Politik | Landesregierung

Scheinheiliges Klimaland

Dachverband und Heimatpflege kritisieren das erweiterte Landschaftsleitbild: Die Reform würde nicht dem Natur- und Umweltschutz, sondern Partikularinteressen dienen.
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Foto: LPA / Fabio Brucculeri
Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz und der Südtiroler Heimatpflegeverband schlagen Alarm: Die Landesregierung wolle über einen neuen Anhang zum Landschaftsleitbild nach dem Gießkannenprinzip Baurechte auf Natur- und Agrarflächen vergeben und touristische Erweiterungen im Grün zulassen. Im Widerspruch zum Klimaplan und den eigenen Leitlinien für das Gesetz „Raum und Landschaft“. Statt einer weitsichtigen und nachhaltigen Landschaftsplanung bediene die Landesregierung damit Partikularinteressen und stelle das Bauen über die Interessen des Landschaftsschutzes, so die beiden Verbände in ihren Stellungnahmen.
 
 
Mit dem Beschluss der Landesregierung Nr. 822 vom 8.11.2022 wird das 2002 genehmigte Landschaftsleitbild (Fachplan) um einen Anhang erweitert. Über die Weihnachtsfeiertage konnten Verbände und Bürger*innen ihre Stellungnahmen zu den Bestimmungen abgeben. Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz sowie der Heimatpflegeverband Südtirol haben sich die 11 Artikel im Detail angeschaut und ihre Stellungnahmen deponiert.
Wer die Artikel liest, dem werde klar: Die Landesregierung will mit dem Anhang das Bauen im Grün – auch im Wald und auf Almen – ermöglichen. Dabei hätte das Landschaftsleitbild eigentlich die Aufgabe die Natur und Landschaft aufzuwerten, zu schützen und zu entwickeln.
 

Landschaft

 
Ein wesentlicher Kritikpunkt ist die Errichtung unterirdischer Baumasse, die neben dem Landwirtschaftsgebiet nun auch im Weidegebiet und alpinem Grünland erlaubt werden soll. „Wir beobachten bereits jetzt mit großer Sorge die Entwicklung der letzten Jahre: Viele historische Höfe sind abgerissen worden, um das unterirdische Bauvolumen bestmöglich auszuschöpfen. Zurückgeblieben sind weithin sichtbare halbunterirdische Betonriegel, die das traditionelle Landschaftsbild beeinträchtigen“, so Florian Trojer, Geschäftsführer des Heimatpflegeverbands. „Absolut inakzeptabel ist der Umstand, dass diese zusätzliche unterirdische Baumasse nun auch für Wohnzwecke vorgesehen werden kann.“
Dabei sind bereits jetzt viele Bestimmungen zur Errichtung von Kubatur im landwirtschaftlichen Grün sehr dehnbar. Mit dem Resultat, dass viel von der „Kreativität“ der Antragsteller*innen abhängt, was alles in die Landschaft gestellt und wie viel Grund und Boden damit versiegelt werden darf.
 

Klimaschutz

 
Der im August letzten Jahres von der Landesregierung genehmigte Klimaplan gibt vor, dass ab dem Jahr 2040 in Südtirol kein Grund und Boden mehr versiegelt wird. Bis 2030 muss die Nettoneuversiegelung halbiert werden. Im Klimaplan heißt es zudem: „Aufgabe der Politik ist es aber auch, klare Regeln zu definieren und deren Einhaltung im längerfristigen Interesse der Bevölkerung – notfalls auch im Gegensatz zu Partikularinteressen einzelner Gruppen – durchzusetzen“.
 
 
Über den neuen Anhang zum Landschaftsleitbild ermöglicht die Landesregierung jetzt unter anderem aber zerstörte Gebäude auf Natur- und Agrarflächen wieder aufzubauen, zu verlegen und auch anders als es der ursprüngliche Zweck war zu nutzen. Vielfach handelt es sich um Gebäude, die in keinerlei Zusammenhang mit einer land- oder almwirtschaftlichen Bewirtschaftung stehen und lediglich Freizeitzwecken dienen. Die Gemeinden könnten, so die Landesregierung in ihrem Beschluss zum Landschaftsleitbild, über den kommunalen Landschaftsplan durchaus strengere Vorgaben machen. „Es ist aber unrealistisch, dass ein Bürgermeister einmal gemachte Zugeständnisse seitens der Landespolitik, die unter Mitwirkung des Rats der Gemeinden und des Südtiroler Bauernbunds erfolgten, zurücknehmen wird“, so Madeleine Rohrer, Geschäftsführerin des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz.
 

Hotels im Grünen

 
Auch wird mit dem Anhang zum Landschaftsleitbild eine ganz neue Kategorie eingeführt: die Almgastwirtschaft. Die gastgewerbliche Tätigkeit einschließlich Beherbergung wird somit auch auf Almen möglich, womit eine weitere Tradition entfremdet werde.
Doch nicht genug, für die Gastbetriebe gebe es weitere, überaus bedenkliche Zugeständnisse: die Möglichkeit der qualitativen und quantitativen Erweiterung für Betriebe auf Natur- und Agrarflächen. Das heißt: Hotels im Grünen dürfen also weiter wachsen. Und es kann von sämtlichen urbanistischen Parametern – zum Beispiel Höhe des Gebäudes oder Versiegelung – abgewichen werden, wenn der Bauherr einen einfachen Durchführungsplan erstellt.
„Der Tourismus in Südtirol bricht alle Rekorde, die Menschen vor Ort, aber auch die Landschaft leiden unter zu viel Verkehr, der immer spektakuläreren und luxuriöseren Verbauung. Und die Landesregierung macht weiter Kubaturgeschenke, anstelle Südtirols Kapital – die Landschaft – hochzuhalten“, so Trojer und Rohrer. Obwohl es im Landesentwicklungs- und Raumordnungsplan heißt: „Die Erhaltung der natürlichen Grundlagen (Natur- und Kulturlandschaft, Boden, Wasser und Luft) gilt als Grundvorregel für jede Wirtschaftstätigkeit im Lande“.
 
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Dietmar Nußbaumer Fr., 13.01.2023 - 12:25

Prinzipiell wird zu viel gebaut. Kreisverkehr, Schienen, Bau- und Gewerbezonen ohne auf einen möglichst geringen Verbrauch von Landschaft zu achten.

Fr., 13.01.2023 - 12:25 Permalink
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Christian I Fr., 13.01.2023 - 13:25

Gemacht wird das, was die Lobbies befehlen! Und Klimaschutz gehört ganz sicher nicht dazu! Alles andere sind schöne leere Wörter...

Fr., 13.01.2023 - 13:25 Permalink
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Walter Kircher Fr., 13.01.2023 - 19:43

... und dies in einer so- genannten Demokratie mit Ton-angebender So- genanntener VolksPartei!
(Dies "Dank" auch der anwachsenden Zahl von NICHT-Wählenden!)
Und obwohl die handelnden, verantwortlichen Personen meist selbst Kinder u. auch Enkel haben, sich keinerlei Sorgen darüber machen, - welche Welt übergeben wir unseren Nachkommen ! ?

Fr., 13.01.2023 - 19:43 Permalink
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Johannes Engl Fr., 13.01.2023 - 20:26

Allen diesen neuen "Erfindungen" an Bauvorheben muss dringend ein Riegel vorgeschoben werden. So kann es nicht mehr weiter gehen.

Fr., 13.01.2023 - 20:26 Permalink
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Johannes Engl Fr., 13.01.2023 - 20:30

Wollen wir wirklich ein Land das sich komplett der Baulobby ergibt und sich von dieser vor sich hertreiben lässt? Was sollen diese ganzen Nachhaltigkeitspläne, welche bloß unverbindliche Absichtserklärungen sind, welche dann im Handumdrehen weg gewischt werden können?

Fr., 13.01.2023 - 20:30 Permalink
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Herta Abram Sa., 14.01.2023 - 08:52

Diese Klimaplanverweigerungshaltung innerhalb der SVP, ist Verrat – an der Zukunft unserer Gesellschaft.

Sa., 14.01.2023 - 08:52 Permalink
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Hofmann David Sa., 14.01.2023 - 14:09

"Nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten sollt ihr sie erkennen."

Das gilt für jene, die es ernst meinen mit der Nachhaltigkeit und noch mehr für jene, die das nicht tun. Die Taten sprechen für sich, man kann sich des Eindrucks schwer erwehren, dass die Landesregierung emsig daran arbeitet, das Wort Nachhaltigkeit zur leeren Worthülse verkommen zu lassen. Als hätten wir nicht schon seit langem zu viel Tourismus und genug Böden versiegelt! Es ist Wahljahr, es ist nun wichtiger denn je, genau hinzuschauen - danke für diese wichtige Arbeit, Heimatpflegeverband und Dachverband!

Sa., 14.01.2023 - 14:09 Permalink
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Klemens Riegler So., 15.01.2023 - 10:01

Speziell geht es wohl um "lediglich Freizeitzwecke" oder "wachsenden Hotels im Grünen". Jede verfallene Holz-Schupfe die vor 20 oder 30 Jahren noch als Heuspeicher diente, darf heute "verlegt" oder neu aufgebaut werden, wobei diese dann eben heute ganz anderen Zwecken dient. Meist natürlich mit betonierter unterirdischer Kubatur (Tiefgarage) und oben drauf ein Luxus-Heisl mit Küche, Sauna, Tiroler Stube. Natürlich optisch aufgewertet mit Sat- und Internet-Schüssel und PV-Anlage (auch mit 50-60% gefördert, weil die Anbindung an das öffentliche Stromnetz mehr kosten würde). Fehlt noch die neue Zufahrt, damit es der SUV auch bei Regenwetter zur Party-Destination schafft.
Das alles, während sich der Normalsterbliche sagen lassen muss, dass ein überdachter und abschließbarer Fahrrad-Holz-Schuppen (wo auch die Schneefräse oder der Rasenmäher Platz hätte) aufgrund der aktuellen Gesetzeslage nicht aufgestellt werden darf.

So., 15.01.2023 - 10:01 Permalink
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Klaus Griesser Do., 19.01.2023 - 09:54

Viele Kommentare bringen es gut auf den Punkt: seit Jahren werden mehr Beteuerungen von Seiten unserer Politiker für ihre Lobbys in die Welt geblasen als die Etsch Wasser ins Meer brachte, eine der "schönsten"Nachhaltigkeits"- Riten war die im Herbst von der Landesregierung finanzierte Tagung im Kolpinghaus, wo es vor allem um die Böden ging.
Möge das Beispiel dieser beiden Verbände weitere und immer mehr Vereinigungen mit dem Ziel des Allgemeininteresses im Statut dazu bewegen, aus dem "süßen" Dornröschenschlaf zu erwachen und die Politik zu sofortigen dringendst erforderlichen konkreten Handlungen gegen ungebremste CO2-Emissionen zu drängen.

Do., 19.01.2023 - 09:54 Permalink
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Josef Fulterer So., 22.01.2023 - 07:03

Antwort auf von Klaus Griesser

Statt "dem Klima-schädlichen Treiben endlich die Luft aus den Reifen zu lassen," gehen die OHN-MACHT-habenden an den Marionetten-Fäden der Verbände zappelnden Politiker nach den Grundsätzen vor:
"Wer hat noch nicht? Wer könnte noch etwas mehr brauchen?"
Aus den HALB-unterirdischen für Wohnungen "zugelassenen" Kubaturen, "lässt sich die Gesundheits-schädigende Feuchtigkeit, trotz der Kunstgriffe und Beteuerungen der Architekten nicht vertreiben."
... und die "wie ein Krebs wuchernden Hotels in der freien Landschaft, ziehen für die wirtschaftlich absolut notwendige Anpassung, eine ganze Armada von Transporten und Hanwerkern an." Das auch im umliegenden Ausland schwierig zu findende Personal für den Betrieb, die Hoteliers-Familie gerne groß-kalibrig, die Lieferanten und deren Vertreter, schließlich auch noch die Gäste selber, "veranstalten auf den Zufahrts-Wegen bis in die späten Abendstunden ein lästiges und klimatisch mehr als bedenkliches Treiben."

So., 22.01.2023 - 07:03 Permalink