelle investieren. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen, aber wenn wir nicht jetzt - eh schon spät - damit anfangen, dann wird sich ihre Frage bald so stellen: was wird Gröden ohne Wintertourismus?
Heute für eine Skiweltmeisterschaft in den Dolomiten zu investieren ist ein verkehrter Gedanke ohne Vision.
Lieben Gruß

Mi., 05.10.2022 - 10:59 Permalink
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alexander prinoth Mi., 05.10.2022 - 09:37

Elide wie immer triffst du genau den Punkt! Bin als Tourismustreibender absolut deiner Meinung. Der Partezipative-Prozess (also ein Volksbefragung) den LH Kompatscher so stark "propagiert" (Strategiepapier für den Erhalt unserer Umwelt) ...sollte/muss hier Anwendung finden. Danke für deinen Einsatz.

Mi., 05.10.2022 - 09:37 Permalink
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Heinrich Zanon Mi., 05.10.2022 - 09:51

Die berühmte Nachhaltigkeit sollen immer andere irgendwann später gewährleisten.
Aber wenn wir uns schon als Mittäter eine Bob- und Skeletonbahn in Cortina leisten wollen, warum sollten es nicht auch spektakuläre neue Anlagen in Gröden werden? Den Verkehr wird dann schon ein neuer Tunnel von Neuseeland aus quer durch den Planeten schlucken.

Mi., 05.10.2022 - 09:51 Permalink
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Paul Watschinger Mi., 05.10.2022 - 11:02

Sehr schöner und korrekter Beitrag, wir in Sexten haben versucht ein Referendum durchzuführen. Von beauftragter, "gegnerischer" Seite sind wir dann mit einem Heer von Rechtsanwälter konfrontiert worden und schließlich am, vom Land stilisiertem Richterkollegium daran gescheitert. - Armes demokratisches Südtirol.
Wenn ich nicht irre, so haben die Skibetreibergesellschaften von Hochpustertal und Kronberg einen "Corona-beitrag" von jeweils ca. 9,5 bzw. 12,5 Mio €uro erhalten. In Österreich mussten die Skigesellschaften die Beiträge zu einem großen Teil an die Angestellten weitergeben. Bei uns .....

Mi., 05.10.2022 - 11:02 Permalink
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Simonetta Lucchi Mi., 14.06.2023 - 10:10

Sig.ra Mussner, se Lei avesse passato come me la pandemia in val Gardena, periodo in cui si respirava finalmente aria pulita ma la gente moriva (e qui, qualcuno ha mai riflettuto sulle masse di turisti con o senza mascherina e chiusure troppo tardive?) saprebbe che fiorivano gru e cantieri che hanno devastato il territorio. La popolazione si è opposta? Come esattamente? Io credo che tutta la comunità debba domandarsi seriamente dove sta andando comprese le società sportive non esattamente inclusive e i tanti affitta camere o appartamenti. Nel turismo tutti sono più o meno coinvolti e ha portato ricchezza: un referendum non avrebbe senso piuttosto riflettere seriamente sulle prospettive. Tra cui, mettere qualche bidone per la plastica differenziata nei paesi, che serve.

Mi., 14.06.2023 - 10:10 Permalink