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Der SVP-Rat

Der Südtiroler Gemeindeverband ist eine reine Vorfeldorganisation der SVP. An zwei Gesetzesvorschlägen wird jetzt deutlich, wie parteipolitisch Schatzer & Co agieren.
Andreas Schatzer
Foto: web
Eigentlich ist es eine Sternstunde der Südtiroler Demokratie.
Denn es gibt nur ganz wenige Beispiele, in denen die Regierungsmehrheit und die Opposition gemeinsam für eine Gesetzesänderung eintreten. In diesem Fall haben die Südtiroler Grünen im Landtag das Anliegen auf den Weg gebracht und jetzt zusammen mit der sogenannten Bauernfraktion in der SVP weiterentwickelt.  Es ist politisch eine eher ungewöhnliche Seilschaft, doch inhaltlich steht man sich durchaus nahe.
Hinter dieser erfolgreichen Zusammenarbeit verbirgt sich aber eine Dokumentation, die kein besonders gutes Licht auf den Südtiroler Gemeindeverband und wirft. Der Verwaltungsrat des Verbandes ist personell identisch mit dem Rat der Gemeinden. Diese Institution hat in der Legislative wichtige Kontroll- und Beraterfunktionen. So muss der Rat der Gemeinden zu jedem Gesetzesvorschlag, der im Landtag behandelt wird, vorab ein Gutachten erstellen. Der Rat der Gemeinden sollte dabei parteiunabhängig agieren.
In Wirklichkeit aber sind sowohl der Gemeindeverband als auch der Rat der Gemeinden reine Vorfeldorganisationen der SVP. Das zeigt sich in diesem Fall, in dem deutlich wird, wie Andreas Schatzer & Co mit zweierlei Maß messen, wenn es um Anliegen der SVP oder der Opposition geht.
 

Die Kennzeichnungspflicht

 
Der 4. Gesetzgebungsausschuss des Landtages hat diese Woche mit der Behandlung des von Brigitte Foppa (Grüne) zusammen mit Manfred Vallazza, Franz Locher und Josef  Noggler (alle SVP) mitunterzeichneten Gesetzes „Die verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Fleisch, Milch und Eiern in der Gemeinschaftsverpflegung“ begonnen. Am Donnerstag wurde der Übergang zur Artikeldebatte beschlossen. Im Jänner 2023 wird im Ausschuss darüber abgestimmt.
 
 
 
 
Transparenz bei Lebensmitteln ist seit langem eine Anliegen der Südtiroler Grünen. Brigitte Foppa & Co setzen sich seit Jahren für mehr Transparenz bezüglich Herkunft von Lebensmitteln in der Gastronomie ein. So haben die Grünen in den vergangenen Jahren mehrere Beschlussanträge und Gesetzesentwürfe zum Thema im Landtag eingebracht. Der Großteil davon wurde von der SVP abgelehnt.
Am 29. April 2021 präsentierte die Grüne Fraktion dann aber einen ausgefeilten Gesetzentwurf für mehr Transparenz über die Herkunft von tierischen Produkten in der gesamten Gastronomie (Landesgesetzentwurf  84/21). „Am 13. Mai 2021 wurde nach Verhandlungen mit der SVP im Landtag ein Beschlussantrag genehmigt, in dem wir forderten, dass die Herkunft von Produkten (tierischer Art, aber nicht nur) in allen gastronomischen Betrieben obligatorisch sein sollte“, erklärt Brigitte Foppa.
Die Gespräche zwischen SVP und Grünen haben jetzt zu einer gemeinsamen Gesetzesvorschlag geführt.
Am 11. November 2022 wurde mit dem Gesetzesvorschlag 122/22 „Die verpflichtende Herkunftskennzeichnung von Fleisch, Milch und Eiern in der Gemeinschaftsverpflegung“ ein weiterer Gesetzentwurf eingebracht, der von Brigitte Foppa gemeinsam mit Manfred Vallazza, Franz Locher und Josef Noggler mitunterzeichnet wurde.
Dieser wird derzeit im vierten Gesetzgebungsausschuss behandelt.
 

Die Gutachten

 
Wie vom Gesetz vorgesehen hat der Rat der Gemeinden sowohl für den Gesetzesvorschlag der Grünen (84/21) als auch für den gemeinsamen Gesetzesvorschlag SVP/Grüne (122/22) jeweils ein Gutachten dem Landtag übermittelt. Obwohl beide Gesetzesvorschläge denselben Inhalt haben und nur in Nuancen verschieden sind, könnten diese Gutachten aber kaum unterschiedlicher sein.
Am 31. Mai 2021 legen Präsident Andreas Schatzer und Sekretär und Geschäftsführer Benedikt Galler das negative Gutachten zum Landesgesetzentwurf 84/21 vor.
 
 
 
Im Gutachten zu dem grünen Vorschlag heißt es:
 
„Laut Art. 39 der EU-Verordnung Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel können zusätzliche Angaben zu den verpflichtenden Angaben über Lebensmittel nur von den Mitgliedsstaaten nach Mitteilung an die EU-Kommission und positiver Rückmeldung derselben erlassen werden. Das bedeutet, dass der Landesgesetzgeber in diesem Bereich keine Zuständigkeit hat. Für die konkrete Anwendung der Bestimmungen fehlen im Gesetzesentwurf zudem jegliche Hinweise. Die Umsetzung der vorgesehenen Bestimmungen ist außerdem praktisch kaum durchführbar und würde für die Einrichtungen und Betriebe, die Speisen servieren, zu einem enormen Anstieg an Bürokratie führen.“
 
Innerhalb eines Jahres scheint im Rat der Gemeinden aber ein Umdenken stattgefunden zu haben.
Denn plötzlich sind die Bedenken um die Landeszuständigkeiten und die Rolle der EU nicht mehr so gravierend. Obwohl sich gesetzlich nichts geändert hat, erteilt der Rat der Gemeinden dem Vallazza, Noggler, Locher und Foppa-Gesetzvorschlag jetzt ein positives Gutachten.
 
 
 
 
In dem Gutachten, das das Duo Schatzer-Galler am 21. Dezember 2022 dem Landtag übermitteln heißt es:
 
„Die Zielsetzung des Landesgesetzentwurfes wird geteilt und im Entwurf sind auch konkrete Hinweise der Anwendung sowie die Kontrollen und Strafen vorgesehen. Mit den vorgeschlagenen Bestimmungen im Artikel 3 sind die Vorschriften auch umsetzbar und der bürokratische Aufwand hält sich in Grenzen. Wie bereits im Gutachten zum Landesgesetzentwurf Nr. 84/2021 angeführt, wird bemerkt, dass laut Artikel 44, Absatz 1, Buch stabe b) der EU-Verordnung Nr. 1169/2011 die Angabe zur Herkunftsbezeichnung der im gegenständlichen Gesetzesentwurf genannten Lebensmittel nur über eine nationale Bestimmung verpflichtend vorgeschrieben werden kann. Somit ist zu überprüfen, ob diese Regelung mit der Notifizierung des Landesgesetzes an die EU-Kommission überwunden werden kann.“
 
Spätestens damit wird eines klar: Kommt der Vorschlag von der Opposition hat das Land keine Zuständigkeiten.
Macht die SVP dasselbe Gesetz, gehen Andreas Schatzer und Benedikt Galler davon aus, dass mögliche Einwände durch eine Notifizierung des Landesgesetzes bei der EU-Kommission überwunden werden können.
Parteipolitischer könnte das Gutachten des Rates der Gemeinden wohl kaum sein.
Vielleicht sollte man auch eine Kennzeichnungspflicht für solche Gutachten einführen.
 

Der Vergleich

 
Der Grüne Vorschlag
 
 

Der Vorschlag Noggler, Locher, Vallazza, Foppa.
 
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Sebastian Felderer Sa., 24.12.2022 - 08:44

Bravo Christoph! Wieder ein stichhaltiges Beispiel herausgefischt, um das "System Südtirol" deutlich zu machen. Es ist wohl eine unumstößliche Tatsache, dass gewisse Schlüsselpositionen im Machtapparat des Landes nur von jenen Leuten besetzt werden können, welche eine hundertprozentige Garantie an Hörigkeit und Parteigehorsam aufweisen. Schatzer ist ein gutes Beispiel dafür.
Schäbig klingen die Kommentare zu diesem Beitrag, weil sie die Oberflächlichkeit mancher Leser beweisen. Zum Glück fällt dies nicht nur mir auf.

Sa., 24.12.2022 - 08:44 Permalink
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Robert Hölzl Di., 27.12.2022 - 17:10

Antwort auf von Sebastian Felderer

Sorry, aber von welcher Partei sollte der Vorsitzende des Gemeindenverbandes kommen, wenn die überwiegende Mehrheit der Gemeinden von einem SVP-Bürgermeister geführt wird (übrigens alle in freien Wahlen gewählt).
Dass eine regierende Partei Vorschläge von Oppositionsparteien nicht gerade gerne genehmigt (notfalls einen eigenen, gleichlautenden Vorschlag einbringend), ist jetzt wirklich keine südtiroler Spezialität. Und wenn es nicht um die Urheberschaft, sondern um die Sache ginge, könnte es der Opposition ja sogar gleich sein.

Di., 27.12.2022 - 17:10 Permalink