Gesellschaft | klingelt’s?

Nervig am Rande der Legalität

Werbeanrufe können abgestellt werden. Trotzdem hält das aufdringliche Telemarketing vielfach an. Warum ist das so? Und was kann getan werden?
Anruf
Foto: Chris Mcintosh on Unsplash

Die Hoffnung war groß. Umso größer ist nun die Ernüchterung. Und der Frust darüber, dass das “Registro delle opposizioni” nicht hält, was es verspricht. Nämlich ein Ende der hartnäckigen und lästigen Werbeanrufe am Handy. Verbraucherschützer raten dennoch, die eigenen Telefonnummern zu registrieren. Immerhin wurden bisher mehrere Milliarden Anrufe verhindert.

 

Damit es weniger oft klingelt 

 

Kaum jemand kennt es nicht: Das Handy klingelt, am Display eine Nummer, die man nicht kennt: von Mobiltelefonen, aus anderen italienischen Provinzen oder gar dem Ausland. Wer rangeht, wird freundlich auf den fantastischen neuen Telefontarif, das unschlagbaren Stromangebot oder die Investmentmöglichkeit, die es nicht zu verpassen gilt, hingewiesen. Je länger der Anruf dauert, desto aufdringlicher und weniger freundlich klingt die Person am anderen Ende der Leitung häufig. Verbraucherschützer raten dringend ab, am Telefon Verträge – jedweder Art – abzuschließen. Doch was tun, um gar nicht erst in diese Situation zu geraten?

Seit 1. Februar 2011 existiert in Italien das so genannte “Registro pubblico delle opposizioni”. Wer die eigene Nummer dort einträgt, soll künftig vor Werbeanrufen gefeit sein. Dieses “öffentliche Verzeichnis der Einsprüche” (hier der Link zur Webseite) galt ursprünglich nur für Festnetz-Nummern. Seit 27. Juli 2022 ist das anders. Nun können auch Mobiltelefonnummern eingetragen werden. Genauso wie Adressen, an die kein unerwünschtes Werbematerial geschickt werden soll. Der Eintrag in das Verzeichnis ist recht einfach durchzuführen und kann auch ohne SPID-Account gemacht werden. Werbeanrufe, die über Call-Center im Ausland getätigt werden, sollen mit der Eintragung genauso enden. Bis November 2022 wurden 3,4 Millionen Nummern registriert.

Betreiber von Telemarketing sind verpflichtet, die Nummern in ihren Datenbanken mit denen im Registro delle opposizioni abzugleichen. Dieser Abgleich ist kostenpflichtig. Für Verstöße – also falls Nummern angerufen werden, die im Verzeichnis aufscheinen – sind Verwaltungsgeldbußen in der Höhe von 20 Millionen Euro vorgesehen. Firmen werden mit einer Summe von 4 % des weltweit gemachten Umsatzes des vorigen Geschäftsjahres sanktioniert.

 

Nicht alle haben Ruhe

 

Soweit die Theorie. In der Realität aber entpuppt sich diese Initiative für mehr Datenschutz als Flop. Darauf weisen italienische Verbraucherschutzorganisationen schon bald hin. Löchrig wie ein Sieb sei das Registro delle opposizioni, kritisiert der Konsumentenschutzverein Assoutenti Ende Oktober. Eine Umfrage des Verbands Codacons ergibt: 60 Prozent jener, die ihre Nummer in das Verzeichnis eingetragen haben, erhalten weiterhin Werbeanrufe. Wie Assoutenti berichtet auch Codacons, dass immer mehr Anrufe von ausländischen Call-Centern oder von fiktiven Nummern eingehen, die mit einer speziellen automatisierten Software erstellt werden. Auf diese Art werde versucht, “die geltenden Vorschriften zu umgehen und auszuhöhlen”, klagt man bei Codacons. Der Verband hat bereits die nationalen Datenschutz- und Antitrustbehörden sowie die Staatsanwaltschaft von Rom eingeschaltet.

 

“Ja, auch wir erhalten Meldungen von konstant andauernden Anrufen auch nach der Eintragung der Nummern ins Register. Am häufigsten betreffen sie den Energiesektor und den Kommunikationsbereich”, sagt die Geschäftsführerin der Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) Gunde Bauhofer auf Nachfrage von salto.bz. Die Frage, warum die Anrufe trotzdem eingehen, wurde unlängst bei einem Treffen zwischen den Verbraucherverbänden und der Aufsichtsbehörde für Datenschutz besprochen. “Die Fachleute der Behörde sind der Meinung, dass es sich hier um ein insgesamt am Rande der Legalität angesiedeltes Phänomen handelt”, berichtet Bauhofer. “Vielfach rufen nicht die Anbieter an, sondern Firmen, die sich unter falschem Namen vorstellen, um letztlich für ganz andere Firmen Verträge abzuschließen.”

Viele Betreiber von Telemarketing ignorieren – auch, weil Sanktionen ausbleiben – die Bestimmungen des Registro dell’opposizione. Oder umgehen sie, wie Bauhofer anhand eines Beispiels erklärt: “Konsumenten beklagen, Werbeanrufe von Amazon zu erhalten. Dahinter steckt jedoch nicht Amazon, sondern Firmen, die Amazon-Aktien verkaufen wollen. Abgesehen davon, dass davon auszugehen ist, dass diese Firmen keine Erlaubnis für den Vertrieb von Finanzprodukten in Italien haben, ist nicht nachvollziehbar, woher sie die Nummern haben bzw. ob diese per Zufallsgenerator erstellt werden.”

 

Nur ein Ja ein Ja

 

Inzwischen plädieren Daten- und Verbraucherschützer dafür, zur “Opt-in”-Regelung zurückzukehren, die bis 2009 in Italien galt: Nur wer ausdrücklich zustimmt, darf auch Werbeanrufe erhalten. Im Gegensatz zurm aktuellen “Opt-out”, nach dem Konsumenten aktiv Nein zum Telemarketing sagen müssen und andernfalls stillschweigend einwilligen. “Die Italiener können die unerwünschten und nervigen Anrufe nicht mehr ab”, meint der Präsident von Unione nazionale consumatori. Der PD hat Ende November in der Abgeordnetenkammer einen Gesetzentwurf präsentiert, der in diese Richtung geht. “Opt-in” “wäre ein besserer Ansatz”, findet auch Gunde Bauhofer. Sie gibt aber zu bedenken: “Da es sich bei den aktuellen Anrufen vielfach nicht um ‘legitime’ Werbeanrufe handelt, lässt sich nicht wirklich abschätzen, ob diese Maßnahme tatsächlich Wirkung zeigen würde.”

Nichtsdestotrotz raten Bauhofer und die VZS ausdrücklich dazu, die eigene Nummer in das Registro delle opposizioni einzutragen. “Laut den Betreibern des Verzeichnisses (verantwortlich dafür ist das Ministerium für Wirtschaft und Entwicklung, Anm.) wurde seit der Ausweitung auf mobile Nummern insgesamt fünf Milliarden Mal eine Nummer abgeglichen. Das heißt, es wurden italienweit fünf Milliarden Werbeanrufe verhindert.” Sollten dennoch Werbeanrufe eingehen, “sollten diese gemeldet werden”, sagt Bauhofer. Möglich ist das über einen Online-Dienst der Datenschutzbehörde. Die VZS-Geschäftsführerin meint: “Je detaillierter die Meldung, desto zielgerichteter kann die Behörde vorgehen.”

Bild
Profil für Benutzer Dietmar Holzner
Dietmar Holzner Fr., 16.12.2022 - 09:49

Man muss aber schon dazusagen, dass von der Blockade jene Unternehmen, mit denen man bereits einen Vertrag laufen hat, grundsätzlich ausgeschlossen sind (was natürlich unverständlich ist). Obwohl ich mich also in dieses Register eingetragen habe, erhalte ich trotzdem dauernd nervige Werbeanrufe von meinem Telefonanbieter.

Fr., 16.12.2022 - 09:49 Permalink