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Game (fast) over

Landeshauptmann Arno Kompatscher will unter diesen Voraussetzungen nicht wieder kandidieren. Jetzt herrscht Panik. Die Klausur wird deshalb um 2 Wochen verschoben.
svp landesversammlung 2022
Foto: Othmar Seehauser
Niemand will reden. Weder Arno Kompatscher noch Philipp Achammer geben eine Stellungnahme zu den jüngsten Entwicklungen unterm Edelweiss ab. Dabei hat sich die Krise innerhalb der SVP in den vergangenen sieben Tagen dramatisch zugespitzt.
Geplant war eine Klausurtagung der SVP, auf der Landeshauptmann Arno Kompatscher seine Wiederkandidatur bekanntgeben sollte. Danach sollte der Weihnachtsfrieden eintreten. „Wir werden dann alle Meinungsverschiedenheiten ausgeräumt haben und alle zusammen in eine Richtung marschieren“, war sich vor einigen Wochen ein SVP-Parlamentarier noch sicher.
Doch jetzt passiert genau das Gegenteil.
Die Klausur war für Samstag, den 3. Dezember geplant. Am Sonntag teilte SVP-Obmann in einem Schreiben an die SVP-Funktionäre dann aber mit, dass man die Klausur auf Samstag, den 17. Dezember verschoben habe. Philipp Achammer begründet diese Entscheidung in seinem Brief recht blumenreich (siehe unten stehenden Kasten).
Dabei bleiben die eigentlichen Gründe für diese Planänderung weitgehend im Dunkeln.
 

Das Panikorchester

 
Die SVP-Spitze agiert derzeit wie Udo Lindenbergs Panikorchester. Der Grund dafür: Arno Kompatscher hat das Regiebuch der „Freunde im Edelweiss“ ordentlich durchkreuzt.
Nach Informationen von Salto.bz hat der Landeshauptmann dem SVP-Obmann eine klare Ankündigung gemacht: Unter diesen Voraussetzungen stehe er, Kompatscher, als Spitzenkandidat und Landeshauptmann-Anwärter bei den Landtagswahlen im Oktober 2023 nicht mehr zur Verfügung. Im kleinen Kreis wird eine Aussage Kompatschers kolportiert: „So nicht, Philipp“.
 
 
 
Selbst die schärfsten Gegner von Arno Kompatscher innerhalb der SVP hatten sich so etwas nicht erwartet. Man ging davon aus, dass der Landeshauptmann mindestens ebenso sehr am Sessel klebt wie der Großteil der Mandatare und Mandatarinnen in der SVP-Fraktion.
Mit dem Kompatscher werden wir schon fertig“, frohlocken die Gegner des Landeshauptmannes in der SVP deshalb seit Monaten. Jetzt aber stellt sich plötzlich eine andere Frage: „Sind wir ohne Kompatscher fertig?“.
Denn bei aller auch berechtigten Kritik am Führungsstil des Landeshauptmannes, an seinem politischen Zick-Zack-Kurs zwischen Nachhaltigkeit und Wirtschaftsgläubigkeit und seinem Charakterzug, sich abzuschotten, eines ist allen klar: Arno Kompatscher hat sowohl in der SVP-Basis als auch in der Bevölkerung breite Zustimmung. Ein Blick auf das Politbarometer der Südtiroler Wirtschaftszeitung (SWZ) verdeutlicht, wie groß die Beliebtheit des Landeshauptmannes ist und wie mickrig seine lautesten SVP-internen Gegner abschneiden.
Mit dem Kompatscher werden wir schon fertig“, frohlocken die Gegner des Landeshauptmannes in der SVP seit Monaten. Jetzt aber stellt sich plötzlich eine andere Frage: „Sind wir ohne Kompatscher fertig?“.
Daraus lässt sich auch der Erfolg der SVP bei den nächsten Landtagswahlen ablesen. Eine SVP-Liste ohne den Spitzenkandidaten Kompatscher wird - zumindest nach den aktuellen Umfragewerten - wohl deutlich näher bei 30 als bei 40 Prozent liegen.
 

Problem Obmann

 
Das weiß auch Philipp Achammer. Dabei ist der SVP-Obmann ein Teil des Problems. „Der Philipp hat die Partei nicht in der Hand“, sagt ein enger Kompatscher-Vertrauter. „Da tut jeder, was er will“.
Achammer selbst glaubt, mit dem neuen Ehrenkodex ein Allheilmittel gegen die laufenden Messerstechereien innerhalb der SVP gefunden zu haben. Dass das Ganze aber kaum das Papier wert ist, auf dem der Kodex steht, wurde in den vergangenen Wochen mehr als deutlich.
Sven Knoll erhebt beispielsweise schwerwiegende Vorwürfe gegen die Spendenpraxis der SVP. Treffen diese Anschuldigungen zu, so läge auch eine strafrechtliche Relevanz vor: Der Kopf der Südtiroler Freiheit stellt nämlich klar und offen eine mögliche Bestechlichkeit Arno Kompatschers in den Raum. Knoll spricht von Gegenleistungen für Spender. Als Beweis dafür führt er eine geheime Spenderliste an, die ihm - wie er süffisant auf der Pressekonferenz anmerkte - „aus der SVP anonym zugespielt wurde“.
Und der SVP-Obmann schweigt dazu. Niemand interessiert sich anscheinend dafür, wer die Daten aus der Buchhaltung der Partei nach draußen geleakt hat. Dabei kommen nur drei Personen in Frage, weil sonst niemand diese Liste hat.
Philipp Achammer tut augenscheinlich so, als sei das kein Problem der SVP, sondern einzig und allein ein Problem für Arno Kompatscher und jene, die für den SVP-Wahlkampf Spenden gesammelt haben.
Deutlicher kann man seinen Spitzenkandidaten wohl kaum im Regen stehen lassen.
 

Südtiroler Wolfspartei

 
Das selbe - nur noch etwas blutrünstiger - passiert seit über einem Jahren in einem anderen Bereich. Die Bauernlobby - allen voran der Südtiroler Bauernbund - macht gegen die Wolfspolitik des Landes mobil. Immer lauten heulen dabei SVP-Spitzenexponenten wie der SVP-Senator und Sprecher der SVP-Bezirksobmänner Meinhard Durnwalder, der EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann oder die Landtagsabgeordneten Franz Locher und Manfred Vallazza mit. Selbst die Junge Generation in der SVP hat inzwischen anscheinend vom „Flying Hirsch“ zur Wolfsmilch gewechselt.
Auch hier ist die Botschaft klar: Schuld an dieser Misere ist nicht Rom, sondern die Südtiroler Landesregierung. Dabei wird nicht nur Arnold Schuler ins Visier genommen, die Heckenschützen unterm Edelweiß haben es auch und vor allem auf Arno Kompatscher abgesehen. Der Landeshauptmann ist für das mögliche Abschussdekret verantwortlich, und nur weil Kompatscher „keine Eier“ habe, stünden Südtirols Bauern wieder einmal vor einem Todesmarsch.
 
 
 
 
Es ist immer wieder dasselbe Narrativ, das durchsticht: Unter Luis Durnwalder wäre das nicht passiert. Der hätte längst zum Abschuss geblasen. Was auch stimmen dürfte; wohin das allerdings führt, lässt sich an den Urteilen des Rechnungshofes und den Strafzahlungen in Millionenhöhe zum Abschuss der Murmeltiere nachzeichnen.
Aber auch hier schweigt die Partei. Obmann Philipp Achammer hat zwar vorvergangene Woche auf einem SVP-internen Wolfsgipfel die Wogen zu glätten versucht, wenige Tage später geht die politische Treibjagd aber auf einer Veranstaltung in Lana so weiter wie bisher. Passend dazu: SVP-Senator Meinhard Durnwalder legt ausgerechnet am Sonntag in der Zett nach, in dem er öffentlich den Schwarzen Peter Kompatscher zuspielt.
 

Deegs Konfrontationskurs

 
Es ist kein Geheimnis, dass Waltraud Deeg nach Höherem strebt. Stellvertreterin des Landeshauptmannes zu sein, scheint der Tochter der SVP-Legende Waltraud Gebert-Deeg zu wenig zu sein.
Nur so ist es zu verstehen, dass Deeg mitten im SAD-Skandal als Kronzeugin der Kompatscher-Gegner auftritt, um öffentlich zu bestätigen, dass „es Karl Zeller ausschließlich darum geht, die SVP zu zerschlagen“.
Seitdem ist das Verhältnis Deeg-Kompatscher verständlicherweise gestört. Selbst die Watschen, die die Landeshauptmann-Stellvertreterin bei der Wahl zur Obmann-Stellvertreterin bei der SVP-Landesversammlung Anfang September erhalten hat (sie hat dort 17 Prozent weniger Stimmen bekommen als die Newcomerin Verena Tröger), scheint Deeg bewussten Konfrontationskurs gegen Kompatscher nicht zu bremsen.
 
 
 
Nachdem ihr Wohnbauförderungsgesetz weder in der Landesregierung noch in der SVP-Fraktion bei den Abstimmungen eine Mehrheit fand, hat sie ihre Reform kurzerhand im Gesetzgebungsausschuss des Landtages durchgeboxt. Willfährige Helfer dabei: Die SVP-Arbeitnehmer Helmuth Renzler und Magdalena Amhof. Dass man damit Arno Kompatscher auf die Zehen steigt, war allen bewusst und anscheinend auch willkommen.
Kompatscher hat Deeg vor kurzem damit konfrontiert, dass es zu einem Vertrauensbruch gekommen sei und er sie als Stellvertreterin abberufen werde. Deegs Reaktion sagt alles: „Wenn du meinst“.
Gleichzeitig beginnt die Pusterer SVP-Politikerin, ihren Bezirk und die SVP-Frauen für sich zu mobilisieren.
 

Vorwurf der Bestechlichkeit

 
Der Tropfen, der das Fass aber zum Überlaufen brachte, war die Sitzung der SVP-Fraktion am vergangenen Montag. Geplant als klärende Aussprache, hat man auf der sechsstündigen Sitzung Arno Kompatscher im wahrsten Sinne des Wortes vorgeführt. Es waren Abgeordnete wie Thomas Widmann und Franz Locher, die dabei das Wort führten und Kompatscher offen Vorhaltungen machten, dass er durch sein Treffen mit Vizepremier Matteo Salvini und die daraus resultierende Abwesenheit im Landtag schuld am IDM-Debakel sei. Zur Erinnerung: Es war Thomas Widmann, der offen für den Köllensperger-Antrag gestimmt hatte. Fraktionssprecherin Magdalena Amhof hatte wohlweislich vergessen, über einen Antrag auf Befreiung von der Fraktionsdisziplin von Widmann abstimmen zu lassen. So wie von der Geschäftsordnung der SVP-Fraktion in diesen Fällen eigentlich vorgesehen.
Auch hier eilte der SVP-Obmann keineswegs Kompatscher zu Hilfe. Ebenso sah anscheinend SVP-Fraktionssprecherin Magdalena Amhof keinen Grund zur Widerrede.
 
 
 
 
Ein Sitzungsteilnehmer beschreibt die Schlüsselszene so: „Ich habe gesehen, wie sich Arno zurückgelehnt hat und da wusste ich, jetzt ist seine Entscheidung gefallen“. Damit dürfte er nicht unrecht haben.
Während durch die Medien der neue Ehrenkodex, die Liste der zehn Landtagskandidaten und ein angebliches Vetorecht Kompatscher geistern, erhebt Arno Kompatscher derzeit keine Forderungen. Sondern es geht dem amtierenden Landeshauptmann in Wirklichkeit um die Klärung einer viel tiefer gehenden und grundsätzlichen Frage: Kann ein Partei dauerhaft ihrenSpitzenkandidaten und Landeshauptmann öffentlich angreifen und desavouieren?
Man wirft mir öffentlich Bestechlichkeit vor, und die Partei schweigt“, soll sich Arno Kompatscher gegenüber seinen engsten Vertrauten echauffiert haben.
 

Die Entscheidung

 
Deshalb hat Arno Kompatscher dem SVP-Obmann jetzt klar zu verstehen gegeben, dass er unter diesen Voraussetzungen nicht mehr für eine Wiederkandidatur zur Verfügung stehe.
Kompatschers energische Reaktion gründet aber auch auf einer einfachen Überlegung.
Sollte die SVP bei den Landtagswahlen 2023 größere Verluste einfahren - und das befürchtet man selbst in der Bozner Brennerstraße - dann wird man die Schuld dafür dem Landeshauptmann zuschieben. Dafür will Kompatscher aber nicht mehr den Kopf hinhalten.
Philipp Achammer braucht in dieser Phase Bedenkzeit. Kompatscher hat aber klar gemacht hat,  dass die geplante Klausur umbedingt noch vor Weihnachten stattfinden muss. Der Landeshauptmann will so schnell wie möglich innerhalb der SVP die Karten offen auf den Tisch legen.
Deshalb auch die Klausur sieben Tage vor Weihnachten.
Dabei wird auch die Position des SVP-Obmannes zur Sprache kommen.
Schon einmal hat es eine ähnliche Situation gegeben. Als mitten in der "Freunde im Edelweiss"-Affäre im Frühjahr die SVP-Bürgermeister dem Duo Kompatscher-Achammer das Vertrauen ausgesprochen haben. „Diesmal wird es aber nicht mehr damit getan sein, dass man sagt: Gschaffts miteinander“, sagt eine Unterstützerin Kompatschers.
Trotz vieler Unabwägbarkeiten ist eines aber vorab schon klar: Unabhängig von einer Wiederkandidatur wird Kompatscher keinesfalls sein Amt hinwerfen, sondern so oder so die Legislatur als Landeshauptmann beenden.
Es wird sich zeigen, ob das für die SVP ein Hoffnungsschimmer ist oder eine Drohung.

 

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Heinrich Zanon Mo., 28.11.2022 - 08:28

Irrt sich da Christoph Franceschini nicht gewaltig, wenn er uns vorrechnet, bei einer SVP-Kandidatenliste für die Landtagswahlen im kommenden Herbst ohne Kompatscher würde die SVP ein Wahlergebnis deutlich näher bei 30 als bei 40 Prozent einfahren? Welcher Wähler sollte wohl einer Partei, die seit langer Zeit mit vielen unterschiedlichsten Seelen agiert, die sich gegenseitig bis aufs Blut (und vor allem ohne Aussicht auf "nachhaltige" Besserung) zerfleischen, noch Vertrauen entgegenbringen können?
Da bietet sich für das kommende Jahr wohl ein wie immer gerartetes alternatives Wahlverhalten hochgradig an.

Mo., 28.11.2022 - 08:28 Permalink
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△rtim post Mo., 28.11.2022 - 11:58

Es mag zwar stimmen, dass nicht nur die Frage der Begünstigung und der Günstlingswirtschaft im Zusammenhang mit dem Spendenskandal 2018 im Raum steht. Der Co-Sprecher der BZ-Grünen hat recht. Die zentrale Frage, welche im ganzen Streit um die Namen der Spender-innen 2018 untergeht, ist aber folgende: Haben sich Kompatscher, Achammer, Alfreider & Co an das gesetzliche Wahlkampfkostenlimit von € 30.000.- gehalten oder eben nicht.
Laut Eigenerklärung hat z.B Arno Kompatscher 10.370,50 für seinen persönlichen Wahlkampf ausgegeben…. In den Medienberichten zur Verwendung der eingesammelten Spenden ist aber von ganz anderen Beträgen die Rede.
Wenn das zutrifft, gilt es Verantwortung zu übernehmen und politische Konsequenzen zu ziehen. Opfererzählungen sind das Gegenteil davon. Da könnten sich die Herrschaften ein Beispiel Jasmin Ladurner nehmen. Denn schließlich handelt es sich bei falscher Eigenerklärung immerhin um eine strafrechtsrelevante Handlung.

Mo., 28.11.2022 - 11:58 Permalink