Politik | Landtag

Operation Haushalt

Obwohl sie den bisher höchsten Anteil in der Geschichte bekommt, hat Waltraud Deeg nicht für den Landeshaushalt gestimmt. Es dürfte nur ein Vorgeschmack sein.
Kompatscher, Landtag
Foto: LPA/Fabio Brucculeri
Arno Kompatscher will kein Öl ins Feuer gießen.
Auf der Pressekonferenz zur Vorstellung des Landeshaushaltes 2023 spielt er deshalb sichtlich den Vergesslichen. Dabei ist die gestellte Frage einfach: "Ist es in ihrer Amtszeit schon einmal passiert, dass sich ein Mitglied der Landesregierung bei der Abstimmung zum Landeshaushalt der Stimme enthalten hat"?  „Ich glaube nein, aber ich müsste hier erst genauer nachschauen“, sagt der Landeshauptmannes.
 
 
Arno Kompatscher bestätigt am Dienstag zwar, dass es bei der Abstimmung in der Landesregierung am 25. Oktober eine Enthaltung gegeben habe, doch er vermeidet es bewusst, zu sagen, wer das war.
Die noble Zurückhaltung dürfte Kompatscher einiges abverlangen. Denn in Wirklichkeit hat ihn diese Gegenstimme nicht nur hart getroffen, sondern vor allem „fuchsteufelswild gemacht“ (so ein Landesrat zu Salto.bz).
Nach dem Abgang von Thomas Widmann hat sich das Klima in der Landesregierung entschieden verbessert“, beschreibt ein Mitglied der Landesregierung die Stimmung, „aber seit dieser Geschichte hängt der Haussegen zwischen dem Landeshauptmann und seiner Stellvertreterin mehr als nur schief."
 

Deegs Affront

 
Es war Wohnbau- und Soziallandesrätin Waltraud Deeg, die sich bei der Abstimmung über den Haushalt 2023 in der Landesregierung der Stimme enthalten hat. Nach Informationen von Salto.bz hat die Landeshauptmann-Stellvertreterin ihre Enthaltung nicht weiter begründet.
Dabei kam Deegs Enthaltung für alle in der Landesregierung völlig überraschend.
 „Deutlicher kann man uns nicht zeigen, dass wir Deppen sind“, ärgert sich ein Landesrat. Dass Deegs Stimmverhalten dabei nicht nur von Arno Kompatscher als bewusster Affront gesehen wird, liegt an der Vorgeschichte.
 
 
 
Die inhaltlichen Weichen für den Landeshaushalt wurden bereits auf der Klausur der Landesregierung Monate vorher gestellt. Dabei kam man überein, dass es ein breites Hilfspaket für die Bürgerinnen und Bürger brauche, damit die Menschen die Energiekrise und die Teuerungen bewältigen können. Solidarisch musste deshalb jedes Mitglied der Landesregierung aus seinem Ressort Gelder für dieses Hilfspaket abgeben. Damit kamen jene 100 Millionen Euro zusammen, die der Landtag dann als Unterstützungspaket genehmigt hat.
Das Gros dieses Hilfspakets wird über das Ressort Deegs ausgezahlt. Die Landeshauptmannstellvertreterin wird 2023 so fast 70 Millionen Euro über die verschiedenen Maßnahmen verteilen können.
Diese finanzielle Ausgestaltung führt dazu, dass Deegs Bereich „Soziales und Familie“ im Haushalt 2023 auf 695 Millionen Euro angewachsen ist (siehe auch untenstehenden Kasten). „Es ist der höchste Betrag, der in der Nachkriegsgeschichte jemals für diesen Bereich zur Verfügung gestellt worden ist“, erklärt Arno Kompatscher am Dienstag auf seiner Bilanz-Pressekonferenz.
Dass sich mit Waltraud Deeg ausgerechnet die größte politische Nutznießerin dieser finanziellen Umschichtung bei der Verabschiedung des Haushaltes der Stimme enthält, kann deshalb nur als bewusste Watschen für Arno Kompatscher wahrgenommen werden.
Und es dürfte nicht die einzige bleiben.
 

Der geplante Angriff

 
Deegs Stimmenthaltung kann man auch in einem weit größeren Zusammenhang sehen.
In der kommenden Woche soll der Landeshaushalt im Landtag besprochen und genehmigt werden. Es ist traditionell die Stunde der Opposition, nicht nur ihrer Kontrollaufgabe nachzukommen, sondern auch durch ein Drehen an den Schrauben des Landeshaushaltes den Versuch umzusetzen, die programmatischen und inhaltlichen Schwerpunkt der Landesregierung nachhaltig zu verschieben.
 
 
 
In diesem Jahr wird diese politische Dialektik aber durch eine besondere Spielart zusätzlich angeheizt. Seit Wochen geht Thomas Widmann nicht nur in der SVP-Fraktion, sondern auch bei verschiedensten Oppositionsparteien mit einem provokanten Vorschlag hausieren. „Man trifft Kompatscher am meisten, wenn man ihm und seinen Getreuen das Geld nimmt“, zitiert ein Landtagsabgeordneter Widmanns Ansinnen. Böses Zungen behaupten, dass der langjährige Landesrat sogar vorgefertigte Abänderungsanträge verteilt.
Das Schema ist dabei fast immer dasselbe: Finanzielle Ressourcen sollen vor allem aus dem Ressort des Landeshauptmannes oder von den Landesräten Daniel Alfreider oder Arnold Schuler abgezwackt und in jenes von Waltraud Deeg hingeschoben werden. Es ist eine gut getimte Operation an einer offenen und klaffenden Wunde.
 

Blaue Abänderungsanträge

 
Es dürfte natürlich nur Zufall sein, dass der Freiheitliche Andreas Leiter Reber genau solche Abänderungsanträge im Landtag eingereicht hat. So hat der freiheitliche Obmann bereits bei der Behandlung des Haushaltsgesetzes im dritten Gesetzgebungsausschuss am 18. November einen Antrag eingebracht, mit dem ein Artikel 3bis in den Haushalt eingeführt werden soll. Damit sollen 12 Millionen Euro vom Investitionsprogramm „Straßennetz und Straßeninfrastrukturen" in den Deeg-Bereich „Maßnahmen für Haushalte“ verschoben werden.
Leitners Abänderungsantrag wurde aus rein formalen Gründen im Gesetzgebungsausschuss für unzulässig erklärt. Doch der freiheitliche Abgeordnete hat ihn bereits im Landtag erneut eingebracht.
 
 
 
Andreas Leiter Reber hat zudem einen weiteren Abänderungsantrag vorgelegt, mit dem weitere 12 Millionen aus dem Bereich „Verkehr- und Mobilitätsförderung“ in den Aufgabenbereich „Raumordnung und Wohnbau“ verschoben werden sollen.
Sicher ist: Das werden keineswegs die einzigen Abänderungsanträge bleiben, mit denen man den von der Landesregierung beschlossenen Haushalt kommende Woche im Landtag in diesem Sinne zerpflücken will.
Der Haushalt soll damit nur ein Mittel sein, um den Landeshauptmann und seine wenigen Verbündeten in der Landesregierung wund zu schießen.
Daniel Alfreider nimmt den geplanten Angriffe auf seine finanziellen Agenden sportlich und mit Humor. „Wenn das durchgeht“, sagt der Mobilitätslandesrat, „dann werden wir aus dem Programm eben das vierte Los des Straßenausbaues nach Afing streichen müssen“.
In Afing hat bekanntlich Thomas Widmann seinen Hof und Wohnsitz.
 
 
 
 
 
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rotaderga Mi., 07.12.2022 - 12:58

Landesrat, Landesrätin enthalten sich der Stimme zum eignem Resort. Warum werden solchen Führungspersonen in diesem Falle ihrer Verantwortungen nicht stante pede entbunden? Ohnmächtig oder unwillig eine Linie vorzuzeichnen und, bis auf besserem Wissen, auch zu vertreten. LH walte deines Amtes!

Mi., 07.12.2022 - 12:58 Permalink
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M A Mi., 07.12.2022 - 16:12

Ich denke, dass einige bereits begonnen haben, ihr eigenes Grab zu schaufeln...
...auf dass es im nächsten Herbst bereit sein möge.

Mi., 07.12.2022 - 16:12 Permalink
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Wolfgang Mayr Mi., 07.12.2022 - 19:04

Landesrätin und LH-Vize Deeg stimmt gegen ihren eigenen Haushalt. Weiß sie nicht was sie tut? Oder geht der Putsch der "Freunde im Edelweiß" jetzt in die Endrunde, indem sie den LH samt Haushalt scheitern lassen?

Mi., 07.12.2022 - 19:04 Permalink