Kultur | Salto Afternoon

35 mal Pasolini

Die wohl letzte Ausstellung zum 100 jährigen Jubiläum in der Provinz vereint 35 Perspektiven zu Pier Paolo Pasolini. Der Club „Amici dell’Arte“ sucht Zugänge in Malerei.
Pasolini 100 Amici dell'Arte
Foto: Privat
Den Künstler:innen des Clubs war freigestellt, wie sie sich der Person nähern wollten, spannend ist daher beim Ausstellungsbesuch in der nicht thematisch gegliederten Ausstellung auf Mehrfachbesetzungen bestimmter Blöcke zu achten: Die Beziehung zur Mutter, die Einsamkeit, der Reisende Pasolini, Medea… Herausgekommen ist bei diesem „Pasolini 100“-Projekt eine Schau, die nicht nur durch den persönlichen Moment der Begegnung mit Pasolini „in einem Film, in einem Roman, in einem Gedicht“, sondern teils auch durch den Amateur-Charakter bestimmt ist.
Nun hat das Wort Amateur im allgemeinen Gebrauch eine wertende, mit negativen Konnotationen behaftete Eigenart, aber auch eine aufschlussreiche Etymologie, die aufs lateinische „amator“, also den Liebenden zurückgeht. Liebe ist hier zu finden, auf dem einen oder anderen Bild in Form von Glitter, Plastikperlen oder goldener Farbe. Es finden sich überladene, aus Fragmenten und Widersprüchlichkeiten zusammengefügte Bilder, wie die „Stati d’animo“ der Medea, dicht an dicht bei solchen Werken, die sich auf einen Moment, eine Emotion konzentrieren, die auch am Ausstellungskärtchen minimalistisch sind. „La solitudine… bisogna essere molto forti per amare la solitudine“ steht etwa neben einem Öl-Gemälde in kühlen, klaren Farben, das eine abgewandte Zugreisende beim Blick aus dem Fenster zeigt.
Sanaa die Hauptstadt des Jemen, deren Altstadt seit ’86 unter Unesco Schutz steht, zog zwei besonders von einander abweichende Blicke auf sich: Nimmt „Le mure die Sana’a“ expliziten Bezug auf den gleichnamigen Dokumentarfilm-Appell den er Ende der 70er Jahre gestaltete, so ist „Impression di Sana’a“ im Untergeschoss eine Auflösung, streng geometrische und frei schwebende Häuserblöcke wie aus einer Großsstadt in einem Wolkenfeld zerfallend und sieht „una Sana’a ormai senza mura“, zeigt den sozialen Wandel der Stadt auf.
 
 
Spannend auch „Petrolio“, eine abstrakte Interpretation zum letzten, unvollendeten Projekt des Schriftstellers, einem Buch über Enrico Mattei, Gründer und President der ENI und dessen Todes-Umständen. Hier wird nicht das Pop-Art Konterfei des Künstlers gezeigt, sondern Zeitungsausschnitte und eine Blutspur. Das allerliebste Thema der Ausstellung ist jedoch jenes der Mutter, dreimal über das Gedicht „Supplica a mia madre“ angenähert. Die Bilder auf die man dabei Zugriff hat greifen eine allgemeine Bildsprache auf, dem Text entnommene Zeilen, die wiederum an Pasolini vorbei blicken, auf eine nicht zu greifende Mutterfigur blicken.
Von den Bildern die direkt auf Pasolini blicken, ist das gelungenste Eingangs anzutreffen. „Col volto di ragazzo“ zeigt Pasolini mit einem rauchenden Freund, in unverkrampfter Haltung, aber mit  charakteristischem, durchdringendem Blick, der direkt auf uns gerichtet ist. Ihm sind die einleitenden Worte der Präsidentin zur Seite gestellt, von einem Zitat Pasolinis beschlossen.
 
„Il problema è avere occhi e non saper vedere, non guardare le cose che accadono, nemmeno l’ordito minimo della realtà. Occhi chiusi. Occhi che non vedono più. Che non sono più curiosi. Che non si aspettano che accada più niente. Forse perché non credono che la bellezza esiste. Ma sul deserto delle nostre strade, Lei passa, rompendo il finito limite e riempiendo i nostri occhi di infinito desiderio.”
 
Pasolini scheint unseren Blick, den des Besuchers zu prüfen und „Sie“, die Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Bei aller thematischer Schwermut ist „Pasolini 100“ eine sehr bunte, lebensbejahende Ausstellung geworden, das Schöne erhält in den Augen des Liebenden, des „amator“ mehr Gewicht. Wie es im Endeffekt mit anderen Elementen zusammengeführt wird, grenzt zum Teil an Kitsch, aber zeugt auch von großer Annäherung an Pier Paolo Pasolini. Nicht das beste Angebot des Jahres um den Künstler und Intellektuellen (wieder) zu entdecken, aber das wohl persönlichste.
 
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Giancarlo Riccio Di., 20.12.2022 - 14:55

L'articolo di Michael è come sempre rigoroso e interessante. Ma in questo caso troppo generoso. La mostra è infatti (opinione critica personale) una delle occasioni più modeste, raffazzonate e autoreferenziali di esprimersi intorno a PPP.
Un vero peccato e, anche, uno spazio pubblico sottratto a chi invece avrebbe avuto qualcosa da dire.

Di., 20.12.2022 - 14:55 Permalink
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Winfried Theil Di., 20.12.2022 - 21:55

Nach anderweitigen Recherchen habe ich erfahren wo diese Ausstellung stattfindet: in der Bozner Stadtgalerie am Dominikanerplatz. Am Mazziniplatz gibt es kein historisches Gebäude mit Gewölbe!

Di., 20.12.2022 - 21:55 Permalink