Politik | Gemeinde Schlanders

Vom Musterschüler zum Buhmann

Bei der letzten Gemeinderatssitzung von Schlanders hat Bürgermeister Pinggera die Gelegenheit ergriffen, in der Causa Kasernen-Areal „einige Dinge“ richtig zu stellen.
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Foto: Screenshot Gemeinderatssitzung Schlanders
Ausführlich haben Bürgermeister Dieter Pinggera, Generalsekretär Georg Sagmeister und Vize-Bürgermeister Manuel Trojer zum Projekt und dem Abriss von Gebäudeteilen im Kasernen-Areal Stellung bezogen. Deutlich wurde dabei einerseits, dass man sich – sowohl in der Vorgehensweise als auch in der Entscheidung – vollkommen im Recht sieht und andererseits die Darstellung in den Medien wie auch die Kritik von Parteien wie den Grünen als ungerecht empfindet. Genauso deutlich haben aber auch zwei Gemeinderäte der SVP Kritik geübt und die getroffenen Entscheidungen hinterfragt. Man sei außen vor gelassen und in die Entscheidungen nicht eingebunden gewesen. Wie Gemeinderat Franz Winkler erklärte, hätte es gereicht, kurz vorher über den Abriss verständigt zu werden, so habe man nach Außen hin eine „blöde Figur“ gemacht. „Wenn wir nur zum Handaufheben gebraucht werden, können wir gleich zuhause bleiben“, so Winkler.
 
Wenn wir nur zum Handaufheben gebraucht werden, können wir gleich zuhause bleiben.
 

Vorgeschichte

 

Wie Bürgermeister Pinggera eingangs skizzierte, sei das Areal im August 2010 vom Staat auf das Land übergegangen. Vertreter des Ressorts Raumordnung, darunter rund 30 Architekten, haben in der Folge eine Begehung durchgeführt und sind zum Schluss gekommen, dass an den Kasernen nichts Schützenswertes sei. 2011 wurde ein Bürgerbeteiligungsprozess eingeleitet, in welchem ein Grobkonzept für die Nachnutzung erarbeitet worden ist. „Das bildete die Grundlage für die Entscheidung des damaligen Landeshauptmannes Luis Durnwalder, das Areal an die Gemeinde zu veräußern“, erklärte Pinggera. Daraufhin habe die Gemeinde beschlossen, das Areal – ohne Denkmalbindung –  anzukaufen. „Wir haben sogar die vertragsrechtliche Verpflichtung übernommen und vom Land die vertragsrechtliche Auflage erteilt bekommen, alle Gebäude vollständig abzutragen und den Bauschutt zu entsorgen“, so der Bürgermeister.
 
 
 
Vor der Ausschreibung der Machbarkeitsstudie im Jahr 2015 habe er sich mit dem Denkmalamt in Verbindung gesetzt und sich erkundigt, ob auf Grundlage des Grobkonzepts die weiteren Schritte eingeleitet werden können. Es habe keine Einwände gegeben auch sei kein provisorischer Schutz oder ein Verfahren zur Unterschutzstellung eingeleitet worden. In einem sehr aufwändigen Prozess sei über drei Jahre (2015 bis 2017) hinweg eine Machbarkeitsstudie erstellt worden – wiederum mit Bürgerbeteiligung und in Gemeinderatssitzungen. Diese hat in den Bürgerversammlungen und im Gemeinderat die einhellige Unterstützung gefunden. 2018 wurde die Bauleitplanänderung in die Wege geleitet und die Landesregierung hat einen städtebaulichen Umstrukturierungsplan angeboten, mit welchem es möglich war, die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie in urbanistische Maßnahmen umzusetzen. Auch diese Maßnahme sei vom Gemeinderat wie auch der Landesregierung genehmigt worden. Wiederum sei darin die Abrissverpflichtung eindeutig und klar bestätigt worden. Bereits damals sei festgelegt worden, das eines der vier Gebäude, in welchem die BASIS ihren Sitz gefunden hat, saniert und erhalten, wohingegen die übrigen drei abgerissen werden sollten.
 
Es gibt ein vorbildliches Konzept, das in vorbildlicher Art und Weise mit Bürgerbeteiligung erstellt wurde und landauf, landab als Vorbild dient.
 
„Es gibt ein vorbildliches Konzept, das in vorbildlicher Art und Weise mit Bürgerbeteiligung erstellt wurde und landauf, landab als Vorbild dient“, so Pinggera. Andere Gemeinden, welche Kasernen-Areale übertragen bekommen haben, hätten mit großem Interesse nach Schlanders geblickt, welche als Musterschüler bezeichnet worden sei. Bis zur Einleitung des Verfahrens durch Landeskonservatorin Karin Dalla Torre am 10. Oktober habe es keine Denkmalschutzbindung auf dem Gelände gegeben. „Es ist meine feste Überzeugung, dass unsere Maßnahmen rechtens waren“, so Pinggera, der betonte, dass man sich an die Landesgesetzgebung gehalten habe. Bzgl. Sicherheitsaspekt erklärte der Bürgermeister, dass sich die Situation im Kasernen-Areal zunehmend verschlechtert habe. Vom Generaldirektor Georg Sagmeister, welcher die rechtliche Verantwortung am Areal trage, sei er öfters, auch schriftlich, darauf aufmerksam gemacht worden, dass die Situation nicht mehr tragbar sei, eine große Verantwortung daran hänge und etwas unternommen werden müsste. Die beiden Gebäude, welche aufgrund der Durchführungsbestimmung abgerissen werden sollten, seien mehrfach verschlossen, Fenster und Türen zugenagelt worden, welche aber gewaltsam wieder entfernt wurden. Es habe beinahe täglich Betretungen seitens Unbefugter gegeben und auch jetzt noch würden die Sicherheitsabsperrungen regelmäßig entfernt. Es haben sich mehrere Obdachlose eingerichtet, auch „nicht gemeldete“ Klauber hätten dort übernachtet. Mit Heu sei Feuer entfacht worden und auch Kinder hätten sich dort aufgehalten, von einer öffentlichen Beleuchtung sei das Stromkabel abgeschnitten und in das Gebäude geleitet worden, „es hat sich ein rechtsfreier Raum eingestellt“, so Pinggera. Bauhof wie auch Ortspolizei haben die Vorfälle dokumentiert, von einem Gemeindearbeiter sei ihm sogar erklärt worden, dass er die Stromleitungen nicht mehr ständig flicken wolle, „das bringe nichts“. Nach einem tragischen Todesfall, der sich im Sommer auf dem Areal zugetragen hat, sei die Frage der Verantwortung und Haftung noch dringlicher geworden.
 
All jene, die keine Verantwortung tragen, haben leicht reden.
 
„Nachdem die Gemeinde als Eigentümer und Verantwortlicher für die Immobilie aufscheint, wenden sich die Staatsanwaltschaft und Polizei an die Gemeinde, welche dafür haftet. All jene, die keine Verantwortung tragen, haben leicht reden“, erklärte Pinggera, der sich auch über die Kritik seitens der Grünen wundert, welche „den Polizeieinsatz“ kritisierten. Die Unterstützung seitens der Ortspolizei sei mehr als notwendig gewesen, um das Areal vor dem Abriss gründlich auf etwaige „Bewohner“ zu kontrollieren. „Alles andere wäre mehr als fahrlässig gewesen“, betonte der Bürgermeister.  Die Entscheidung für den Abriss sei über Wochen hinweg im Ausschuss besprochen worden, „wir haben die Sachen gut und verantwortungsvoll abgewogen“. „Ich habe mir die Entscheidung weiß Gott nicht einfach gemacht!“, so Pinggera. Dass der Abriss auf großes mediales Echo und Widerstände stoßen wird, sei von vornherein klar gewesen. Auch, was den Asbestfund betreffe, habe man sich nichts vorzuwerfen, dieser sei von den Medien aufgebauscht worden. Im Rahmen der Machbarkeitsstudie habe man eine vertiefende Charakterisierungsstudie erstellen lassen, in welcher unter anderem sämtliche Gefahrenstoffe, die im Kasernen-Areal vorkommen, aufgelistet wurden. Auch Probebohrungen seien durchgeführt worden und das Dokument den zuständigen Ämtern und dem Arbeitsinspektorat übermittelt worden. „In dieser Studie findet sich keine Erwähnung eines möglichen Asbest-Vorkommens in den besagten beiden Gebäuden“, erklärte der Bürgermeister. Beim Lokalaugenschein nach dem Abbruch sei ein einziges Asbest belastetes Rohr gefunden worden und mittlerweile habe man eine spezialisierte Firma beauftragt.
 

Kritik

 
„Wir haben beim Kasernen-Areal vorbildlich versucht, die Bürger einzubinden. Was hat’s gebracht?“, fragte Pinggera. SVP-Gemeinderätin Julia Pircher erklärte, dass viele amtierende Gemeinderäte im Bürgerbeteiligungsprozess zwischen 2011 und 2013 nicht involviert waren, sich aber gezwungen sahen, einem fertigen Projekt zuzustimmen. Pircher bemängelte zudem, dass noch kein Plan zu einer effektiven Umsetzung vorliege und sprach in diesem Zusammenhang auch das Thema sozialer Wohnbau an. „Wir reden über die Hüllen, aber nicht über die Inhalte. Und die Gemeinderäte sollten Bescheid darüber wissen, was letztendlich realisiert wird“, so Pircher.
 
 
 
Nicht stehen lassen wollte Bürgermeister Pinggera den Vorwurf, dass in der 2020 beschlossenen Machbarkeitsstudie keine Inhalte aufgeführt werden. Über PPP-Projekte oder Versteigerung sei – anders als die Aussage von Pircher – noch nicht entschieden worden. Ausschuss und Techniker setzten sich derzeit mit den rechtlichen Fragen auseinander. Dabei sei ersichtlich geworden, dass aufgrund von rechtlichen Schwierigkeiten kaum PPP-Projekte umgesetzt werden. „Rund 200 liegen im Land zur Genehmigung auf, kaum welche wurden für positiv befunden“, erklärte der Bürgermeister. Die sozialen Themen wie Mieteraufteilung seien jedoch in allen Sitzungen allgegenwärtig. „Wir selbst sind in der Phase der Meinungsfindung und müssen uns erst auf einen Entwurf einigen, den wir dem Gemeinderat zur Diskussion vorlegen können“, so Pinggera. „Nachdem es nun abgerissen wurde, hätte ich mir erwartet, dass zumindest eine Idee gibt, wie man das angehen möchte“, entgegnete Pircher, die auf mehr Informationen pochte und kritisierte, dass die Art und Weise, wie die Gebäude abgerissen wurden, den Eindruck erweckten, als wollte man einer Unterschutzstellung zuvorkommen. Auch der Asbestfund sollte ernster genommen werden, auch um die Anrainer zu beruhigen.
 
Solche Ängste zu schüren, finde ich populistisch.
 
„Solche Ängste zu schüren, finde ich populistisch“, so Pinggera, der mehr als deutlich erklärte, was er von der Vorgehensweise des Landes hält. Das Land habe, bevor es das Areal an die Gemeinde verkauft hat, mehr als vier Jahre Zeit gehabt, die Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen –  was es nicht getan hatte. Im Nachhinein, nachdem man Unsummen für Planungen und Studien ausgegeben hatte, die Spielregeln zu ändern, sei inakzeptabel. Dass er eine Unterschutzstellung nicht akzeptieren würde, habe er der Landeskonservatorin, Karin Dalla Torre, Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer und dem Ressortdirektor Frank Weber bereits bei der ersten Begehung deutlich mitgeteilt. Wäre die Kaserne vor dem Ankauf unter Denkmalschutz gestellt worden, hätte sich die Gemeinde überlegen können, ob ein Ankauf wirtschaftlich sinnvoll sei. „Das Denkmalamt hat sich in zehn Jahren und nachdem es dreimal gefragt wurde, nie bewegt. Wir haben eine Million Euro für Planungen ausgegeben und 3,5 Millionen Euro in die BASIS investiert. Nach zehn Jahren ändert man die Spielregeln? Das geht absolut nicht!“, stellte Pinggera klar und berief sich dabei auf den Rückhalt in der Bevölkerung.
 
 
„Wenn man nicht die Verantwortung darüber trägt, kann man leicht andere darüber belehren, was man hätte anders machen können“, meldete sich Sagmeister zu Wort. Als die BASIS eingezogen ist, „seien weitere Leute gekommen, dies habe man wohl unterschätzt und man hätte im Vorfeld wohl mehr über die Folgen nachdenken müssen“.  Man habe die Gebäude unzählige Male verschlossen und zugenagelt, zumauern hätte Geld gekostet und auch eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung sei keine Option gewesen. „Wir werden uns doch wohl noch selbst schützen dürfen“, betonte Sagmeister und erklärte, dass die Anordnung, welche der Bürgermeister erlassen hat, bis dato gültig sei. Wäre sie illegal gewesen, hätte man sie vor Gericht anfechten können, was bisher nicht geschehen sei.
 
Wenn fünf Schreier eine Mehrheit vor sich hertreiben, dann ist das doch keine Demokratie, sondern Kapitulation!
 
„Das ist ja Wahnsinn, was man sich alles gefallen lassen muss und wie sehr das aufgebauscht wird!“, so das Fazit des Generalsekretärs. „Wenn fünf Schreier eine Mehrheit vor sich hertreiben, dann ist das doch keine Demokratie, sondern Kapitulation!“, redete sich Sagmeister in Rage und erklärte, dass, wenn etwas passiert wäre, die „ganzen Schlauen“ gekommen wären und wieder alles besser gewusst hätten. Dass der Abriss nicht die alleinige Entscheidung von Sagmeister und Pinggera war, stellte Vize-Bürgermeister Manuel Trojer klar, der erklärte, dass der Ausschuss voll hinter dieser Entscheidung gestanden habe. Trojer kritisierte die Haltung der Architektenkammer, die das Projekt im Vorfeld zwar gelobt hatte, nach dem Abriss aber „volle Kanne“ dagegen geschossen hatte, wie auch sämtliche Medien, die sich den Bürgermeister als Sündenbock auserkoren hätten. Dabei habe der ganze Ausschuss den Abriss unterstützt. „Uns war ja vollkommen klar, dass wir einen Sturm auslösen werden“, so Pinggera, aber alle seien sich einig gewesen, dass auch die Vorgehensweise im Interesse der Gemeinde sei. „Wir werden uns sicher kategorisch dagegen wehren, dass eine Unterschutzstellung durchgeführt wird, schlicht und ergreifend, weil nach zehn Jahren nicht einfach die Spielregeln geändert werden können“, so Pinggera, der sich die Frage nicht verkneifen konnte, ob Kasernen, manche bezeichneten sie als faschistische Tempel, geschützt werden sollten. Dies sei jedoch eine andere Frage. „98 Prozent der Bevölkerung sind sicher nicht dieser Meinung“, so Pinggera. Auch in diesem Sinne habe man das Volk und seine Interessen vertreten.

 

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Johann Georg B… Di., 22.11.2022 - 16:29

Frau Astrid Tötsch,sie haben einen informativen Beitrag geleistet , Hut ab.
Der Bügermeister und Sekretär haben, hatten alle erforderlichen Gutachten und Genehmigungen, Ausschuss war informiert, all diese Personen haben einen bestimmten Weitblick und wollen etwas sinnvolles auf die Beine stellen, dass so viel wirbel um die Bau gemacht wird kann das normale Fussvolk nicht verstehen .In Mals und Glurns wurden auch diese 2 Militärgebäude abgetragen, da gab es keinen Wiederstand vom Land und den beliebten grünen Politiker, was ist in Schlanders anders?
Herr Pinggera und Gemeinderat, macht euer Projekt fertig, erst am Schuss verstehen manche Personen , dass für die Zukunft investiert wurde.
Kompliment.

Di., 22.11.2022 - 16:29 Permalink
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Stefan TAFERNER Mi., 23.11.2022 - 13:39

Wenn alles soo richtig war, warum dann diese Nacht und Nebel aktion? Warum wurde die Abbrucharbeit nicht ausgeschrieben? Jeder andere Bürgermeister hätte unter Berufung der Sicherheit eine Sanierung (Asbest, Restmüll, Treibstofftank, verseuchter Erdreich durch Kohlenwasserstoffe, usw.) in Erwägung gezogen. Damit wären die Spesen zur Einzäunung und eine klare Aussage getätigt. Das verbrecherische Vorgehen ist eindeutig eine verzweifelte Aktion sich zu behaupten. Jetzt soll er bitte auch die Konsequenzen tragen.

Mi., 23.11.2022 - 13:39 Permalink