Gesellschaft | Ukraine V

"Enfant perdu"

Heinrich Heine ... denn ich war ein braver Soldat im Befreyungskriege der Menschheit

Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: (C) Peter Gasser

Schildwache

Verlorner Posten in dem Freiheitskriege, 

Hielt ich seit dreißig Jahren treulich aus. 

Ich kämpfe ohne Hoffnung, daß ich siege, 

Ich wußte, nie komm ich gesund nach Haus. 

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Ich wachte Tag und Nacht - Ich konnt nicht schlafen, 

Wie in dem Lagerzelt der Freunde Schar - 

(Auch hielt das laute Schnarchen dieser Braven 

Mich wach, wenn ich ein bißchen schlummrig war). 

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In jenen Nächten hat Langweil' ergriffen 

Mich oft, auch Furcht - (nur Narren fürchten nichts) - 

Sie zu verscheuchen, hab ich dann gepfiffen 

Die frechen Reime eines Spottgedichts. 

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Ja, wachsam stand ich, das Gewehr im Arme, 

Und nahte irgendein verdächt'ger Gauch, 

So schoß ich gut und jagt ihm eine warme, 

Brühwarme Kugel in den schnöden Bauch. 

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Mitunter freilich mocht es sich ereignen. 

Daß solch ein schlechter Gauch gleichfalls sehr gut 

Zu schießen wußte - ach, ich kann's nicht leugnen - 

Die Wunden klaffen - es verströmt mein Blut. 

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Ein Posten ist vakant! - Die Wunden klaffen - 

Der eine fällt, die andern rücken nach - 

Doch fall ich unbesiegt, und meine Waffen 

Sind nicht gebrochen - nur mein Herze brach.

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(Heinrich Heine)

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... denn ich war ein braver Soldat im Befreyungskriege der Menschheit

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Ein Posten ist vakant! - Die Wunden klaffen - 

Der eine fällt, die andern rücken nach - 

Doch fall ich unbesiegt, und meine Waffen 

Sind nicht gebrochen - nur mein Herze brach.

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Ergänzung am 1. November 2022:

Demographie: Bevölkerungspolitik - Angriffs- und Vernichtungskrieg - Assimilierung:

(Quellen: verschiedene Fachartikel, Expertenaussagen, Originalzitate; besonders: watson.ch, spiegel.de, Falter.at, Manager.magazin, legonomics.de)

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Russlands Präsident Putin wählte vor der versammelten Politelite am 21. April 2021 in der „Manezh Central Exhibiton Hall“ in Moskau drastische Worte, um die dramatische Situation seines Landes zu beschrieben. „Die demographische Entwicklung ist ein Notfall“, resümierte . Die Dinge seien nun leider einmal so. Dies gelte es zu akzeptieren, man müsse den Umstand zugeben und *etwas* dagegen unternehmen.

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wird es bald einfach niemanden geben, der es verteidigt.

Der russische Präsident Wladimir Putin hat den Finger in der jüngeren Vergangenheit schon mehrmals persönlich auf diesen wunden Punkt gelegt. Bereits im Jahr 2006 erklärte er: «Russland hat ein riesiges Territorium, das grösste der Welt. Wenn die Situation sich nicht ändert, wird es bald einfach niemanden geben, der es verteidigt.» 2007 bezeichnete Putin die Bevölkerungspolitik als «erstrangige Aufgabe der russischen Politik». Und im November 2021 sagte er: «Aus humanitärer Sicht und unter dem Gesichtspunkt der Stärkung unserer Staatlichkeit sowie aus wirtschaftlicher Sicht ist das demographische Problem eines der wichtigsten.»

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«Weniger Volk bedeutet weniger Souveränität»

In den kommenden 30 Jahren wird Russland rund ein Sechstel seiner Bevölkerung im erwerbs- und wehrfähigen Alter verlieren. Ähnlich geht es in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts weiter. Zusammengenommen wird Russland rund ein Viertel seiner aktiven Bevölkerung einbüßen, wie aus Projektionen der Vereinten Nationen  hervorgeht, die vor Kriegsbeginn erstellt wurden. Allerdings besteht die eigentliche «heraufziehende Katastrophe» für die russische politische Elite nicht primär im Bevölkerungsrückgang, sondern in der – vermeintlich daraus folgenden – schwindenden Weltgeltung. «Weniger Volk bedeutet weniger Souveränität», bemerkte dazu 2007 der Vorsitzende des russischen Rechnungshofes, Sergej Stepaschin.

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deren Tal etwa alle 25 Jahre wiederkehrt

Um 1900 hatte Russland (das eigentliche Russland innerhalb des Zarenreichs) mit rund 87 Millionen Einwohnern die drittgrösste Bevölkerung der Welt. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts brachen dann aber gleich mehrere demographische Katastrophen über Russland herein: Schon im Ersten Weltkrieg fielen mehr als 1,8 Millionen Soldaten, was zu einem Männermangel und dadurch zu weniger Ehen führte, aus denen Kinder hervorgingen. Der Krieg ging nahezu nahtlos in den Bürgerkrieg zwischen Bolschewiki und den Anhängern des Zaren über, der wiederum Millionen von Todesopfern forderte. Möglicherweise verlor Russland zwischen 1914 und 1921 etwa 30 Millionen Menschen – mehr als im Zweiten Weltkrieg. Auf den Bürgerkrieg folgten die Stalinschen Säuberungen, die im «Grossen Terror» von 1936 bis 1938 ihren Höhepunkt fanden. Diesen Säuberungswellen fielen mindestens 3 Millionen Menschen zum Opfer; manche Historiker nennen aber weit höhere Zahlen – die Schätzungen gehen bis zu 22 Millionen. Diese sehr hohen Angaben dürften aber vermutlich Opfer des Zweiten Weltkriegs enthalten. Dieser forderte einen enormen Blutzoll; die Verluste der Sowjetunion betrugen schätzungsweise 13 Millionen Soldaten und 14 Millionen Zivilisten. 1943, mitten im Krieg, wurden nur rund 1 Million Kinder geboren (zum Vergleich: 1939 waren es 4,3 Millionen). Dieser historische Tiefstand löste eine demographische «Welle» aus, deren Tal etwa alle 25 Jahre wiederkehrt – so beispielsweise um 1968 herum oder 1993, die beide geburtenschwache Jahrgänge waren.

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Höhere Sterberate als Geburtenrate!

Bereits kurz vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion, auf den in Russland – wie auch in den anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion – eine tiefe ökonomische und gesellschaftliche Krise folgte, kam es neuerdings zu einem markanten Niedergang der Geburten. Während mehr als einer Dekade sank die Zahl der Geburten beinahe unablässig, bis um die Jahrtausendwende eine leichte Erholung einsetzte.

Die Zahl der Russen, die sich heute in ihren Zwanzigern und Dreissigern befinden, ist aufgrund dieser Entwicklung relativ klein. Auch dieses demographische Wellental beginnt sich jetzt auf die Gesamtpopulation auszuwirken, da diese Jahrgänge nun das Alter erreicht haben oder bald erreichen werden, in dem sie selber Kinder haben. Verschärft wurde der Geburtenrückgang durch frei verfügbare Verhütungsmittel, die zu Sowjetzeiten nur schwer zu erhalten waren. Hinzu kam eine unfassbar hohe Zahl von Abtreibungen: Die Häufigkeit von Schwangerschaftsabbrüchen war in Russland 2010 weltweit am höchsten. 1992 standen gemäss einem Bericht der RAND-Corporation 225 Abtreibungen 100 Geburten gegenüber, und auch noch im Jahr 2000 wurden rund 70 Prozent aller Schwangerschaften abgebrochen.

Die Fertilitätsrate fiel von 2,2 Kindern pro Frau in den späten Achtzigerjahren auf zeitweise weniger als 1,2 Kinder pro Frau. In entwickelten Gesellschaften gilt eine Fertilitätsrate von 2,1 Kindern pro Frau als Schwellenwert für den Bestandserhalt der Bevölkerung: Sinkt die Fertilitätsrate unter diesen Wert, schrumpft die Bevölkerung ohne Zuwanderung. Höhere Sterberate als Geburtenrate!

Putins 2012 verkündeter Plan, dass die russische Bevölkerung bis 2050 auf 154 Millionen Einwohner zunehmen solle, ging nicht auf. 2017 sank die Zahl der Geburten plötzlich stark – und nahm danach bis 2021, dem Jahr mit den letzten verfügbaren Zahlen, weiter ab. 2020 war zusätzlich ein steiler Anstieg der Todesfälle zu verzeichnen, der sich 2021 ungebremst fortgesetzt hat. Zwischen März 2020 und Januar 2022 starben rund 1 Million Menschen mehr, als gemäss Zahlen aus den Jahren von 2015 bis 2019 zu erwarten gewesen wären. Diese Übersterblichkeit ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auf die Corona-Pandemie zurückzuführen.

Diese dramatische demographische Krise trifft auch die russische Armee. Die geburtenschwachen Jahrgänge von Ende der Neunziger- und Anfang der Nullerjahre bilden nun das Reservoir, aus dem die Armee ihre Mannstärke von rund 900'000 schöpfen muss. Dies bedeutet, dass Verluste weit weniger einfach ausgeglichen werden können. Und das demographische Problem der russischen Armee wird sich voraussichtlich drastisch verschärfen. Ein UNO-Bericht aus dem Jahr 2019 – also noch vor der Corona-Pandemie und dem Krieg – hat für 2020 die Zahl der Männer zwischen 20 und 34 Jahren auf 14,25 Millionen veranschlagt. Diese Zahl werde laut der mittleren Schätzung voraussichtlich bis 2025 auf nur noch 11,55 Millionen sinken – und bis 2030 sogar auf 11,23 Millionen. Falls diese Prognosen zutreffen, heisst das, dass die Zahl der wehrfähigen Männer im Lauf der Zwanzigerjahre um etwa 20 Prozent abnehmen wird.

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Putin von Demografie besessen

»Wie andere weiße Nationalisten auch, ist Putin von Demografie besessen und von der Angst getrieben, dass seine Rasse zahlenmäßig in die Minderheit geraten könnte«, schreibt der US-Historiker Timothy Snyder von der Yale-University. In einer groß angelegten Analyse  für die aktuelle Ausgabe des Außenpolitikfachblatts »Foreign Affairs« seziert er Putins krude »rassische Arithmetik«, der sein Krieg folgt: »Die ersten russischen Soldaten, die im Kampf getötet wurden, waren ethnisch gesehen Asiaten aus dem Osten Russlands, und viele, die seither gestorben sind, waren zwangsrekrutierte Ukrainer aus dem Donbass. Ukrainische Frauen und Kinder sind nach Russland deportiert worden, weil sie als assimilierbar gelten, als Leute, die als Verstärkung für die weiße russische Bevölkerung dienen können.« Zugleich verfolge die russische Führung die Strategie, Afrika und Asien in Lebensmittelkrisen zu stürzen, weshalb der Rückgang der Getreidelieferungen aus der Ukraine bewusst einkalkuliert sei: »Nichts an diesem Hungerplan spielt sich im Verborgenen ab«, schreibt Snyder. Es liege alles offen zutage und werde auch so von den Propagandisten des Kremls benannt. Mit liberalen Vorstellungen von universellen Werten, Menschenrechten und friedlichem Interessenausgleich hat derartiges Gedankengut nichts zu tun. Es handelt sich um reine, rohe Machtpolitik, getrieben vom fatalistischen Glauben an einen Verdrängungskampf der Völker. Nach dem Motto: Es kann nur wenige Herrennationen geben. Die anderen werden assimiliert, unterjocht oder ausgelöscht.

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wären wohl nirgends mehr Grenzen sicher

Womöglich bezweckt die expansionistische Politik des Kremls unter anderem tatsächlich (auch), den Bevölkerungsrückgang Russlands durch den Anschluss ukrainischer Gebiete zu bremsen. Ganz abgesehen davon, dass aus allenfalls einverleibten ukrainischen Bevölkerungsgruppen wohl kaum loyale Untertanen des Kremls würden, dürfte dies zum Scheitern verurteilt sein: Durch den Krieg in der Ukraine hat Putin die demografische Krise, die er so fürchtet, nur noch angeheizt.

Nun sollen/müssen also die Weissrussen (Belarussen), die Kleinrussen (Ukrainer), alle in den Nachbarstaaten lebenden Russen (Heimholen der Gebiete) und wohl auch die Kasachen und andere zu Russen werden, um dem Volk seine notwendige und bedeutende zahlenmäßige Masse zu geben: Imperialismus, Faschismus, Rassismus, Nazismus - alles in einem: eine völkische Verbrecherbande im Kreml.

Potentaten rund um den Globus schauen Putin dabei zu. Sollte er aus dem von ihm begonnenen Krieg so hervorgehen, dass er sich als Gewinner inszenieren kann, wären wohl nirgends mehr Grenzen sicher. Ein russischer Sieg wäre ein gefährlicher Präzedenzfall, dessen Bedeutung weit über Europa hinausreicht. In einer Welt zunehmender demographischer Ungleichgewichte stünden eine Menge Konflikte bevor, manche davon könnten mit Atomwaffen geführt werden.

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Der Westen versucht, eine internationale Ordnung zu erhalten

Die Weltgemeinschaft wäre gut beraten, sich gegen dieses Szenario zu wappnen, indem sie gemeinsam Russland in die Schranken weist. Momentan machen die Ukraine und ihre westlichen Unterstützer allein die Arbeit. Sie – beziehungsweise wir – tragen den überwiegenden Teil der menschlichen, militärischen und wirtschaftlichen Kosten. Der Westen versucht, eine internationale Ordnung zu erhalten, die dabei ist, unter die Panzerketten zu kommen. Die anderen schauen zu und versuchen, sich opportunistisch zu bereichern, zum Beispiel durch den Kauf von billigem, weil sanktioniertem russischen Öl und Gas.

Im Kern ist es ganz simpel: Um ein Peak-Power-Domino zu verhindern, muss Russland diesen Krieg verlieren.

Whatever it takes.

(Quellen: verschiedene Fachartikel, Expertenaussagen, Originalzitate; besonders: watson.ch, spiegel.de, Falter.at, Manager.magazin, legonomics.de)

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Ergänzung 3. November 22 - Medwedew:

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1. Die Todesstrafe:

Todesstrafe für Saboteure

Nachdem junge Männer in Russland verhaftet wurden, weil sie aus Protest gegen den Krieg Eisenbahnanlagen sabotiert haben sollen, fasst Ex-Präsident Dmitri Medwedew laut einem Medienbericht die Todesstrafe für Saboteure und Auge. Das Moratorium für die Todesstrafe sei menschlich, könne aber geändert werden, zitiert ihn das Exilmedium "Meduza".

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2. Atomangriff:

Russland hat das Recht, Atomwaffen einzusetzen

"Ich muss Sie noch einmal daran erinnern, für die tauben Ohren, die nur sich selbst hören: Russland hat das Recht, Atomwaffen einzusetzen, wenn es nötig ist", schrieb Medwedew. Dies sei "sicher kein Bluff".

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Was für Entartungen im Kleinen und im Großen. Was für ein Drama spielt sich da im Kreml ab... man denkt unwillkürlich an den “Führerbunker” in Berlin, 1945

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Ergänzung 4. November:

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1. Schwerverbrecher:

Russlands Präsident Wladimir Putin hat ein Gesetz unterzeichnet, wonach Schwerverbrecher eingezogen werden können, so berichtet die staatliche Nachrichtenagentur RIA. Nun werden von staatlicher Seite verurteilte Schwerverbrecher zum Morden in das Nachbarland gesendet: was für eine weitere Entartung.

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2. Faschistisches Blut&Boden-Prinzip:

unsere Menschen

Der frühere russische Staatschef Dmitri Medwedew rechtfertigt zum Tag der nationalen Einheit in Russland den Krieg gegen die Ukraine. Wie Präsident Wladimir Putin stellt auch er die Ukraine als Teil Russlands dar und leugnet deren Existenz als Staat und Volk. "... es gibt Heimaterde, auf der unsere Vorfahren gelebt haben und auf der heute *unsere Menschen* leben. Wir geben sie an niemanden her", schreibt Medwedew auf Telegram.

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3. Satan:

den obersten Herrn der Hölle aufzuhalten

Russlands Gegner in der Ukraine und im Westen seien "Teil einer sterbenden Welt", erklärt der Vizesekretär des Sicherheitsrates. Er bedient das in Russland kursierende Propagandamotiv, man habe es in der Ukraine mit *teuflischen Kräften* zu tun: "Ziel ist, *den obersten Herrn der Hölle* aufzuhalten... - Satan, Luzifer oder Iblis", schreibt er.

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Todesstrafe - Atomangriff - Schwerverbrecher ins Nachbarland - Satan bekämpfen: was für eine giftige Brühe, jedes Wort, jede Tat eine Absage an ernsthafte Verhandlungen.

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Ergänzung am 5. November 2022;

Ergänzung zum Kommentar: https://www.salto.bz/de/comment/113909#comment-113909

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Hein Goemans, 65, stammt aus den Niederlanden und lehrt internationale Politik an der University of Rochester im US-Bundesstaat New York. Er befasst sich seit Jahren mit der Frage, wie militärische Konflikte enden, sein Buch »War and Punishment« aus dem Jahr 2000 gilt als Standardwerk.

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(Quelle: https://www.spiegel.de/ausland/konfliktforscher-ueber-atomdrohungen-putin-hat-leider-noch-viele-optionen-a-e46a61db-bb58-4bd2-be83-dec08894b7d3)

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Aus dem Interview:

Dann kommt es darauf an, wie der Westen sich verhält.

„Mal angenommen, Putin setzt eine Atomwaffe nicht direkt auf dem Schlachtfeld ein, sondern testet sie lediglich, vielleicht sogar in der Nähe der ukrainischen Grenze. Dann kommt es darauf an, wie der Westen sich verhält. Wie würde Bundeskanzler Olaf Scholz auf einen solchen Test reagieren? Was würde in Deutschland passieren? … Ich weiß es nicht. Aber von dieser erwarteten Reaktion hängt es ab, wie effektiv die Abschreckung durch Verweigerung im Vorfeld sein kann. Wenn Putin davon ausgeht, dass ein Atomtest zu Verunsicherung und zu Rissen in der Solidarität mit der Ukraine führt, dann wird er es ausprobieren. Was hat er zu verlieren?“

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(Was muss passieren, damit der Krieg endet?)

„Grundsätzlich müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein militärischer Konflikt zu Ende geht:

  1. Erstens müssen sich die Erwartungen der gegnerischen Parteien annähern, was den weiteren Verlauf der Auseinandersetzungen angeht – auch wenn sich das noch nicht zwangsläufig auf dem Schlachtfeld widerspiegeln muss.
  2. Zweitens müssen beide Seiten den Eindruck haben, dass eine Friedensvereinbarung durchsetzbar ist.
  3. Und drittens muss, ganz schlicht, das physische Überleben der Parteien gesichert sein. All das ist im Ukrainekrieg noch nicht klar.“

Angst vor demokratischen Gesellschaften

„Ich glaube, dass Putin Angst vor zunehmend instabilen, sich demokratisierenden Gesellschaften hatte, die die Herrschaft von Autokraten infrage stellen. Es gab die Orangene Revolution in der Ukraine, eine Beinahe-Revolution in Belarus, Proteste in Kasachstan. Am Ende der Dominoreihe sieht er sich selbst. Vermutlich hatte er den Eindruck, eine angebliche Verwestlichung seiner Nachbarschaft stoppen zu müssen, um Gefahr von seiner eigenen Macht abzuwenden. Er denkt wie ein Politiker des 19. Jahrhunderts, in den Kategorien von Großmächten und Einflusssphären. Das Problem ist, dass Russland keine Großmacht mehr ist“.

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(Hätte es einen Weg gegeben, den Krieg zu verhindern?)

Putin kann nicht mit freier demokratischer Ukraine leben

„Gegenfrage: Hätte Putin mit einer neutralen, unabhängigen, demokratischen Ukraine leben können, selbst wenn sie niemals Nato-Mitglied wird? Ich glaube nicht. Deshalb ist keine der Zusagen, die er macht, etwas wert. Auch wenn er sich morgen auf einen Waffenstillstand oder auf Verhandlungen einlässt, wird er vermutlich die Zeit nutzen, seine Truppen aufzustocken, neu zu bewaffnen und wieder loszuschlagen.

Gleichzeitig kann sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht auf einen Deal einlassen, an dem sich Putin in derselben Ausgangslage wie am 24. Februar befindet. Das ukrainische Volk wird ihm das nicht durchgehen lassen.“

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(Im Moment sieht es aus, als hätten beide Seiten wenig Grund, sich auf Verhandlungen einzulassen)

„Putin ist vielleicht etwas pessimistischer geworden, was den Ausgang angeht, Selenskyj dagegen optimistischer. Selenskyj hat sogar wieder die Krim-Halbinsel ins Spiel gebracht, die er zurückerobern will. Auch auf ukrainischer Seite verändern sich also die öffentlich kommunizierten Ziele. Beide stellen Forderungen, die inkompatibel sind. Aber um den Krieg zu beenden, muss eine Seite ihre Forderungen ändern“.

(Es gibt auch in Deutschland Stimmen, die fordern, die Ukraine solle endlich mit Putin verhandeln, um das Töten zu beenden. Was halten Sie davon?)

Putin ist ein Mörder ... wo wird er aufhören

„Die Frage ist, was das im Moment bringen wird. Putin ist ein Mörder, er hat Attentäter quer durch Europageschickt, um Menschen umzubringen. Wo wird er aufhören? Es empört mich sowohl moralisch als auch intellektuell, dass jetzt gefordert wird, wir müssten Putin Zugeständnisse machen. Er und seine Leute wollen eine Form des Zarenreichs wiederherstellen. Warum sollte er, wenn er in der Ukraine gewinnt, damit aufhören?“

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(Würde die Lieferung deutscher Kampfpanzer am Ausgang des Krieges etwas ändern?)

Es kommt auf die Erwartungen an

„Der Fehler, den viele Leute derzeit machen, ist, dass sie sich an konkreten Waffen, Panzern und Zahlen festklammern. Darauf kommt es aber nicht an, sondern auf die Erwartungen der Kriegsparteien. Putins Erwartung ist, dass er Selenskyj unter Druck setzt, indem er die Europäer dazu bringt, die Ukraine zu einem Deal zu zwingen. Und die deutsche Position, wie sie sich derzeit für mich darstellt, ermöglicht das“.

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( Was sollte Deutschland tun?)

kein Kriegsgewinn für Putin

„Putin glaubt, dass er die Europäer gewissermaßen aus dem Konflikt herausfrieren kann, indem er ihnen das Gas abdreht. Erst wenn Deutschland seine Haltung fundamental ändert, könnten sich auch die Erwartungen Putins ändern. Die Europäer und Olaf Scholz müssten einen Weg finden, glaubhaft zu signalisieren, dass sie Selenskyj nicht zu Konzessionen zwingen werden, die Russland einen Sieg bescheren. Und mit Sieg meine ich ein Ergebnis, das für Putin besser ist als die Ausgangslage vom 24. Februar, in der Russland Teile des Donbass kontrollierte. Wenn Scholz glaubhaft signalisieren kann, dass er einen russischen Sieg nicht akzeptieren und sich nicht erpressen lassen wird, dann wäre das ein großer Unterschied. Eine Wischiwaschi-Politik wird nicht funktionieren.“

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bisher:

https://www.salto.bz/de/article/17082022/ukraine-iv-putin

https://www.salto.bz/de/article/16072022/ukraine-iii-oder-geschichte-und-tyran

https://www.salto.bz/de/article/24032022/ich-bin-heute-ukraine-ii

https://www.salto.bz/de/article/25022022/wir-alle-sind-heute-ukraine

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Peter Gasser So., 06.11.2022 - 17:44

Ich hatte Sie mehrfach gebeten und ersuche nachmals, auf Ihre eigenen Überhöhungen zu verzichten und von Ihrem ad-personam-Käse abzulassen: das ist einfach nur öde und nichts als Getrolle - versuchen Sie es doch mal mit Sach-Argumenten, oder: bitte lassen Sie es bleiben, das ist mir wichtig.

So., 06.11.2022 - 17:44 Permalink
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Wilhelm B.L Fr., 11.11.2022 - 15:23

Nachtrag Der Ersatz echter, primaer geistig grosser, Maenner durch korrupte "Schein riesen" bzw. Kapitalismus monster - Die wesentliche Ursache fuer einen, letzt lich auch auf eine persoehn lichkeitsfremde Welt aus gedehnten, unverbesser lichen Weltverbesserungs wahn. Dieser fuehrt dann - statt zur Einigung eines kurz vor dem voelligen Zerreissen stehenden,
nicht klar abgegrenzten Reiches - zu seiner fortge setzten Zerstoerung.
Im Volksmund heisst es sinngemaess : "Neue Kleider (z.B. Wort huelsen) machen aus den in eine hoehere Schublade gesteckten kleinen Leuten Hochstapler mit einer schoen geformten guten Figur"
oder mit anderen Worten : "Die reale, schlichte kleine Welt des gewoehnlichen Volkes zaehlt nichts gegen ueber der berauschend - beeindruckenden Schein welt der hoeheren Klasse von aufgeplusteten "Schein riesen", die ohne Unter scheidung zwischen Mein und Dein ihre Nase in alles hineinstecken.

Fr., 11.11.2022 - 15:23 Permalink
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Thomas B. Sa., 19.11.2022 - 06:02

Der Beitrag ist ein absoluter Kandidat für Selenskijs ukrainischen Verdienstsorden, den er unter anderem dem "Welt"-Chef Poschart, stellvertretenden "Bild"-Chefredakteur Ronzheimer und dem türkischen Geheimdienstchef Fidan für ihren "gewichtigen persönlichen gewichtigen Einsatz zur Unterstützung für die staatliche Integrität und Souveränität der Ukraine und Popularisierung des ukrainischen Staates in der Welt" (Weisung Nr 752/2022 des Präsidenten) angehängen ließ (Handelsblatt).

"Dass Kriege auch als Propagandaschlachten geführt (...) werden, ist nicht neu. Ungewohnt ist allerdings, dass auch (...) Kämpfer an dieser Front mit Orden ausgezeichnet werden." (Süddeutsche Zeitung)

Die genannten Personen nahmen den Orden nicht nur an, sondern bedankten sich artig. Na dann, vielleicht sagen Sie auch demnächst: Дякую, спасибо.

Sa., 19.11.2022 - 06:02 Permalink
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Thomas B. Mo., 21.11.2022 - 13:17

Antwort auf von Peter Gasser

Ich kenne H.H; soviel, um zu verstehen, dass er mit seinen Gedichts-Prinzipien eine Parallelisierung persönlicher Birographie und Weltgeschichte betreibt. Aber sie zitieren ihn nur; schreiben ab. Ich ahne warum: Sie sehen sich selbst als einzelner Kämpfer auf verlorenen Posten ("Lutetia") und wähnen sich im "Freiheitskriege, den durch Aufklärung und Revolution eingeleiteten Kampf um die Befreiung des Menschen vom Menschen" (M. Werner). Die "gute Sache", für die sie offensichtlich endlos schreiben, lässt - wie in der Reklame - keine anderen Bilder zu; daher meine Kritik.

Mo., 21.11.2022 - 13:17 Permalink
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Peter Gasser Mo., 21.11.2022 - 13:37

Antwort auf von Thomas B.

Zu Saltos Genen gehört lesen und schreiben;
die einen lesen nur, andere lesen und schreiben, niemand muss schreiben und jeder darf lesen, was er möchte, und muss nicht lesen, was er nicht möchte.
Jeder darf die Ukraine unterstützen, der eine mit dem Gewehr, der andere mit Geld, ein dritter mit Worten; andere dürfen auch Putin verstehen; und alles auch hier auf Salto - wie gut!
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Der Kommentator hat p Recht, wenn er sagt, dass man, wenn man „zitiert“ eben „abschreibt“: anders geht das Zitieren nun mal nicht.
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Nicht Recht hat der Kommentator mit einem anderen Satz: weder sehe ich mich als „Kämpfer“, noch gar auf „verlorenem Posten“: ich weiß mich im Einklang mit der Weltgemeinschaft und der großen Mehrheit der Bürger, dass man einem überfallenen Nachbar in seiner Not vor Plünderung, Kindesraub, Verwüstung, Vergewaltigung, Folter und Mord beisteht.
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Bezeichned, dass „die gute Sache“ im Kommentar oben in Anführungszeichen gesetzt ist: ich sehe in der Unterstützung der Ukraine eine *gute Sache*, ohne Anführungszeichen.

Mo., 21.11.2022 - 13:37 Permalink
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Wilhelm B.L Sa., 19.11.2022 - 15:44

Die dem Westen zurechen bare Mitschuld der Ent puppung eines Saueglings, wie einst auch Putin, zum alles vereinahmenden Monster. Der empirischen Wissen schaft ist laengst bekannt, dass ein alle Grenzen ueber schreitender Diktator in der Regel nicht als Ein brecher geboren wurde. Vielmehr ist er das Produkt einer Verziehung eines noch lange von der Rolle unauffaelligen Muster schuelers verdeckten kleinen Thyrannen zum Diktator seiner persoen lichen Meinung. Diese ueberwucherte auch die anderseits sich selbstaufge benen (introvertierten) eigenen Persoenlichkeiten im Familienumkreis und die ichschwachen massen haften Angehoerigen einer ganzen Volksgemeinschaft. Die Folge einer Verfuehr ung zum quasi automatisch erfolgenden gegenseitigen Missbrauch (bis zum Rollen tausch) der normalen Eltern-Kind-Rolle. Somit wurde dem noch ungezogenen Sauegling - beguenstigt durch unge ordnete, nicht klar abge grenzte Lebensbereiche (wie besonders in Gross familienarten) - hauefig schon als Baby von "total antiautoritaeren" Eltern jeder Wille sofort beding ungslos erfuellt und somit jeder Gefallen als sein Slave ihm ungeteilt ge waehrt: Dem fuer einen Egozentriker scheinbar einzigen Bezugsobjekt eines transparenten, autistischen Lebens raumes.
Denn ein aus bruechigen Familien Lebensverhaelt nissen stammendes Kind musste wegen des befuer chteten Falls in die Hoelle die allein als ueberlebens faehig scheinnde alterna tive Ersatzrolle eines anscheinend vorgesehen den Prinzen bzw. Zug
pferdes spielen, Nur mit seiner fremden starken Willenskraft konnten in der laehmenden Klemme einer teuflichen Zwick muehle fuer die Evolution feststeckenden Gemein schafts mitglieder herraus getrieben werden. Durch das zugelassene, unmittelbare Eindringen in die nicht respektierte fremde Welt seines vorge setzten Leithammels wurde diese nun irriger weise vom nach Service fragenden Kunden zum eigenen Gebiet zuge rechnet.

Sa., 19.11.2022 - 15:44 Permalink
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Peter Gasser So., 20.11.2022 - 10:01

Ergänzung 20. November:
In einer Abhandlung über Egoismus steht (in etwa), dass es ja auch sein könnte, dass unsere Welt besser dran ist, wenn sich jeder und jede vor allem daran orientiert, was gut für ihn und sie ist. Oder für das eigene Umfeld.
Ein Blick auf den größeren Kontext (und angepasst auf die aktuelle Weltlage) macht allerdings schnell deutlich, dass es eine entscheidende Rolle spielt, wer sich einen solchen Egoismus leistet.
Tritt er in Verbindung mit Macht auf, wird er gefährlich: nämlich für all jene, die weniger Macht haben. Die keine Chance hätten, selbst wenn sie egoistisch handeln wollten. Das betrifft einzelne Menschen genauso wie Länder und Völker ...
Wird der Egoismus der Starken nicht eingeschränkt, führt das zu Ausbeutung, Unterdrückung, Krieg und im schlimmsten, aber möglichen Fall zur Selbstauslöschung.
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Wird der Egoismus der Starken nicht eingeschränkt... hört der Krieg niemals auf und wird immer wieder weitergehen.

So., 20.11.2022 - 10:01 Permalink