Gesellschaft | Wolfgang Mayr:

Wo bitte ist die dreisprachige RAI?

Ernüchternde Antwort auf Florian Kronbichlers Appell zur Rettung der dreisprachigen RAI von Chefredakteur Wolfgang Mayr. Der sieht in Folge von Karl Zellers Abänderungsantrag wenig zu retten und viel mehr zu gewinnen.

Am 11. Juni soll erstmals in der Rai-Geschichte gegen die Regierungspolitik gestreikt werden. Oder besser gegen die geplanten Ausgabenkürzungen von 150 Millionen Euro für den staatlichen Sender. Wird Bozen mitstreiken?
Wolfgang Mayr: Keine Ahnung, das hängt vom Redaktionskomitee ab. Und natürlich davon, welche Entscheidung am heutigen Dienstag im Haushaltsausschuss des Senats fällt. Stimmt der Ausschuss dem Dekret zu, gehe ich davon aus, dass Renzi das gesamte Gesetzespaket mit einer Vertrauensabstimmung durchwinken wird.

Und damit auch die 150 Millionen Euro weniger für die RAI. Wäre Bozen in irgendeiner Form von den Kürzungen betroffen?
Nein, wir haben ja die Konvention. Unsere Finanzierung funktioniert ein wenig anders als im restlichen Italien.

Das heißt, eigentlich geht Bozen dieser Kampf wenig an?
Man kann schon darüber diskutieren, ob der Abbau von Regionalsitzen eine sinnvolle Geschichte ist. Denn damit amputiert man sich letztendlich ein Standbein. Die drei gesamtstattlichen Telegiornali, also TG 1, TG 2 und TG 3, werden dagegen nie angetastet. Dabei gibt es dort sehr viele Leute, die sehr teuer und politisch aufgeteilt sind. Doch Bozen selbst könnte man ohnehin kaum anrühren, hier gibt es jede Menge Verfassungsgesetze, die den Sitz hier garantieren.

Klar ist, dass hier nicht Zeller, sondern - wenn schon - ganz andere die Übeltäter sind.

Nicht garantiert scheint dagegen nach einem Abänderungsantrag zum Dekret von SVP-Senator Karl Zeller der Sitz der italienischsprachigen Redaktion in Bozen. Warum schließen Sie sich dem Rettungseinsatz von SEL-Parlamentarier Florian Kronbichler für eine dreisprachige RAI nicht an?
Weil das großteils Quatsch ist. In einem ersten Entwurf von Zeller wurde die Dreisprachigkeit von Bozen sogar unterstrichen. Doch dann hat die Landesregierung offenbar Gespräche mit der italienischen Redaktion geführt, die dann darum gebeten hat, herausgenommen zu werden.

Warum?
Das müssen Sie dort selber fragen. Soweit ich verstanden habe, aus irgendwelchen verfassungstechnischen Gründen. Klar ist, dass hier – wenn schon – nicht Zeller der Übeltäter ist, sondern ganz andere. Vor allem aber sollte man auch die Dreisprachigkeit nicht zu sehr hochstilisieren. Wir sind heute ein Haus, in dem drei verschiedensprachige Redaktionen untergebracht sind. 

Das Problem, das sich bei diesen Verhandlungen immer wieder zeigt, ist, dass sich die Italiener nun übergangen fühlen, weil sie bisher die Herren im Hause waren. Mit all dieser pari dignità, diesem „Wir sind alle gleich“ wird dagegen ein wenig Science Fiction betrieben.

Und das reicht nicht aus für eine echte Dreisprachigkeit?
Hat man vielleicht je ein deutsches Wort in einer italienischen Sendung gehört? Da ist einfach viel Ideologie dahinter. Das Problem, das sich bei diesen Verhandlungen immer wieder zeigt, ist, dass sich die Italiener nun übergangen fühlen, weil sie bisher die Herren im Hause waren. Mit all dieser pari dignità, diesem „Wir sind alle gleich“, wird dagegen ein wenig Science Fiction betrieben.

Weil es keine Gleichheit gibt?
Bislang ist die italienische Redaktion klarer Ansprechpartner von Rom. Wenn die Gewerkschaft dort etwas wissen will, ruft sie nicht uns als größte Redaktion an, sondern die italienischen Kollegen. Welche Informationen dabei am Ende herauskommen, hat sich zum Beispiel im vergangenen Jahr bei der Neubesetzung von fünf Stellen gezeigt. Damals hat der RAI-internere Gewerkschaftschef die These vertreten, in Bozen hätte sich niemand beworben – obwohl sich 50 Leute beim Wettbewerb angemeldet hatten.

Und deshalb soll die italienischsprachige Redaktion nun laut Zellers Antrag nach Trient ausgelagert werden?
Das behaupten die Italiener, keine Ahnung warum. Im Antrag steht es in jedem Fall nicht drinnen. Diese Entscheidung wird davon abhängen, welches Konzept die RAI dann später in Bozen verfolgt. Doch das ist eine RAI-interne Entscheidung, nicht eine politische.

Es wird viel Scheiße geredet, um im Klartext zu sprechen.

Das heißt, auch hier wird derzeit viel Ideologie betrieben?
Es wird viel Scheiße geredet, um im Klartext zu sprechen.

Was würde Zellers Abänderungsantrag dem RAI-Sitz in Bozen konkret bringen?
Zum Beispiel eine autonome Finanzierung. Zu den 20 Millionen Euro, mit denen laut Konvention die deutsche und ladinische Berichterstattung finanziert wird, würde noch ein Teil der lokalen Rundfunkgebühren kommen. Wir wissen absurderweise ja selbst nicht, wie viel an Gebühren in Südtirol eingehoben werden, aber man schätzt zwischen 16 und 20 Millionen Euro. Der Antrag würde aber auch eine Weiterentwicklung der RAI Bozen zu einem Produktionszentrum ermöglichen. Sprich: bessere Technik, mehr technisches Personal, insgesamt mehr Autonomie und eigene Gestaltung im Haus. Langfristig würden wir uns in Richtung eines Landesrundfunksenders im Stil eines ORF entwickeln.

Die Anliegen der italienischsprachigen Redaktion sind eben ein bissl anders als die der deutschsprachigen. Wir haben zwar immer wieder das Gespräch gesucht, aber man sieht die Welt anders.

Schwächt diese Perspektive die Befürchtung ab, dass sich die Landespolitik somit die RAI einverleiben will, also die Berichterstattung politisch beeinflussen will?
Da muss ich wirklich lachen. Man tut so, als ob die RAI in Rom eine neutrale Plattform wäre, wo sich die Politik nicht einmischt. Das ist absurd, die RAI ist absolut verpolitisiert.

Doch zumindest mischt sich Rom wohl kaum in die lokalpolitische Berichterstattung ein, während Bozen daran sehr wohl ein Interesse haben könnte...
Seit der Regierung Kompatscher mischt sich sowieso kein Mensch mehr ein. Und Durnwalder ja, der hat sich im letzten Jahr ein paar Mal aufgeregt. Das hat mir vielleicht nicht gefallen, aber sowas muss man schon aushalten, das hängt dann halt auch vom eigenen Rückgrat ab.

Sehen Sie die Chance, hausintern in der Frage noch auf eine gemeinsame Position zu kommen?
Die Anliegen der italienischsprachigen Redaktion sind eben ein bissl anders als die der deutschsprachigen. Wir haben zwar immer wieder das Gespräch gesucht, aber man sieht die Welt anders. Das ist ganz interessant zu sehen, bei vielen Italienern in Südtirol, auch bei PD-Leuten: Dort, wo es um mehr Autonomie geht, ist man dagegen – um es auf den Punkt zu bringen.

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Sebastian Felderer Di., 03.06.2014 - 16:23

Super Wolfgang, das nennt man Klartext und nun ist vieles wirklich klarer. Typisch Südtirol, typisch Italien, würde ich sagen. Ich weiß nur nicht, was vorherrscht. In diesem Fall wohl eher Italien.

Besteht aber nicht die Gefahr, dass sich durch die Verlegung der italienischsprachigen Redaktion nach Trient der Sitz in Bozen "wegrationalisiert" werden könnte, weil eben nicht Region, sondern Provinz? Wie lange halten die Abkommen für lokale Zusatzfinanzierungen, wenn Renzi sowieso die Regionen mit Sonderstatut ein Dorn im Auge sind? Was läuft politisch mit "sdf" & Co. Haben da auch wieder die Ebner's die Hände im Spiel? Fernsehen ohne politischen Einfluss wird es in Italien nicht geben, von Südtirol ganz zu schweigen.
Wir können dem Wolfgang und seinem Team nur weiterhin gutes Gelingen wünschen und möglichst ungestörte Medienarbeit.

Di., 03.06.2014 - 16:23 Permalink