Politik | Ukraine

Ein Abkommen zur Beendigung des Krieges

Hier ein Entwurf für ein Abkommen zur Beendigung des Ukraine-Krieges als Diskussionsgrundlage
Stein Ukraine Peace
Foto: Pixabay

Die Russische Föderation und die Ukraine schließen zur Beendigung der zwischen beiden Staaten seit jetzt einem Jahr anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen, mit dem Willen, den Tod, die Verstümmelung und die schweren Verletzungen noch vieler weiterer eigener Militärangehöriger und Zivilisten sowie neue Zerstörungen auf den Gebieten der Ukraine und der Russischen Föderation zu vermeiden, in der Absicht, den Auswirkungen einer weiterhin ausufernden Aufrüstung auf ihre jeweiligen Volkswirtschaften und Gesellschaftssysteme zuvorzukommen, und aus der Sorge heraus, dass durch eine Weiterführung und Verschärfung des Konflikts unabwägbare Risiken für den Weltfrieden heraufbeschworen werden könnten, folgendes

 

Friedensabkommen

 

  1. Die beiden Vertragsparteien stellen mit sofortiger Wirkung sämtliche militärischen Operationen auf dem Territorium der Ukraine und der angrenzenden Gebiete der Russischen Föderation ein.
  2. Die Russische Föderation zieht - abgesehen vom Territorium der Krim - ihre sämtlichen Streitkräfte und auch die Verantwortlichen der von ihr im Donbas neu eingerichteten zivilen Dienststellen hinter die Grenzen des eigenen Staatsgebietes zurück, wie sie bis zum Jahr 2014 international anerkannt waren und in Geltung standen.
  3. Die Ukraine erkennt uneingeschränkt die Souveränität der Russischen Föderation über das von dieser im Jahr 2014 annektierte Gebiet der Halbinsel Krim an.
  4. Die Russische Föderation wird die im Jahr 2022 einseitig verfügte Annexion der bis dahin ukrainischen Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson zeitnah formal rückgängig machen und verzichtet für alle Zukunft auf Souveränitätsansprüche über die vorgenannten Gebiete.
  5. Die Ukraine wird den vorgenannten Oblasten weitgehende territoriale Autonomierechte einräumen.
  6. Die Ukraine wird mit besonderen Maßnahmen die ungehinderte Verwendung und Pflege der russischen Sprache auf dem gesamten eigenen Staatsgebiet fördern.
  7. Der Russischen Föderation wird zur Absicherung der Verpflichtungen, wie sie die Ukraine hier unter den Punkten 5 und 6 übernimmt, der Status einer Schutzmacht mit noch näher auszuhandelnden und international abzusichernden Eingiffsbefugnissen zuerkannt.
  8. Die Russische Föderation wird sich einem möglichen zukünftigen Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union und zur NATO nicht entgegenstellen.
  9. Die Russische Föderation wird von der Verpflichtung zu Reparationsleistungen für die von ihr in Zusammenhang mit den kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Staatsgebiet der Ukraine verursachten Schäden an Personen, Liegenschaften, Anlagen und Sachwerten entbunden.
  10. Für den erwarteten Fall, dass es im Anschluss an dieses Friedensabkommen zu internationalen Verhandlungen und Abmachungen zur Förderung des Wiederaufbaus der Ukraine, zu einer zwischenstaatlich ausgehandelten Neuausrichtung der Sicherheitsmechanismen im osteuropäischen Raum und zu Vorkehrungen zum Schutz der russischsprachigen Menschen in den baltischen Staaten und in Moldawien kommen sollte, verpflichten sich die Ukraine und die Russische Föderation, an diesen Bemühungen im Geist einer guten Nachbarschaft mitzuwirken. Die Russische Föderation wird sich an Programmen zum Wideraufbau der Ukraine nach Möglichkeit mit eigenen wirtschaftlichen Anstrengungen beteiligen.
  11. Die Russische Föderation und die Ukraine werden sich der Einrichtung eines internationalen Sondertribunals zur Verfolgung der im Lauf der kriegerischen Auseinandersetzungen verübten Kriegsverbrechen nicht widersetzen und werden dessen Tätigkeit nach Kräften unterstützen.

 

Bild
Profil für Benutzer Gianguido Piani
Gianguido Piani Sa., 18.02.2023 - 15:27

Diese Punkte sind sehr vernünftig. Ich fürchte, allein werden die Kriegsparteien kein solches Abkommen unterschreiben. Aber mit etwas Druck vonseiten von USA und China, vielleicht...
Rein formell gibt es ein Problem. Heute bedarf auch die einfachste EU-Richtlinie oder UN-Abkommen mindestens 200.000 Zeichen (der Text oben hat 2860). Zu kurz und zu klar, um von der internationalen Gemeinschaft angenommen zu werden. Am besten sollte das Abkommen in 50 bis 80 Seiten des Official Journal der EU Platz nehmen. Dann wird auch Brüssel das Vorhaben unterstützen.
Noch ein Punkt. Die letzten Monate hat sich das russische Narrativ verschoben. Jetzt wird es dort behauptet, dass der Westen die totale Auslöschung von Russland und von der russischen Kultur anstrebt. Als Gegenmaßnahme könnte die EU ab sofort Russisch und Ukrainisch als offizielle EU-Sprachen erklären. Man hat ja Englisch als offizielle Sprache erkoren, obwohl kein EU-Land Englisch als Hauptsprache verwendet. Die Anzahl der in der EU lebenden, gebürtigen Russisch-sprechenden ist auch höher, als die der gebürtigen Englisch-sprechenden. Hauptsache - Russland könnte nach dieser Entscheidung nicht mehr behaupten, dass der Westen gegen alles Russische steht. Noch mehr: Kiew und St.Petersburg sollten als nächste europäische Kulturhauptstädte ernannt werden. Hauptsache, Moskau versteht, dass keiner hier Russland zerstören will.

Sa., 18.02.2023 - 15:27 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Karl Gudauner
Karl Gudauner Sa., 18.02.2023 - 18:54

Sehr guter Vorschlag. Beinhaltet eine angemessene und vernünftige Regelung, was die Souveränität der Ukraine angeht und die umkämpften Gebiete mit vorwiegend russisch sprechender Bevölkerung im Osten. Wäre für Putin schwer zu schlucken, da er ohne militärischen Sieg einen machtpolitischen Gesichtsverlusts erleidet. Also ist die Frage, ob ihm (zumindest auf dem Papier) ein militärischer Erfolg im Donbass zugesprochen werden soll oder ob genügend Druck aufgebaut werden kann, um ihn zum Einlenken zu bewegen. Die NATO sollte jedenfalls eine formal gut verankerte Zusage für den Verzicht auf die Aggregation weiterer osteuropäischer Länder als weitere Vorleistung erbringen. M.E. sollte die Polarität EU-Russland überwunden werden und Russland ein wirtschaftliches Kooperationsabkommen mit der EU angeboten werden, das in den nächsten zehn Jahren konkretisiert wird.

Sa., 18.02.2023 - 18:54 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Sa., 18.02.2023 - 20:06

Antwort auf von Karl Gudauner

Darf ich nachfragen, welche die „umkämpften Gebiete mit vorwiegend russisch sprechender Bevölkerung im Osten“ sind, bzw. welche Gebiete damit vor der Intervention Russlands auf souveränem ukrainischem Gebiet gemeint sein können?
.
Auch ein Grund, warum dem brutalen Aggressor „ein militärischer Erfolg im Donbass zugesprochen werden soll“, erschließt sich mir jetzt nicht...
.
Dann steht: „Die NATO sollte jedenfalls eine formal gut verankerte Zusage für den Verzicht auf die Aggregation weiterer osteuropäischer Länder als weitere Vorleistung erbringen“: warum? Welchen Länder genau wollen Sie Schutz verweigern?
Warum verlangen Sie dann dasselbe nicht auch von Russland: keine russischen Militärs in Kaliningrad, in Weissrussland, in Transnistrien?
.
Wie wollen Sie mit Putin Verträge abschließen, wenn dieser solche Verträge nicht einhält?
.
Und: wie wollen Sie die Sicherheit der Ukraine und von Moldau vor einem erneuten Überfall mit imperialistischen Eroberungsgelüsten durch Russland garantieren? Ich sehe nirgends eine solche Garantie für die Ukraine.

Sa., 18.02.2023 - 20:06 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser Sa., 18.02.2023 - 20:07

Dieses „Friedensabkommen“ setzt meiner Ansicht nach voraus, dass es sich bei beiden Parteien um demokratische Staaten handelt, welche internationales Recht respektieren. Dies ist leider nicht so, daher benötigt ein Frieden für die Ukraine Garantien, dass sie nicht mehr angegriffen wird.
Frieden ist gut und erstrebenswert, Frieden ist alternativlos und muss und wird kommen.
Echter und dauerhafter Frieden setzt aber Gerechtigkeit und Freiheit voraus, so liest man immer wieder.
Zur Gerechtigkeit gehört unter anderem, die Sachlage beim Namen zu nennen und weder für die eine noch für die andere Seite beschönigend und vorteilhaft oder wider die Fakten nachteilig zu formulieren.
.
(Formulierung 1)
In diesem Sinne muss der einleitende Satz bei allem diplomatischem Versuch ernsthaft kritisiert werden (Zitat): „Die Russische Föderation und die Ukraine schließen zur Beendigung der zwischen beiden Staaten seit jetzt einem Jahr anhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen...“:
In der Ukraine handelt es sich nicht um „eine kriegerische Auseinandersetzung“, sondern um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg und die Verteidigung der Ukraine vor der Auslöschung ihres Staates und der ukrainischen Identität.
Dies muss der Gerechtigkeit wegen korrekt benannt werden, da Frieden (Frieden in der Ukraine und für die Ukrainer) andernfalls nicht erreicht wird. Der Aggressor und der Verteidiger dürfen nicht gleichgesetzt werden, andernfalls kann echter Frieden nicht eintreten.
.
(Formulierung 2)
Zitat: „Die Russische Föderation wird die im Jahr 2022 einseitig verfügte Annexion der bis dahin ukrainischen Oblaste Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson zeitnah formal rückgängig machen und verzichtet für alle Zukunft auf Souveränitätsansprüche über die vorgenannten Gebiete“:
Die russische Föderation HAT KEINE Souveränitätsansprüche auf diese Gebiete und hatte diese niemals. Daher kann sie auf diese auch nicht verzichten. Solche (erfundenen) Souveränitätsansprüche konstruieren meiner Ansicht nach IM NACHHINEIN eine Rechtfertigung, zumindest eine Relativierung für diesen brutalen imperialen Angriffskrieg.
.
(Formulierung 3)
Zitat: „Die Ukraine wird mit besonderen Maßnahmen die ungehinderte Verwendung und Pflege der russischen Sprache auf dem gesamten eigenen Staatsgebiet fördern“: dieser Passus erscheint sonderbar und ist hier ohne jede Begründung. Fördert der italienische Staat „mit besonderen Maßnahmen die ungehinderte Verwendung und Pflege der (deutschen) Sprache auf dem gesamten eigenen Staatsgebiet“? Wieso dieser Artikel, der keine Begründung zu haben scheint...
.
(Formulierung 4)
Zitat: „Die Russische Föderation wird von der Verpflichtung zu Reparationsleistungen für die von ihr in Zusammenhang mit den kriegerischen Auseinandersetzungen auf dem Staatsgebiet der Ukraine verursachten Schäden an Personen, Liegenschaften, Anlagen und Sachwerten entbunden“: dafür gibt es weder eine juridische noch eine moralische Begründung; ohne Gerechtigkeit kein Frieden für die Menschen. Tausendfacher Raub im privaten, im betrieblichen und im gigantischen Ausmaß, Millionen Tonnen Getreide und Stahl kann doch nicht straffrei bleiben, genauso wenig wie Vergewaltigung, Folter, Mord und die Zerstörung tausender privater Häuser, Wohnungen, ziviler Strukturen abseits des eigentlichen Kampfgebietes. Das schafft niemals Frieden, so meine Sicht auf die Sachlage.
.
(Formulierung 5) Zitat: „Die Russische Föderation und die Ukraine werden sich der Einrichtung eines internationalen Sondertribunals zur Verfolgung der im Lauf der kriegerischen Auseinandersetzungen verübten Kriegsverbrechen nicht widersetzen und werden dessen Tätigkeit nach Kräften unterstützen“: auch hier fehlt die Unterscheidung zwischen Aggressor und Opfer, welches sich verteidigt; zudem bedeutet es wenig, sich lediglich der „EINRICHTUNG eines internationalen Sondertribunals nicht zu widersetzen“, wenn es keine Verpflichtung gibt, dass dieses unabhängig arbeiten darf, und verurteilte Verbrecher ausgeliefert werden müssen.
.
(Formulierung 6) Zitat: „Die Russische Föderation wird sich einem möglichen zukünftigen Beitritt der Ukraine zur Europäischen Union und zur NATO nicht entgegenstellen“: Dieser Artikel impliziert, dass sich Russland dagegen aussprechen könnte: die russische Föderation hat aber keine Einspruchsberechtigung, die Ukraine ist ein souveräner Staat: wieso etwas ausschließen, was es qua definitionem nicht gibt.
.
Allgemein:
in diesem „Friedensabkommen“ gibt es keine Garantie für die Ukraine, dass die Russische Föderation dieses Abkommen einhält: eine Unterschrift Putins unter einem Vertrag hat Null Wirksamkeit, da sich Putin an internationale Verträge nicht hält. Wie also wird dieses Friedensabkommen abgesichert?
Putin wird in den kommenden 5 Jahren sein Heer nachrüsten, und dann militärisch erstarkt wieder von neuem beginnen. Welche sind die internationalen Maßnahmen, die dies verhindern?
Hier zeigt sich nämlich der wesentliche Aspekt, was ein DAUERHAFTER FRIEDE verlangt: Abschreckung, dass sich ein erneuter Angriffskrieg nicht lohnt. Wie und Wer also garantiert der Ukraine Schutz davor, dass Putin oder Russland nach einer militärischen Nachrüstung in 5 Jahren nicht wieder mit einem Angriff beginnt?
.
Welche Maßnahme ist vorgesehen, wenn Russland die Verfolgung der zehntausende Kriegsverbrechen nicht zulässt und die 10.000 deportierten Kinder nicht zurückgibt?
Dazu z.B. lese ich nichts in diesem Friedensabkommen.
.
Abschliessend:
es gebietet der Respekt, dass ein Friedensabkommen nicht unter Ausschluss der Beteiligten und insbesondere des Opfers dieses Angriffskrieges und nicht über dessen Kopf hinweg formuliert wird: damit macht man die Ukrainer erneut zum Opfer, und wir machen „Frieden für uns“, aber nicht Frieden in der Ukraine und für die Ukrainer - so meine Sichtweise.
Wo ich große Bedenken habe: dass man der Ukraine nach Butscha der russischen Föderation, insbesonders dem Klan um Putin, den „Status einer Schutzmacht“ auf dem ukrainischen Staatsgebiet einräumt, scheint mir abwegig. Schutzmacht kann hier wohl nur ein dritter Staat oder die UN sein. Und wo findet sich im „Friedensplan“ die „Schutzmacht“ für die Ukraine?

Sa., 18.02.2023 - 20:07 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser So., 19.02.2023 - 12:25

Antwort auf von Ludwig Thoma

Es geschieht immer wieder mal, dass von Ihnen ein Artikel verlinkt wird, der Ihre ukrainefeindliche und russlandfreundliche Sicht belegen soll - in Wirklichkeit aber weitgehend das wiedergibt, was zum Beispiel meine Sicht auf das Zeitgeschehen ist und im Gegensatz zu Ihrer Sichtweise steht.
Ein wirklich guter Artikel, der Klartext spricht, den Aggressor und Mörder Putin als solchen benennt, die Waffenlieferungen befürwortet und einen Sieg der Ukraine und Sicherheitsgarantien für die Ukraine in Zukunft für unabdingbar hält, der die Katastrophe Putins für Russland selbst genauso ausleuchtet, wie den Umstand, dass die Amerikaner diesen Krieg gerade jetzt nicht brauchen, da sie ihre Waffen eigentlich nach Taiwan schicken müssen und nicht nach Europa.
Der Artikel räumt mit dem Märchen der „Osterweiterung der Nato“ als Kriegsgrund genauso auf wie mit dem Märchen des „Stellvertreterkrieges Amerikas“.
Besten Dank für diesen Link.
Im Anschluss ein Exzerpt - für den Leser übersetzt:

So., 19.02.2023 - 12:25 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser So., 19.02.2023 - 12:25

Antwort auf von Peter Gasser

Exzerpt des verlinkten Artikels:

„Jetzt wissen wir: Die russische Invasion war in jeder Hinsicht eine Katastrophe... Nachdem das russische Militär seine anfängliche Hoffnung, die Hauptstadt Kiew einzunehmen und die ukrainische Führung zu verdrängen, nicht erfüllen konnte, hat es einen grausamen Zermürbungskrieg geführt, in dem immer mehr Menschen auf beiden Seiten Putins erbarmungslosen Ambitionen geopfert werden...
Putin wurde der Besitzer von Gräueltaten und einem zerstörten Land, Syrien. Er hat das Talent in seinem eigenen Land, sein Humankapital, nicht erhöht. Er hat keine neue Infrastruktur aufgebaut. Er hat seine Vermögensproduktion nicht erhöht. Wenn Sie sich also die Bestandteile einer Strategie ansehen, wie Sie den Wohlstand eines Landes aufbauen, wie Sie sein Humankapital, seine Infrastruktur, seine Regierungsführung aufbauen – all die Dinge, die ein Land erfolgreich machen –, gab es keine Beweise dafür Dinge, die seinem taktischen Genie oder seiner taktischen Beweglichkeit zugeschrieben wurden, trugen positiv zu Russlands langfristiger Macht bei... Was hat er in der Ukraine gewonnen? Wenn Sie sich die Landschaft ansehen, hat er Russlands Ruf verletzt – es ist weitaus schlimmer als je zuvor. Er konsolidierte die ukrainische Nation, deren Existenz er leugnete. Er erweitert die NATO, obwohl sein erklärtes Ziel darin bestand, die NATO von der seit 1997 unternommenen Expansion zurückzudrängen. Er hat sogar Schweden dazu gebracht, sich um eine NATO-Mitgliedschaft zu bewerben. Und so ist es auf der ganzen Linie eine Katastrophe... Er zerstört sein eigenes Land in gewisser Weise, wenn auch auf ganz andere Weise als die Morde, die er in der Ukraine begeht...
Der Krieg ist eine Tragödie... Aber es gab einige angenehme Überraschungen. Einer war die Fähigkeit und der Wille der Ukrainer zu kämpfen. Es war von Anfang an sehr inspirierend. Wir wussten, dass sie bis zu einem gewissen Grad kämpfen würden, weil sie zweimal einen einheimischen Diktator gestürzt haben: 2004 und 2014. Sie gingen auf die Straße, riskierten Leib und Leben und waren bereit, sich diesen einheimischen Tyrannen entgegenzustellen. Jetzt haben Sie einen ausländischen Tyrannen. Wir wussten, dass sie Widerstand leisten würden, aber es war eine angenehme Überraschung, wie tief ihr Mut und Widerstand waren...
Aber dennoch war das Ausmaß des russischen Scheiterns in der Ukraine aus militärischer Sicht ihrer Ziele eine angenehme Überraschung für viele von uns, mich eingeschlossen.
Und da ist Europas Anpassungsfähigkeit und Standhaftigkeit, richtig? Alle sagten: „Wenn Europa morgens nicht seinen Cappuccino und nach dem Mittagessen seinen Espresso hat, können sie sich das nicht gefallen lassen.“ Schauen Sie, was passiert ist: Sie haben ihre Abhängigkeit von russischer Energie viel schneller aufgegeben, als irgendjemand dachte. Sie haben sich auf breiter Front für die Ukraine eingesetzt...
Das wäre eine tolle Sache, wenn wir das machen könnten. Aber so etwas ist nicht in Sicht. Du gewinnst den Krieg auf dem Schlachtfeld. Es gibt einige Abkürzungen, mit denen Sie möglicherweise schneller zum Sieg gelangen – zum Beispiel, wenn die russische Armee im Feld zerfällt...
Und das muss die Definition des Sieges sein: Die Ukraine kommt in die Europäische Union... Wenn die Ukraine so viel von ihrem Territorium zurückgewinnt, wie sie auf dem Schlachtfeld physisch kann, möglicherweise nicht alles, aber sie bekommt die EU. Beitritt – wäre das eine Definition von Sieg? Natürlich wäre es das...
Ich verstehe, dass sie das ganze Territorium zurückhaben wollen...
Nachdem das russische Militär seine anfängliche Hoffnung, die Hauptstadt Kiew einzunehmen und die ukrainische Führung zu verdrängen, nicht erfüllen konnte, hat es einen grausamen Zermürbungskrieg geführt, in dem immer mehr Menschen auf beiden Seiten Putins erbarmungslosen Ambitionen geopfert werden....
Es braucht noch eine Sicherheitsgarantie....

Ich bin früh im Prozess auf diese Gleichung gekommen, die lautet: Ukrainische Tapferkeit plus russische Gräueltaten sind gleich westliche Einheit und Entschlossenheit. Und es wird gehalten. Weil die ukrainische Tapferkeit anhält – und sie inspiriert weiterhin die ganze Welt, nicht nur ihre eigenen Kriegsanstrengungen im Inneren. Die russischen Gräueltaten gehen weiter, denn genau das ist dieser Krieg. Es ist eine Gräueltat. Es ist mehr wie Mord als wie Krieg. Ich bin also gut darin, dass das westliche Bündnis zusammenhält...

Demokratien führen keine Kriege, die absichtlich ein Fleischwolf sind, um ihre Leute einfach wegzuwerfen. Und einen Zermürbungskrieg fordern wir von den Ukrainern. Sie machen den Kampf. Wir kämpfen nicht....

Ich war von Anfang an für eine größere und schnellere Lieferung von mehr Waffen an die Ukrainer.
Weil ich denke, dass die Ukrainer die Chance verdienen, auf dem Schlachtfeld zu gewinnen, bevor wir zu dem Teil kommen, den Sie so beschrieben haben...

Selenskyj ist ein unglaublicher Anführer in einer Kriegssituation, und wir verdanken ihm viel. Wir verdanken ihm die Verjüngung des Westens – die Wiederentdeckung des Westens – in institutioneller, nicht in geografischer Hinsicht, einschließlich unserer asiatischen Partner Japan und Australien...

und es eine Bewegung hin zu einer tatsächlichen Sicherheitsgarantie statt Diskussionen und Versprechungen einer Sicherheitsgarantie gibt. Wir müssen auf eine Weise auf die andere Seite kommen, die der Ukraine die Chance gibt, das Land zu sein, das sie sein wollen, verdienen und mit unserer Unterstützung sein könnten...

Und deshalb bin ich für einen ukrainischen Sieg. Ich bin gegen den russischen Sieg. ..

Die russische Macht wird in Zukunft noch weiter degradiert. Ihr Status als Energie-Supermacht verschlechtert sich...

Diese Art von kosmopolitischem, urbanem Leben in Russland, das Sie gesehen haben, ist vorbei.

Und so haben wir ein Russland, das dem Putin-Regime als Gesellschaft, nicht nur als Regime, potenziell immer ähnlicher wird. Wir haben das ganze Treibgut der fremdenfeindlichen harten Rechten in Russland, die sich darüber beschweren, dass der Krieg nicht richtig geführt wird, die die Ukraine und den Westen atomisieren wollen, während sie in den sozialen Medien auftreten und den Extremismus zum Ausdruck bringen, den die sozialen Medien leider erleichtern und fördern. Und das ist das Russland, das wir bereits haben. Russland hat sich bereits vollständig verändert. Kriege sind in jeder Hinsicht transformierend...

Und deshalb bin ich für einen ukrainischen Sieg. Ich bin gegen den russischen Sieg.“

So., 19.02.2023 - 12:25 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Ludwig Thoma
Ludwig Thoma So., 19.02.2023 - 17:34

Antwort auf von Peter Gasser

Vielleicht unterstellen Sie mir einfach eine bestimmte Sichtweise, kann schon passieren wenn man versucht alles in schwarz und weiß einzuteilen und die Grautöne nicht mehr wahrnehmen will. Danke für die Übersetzung. Den Teil in dem es um die Sanktionen und deren Scheitern geht, könnten Sie noch übersetzen.... und natürlich die zentrale These, nämlich, dass wir gar nicht genug Waffen produzieren können, wie die Ukraine bräuchte um eben jeden Zentimeter Land zurückzuerobern....

So., 19.02.2023 - 17:34 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser So., 19.02.2023 - 16:39

Sie müssen da (leider) damit zurechtkommen, dass ich seriöse Wissenschaftler, Historiker, Politologen mit besten und jahrzehntelangen Beziehungen zu Kiew, Moskau, Washington Ihren teils falschen, teils fake news, teils russischer und rechter Propaganda folgenden reinen und mit nichts belegten Behauptungen vorziehe, wie Timothy Snyder, der bereits mehrfach verlinkten Literatur in Buchform, oder auch wie hier David Remnik:
https://www.salto.bz/de/comment/119173#comment-119173
.
Zitat: „am unkritischen Reflektieren und Einordnen des Themas“: also wenn Sie wie ich etwa 150 Fachartikel, ein halbes Dutzend Bücher, ein gutes Dutzend Historiker, Politologen und Experten und etwa 50 moderierte hochkarätig besetzte Diskussionen zum Thema gelesen und gehört haben, und auf das lästige Argument, jene, die Ihren russischen, rechtsgerichteten und verschwörungstheoretischen und daher meist falschen, längst entlarvten Narrativen nicht auf dem Leim gehen, als „unkritisch“ und bisweilen einfältig und dümmlich zu bezeichnen, verzichten, dann können wir gern diskutieren. Solange sich aber abseits ihrer bloßen und meist falschen Behauptungen ihr Hauptargument im Diskreditieren des Gesprächspartners erschöpft, macht dies wohl wenig Sinn.

So., 19.02.2023 - 16:39 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Peter Gasser
Peter Gasser So., 19.02.2023 - 18:36

Das Manifest schafft nicht Frieden in der Ukraine und für die Ukrainer, im Genteil, es würde zu noch mehr Leid und Tod und Krieg führen. Dieses Manifest geht von völlig falschen Voraussetzungen aus und ignoriert den revisionistischen und imperialistischen Grund des Krieges.
Zudem fehlt ihm die innere Logik, so meine Überlegung dazu:
(1) Wenn die Hilfesteller der Ukraine mit Waffenlieferungen aufhören, gibt es keinen Grund mehr für Putin, Verhandlungen zu beginnen: dann kann er unbesorgt seine Kriegsziele militärisch erreichen, indem er die Ukraine und die Ukrainer plattmacht und erobert. Und dann weiter zum nächsten, eie es ja lauthals aus dem Kreml tönt...
(2) Hätte es in den letzten Monaten keine Waffenlieferungen der Unterstützer der Ukraine in ihrem Überlebenskampf gegeben, auch dann würde es keine Verhandlungen geben: dann wäre die Ukraine bereits imperialistisch erobert und assimiliert. Putin stünde vor oder in Polen, und es gäbe dasselbe Manifest wieder...
.
Sie sehen, dieses Manifest ist naiv, unlogisch, und führt zum Gegenteil dessen, was es zu glauben macht.

https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-02/manifest-frieden-kritik-wla…

https://www.spiegel.de/ausland/alice-schwarzer-sahra-wagenknecht-spruec…

https://www.welt.de/kultur/plus243779385/Habermas-Schwarzer-Wagenknecht…

So., 19.02.2023 - 18:36 Permalink
Bild
Profil für Benutzer SALTO Community Management
SALTO Communit… Mo., 20.02.2023 - 08:36

Antwort auf von Manfred Klotz

Liebe Community,
Sehr geehrter Herr Gasser,
sehr geehrter Herr Frei,

wir sind der Ansicht, dass Sie sich bereits ausreichend zum Thema (und darüber hinaus) geäußert haben. Es ist nicht notwendig, dass Sie sich hier auch noch aneinander abarbeiten. Der Kommentarbereich ist nämlich ausdrücklich nicht (!) dafür vorgesehen, sich einen persönlichen Schlagabtausch zu liefern.

Ihre bisherigen Beiträge hier bleiben, weitere Kommentare dieser Art werden jedoch kommentarlos gelöscht.

- Salto-Community-Management

Mo., 20.02.2023 - 08:36 Permalink
Bild
Profil für Benutzer rotaderga
rotaderga Mo., 20.02.2023 - 10:20

@ Salto-Community-Management

Stell dir vor es ist Krieg......und nur zwei wollen darüber schreiben und dürfen nun nicht mehr.
Schönen Rosenmontag!

Mo., 20.02.2023 - 10:20 Permalink