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Gesundes Geschäft

Am Beispiel der Privatklinik Sanitas in St. Georgen wird deutlich, wie großzügig der Sanitätsbetrieb private Klinikbetreiber unterstützt. Sowie ein Interessenkonflikt.
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Foto: Google Streetview
Wer den Beschluss Nr. 1538 des Südtiroler Sanitätsbetriebes liest, der kann sich nur mehr wundern.
Am drittletzten Tag des Jahres 2022 haben Florian Zerzer & Co den „Abschluss eines Mietvertrages mit der „Sanitas Immobilien GmbH“ für die Anmietung von Räumlichkeiten zur Unterbringung der Ambulatorien der Kinderrehabilitation“ in der neuen Privatklinik in St. Georgen beschlossen.
Der Gesundheitsbetrieb Bruneck hat bereits vor 18 Monaten einen Vorvertrag mit den Betreibern der Privatklinik unterzeichnet. Jetzt wird der eigentliche Mietvertrag beschlossen. Doch unterzeichnet wird dieser Vertrag nicht von dem dafür zuständigen Direktor des Gesundheitsbetriebes Bruneck, Gerhard Griessmair, sondern vom Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes Florian Zerzer.
 
 
 
Im Beschluss wird diese Rochade bei der Vertragsunterzeichnung wie folgt begründet:
 
  • „darauf hingewiesen, dass Dr. Ing. Roland Griessmair im Planungsprozess und in der Bauleitung betreffend die Konstruktion die obgenannten Immobile involviert war;
  • festgestellt, dass ein Verwandtschaftsverhältnis (Brüder) zwischen dem derzeit geschäftsführenden Bezirksdirektor des Gesundheitsbezirkes Bruneck, in dessen Kompetenzbereich die Unterschrift von bezirksrelevanten Mietverträgen fällt, und Ing. Roland Griessmair besteht;
  • es deshalb für notwendig erachtet wird, die Unterzeichnung des Mietvertrages durch den Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes vornehmen zu lassen, um eventuelle Interessenskonflikte seitens des geschäftsführenden Bezirksdirektors zu vermeiden; „
 
Eventuelle Interessenkonflikte?
Nimmt man diese Absätze im offiziellen Beschluss des Sanitätsbetriebes wörtlich, so dürfte man hier das Straf- oder Verwaltungsgesetzbuch neu schreiben.
 

Heißes Eisen Bürgermeister?

 
Denn der hier vorgebrachte Interessenkonflikt ist in Wirklichkeit völlig aus der Luft gegriffen.
Vorhanden wäre er, wenn Roland Griessmair Mitbesitzer der Sanitas-Privatklinik und damit direkter Nutznießer des Mietvertrages wäre.
Roland Griessmair hat aber über sein Planungsbüro „Griplan“ die (Teil)Projektierung und Bauleitung für die neue Privatklinik in St. Georgen übernommen. Es ist ein Dienstleistungsauftrag, der längst beendet ist. Warum sollte deshalb Bezirksdirektor Gerhard Griessmair nicht einen Mietvertrag unterzeichnen können, mit dem sein Bruder Roland Griessmair nichts zu tun hat?
Mit derselben Logik müsste jeder Landesrat vor dem Ankauf oder der Anmietung einer Immobilie durch das Land vorher prüfen, ob nicht sein Bruder beim Bau als Elektriker oder Schlosser tätig gewesen ist.
 
 
 
Der eigentliche Hintergrund dieser Vorgaben im Beschluss des Sanitätsbetriebes dürfte deshalb in Wirklichkeit ein ganz anderer sein.
Es geht dabei nicht um den eventuellen Interessenkonflikt des Bezirksdirektors Gerhard Griessmair, sondern um den bestehenden Interessenkonflikt von Roland Griessmair, der nicht nur Bauingenieur und Planer ist, sondern auch Bürgermeister in jener Gemeinde, in der die Privatklinik entstanden ist.
Die Doppelfunktion von Roland Griessmair als Bürgermeister auf der einen und in Dutzenden von Fällen als Planer und Bauleiter auf der anderen Seite, sorgt seit langem nicht nur für Diskussionsstoff in Bruneck, sondern beschäftigte auch die Staatsanwaltschaft, das Verwaltungsgericht und den Regionalrat. Klar ist: Gesetzlich ist diese Doppelfunktion in der eigenen Gemeinde nicht zulässig und ein eklatanter Interessenkonflikt.
Auch in den Rechtsämtern des Sanitätsbetriebes weiß man, dass man sich hier auf dünnem Eis bewegt. Mit diesem Zusatz im Vertrag versucht man sich aus der Schusslinie möglicher Beanstandungen durch den Rechnungshof zu nehmen.
Denn in diesem Dreiecksverhältnis wird die untragbare Doppelfunktion des Brunecker Bürgermeisters Roland Griessmair noch augenscheinlicher.
 

Vergoldete Klinik

 
Dabei ist die Privatklinik „Sanitas“ ein Musterbeispiel dafür, wie Südtirols Gesundheitssystem in Richtung Privatisierung funktioniert.
An diesem Projekt wird augenscheinlich, wie großzügig der Südtiroler Sanitätsbetrieb und das Land private Unternehmer unterstützten, die öffentliche Gesundheitsdienste übernehmen. Aber auch wie clevere, private Unternehmer ihr Unternehmerrisiko minimieren können, um schnell zu viel Geld zu kommen.
Die Bozner Familie Pellegrini ist seit Generationen eine Fixgröße in der Südtiroler Sanität. Die Ärztefamilie hat bereits vor Jahrzehnten mit dem „Salus-Center“ in Prissian eine Privatkklinik gegründet und aufgebaut. In der Salus-Klinik wird die Rehabilitation onkologischer, pneumologischer, neurologischer und kardiologischer Krankheiten, von Krankheiten des Knochen-Muskelsystems, von Ödemkrankheiten und von anderen Pathologien durchgeführt. Durch eine Konventionierung mit dem Südtiroler Sanitätsbetrieb arbeitet das Salus-Center seit vielen Jahren auch ökonomisch äußerst erfolgreich.
 
 
 
 
Vor diesem Hintergrund hat die Familie Pellegrini jetzt in der Industriezone "Ahraue" in St. Georgen in Bruneck die „Sanitas Privatklinik“ geplant und gebaut. In der Bauphase kam es zwar zu Protesten von Anrainern vor allem wegen der ungewöhnlichen Höhe des Gebäudes, da der Projektant und Bauleiter aber gleichzeitig an der Spitze der Gemeindeverwaltung steht, konnte man alle Hindernisse relativ schnell beseitigen. Im Herbst 2022 wurde der Klinikneubau so in Rekordbauzeit fertiggestellt. 
Wie sehr das Land und der Sanitätsbetrieb diese Operation von Beginn an vorantreibt, zeigt sich daran, dass die „Sanitas Privatklinik Gmbh“ eine öffentliche Finanzierung vom Land erhält, noch bevor das Unternehmen überhaupt gegründet wurde.
Die Direktorin der Abteilung Gesundheit Laura Schrott erlässt bereits am 10. Dezember 2020 ein Dekret, das für den Bau, Projektierung und Einrichtung der Privatklinik eine ordentliche öffentliche Finanzspritze vorsieht. Unter dem Betreff „Beiträge an verschiedene Körperschaften, welche Tätigkeiten im Bereich der Gesundheitsfürsorge ausüben“ wird die in St. Georgen geplante Privatklinik für  Bau und die Projektierung vom Land mit über 700.000 Euro finanziert.
Wie lukrativ das Geschäft für die privaten Bauherrn und Betreiber aber ist, zeigt sich aber jetzt.
 
 

Lukrative Verträge

 
Bereits in der ersten Bauphase hat der Vorgänger von Gerhard Griessmair als Brunecker Bezirksdirektor, Walter Amhof, im Sommer 2021 einen Vorvertrag mit der „Sanitas Immobilien GmbH“ abgeschlossen. Jetzt, am 29. Dezember 2022, hat der Führungsrat des Sanitätsbetriebes den endgültigen Mietvertrag beschlossen.
Der Gesundheitsbetrieb mietet im ersten Stock der Privatklinik in St. Georgen Räumlichkeiten für die „Kinderrehabilitation“ an. Der monatliche Mietzins beträgt dafür 14.994 Euro. Der Vertrag hat eine Laufzeit von 9 Jahren, verlängerbar für weitere 9 Jahre. Die „Sanitas Immobilien GmbH“ bekommt so 1.619.352 Euro.
Interessant dabei: Die Laufzeit des Vertrages beginnt bereits am 1. Dezember 2022 also vier Wochen bevor man den Vertrag unterzeichnet hat.
Ähnlich ist es mit einem weiteren noch lukrativeren Vertrag, der zwischen dem Südtiroler Sanitätsbetrieb und der Sanitas Privatklinik abgeschlossen wurde. Am 22. November haben Florian Zerzer & Co  den „Abschluss eines neuen Vertragsabkommens mit der 'Sanitas Privatklinik' GmbH aus Bruneck für stationäre Krankenhausbetreuung in direkter Form und Betten für Intermediärbetreuung“ beschlossen.
 
 
 
Damit der Sanitätsbetrieb mit einer privaten Einrichtung einen Vertrag abschließen kann, muss die Klinik vorher vom Land nach genauen gesetzlichen Vorgaben „akkreditiert“ werden. Diese Akkreditierung erfolgte in St. Georgen fast so schnell wie der Verputz zum Trocknen brauchte.
Am 16. November 2022 erhält die Sanitas Privatklinik diese Akkreditierung per Dekret des Landeshauptmannes. Darin werden für die Klinik in St. Georgen 30 Betten für die Intermediärpflege, 15 Betten für postakute Rehabilitation und weitere 15 Betten für postakute Langzeitpflege genehmigt. Sechs Tage später beschließt der Sanitätsbetrieb dann das Vertragsabkommen. Die Sanitas Privatklinik konventioniert insgesamt 35 Betten.
Der Vertrag hat eine vorläufige Laufzeit vom 22. November 2022 bis zum 31. Dezember 2023.
Wie üblich werden in diesen Verträgen dabei die maximale Höhe der Ausgaben für den Sanitätsbetrieb festgeschrieben: Das sind 3,37 Millionen Euro für diese 13 Monate.
Im Vertragstext zwischen Sanitas und Sanitätsbetrieb heißt es aber auch: „Bei außergewöhnlichem Bedarf ist es möglich, mit einer bestimmten Maßnahme vorübergehend zusätzliche Betten zu vereinbaren, sofern diese akkreditiert sind.“
Akkreditiert wurden in St. Georgen aber weitere 25 Betten. Man darf gespannt sein, wie lange es dauert, bis die Konventionierung auch auf diese Betten ausgeweitet wird. Und damit die jährliche Entschädigung für die privaten Klinikbetreiber auf rund 6 Millionen ansteigt.
Auf jeden Fall für die Betreiber ein gesundes Geschäft.
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Josef Prantl Mo., 09.01.2023 - 19:31

Eine beispiellose Privatisierungswelle hat in den vergangenen Jahren Südtirols Gesundheitswesen erfasst. Die möglichen Auswirkungen auf die Qualität der Versorgung von Patienten und auf die ärztliche Tätigkeit in den öffentlichen Einrichtungen wird dabei außer Acht gelassen. Fehlende bzw. verzögerte Nachbesetzungen von Stellen, sowohl im Pflege- als auch im ärztlichen Bereich, sind nicht erst seit Corona gängige Praxis geworden. Dass Ärztinnen und Ärzte wieder mehr ihrer eigentlichen medizinischen Tätigkeit nachgehen könnten, fällt den Verwaltern im Gesundheitswesen immer noch schwer zu verstehen. Eigentlich sollten Menschen im Mittelpunkt stehen, doch stattdessen geht es immer mehr um Profite. Auf der einen Seite leiden im Krankenhaus Beschäftigte und Patient/-innen unter der chronischen Unterbesetzung und dem Kostendruck, und der Zeitdruck macht eine gute Versorgung kaum noch möglich. Auf der anderen Seite sprießen Privatkliniken wie Pilze im ganzen Land aus dem Boden. Wer es sich leisten kann, braucht das öffentliche Gesundheitswesen nicht mehr. Der andere Teil (und das ist der Großteil der Bevölkerung) muss sich mit stundenlangen Wartezeiten in der Notfallaufnahme, mit monatelangen Wartezeiten für fachärztliche Untersuchungen oder mit der Aussage eines "eingekauften" Wochenendarztes: "Ich bin kein Spezialist, was wollen Sie hier?" zufrieden geben.

Mo., 09.01.2023 - 19:31 Permalink
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Klemens Riegler Mo., 09.01.2023 - 21:53

Gesundheit war schon immer ein Gutes Geschäft! ... seit Jahrtausenden.
Problematisch wird es wenn sich die Privaten die Rosinen herausfischen und die Öffentlichen sich nur mehr mit dem Unrentablen beschäftigen müssen.
Wenn wir genau hinschauen, übernehmen die Privaten effektiv nur die Tätigkeiten und Dienste, die sich recht fein abrechnen lassen und wo das Risiko überschaubar ist. Und notfalls wird dann einfach ins Öffentliche KH überstellt, welches eh mit den hochkomplizierten, akuten und chronischen Fällen überlastet ist.
Und wie sieht es auf den beiden Seiten in Sachen Arbeitsbedingungen, Vorgaben, Bürokratie, Auflagen, Sicherheit, Dokumentation, Patienten-Daten-Schutz, Informatik usw. aus? ... da tut sich "die eine" auch leichter ... auch finanziell.

Es bleibt also die Frage aus welcher NOT heraus solche Verträge ausgeschnapst werden.

Mo., 09.01.2023 - 21:53 Permalink
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Martin Daniel Di., 10.01.2023 - 07:27

Der unternehmerische Gewinn rechtfertigt sich bekanntlich durch das Tragen des Marktrisikos. Angesichts solcher Berichte scheint dieses Risiko allerdings allzuoft vom Steuerzahler abgefedert zu werden, sodass sich der Zweifel einschleicht, ob den Erwerbstätigen nicht vielleicht doch mehr von ihrem Bruttoverdienst verbleiben und der öffentliche Haushalt "gesund" geschrumpft werden sollte.

Di., 10.01.2023 - 07:27 Permalink
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Josef Fulterer Mi., 11.01.2023 - 06:44

Antwort auf von Martin Daniel

Die sind wohl die Nachwehen vom Sanitäts-Landesrat-Widmann, der bereits bei der Mobilität den Gatterer gemästet hat und mit öffentlichem Geld den großen Macher spielt!
BGM Ing. Griessmair plant?
Landesregierung spendiert 700.000 €?
Direktor Dr. Griesmair ...?
Zerzer unterschreibt "goldene Verträge," sogar für 1 Monat rückwirkend?
Spitalbetten wegen Ärzte- und Personal-Mangel leer?
Welche Rolle spielt Gesundheits-? Kompatscher in diesem munteren Treiben von Zerzer & CO. zur Bereicherung der Familie Pellegrini?

Mi., 11.01.2023 - 06:44 Permalink
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Klemens Riegler Sa., 14.01.2023 - 19:47

Antwort auf von Josef Fulterer

Der Gesundheits-Kompatscher dürfte mit der aktuellen Situation alles andere als glücklich sein. Er scheint sich mittlerweile ein relativ gutes Bild von der Situation gemacht zu haben.
Der Deal in Bruneck geht noch auf den Gesundheits-Widmann zurück, der diesbezüglich eben eine andere Schiene gefahren ist. Er wollte sich vielleicht mit kürzeren Wartezeiten "dekorieren" (nicht gelungen, sondern in Teilen nur verschoben) ... egal zu welchem Preis und zu welchem Schaden für das Öffentliche Gesundheitswesen. Es wird sich zeigen wer richtig gelegen hat ! Für mich ist die Privatisierung tatsächlich NICHT DER WEG.

Sa., 14.01.2023 - 19:47 Permalink