Umwelt | Welsberg-Taisten

Stille Niederlage

Die Landesregierung hat einer mächtigen Pusterer SVP-Seilschaft Paroli geboten. Zusammen mit dem Verwaltungsgericht hat man eine absurde urbanistische Operation abgewehrt
Silentium
Foto: Silentium.it
Die Protagonisten dieser Geschichte kommen aus dem Hause der Südtiroler Volkspartei.
Das ist zum einen Friedrich Mittermair. Der 70-jährige Welsberger Kaufmann und Unternehmer ist von 1990 bis 1993 Vizebürgermeister von Welsberg-Taisten und steht dann seiner Heimatgemeinde bis 2010 als Bürgermeister vor. Weil 2010 die Mandatsbeschränkung als Bürgermeister greift, sitzt Mittermair weitere fünf Jahre als Assessor im Gemeindeausschuss von Welsberg Taisten, bis er kurzerhand Gemeindestube wechselt. 2015 wird der SVP-Langzeitpolitiker zum neuen Bürgermeister der Gemeinde Prags gewählt. Bei den Gemeinderatswahlen 2020 wird Mittermair mit einer deutlichen Mehrheit von 85,6 Prozent der Wählerstimmen für weitere fünf Jahre in diesem Amt bestätigt.
Da ist zum anderen Dominik Oberstaller. Der 31-jährige Oberstaller ist Vorsitzender der SVP-Jugend und einer der aufstrebenden Jungfunktionäre, die innerhalb der Volkspartei für Höheres berufen scheinen. Bei den Gemeinderatswahlen 2020 wird Dominik Oberstaller zum jüngsten SVP-Bürgermeister von Welsberg-Taisten gewählt. Er tritt damit in die Fußstapfen von Friedrich Mittermair. Oberstaller ist bis März 2021 persönlicher Referent des Regionalassessors Manfred Vallazza und seit Mai 2021 auch Vizepräsident des Südtiroler Gemeindenverbandes.
 
 
 
Und da ist Meinhard Durnwalder, SVP-Senator und Obmann des SVP-Bezirks Pustertal. Er tritt hier in seiner beruflichen Rolle als Anwalt auf: Durnwalder vertritt vor dem Verwaltungsgericht Bozen Friedrich Mittermair in einem Verfahren gegen das Land Südtirol. Aber auch in eigener Sache: Nachdem Salto.bz im Dezember 2021 über diesen Fall geschrieben hat, ließ der SVP-Senator dem Autor dieser Zeilen eine Zivilklage über 50.000 Euro zukommen. Die Klage ist bisher nicht über den Status der Mediationsverhandlung hinausgegangen. Der Anwalt und SVP-Politiker fühlt sich vor allem durch deine Passage im Artikel diffamiert. Salto.bz hatte geschrieben:
 
„Es geht dabei vordergründig um eine urbanistische Streitfrage. In Wirklichkeit aber ist es ein Schauspiel, das deutlich macht, wie unbekümmert eine Pusterer SVP-Seilschaft öffentliche und private Interessen vermischt.“  
 
Am vergangenen Donnerstag endet das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht mit einem Verzicht auf den Rekurs durch die Kläger. Es ist eine Niederlage für das Trio Mittermair, Oberstaller und Durnwalder auf ganzer Linie. Denn in diesem Gerichtsverfahren wurde indirekt auch das bestätigt, was Salto.bz geschrieben hatte: Es geht in dieser Immobilienoperation nicht um öffentliche, sondern um private Interessen.
 

Das Silentium

 
Friedrich Mittermair ist auch ein weit über die Gemeindegrenzen hinaus bekannter und rühriger Privatunternehmer. Vor Jahren hat er ein altes, denkmalgeschütztes Bauernhaus in seiner Heimatgemeinde erworben, saniert und zu einem exklusiven Ferienressort umgebaut. Im „Silentium – Dolomites Chalet“ (5 Sonnen) gibt es drei Suiten und zwei Doppelzimmer.
Doch seit Jahren will Mittermair das „Silentium“ erweitern. Dabei soll das Nebengebäude, der ehemaliger Stall und Stadel, um ein Stockwerk aufgestockt und erweitert werden. Im Projekt vorgesehen ist ein Kubaturzuwachs von rund 1.600 Kubikmetern. Damit würde sich die Bestandskubatur mehr als verdoppeln.
Es trifft sich gut, dass 2018/19 die Gemeinde Welsberg-Taisten ihren Bauleitplan überarbeitet. Der SVP-Bürgermeister von Prags reicht einen Antrag bei der Gemeindeverwaltung ein, der er fast 25 Jahre lang angehörte. Für die Silentium-Erweiterung soll eine Tourismuszone ausgewiesen werden.
 
 
 
Der Gemeindesausschuss von Welsberg-Taisten beschließt am 6. Februar 2019 mit Beschluss Nr. 45 die Einleitung des Verfahrens zur Überarbeitung des Gemeindebauleitplanes. Der neue, überarbeitete Plan enthält dabei mehrere Dutzende wesentliche Änderungen. Darunter auch die Eintragung einer neue Tourismuszone „Silentium“, mit der Friedrich Mittermair seinen Beherbergungsbetrieb erweitern will.
Damit beginnt eine Verwaltungsposse, die selbst für Südtiroler Verhältnisse einmalig sein dürfte.
 

Gestrichene Tourismuszone

 
Schon bei einer ersten Prüfung des Entwurfes fällt den zuständigen Landesämtern eine ganze Reihe von Fehlern und Schlampigkeiten im Entwurf auf. Nachdem mehrere zuständige Ämter negative Gutachten abgeben unter anderem gegen die neue Tourismuszone Silentium, annulliert der Gemeindeausschuss von Welsberg-Taisten (Beschluss Nr. 276) am 30. Oktober 2019 den eigene Beschluss Nr. 45 zum neuen Bauleitplan. Man beginnt den Genehmigungsprozess für den neuen Bauleitplan von Neuem, wobei man den Großteil der von den Landesämtern beanstandeten Unzulänglichkeiten korrigiert.
Am 24. September 2020 gibt die Kommission für Raum und Landschaft schließlich ein positives Gutachten zum neuen Bauleitplan der Gemeinde Welsberg-Taisten ab. Allerdings mit einigen Einschränkungen.
Eine davon betrifft direkt den Erweiterungsplan von Friedrich Mittermair. Denn inzwischen ist das neue Urbanistikgesetz in Kraft getreten, und das verbietet genau jene Operation, die der Pragser Bürgermeister umsetzen will. Mittermairs Tourismuszone wird somit aus dem Bauleitplan gestrichen.
Der Welsberger Gemeinderat genehmigt am 10. Dezember 2020 den neuen Bauleitplan ohne die Tourismuszone „Silentium“, so wie vom Land angeordnet. Am 10. Februar 2021 wird der Welsberger Bauleitplan – ohne Mittermairs Tourismuszone – dann von der Landesregierung genehmigt. Wenig später wird der Beschluss im Amtsblatt veröffentlicht und ist damit rechtswirksam.
 

Die Wiederauferstehung

 
Damit aber tut sich aber eine neue Front auf. Friedrich Mittermair beschreitet jetzt auch den Gerichtsweg. Sein Anwalt, SVP-Senator Meinhard Durnwalder, hat beim Bozner Verwaltungsgericht einen Rekurs gegen die Ablehnung der Tourismuszone „Silentium“ eingereicht. Auffallend dabei: Der Rekurs richtet sich allein gegen das Land Südtirol. Dass sich die Gemeinde Welsberg erst gar nicht in das Verfahren eingelassen hat, macht deutlich, dass die Welsberger SVP-Verwalter das Anliegen des Pragser SVP-Bürgermeisters teilen.
Denn gleichzeitig feiert die geplante Tourismuszone „Silentium“ fröhlich ihre Wiederauferstehung. Am 14. Juli 2021 beschließt der Gemeindeausschuss erneut die Bauleitplanänderung und Eintragung der Tourismuszone „Silentium“. Um das aber tun zu können, müssen Oberstaller & Co zuerst den eigenen Ausschussbeschluss annullieren.
Es kommt so zur Annullierung der Annullierung.
Der Gemeindeausschluss beschließt den eigenen Beschluss vom Oktober 2019 – mit dem man der Streichung der Tourismuszone Silentium faktisch zugestimmt hat - nach fast zwei Jahren plötzlich wieder aufzuheben. Damit glaubt man, das Mittermair-Projekt jetzt durchdrücken zu können.
 
 
 
 
Der Beschluss des Welsberger Gemeindeausschusses liest sich wie ein Verteidigungsschriftsatz des Mittermair-Anwaltes Meinhard Durnwalder. Das Hauptargument: Laut Gesetz würden Anträge zur Ausweisung für touristische Einrichtungen, die innerhalb 31. August 2019 mit Beschluss des Gemeindeausschusses eingeleitet wurde, noch dem alten Urbanistikgesetz unterliegen.
Das Problem dabei: Die Gemeinde Welsberg hat im Oktober 2019 selbst das Verfahren zur Bauleitplanänderung annulliert. Damit wurde die Mittermair-Änderung augenscheinlich nach diesem Termin eingereicht. Die Landesämter und die Kommission für Raum und Landschaft haben deshalb zum neuen Beschluss erneut Nein gesagt. Sie schickten der Gemeinde dasselbe negative Gutachten zur Bauleitplanänderung zu, das sie bereits 15 Monate zuvor abgegeben haben. „Nicht verfolgbar“.
Wie sehr die SVP-Seilschaft aber zusammenhält, wird jetzt klar.
Der Gemeinderat von Welsberg fasst auf der Sitzung am 18. November 2021 trotz der negativen Gutachten einen Beharrungsbeschluss: Mittermairs Tourismuszone soll ausgewiesen werden.
 

Einstimmige Landesregierung

 
Das Verwaltungsgericht forderte Ende Oktober 2021 im Verfahren eine genaue Sachverhaltsdarstellung sowohl von der Gemeinde Welsberg als auch von der Landesverwaltung an und vertagte die Verhandlung auf den 22. Juni 2022.
Zu diesem Zeitpunkt aber ist eine wichtige Vorentscheidung längst gefallen. Die Südtiroler Landesregierung lehnt am 31. Mai 2022 die von der Gemeinde Welsberg-Taisten per Berharrungsbeschluss im November 2021 genehmigte Abänderung des Bauleitplanes zur Eintragung der Tourismuszone „Silentium“ erneut ab.
 
 
 
In dem einstimmig gefassten Beschluss wird auf neun Seiten die gesamte Entstehungsgeschichte dieses absurden urbanistischen Schmierentheaters nachgezeichnet. Dabei stützt die Landesregierung die Stellungnahmen und Maßnahmen der eigenen Ämter in allen Punkten. So kommt man zum eindeutigen Schluss, dass die Vorgangsweise der Gemeinde Welsberg-Taisten „zur Einleitung des Verfahrens zur Ausweisung der Zone für touristische Einrichtungen- Beherbergung Silentium nicht rechtmäßig und gerechtfertigt ist.
Ebenso klar geht aus dem amtlichen Dokument aber auch die Tatsache hervor, dass es sich vordergründig um Privatinteresse handelt. So heißt es im Landesregierungsbeschluss:
 
„Es sind auch keine Gründe des öffentlichen Interesses erkennbar, die den Widerruf der Maßnahme nur für jenen Teil rechtfertigen könnten, der sich auf die Ausweisung der Zone für touristische Einrichtungen "Silentium" bezieht. Es handelt sich nicht um eine öffentliche Einrichtung von allgemeinem Interesse, sondern um eine touristische Zone, die dem privaten Antragsteller die Möglichkeit geben soll, seine Struktur zu erweitern und seine Tätigkeit zu verstärken.“
 
Damit wird auch deutlich, dass es sich hier um eine politische Nachbarschaftshilfe zwischen SVP-Funktionären handelt, für die man den gesamten SVP-Gemeinderat eingespannt hat. 

Erweiterter Rekurs

 
Doch der Kläger Friedrich Mittermair und sein Anwalt Meinhard Durnwalder wollen nicht klein beigeben. Sie reichen im Sommer 2022 in zwei Schriftsätzen zusätzliche Anfechtungsgründe vor dem Verwaltungsgericht ein, jetzt zum Beschluss der Landesregierung vom Mai 2022.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt dürfte aber klar sein, dass der „Bruderzwist im Hause Edelweiss“ für die Pusterer Seilschaft schlecht ausgehen wird. Wie oft in diesen Fällen entscheidet man, das Verfahren still zu beenden. Kurz vor Weihnachten 2022 erklären die Kläger, auf den behängenden Rekurs bei Spesenkompensation zu verzichten. Einen Tag später stimmt das Land zu.
Am vergangenen Donnerstag hat der Richtersenat mit Urteil 24/2023 in endgültiger Entscheidung den Verzicht auf den Rekurs zur Kenntnis genommen und das Verfahren für erloschen erklärt. Die Anwaltsspesen werden jeweils von jener Partei getragen,  die sie in Auftrag gegeben hat.
Damit im Wahljahr auch in den Reihen der Regierungspartei wieder Silentium eintreten kann.
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rotaderga Mo., 30.01.2023 - 16:08

Was bedeutet Spesenkompensation in diesem Falle?
Jeder das seine?
Also Land und Gemeinde auf Kosten des Steuerzahlers?
Und Kläger die eigenen Auslagen?
Oder erstehe ich da was falsch?
Wie weit kann der Steuerzahler für solche "Rechtswanderungen" und "Ausreizungen" durch die Instanzen belastet werden?

Mo., 30.01.2023 - 16:08 Permalink
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G. P. Mo., 30.01.2023 - 16:32

Antwort auf von rotaderga

Was Spesenkompensation in diesem konkreten Falle bedeutet, habe ich mich auch schon gefragt. Kompensieren bedeutet ja "ausgleichen, durch Gegenwirkung aufheben". In diesem Falle bringt uns diese Erklärung aber auch nicht weiter. Wird wohl Beamtendeutsch sein, welches die Beamten immer öfter selbst nicht mehr verstehen ...

Mo., 30.01.2023 - 16:32 Permalink
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Josef Fulterer Mo., 30.01.2023 - 17:25

Antwort auf von G. P.

"Saubere Freunde im Edelweiß ..."
Das ist gemeiner Sau-grober Missbrauch des politischen Mandats, "als Senator laufend Rechtsverdrehungs-Vertrtetungen gegen die Landesverwaltung anzunehmen!"
Kein Wunder wenn dem Phillipp die Mitglieder davon laufen und die Wähler abhanden kommen.

Mo., 30.01.2023 - 17:25 Permalink