Politik | Nachhaltigkeit

Nicht bei den Apokalypsen bleiben

Südtirol muss nachhaltiger werden: ökologisch, ökonomisch und sozial. So lautete die Botschaft beim heutigen Mediengespräch mit Landeshauptmann Arno Kompatscher.
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Foto: Salto.bz
Nach dem Rückblick auf ein turbulentes Jahr folgte der Ausblick auf das kommende, das ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit stehen soll. Laut einer Umfrage, die das Landesinstitut für Statistik (ASTAT) durchgeführt hat, ist sich der Großteil der Bevölkerung über die Bedeutung eines nachhaltigen Handelns mittlerweile bewusst. „Auch wir müssen noch viel mehr ins Tun kommen, denn das eine ist das Erkennen, das andere das konkrete Handeln“, erklärte Landeshauptmann Kompatscher, der in seinen Ausführungen unter anderem auch auf den zweiten, spezifischen Teil des Klimaplanes 2040 verwies, an dem derzeit gearbeitet wird. Die Beteiligung seitens der Bürger und Bürgerinnen ist ausdrücklich erwünscht, auf welche Art und Weise sich die Bevölkerung sowie die verschiedeneren Stakeholder einbringen können, soll voraussichtlich im März vorgestellt werden.
 
 
Im anschließenden Mediengespräch kamen nicht nur Themen wie die derzeitige Haushaltsdebatte im römischen Parlament oder die Konzessionsvergabe der Brennerautobahn zur Sprache, sondern auch die Querelen innerhalb der SVP, welche die politische Tätigkeit der Landesregierung im vergangenen Jahr überschattet hatten. Auf die Frage eines Journalisten, wann endlich wieder Ruhe in die Partei einkehrt, die Streitigkeiten überwunden werden und man endlich wieder anfängt, für die Menschen draußen zu arbeiten, erklärte der Landeshauptmann, dass weder er selbst noch viele andere Mitglieder der Landesregierung und des Landtages aufgehört hätten, für die Menschen zu arbeiten.
 
Das mache ich von früh bis spät und das soll man auch wissen!
 
„Das mache ich von früh bis spät und das soll man auch wissen!“ Der Landeshauptmann räumte jedoch ein, dass in der Öffentlichkeit ein anderer Eindruck entstanden ist und sich die Menschen deshalb Sorgen machen. Er sei jedoch auch dahingehend angesprochen und aufgefordert worden, dafür zu sorgen, dass alles wieder in Ordnung kommt, „weil wir die Südtiroler Volkspartei, die dieses Land erfolgreich regiert, brauchen.“ Nicht wenige Male wurde der Landeshauptmann von den Journalisten auch gefragt, ob er trotz der innerparteilichen Turbulenzen zuversichtlich Richtung Landtagswahlen blicke. Die Antwort lautete natürlich „Ja!“
 
 
 

Heftige Debatten vorprogrammiert?

 
Salto.bz: Sie haben heute wie auch bei der Bürgerversammlung in Brixen den zweiten Teil des Klimaplanes als wichtiges Ziel für 2023 genannt. In Brixen ließen Sie durchblicken, dass mit diesem Plan „einiges“ auf die Bürger zukommen wird bzw. „dass man groß schauen wird“, wenn die Inhalte bekannt werden. Können Sie bereits etwas Konkretes dazu sagen?
 
Arno Kompatscher: Dazu ist es derzeit noch zu früh. Das würde weder jenen gerecht werden, die derzeit intensiv daran arbeiten, noch dem geplanten Beteiligungsprozess, in welchem wir die Bürger und Bürgerinnen miteinbeziehen wollen. Im Rahmen dieses Prozesses können sie Stellung zu jenen Themen beziehen, die wir aufgreifen werden. Wir stellen ihnen darin auch jene Maßnahmen vor, die aus unserer Sicht umgesetzt werden müssen. Sie können ihre Meinung äußern und sagen, ob ihnen das zu wenig, zu viel, aus ihrer Sicht völlig falsch oder sogar zu brutal ist. Weiters haben sie auch die Möglichkeit, uns auf Dinge aufmerksam zu machen, die wir möglicherweise vergessen haben.
 
Wir rechnen dabei mit heftigeren Debatten als beim ersten Teil.
 
Wir möchten nach Fertigstellung des Grundsatzpapieres dieses zur Diskussion stellen, und ich hoffe, dass es dieses Mal als Arbeitspapier verstanden wird und wir nicht mit Kritik nach dem Motto „Das ist zu wenig!“ konfrontiert werden. Beim zweiten Teil des Klimaplanes geht es um die konkreten Maßnahmen. Das bedeutet Einschnitte und heißt, dass man dieses oder jenes in Zukunft nicht mehr tun darf. Es wird sicher viele Bereiche geben, wo Interessensgruppen oder die jeweils Betroffenen erklären werden, dass die geplanten Maßnahmen nicht umsetzbar sein werden oder Schaden entstehen wird. Diese Maßnahmen werden alle Bereiche betreffen, wo Emissionen entstehen und Energie verbraucht wird, angefangen bei den Produktionsprozessen in der Wirtschaft über den Transport von Gütern und Personen bis hin zum Heizen und den Freizeitaktivitäten. Wir werden konkrete Vorgaben formulieren, dass bis zu einem bestimmten Datum X bestimmte Prozesse anders gehandhabt werden müssen. Wir rechnen dabei mit heftigeren Debatten als beim ersten Teil.
 
 
Einige Umweltaktivisten fordern bereits das Verbot von Zweit-Autos. Wird so eine Maßnahme in Erwägung gezogen bzw. eine Vorgabe, wonach die Bürger und Bürgerinnen nur mehr ein bestimmtes Quantum an CO2 produzieren dürfen?
 
Das wäre höchst unfair und deshalb ersuche ich bei solchen Themen nicht nur mathematische Rechnungen aufzustellen, wie man den CO2-Ausstoß reduzieren kann. Wie bereits Silvius Magnago einmal erklärte, gibt es nichts Ungerechteres als Ungleiches gleich zu behandeln. Ein Verbot von Zweit-Autos hätte in einem urbanen Raum wie München, wo der Großteil der Bevölkerung wahrscheinlich noch nicht einmal ein Erstauto besitzt, nicht dieselben Auswirkungen wie in unserem ländlichen Raum. Wenn jemand am Ende eines Tales wohnt, wo es weder eine Schule noch eine Arbeit gibt und das nächste Geschäft sieben Kilometer entfernt liegt, wie soll ich demjenigen erklären, dass er kein Auto besitzen darf? Solche Ansätze klingen zwar nett, sind im Grunde genommen aber naiv bzw. ist die Materie weitaus komplexer als dass man sie mit solchen Verboten lösen könnte. Das wäre zu einfach! Das Ziel eint uns, nur an die Maßnahmen müssen wir seriös herangehen. Wir haben nämlich die Verpflichtung, auch die soziale Komponente zu berücksichtigen, was es eben auch so schwierig macht. Ich kann nicht ein bestimmtes Ziel verfolgen, und auf dem Weg dahin – um es brutal zu formulieren – verhungern die Menschen. Dann habe ich nämlich das Ziel der sozialen Nachhaltigkeit nicht erreicht. Wir müssen weiterhin Lebensmittel produzieren und Lebensmittelproduktion ohne irgendeinen verändernderen Prozess auf die Ressourcen ist derzeit nun einmal nicht möglich.
 
Ich kann nicht ein bestimmtes Ziel verfolgen, und auf dem Weg dahin – um es brutal zu formulieren – verhungern die Menschen.
 
Die Hiobsbotschaften rund um den Klimawandel machen vielen Leuten Angst. Kürzlich berichtete mir ein 85-jähriger, politisch engagierter Bürger, der sich stark für den Umweltschutz einsetzt, dass ihn die Informationsveranstaltungen zu diesem Thema depressiv machen würden. Wie kann man die Menschen dazu bringen, ihr Verhalten zu ändern, ohne das mächtige Instrument Angst zu benutzen?
 
Angst ist nicht motivierend. Ich warne auch davor, Angst zu verbreiten. Ich habe dazu einige Diskussionen mit dem Klimaforscher Georg Kaser geführt. Er meinte, dass er als Wissenschaftler erklärt, wo wir derzeit stehen. Er hat recht, wenn er sagt, dass es fünf nach zwölf ist und nicht fünf vor zwölf, und zwar im Sinne von, dass der Klimawandel unweigerlich stattfindet. Der angerichtete Schaden ist nicht mehr reparierbarer, wir können nur noch zusehen, wie wir die Folgen eindämmen können. Kaser betont dabei aber, dass er diese Aussage als Wissenschaftler tätigt. Was man vermeiden sollte, ist, es bei der Apokalypse bleiben zu lassen, weil das demotivierend wirkt. Wir müssen Perspektiven aufzeigen, indem wir Schritt für Schritt wichtige und auch effektive Maßnahmen setzen.
 
Der angerichtete Schaden ist nicht mehr reparierbarer, wir können nur noch zusehen, wie wir die Folgen eindämmen können.
 
Die ASTAT-Studie hat gezeigt, dass der erste Schritt, nämlich Bewusstsein schaffen, getan ist. Es herrscht Konsens darüber, dass die Erderwärmung ein Fakt ist, den nur noch Randgruppen ablehnen, und auch die Einsicht, dass die Menschen etwas tun müssen, ist mittlerweile vorhanden. Vor zehn Jahren noch wäre das unvorstellbar gewesen. Was jetzt noch fehlt, ist der Moment des Umschaltens bzw. die Erkenntnis: „Ich muss etwas tun!“ Wir dürfen nicht die Frage stellen, wie wir die Menschen dazu bringen, nachhaltiger zu agieren –  natürlich braucht es Regeln –  dieser dritte Schritt passiert aber vor allem durch Motivation, durch Aufzeigen, dass es Alternativen gibt, ein Aufzeigen, dass dieser Weg am Ende ein Mehr an Lebensqualität bedeutet, auch wenn man eine zeitlang leidet – ich verwende hier gerne das Beispiel mit Rauchen aufhören. Am Ende führt dieser Weg zu mehr Wohlbefinden. Wir müssen in der Lage sein, den Leuten zu vermitteln, dass wir diese mühsame und anstrengende Transformation auf uns nehmen müssen, weil wir am Ende alle gewinnen können.
 
Wirtschaft, Mobilität und Gesellschaft sollen nachhaltiger werden. Politik und Medien, in einer Wechselwirkung verhaftet, auch? Bzw. wie?
 
Da ist für uns alle noch Luft nach oben. Durch diese Wechselwirkung erliegen wir leider gerne der Versuchung – auf beiden Seiten –  diese für sich zu nutzen. So wie eine schlechte Nachricht und eine dicke Schlagzeile gute Nutzerzahlen bringen, bringt sie vielleicht auch dem politisch Handelnden einmal kurzfristig einen Vorteil. Kurzfristig wohlgemerkt. Wir müssten alle viel langfristiger denken. Die Medien werden nicht glaubwürdiger, wenn sie irgendwelche Themen aufblasen und sie nicht in ihrer Komplexität darstellen. Langfristig gewinnen sie mit dieser Strategie nicht und der Politiker natürlich genausowenig. Aber wie wir gesehen haben – das Bewusstwerden des Problems ist der erste Schritt auf dem Weg zur Besserung.

 

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Sebastian Felderer Do., 29.12.2022 - 19:31

Was meint er denn, unser geliebter Landeshauptmann, mit dieser Nachhaltigkeit?
Von Montag bis Freitag beschließt er Monsterprojekte und am Wochenende predigt er Nachhaltigkeit. Lässt die IDM dafür Millionenbeträge verpulvern und redet alles schön und heilig. Ist das noch glaubwürdig und zukunftsweisend? Wollen wir dieses Theater schon nochmals fünf Jahre mitmachen?

Do., 29.12.2022 - 19:31 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Do., 29.12.2022 - 23:47

Die Aktienmärkte und Investmentfonds wollen Rendite, keine Nachhaltigkeit. Diese sind auch verantwortlich für den Niedergang der europäischen Wirtschaft, und Brüssel hilft emsig mit.

Do., 29.12.2022 - 23:47 Permalink
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Josef Fulterer Fr., 30.12.2022 - 07:26

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

Die gegenwärtig laufenden und in Planung stehenden Projekte in Südtirol, lassen noch nicht den vom Kompatscher beschworenen Gesinnungs-Wandel erkennen:
° der "Olympia-gerechte Ausbau" der Straßen im oberen Pustertal,
° die noch immer stehende Zusage, "den Klima-Wahnsinn der mit Strom ver-Eis-ten Beton-Rinne in Cortina mit zu finanzieren,"
° die ver-Rohr-te Verbindung in das Passeiertal,
° die anscheinend "nun mit öffentlichem Geld zu stützende Kavernen-Garage für mehr PKW Marke SUV," die weniger werden sollten,
° die "Untergrund-Verbindung" Meran nach Schenna,
° die Absicht mit einem Vormerk-System die A22 "besser aus zu nützen,"
° mehrere ??? Absichten mit dem Bahnhof Bozen,
° das Hörthenberg-Rohr für Sarnthein,
° die IDM, die weiterhin mit skurieler Werbung noch mehr "Welt-Bürger" zum "Ötzi," in die Betten vom Pinzger & CO, zu den Christkindl-Märkten locken darf,
° der Hager & Benco die Altstadt von Bozen "vergewaltigen" und auf den Virgl seine "Klo-Brille" setzen kann,
° die Beteiligung am "privaten Gostner, Benco & Haselsteiner-Flughafen" und die bereit-Stellung des Personals für die Brandbekämpfung dafür,
° die "Kebs-artig wuchernden Wellness-Hotels," die mit ihren "abartigen, Alles eher als nachhaltigen Bau-Tätigkeiten,"
° die seit der Magnago-Zeit geduldeten / ?erwünschten Zweitwohnungs-Besitzer, die zwar die Spekulanten mästen, aber "das Wohnen für die Bürger verteuern" usw.

Fr., 30.12.2022 - 07:26 Permalink
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Gregor Beikircher Sa., 31.12.2022 - 22:09

Antwort auf von Josef Fulterer

Herr Fulterer zeigt eine Menge grundlegender Vergehen auf, die allesamt gegenwärtig geführt werden und worin kaum jemand von regierender Seite Einhalt gebietet. Dabei ist diese Aufzäglung nur ein kleiner Teil davon, was gegenwärtig dauernd im Gegensatz zum nachhaltigen Tun und Handeln passiert. Genau das ist es, was Vielen bereits über den Kopf gewachsen und worin sie nicht mehr imstande sind aus ihrem gewohnheitsmäßigen Denken heraus anders zu handeln. Gehen wir doch einmal her und kippen doch unmittelbar jene Projekte, die wirklich Nachhaltiges zerstört haben und weiterhin zerstören wie z. B. den letzten Auwald in der Industriezone in Brixen, oder die letzten Torffelder im Bozner Unterland oder den motorisierten SUV- und Cross-Verkehr haufenweise bis in die letzten Almgebiete und Schutzzonen hinauf zulassen. Immer noch werden mitten im Grünen neue Zonen für Betten- und Wellnessburgen zugelassen und über abwegige Verdrehungen von Gesetzesartikel Kubaturen/Verbauungen und Planierungen "saniert", indem sie weiterhin bestehen bleiben oder optisch kaschiert werden. Da gäbe es noch viel aufzuzählen und da will man von politischer und wirtschaftlich potenter Seite so plötzlich mit herbeigeredeter Nachhaltigkeit überzeugen? Die "Piefke-Saga", die letzthin nochmals im Fernsehen gezeigt wurde, ist längst schon durch das derzeitige Geschehen weit überrundet.

Sa., 31.12.2022 - 22:09 Permalink
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Dietmar Nußbaumer So., 01.01.2023 - 11:48

Geld regiert die Welt, zumindest so lange, bis niemand mehr davon etwas hat. Geld und Macht haben Suchtpotential und sind ineinander verschränkt. Verzichten und "nachhaltig sein" darf in nächster Zukunft dann v.a. der Mittelstand, die Oberschicht versucht sich oft genug davonzuschleichen. Das geht logischerweise so lange gut, so lange sich die Mittelschicht das gefallen lässt.

So., 01.01.2023 - 11:48 Permalink
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Josef Fulterer So., 05.02.2023 - 06:34

Antwort auf von Dietmar Nußbaumer

Den Allrad SUV braucht man immerhin noch, bis die Straße zur Wochenend-Villa + Alibi-Heu-Unterkunft??? mit der gütigen Zustimmung der Kuenznerin in die Almregion hinein gesch..., endlich auch asfaltiert oder zumindest mit nach einer "ebenfalls gütigen VER-SPRECH-STUNDEN- BETTELEI, mit Spur-Rasensteinen ausgelegt werden darf!"

So., 05.02.2023 - 06:34 Permalink