Politik | Kastelruth

Pyrrhus-Sieg für Pallanch

Cristina Pallanch gewinnt zwar das Rennen um das Bürgermeisteramt in Kastelruth, die SVP verliert jedoch beträchtlich – das Regieren dürfte nicht einfach werden.
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Foto: SVP Kastelruth
Mit Spannung wurde der Ausgang der Gemeinderatswahlen in Kastelruth verfolgt: Gleich drei Listen kämpften um die Mehrheit im Dorf Kastelruth, in den Fraktionen Seis, St. Valentin, St. Michael, Tisens, Tagusens, St. Vigil, St. Oswald, Seiser Alm sowie in den ladinischen Fraktionen Überwasser, Runggaditsch und Pufels. Obwohl das Interesse der Bürger an der Wahl im Vorfeld recht hoch war – die verschiedenen Wahlkampfveranstaltungen waren viel besucht – fiel die Wahlbeteiligung mit 67,83 Prozent etwas niedriger aus als im Jahr 2020 (69,35 Prozent). 
 
 
 

Geschlossener Rücktritt

 
Notwendig geworden sind die vorgezogenen Gemeinderatswahlen durch den geschlossenen Rücktritt des Gemeinderates am 17. März, der damit dem amtierenden SVP-Bürgermeister Andreas Colli das Vertrauen entzogen hatte. In der Folge hat die Landesregierung den Gemeinderat aufgelöst und Andreas Fraccaro als außerordentlichen Kommissar ernannt.
Südtirolweit hatte Colli als „No-Vax-Bürgermeister“ von sich Reden gemacht, laut Aussagen der SVP habe es „verschiedene Auffassungen über die Einhaltung der elementarsten Regeln“ gegeben, was schließlich zu einem Vertrauensbruch intern im Ausschuss und im Gemeinderat geführt habe. Auch sonst habe die Chemie zwischen dem ehemaligen Bürgermeister und dem Ausschuss bzw. dem Gemeinderat nicht mehr gestimmt. Mehrmals und von mehreren Seiten seien Schritte unternommen worden, „um mit Colli zu reden, was jedoch erfolglos blieb, da nachweislich sämtliche Gesprächsangebote ausgeschlagen wurden“, so die SVP auf ihrer Facebook-Seite.
 
 
Auch Simon Profanter, Fraktionssprecher der Freien Liste Kastelruth, hatte nach dem Rücktritt des Gemeinderates in einer Pressemitteilung den „Führungsstil“ Collis für den Bruch verantwortlich gemacht. So erklärte Profanter, dass der Bürgermeister sich in den vergangenen zwei Jahren zu viel erlaubt hatte, sich immer weiter von den Bedürfnissen der Bürger und Bürgerinnen entfernt und schließlich alle Macht an sich gezogen habe. „2021 wurden nur fünf Gemeinderatssitzungen abgehalten und die Entscheidungen praktisch schon vorgelegt. Das Mandat des Gemeinderates wurde damit zur Farce. Seit den Gemeindewahlen 2020 hat die Freie Liste acht Beschlussanträge vorgebracht, außer einem wurden alle abgelehnt“, so Profanter, der weiters die „menschenverachtenden Beiträge“ Collis und dessen „Verbreitung von Falschnachrichten“ im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie anprangerte, welche das Verhältnis zur SVP strapaziert habe.
 
 
 
 
Der ehemalige Bürgermeister selbst sieht sich als Opfer. Seine kritische Haltung zur Corona-Impfung sei nur ein Vorwand gewesen, um ihn loszuwerden. Der eigentliche Grund, weshalb der Aufstand gegen ihn losgebrochen sei, sei seine Gegnerschaft zu mehreren Dorfkaisern gewesen, deren Immobilienoperationen er im Wege gestanden habe. Colli hat sich nach seiner „Absetzung“ jedoch nicht auf sein Altenteilt zurückgezogen, sondern in Windeseile die neue Liste „Mir Bürger“ auf die Beine gestellt, für die er nicht weniger als 26 Kandidaten mobilisiert hat – immerhin zwei mehr als die SVP. Nachdem Colli quasi abgesetzt wurde und die Hälfte der dritten Amtszeit nicht erfüllt wurde, fiel er auch nicht unter die Mandatsbeschränkung.
 

Sieg für Pallanch, Niederlage für die SVP

 

Den Sieg klar für sich entscheiden konnte jedoch die langjährige Sozialreferentin Cristina Pallanch (SVP) mit 1.580 Stimmen (45,53 %) und über 300 Stimmen Vorsprung auf den ehemaligen SVP-Bürgermeister Andreas Colli, der auf 34,87 % der Stimmen (1.210) kam. „Wir haben es geschafft! Danke! de gra! Grazie“, lautete denn auch das erste Statement der neuen Bürgermeisterin. Colli, der sich derzeit aus Arbeitsgründen in Schweden aufhält, dürfte den Wahlausgang aus der Ferne verfolgt haben. Abgeschlagen landete der Kandidat der Freien Liste Kastelruth Christoph Senoner mit 19,60 % (680 Stimmen) auf dem dritten Platz. Senoner hat im Vergleich zu 2020, wo er sich ebenfalls um das höchste Amt bemühte und gegen den SVP-Spitzenkandidaten Andreas Colli antrat, knapp zehn Prozentpunkte (28,2 %) eingebüßt – zum Vergleich: Colli erreichte vor zwei Jahren 2.169 Stimmen (71,8 %).
 
 
 
2020 hat die SVP mit 81,8 % die deutliche Mehrheit errungen und 15 der 18 Gemeinderatssitze erobert. Auf die Freie Liste entfielen 18,2 % und damit drei Sitze. Bei den gestrigen Wahlen hat die SVP 54,98 Prozent der Stimmen errungen und damit beinahe 30 Prozentpunkte eingebüßt. Collis neue Liste dagegen erreichte auf Anhieb 25,55 % und überholte damit die Freie Liste, die von den Streitereien zwischen Colli und der SVP nicht profitieren und mit 19,47 Prozent nur einen kleinen Zugewinn gegenüber 2020 feiern konnte. Die SVP kann die Mehrheit mit zehn Sitzen zwar halten, das Regieren dürfte in Zukunft allerdings nicht einfach werden. Auf die Freie Liste entfallen wie bereits vor zwei Jahren drei Sitze, „Mir Bürger“ dagegen schaffte auf Anhieb fünf Mandate. Eine starke Opposition, welche die Vormachtstellung der SVP mehr als nur infrage gestellt hat.
 
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Robert Zagler Mo., 14.11.2022 - 11:21

...der letzte Satz zeigt die wo die Sympathie der Artikelschreiberin liegt,
anstatt sich als Frau mit einer Frau als erste Bürgerin zu freuen! Ich als Mann gratuliere der neuen Bürgermeisterun zum Amt.

Mo., 14.11.2022 - 11:21 Permalink
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Hartmuth Staffler Mo., 14.11.2022 - 13:35

Der Colli hat sich selbst mit seinem Geschwurble ins Abseits manövriert. Man kann daher der neuen Bürgermeisterin nur viel Glück und Durchhaltevermögen wünschen.

Mo., 14.11.2022 - 13:35 Permalink