Gesellschaft | Feminismus

Geehrte Frau Mair...

Gender ein Irrtum, Gewalt an Frauen überbewertet? Die Grünen Frauen schreiben Ulli Mair einen Brief. Nimmt Mair Frauen nicht ernst?

Ulli Mair von den Freiheitlichen ist nicht mehr Vorsitzende der Partei. Nach Skandalen versucht Mair nun wieder Fahrtwasser zukriegen, am 8. Juli schrieb sie, kritisiert das Programm des Landesbeirates für Chancengleichheit aufs Schärfste: 

„Es ist unglaublich, wie sich selbst ernannte Frauenvertreterinnen anmaßen, im Namen der Südtiroler Frauen zu sprechen. Hier werden ganz klar Anliegen von Frauen, die berechtigt und wichtig sind, mit einer Emanzipationspolitik vermischt, die nie und nimmer mehrheitsfähig ist. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Beseitigung der Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau oder das Pensionssplitting sind Anliegen, die sich fast alle politischen Kräfte in Südtirol zum Ziel gesetzt haben und es ist skandalös, dass sich hier nichts tut. Dabei handelt es sich um effektive Frauenprobleme und um Anliegen, die den Südtiroler Familien zugute kommen. Davon abgesehen ist die Programmatik des Beirates für Chancengleichheit aber weltfremd und man sollte sich im Beirat die Frage stellen, ob man nicht eine eigene Partei gründen und sich den Wählerinnen stellen will. Solange dies nämlich nicht geschieht, spricht man nicht für die Südtiroler Frau, sondern einzig und allein für eine kleine Minderheit!“

Der Aufschrei folgt auf dem Fuß. Evelyn Gruber Fischnaller und Catarina Maurer von den Grünen Frauen schreiben einen Brief. Dass "Gender" ein Unsinn sei, Gewalt an Frauen überbewertet und "Chancengleichheit im Sport populistisch" sei, all das will frau so nicht stehen lassen.

Geehrte Frau Mair,

der Landesbeirat für Chancengleichheit wurde von der Landesregierung und dem Südtiroler Landtag ernannt und hat als solcher die Aufgabe, Maßnahmen zu setzen in diesem Bereich. Als Freiheitliche haben Sie sich entschieden, niemanden zu nominieren, da müssen Sie jetzt wohl damit leben, wenn das Arbeitsprogramm eben so ist wie es ist. Der Feminismus hat keine Kriege geführt und niemanden getötet. Die Anliegen des Feminismus sind bessere Bildung, bessere Arbeitsverhältnisse, Sicherheit, soziale Ausgeglichenheit, ein friedliches Miteinander, Gerechtigkeit. Davon profitieren auch Männer, Anti-FeministInnen und rechte Parteien.

Wenn Sie die von Ihnen genannten “berechtigten und wichtigen Anliegen der Frauen” ernst nehmen würden, ließe sich vieles davon auch in Südtirol endlich umsetzen. In froher Erwartung auf die nächste entsprechende Abstimmung im Landtag,

Studien zu Gewalt an Frauen gibt es zu Hauf, eine Zahl sei angeführt : 33 % der Frauen haben seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren. Dies entspricht etwa 62 Millionen Frauen. Für die Erhebung wurden über 42 000 Frauen in den 28 EU-Mitgliedstaaten befragt. Den ganzen Text lesen Sie hier.

 

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Christoph Moar Do., 10.07.2014 - 10:05

Antwort auf von Karl Nickel

Ironie ist doch Käse, Oliver. Die Frage ist berechtigt. Die Antwort auch: Der Fokus liegt bei "Chancengleichheit im Sport" in der hier wohl gemeinten Sichtweise (ihr bezieht euch auf eine Replik der Grünen Frauen zu einer Kritik von Frau Mair an die Gleichstellungsrätinnen) daran, die Teilhabe und die Beteiligung von Frauen in Sportvereinen und sportlichen Veranstaltungen zu erhöhen, aber auch um die Behebung von Ungleichgewichten oder damit verbundener Aspekte: wenn sich Profi- oder Amateursportlerinnen zum Beispiel nicht von ihrem Hobby ernähren können, weil Preisgelder bei den Frauenkategorien um ein Vielfaches geringer als bei den Männerkategorien sind. So in etwa, zumindest.
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Natürlich geht "Chancengleichheit im Sport" auch viel weiter, wenn euch die feministische Sichtweise grad stört: Neben der gleichberechtigten Teilhabe sowohl von Jungen und Männern als auch von Mädchen und Frauen am Sportgeschehen sind Themen wie Integration (zum Beispiel die Teilhabe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Sportgeschehen) oder auch die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen für mich genauso ein Thema der Chancengleichheit im Sport. Ich glaube, es lässt sich auch noch das Eine oder Andere dazu anführen, wenn man jetzt weiter nachgrübelt.

Do., 10.07.2014 - 10:05 Permalink
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Karl Nickel Do., 10.07.2014 - 11:08

Antwort auf von Karl Nickel

Die Frage ist durchaus ernstgemeint und soll nicht auf Polemik abzielen.
Ich beziehen mich auf den Begriff "Chancengleichheit im Sport" so wie er bei der Presseaussendung des Landesbeirats gebraucht wird. Leider finde ich nirgends eine nähere Erklärung.
Christoph, deine Gedanken hatte ich auch schon, hab sie dann für mich allerdings ausgeschlossen, weil es sich entweder um keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts handelt, sondern allenfalls aufgrund der geringeren Leistungsfähigkeit (im Sport gehts halt nun mal um höher, schneller, weiter, dementsprechend finden die Leistungsfähigsten am meisten Beachtung) oder um kein sportspezifisches Problem, da die geringere Teilhabe an Musikkapellen und Schützenkompanien usw. ja wahrscheinlich genauso kritisiert werden könnte.

Do., 10.07.2014 - 11:08 Permalink
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Christoph Moar Do., 10.07.2014 - 11:46

Antwort auf von Karl Nickel

Stimmt, darum gibt es auch in Musikkapellen Jugendbeauftragte, die durchaus engagiert auch für weiblichen Nachwuchs in den eigenen Musikantenreihen sorgen. Oder technische Universitäten, die besonders Mädchen für die sogenanntem MINT-Fächer zu fördern versuchen. Weil es eben nicht reicht zu sagen, bei Mathe ginge es um die Art von Leistung, bei der Mädchen bisher schlechter abschnitten. Leistung ist eben immer auch eine Frage der Förderung. Und eine Frage des Vergleichsmasstabs, oder?

Do., 10.07.2014 - 11:46 Permalink
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Karl Nickel Do., 10.07.2014 - 12:03

Antwort auf von Karl Nickel

Eben, der Zugang zu sehr vielen Bereichen verdient es, gefördert zu werden. Warum sollte also deshalb explizit Sport in einem 10 Punkte Erwähnung finden? Und zur Leistung: stimmt, Leistung ist auch ein Frage der Förderung. Aber bei gleicher Förderung wird in vielen Sportarten die Leistung von Frauen niemals an die Leistung von Männern heranreichen. Bolt ist nicht nur der schnellste Mann der Welt, sondern auch der schnellste Mensch der Welt. Und die meisten Menschen interessieren sich eher für den schnellsten Menschen, als für die schnellste Frau.

Do., 10.07.2014 - 12:03 Permalink
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Christoph Moar Do., 10.07.2014 - 16:33

Antwort auf von Karl Nickel

Nur das zu fördern, was die meisten Menschen interessiert, war noch nie eine kluge Entscheidung. Sonst würden wir vermutlich heute nur noch reality shows auf RTL2 oder Zeitungen auf Bild-Niveau lesen. Auch die Sportler der Paralympics haben - bis auf wenige technisch bedingte Ausnahmen - keine Chance die Leistungen nicht körperlich beeinträchtigter Sportler zu überwinden. Daraus aber den Umkehrschluss zu ziehen, die Paralympics wären nicht mehr zu fördern ist etwas gewagt. ****** Im Südafrikanischen Apartheid-System war nahezu die vollständige Schwarze Population von Analphabismus geplagt. Wäre es für den ANC deshalb sinnvoller gewesen weiterhin dafür zu Sorgen, dass die komplexen Berufe von der gut gebildeten weissen Bevölkerungsschicht abgewickelt würden? Die meisten Afroamerikaner hatten eine solche schlechte Bildung - und damit auch eine entsprechende "Leistung" - dass auch nach der Aufhebung der Rassentrennung 1954 die meisten Highschools und Universitäten den Zugang für Schwarze ganz bequem nicht gestatteten konnten. ****** Und im Viktorianischen England interessierte es den meisten Leuten einfach nicht, welche akademischen Leistungen Frauen erreichen mögen, weil sie sowieso geringbedeutender als die der Männer waren. Der Besuch von Schulen, Universitäten, Bibliotheken, das Schreiben von Büchern war nicht gefördert, ja, gar nicht gestattet. Selbst unsere Nachbarn in der Schweiz interessierten sich einfach nicht für die politische Meinungsbekundung der Frauen, zumindest nicht bis zum 7. Februar 1971, als das Frauenwahlrecht eingeführt wurde. ****** Als eine spannende Übung für jeden, der bei Chancengleichheit und Genderpolitik gleich den Kopf schüttelt und an verbissene Emanzen denkt (wenngleich, logo, die gibt es auch) kann ich nur wärmstens empfehlen, sich mal unvoreingenommen Virginia Woolf reinzuziehen, "A Room of One’s Own" (1929). Und während das gelesen wird, kann man sich einerseits vor Augen führen, welchen Schulabschluss und welche politische Bedeutung die Kritikerinnen (ohne Binnen-I geschrieben) heute denn in Ermangelung feministischer Bewegungen und einer affirmative-action-Politik wahrscheinlich innehätten. Und gleichzeitig sind bei Lektüre des Essays und sich Eindenken in die heutige Zeit recht griffig die Defizite zu erkennen, die auch in unserer heutigen Gesellschaft noch angegangen werden müssten. Daraus leiten sich dann, im Idealfall, konkrete Maßnahmen ab, die man vielleicht auch glatt in dem 10Punkte-Programm wiederfindet?

Do., 10.07.2014 - 16:33 Permalink
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Christoph Moar Do., 10.07.2014 - 10:19

Hallo Oliver, Deinem ersten Argument kann ich durchwegs folgen, wenngleich ich nicht wirklich einen Unterschied zwischen Deiner Position und der von Evelyn Gruber Fischnaller und Catarina Maurer sehen kann: Du verlangst, den (zit.) "politischen Gegner in die Ecke zu drängen, (...) zu zeigen, ob es ihm wirklich ums Thema oder doch nur ums Bashing geht". Die Grünen Frauen schreiben "Wenn Sie die von Ihnen genannten “berechtigten und wichtigen Anliegen der Frauen” ernst nehmen würden, ließe sich vieles davon auch in Südtirol endlich umsetzen. In froher Erwartung auf die nächste entsprechende Abstimmung im Landtag". Ist das nicht beides dasselbe?
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Aber mal davon abgesehen, wie gesagt, den ersten Gedankengang teile ich durchaus. Aber wie bitte kommst du darauf, die von der Agentur für Gründrechte der Europäischen Union erstellten Studie, bei der statistisch relevante 42.000 Interviews geführt wurden (1500 Befragte je Land, mit Ausnahme von Luxemburg, wo eine Nettostichgröße von 900 ausreicht), als "zweifelhaft" zu klassifizieren, nur weil du in der Pressezusammenfassung (das ist der "abstract" vom "abstract"!) keine für dich relevante Definition des Begriffs Gewalt zu finden ist? Ich versuche auszuhelfen: Die Bejing-Erklärung (4. Weltfrauenkonferenz von 1995) von "Gewalt gegen Frauen" bezeichnet jede Handlung geschlechterbezogener Gewalt, die einer Frau körperlichen, sexuellen oder psychischen Schaden oder Leid zufügen kann. Er beinhaltet auch die Androhung derartiger Handlungen, Nötigung oder willkürliche Freiheitsberaubung in der Öffentlichkeit oder im Privatleben. Du kannst hier (http://fra.europa.eu/DVS/DVT/vaw.php) den Data Explorer zu der umfangreichen Studie auswerten. Eine der ersten Segmentierungen der Ergebnisse findet aufgrund der 6 Hauptgruppen der Fragestellung*en* statt: Physical, sexual and psychological violence; Consequences of physical and sexual violence; Sexual harassment and stalking; Violence in childhood; Safety and security; Opinions, attitudes and awareness. In jeden dieser Bereiche wurden je 27-17-36-8-15-8 Fragen gestellt. Wenn Du dann auf "Data Table" klickst, findest du die gestellten Fragen. Wenn du nach dem Lesen der Fragestellung anschließend immer noch der Meinung bist, dass für die Interviewten Frauen Interpretationsspielraum darüber bestand, was wohl die Definition des Begriffes Gewalt sei, wäre ich verblüfft.

Do., 10.07.2014 - 10:19 Permalink
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magda baur Do., 10.07.2014 - 10:28

Hoffentlich beschäftigt sich der Landesbeirat für Chancengleichheit so bald wie möglich mit der Ungleichbehandlung der weichenden Erben beim geschlossenen Hof, die auch für die Söhne und Töchter der Talbauern gilt. Das Höfegesetz sieht für sie einen lächerlichen Auszahlungsbetrag vor, der nicht im mindesten dem Marktwert entspricht - eine Ungleichbehandlung, die in keinem anderen Erbrecht toleriert wird, und die den Artikel 3 der italienischen Verfassung sowie EU-Bestimmungen verletzt. Frauen werden in Südtirol de facto enterbt - und alle schweigen. Sieht hier niemand Handlungsbedarf?

Do., 10.07.2014 - 10:28 Permalink
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klaus heinz Do., 10.07.2014 - 10:39

Antwort auf von magda baur

Sehr richtig, Magda! Da haben wir in Südtirol ein handfestes Problem. Ich frage mich schon seit langem, weshalb der Chancenbeirat in dieser Sache nichts unternimmt. Die Behandlung der weichenden Erben (es sind meistens die Frauen) in Südtirol ist mittelalterlich. Bei riesigen Anwesen in der Talsohle mit Ferien auf dem Bauernhof, landesfinanzierten Prunkbauten, Schwimmbad, Wellness etc, hunderttausenden von Euro Jahresumsatz, werden die weichenden Erben mit einem Pappenstiehl abgefertigt. Bei Bergbauern lass ich mir die Enterbung der übrigen Kinder ("der Bauer hat nur einen Sohn") noch einreden, bei Talbauern ist diese Ungleichbehandlung einfach krass.

Do., 10.07.2014 - 10:39 Permalink
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Christoph Moar Do., 10.07.2014 - 16:06

Antwort auf von gorgias

Eher: weil das ein echtes Problem ist, das Töcher *und* Söhne der Bauern exakt identisch betrifft. Und damit quer durch alle politischen Parteien und Meinungsvertretungen zu besprechen ist, und nicht im Beirat für Chancengleichheit, der doch andere Zielsetzungen hat. Das einmalige Gesetzeskonstrukt zum "geschlossenen Hof" hat, wie ihr selbst erkannt habt, seine Daseinsberechtigung, und durch dieses Gesetz ist eine Verparzellierung der Höfe im Erbwege verhindert - etwas, was dem Bauernstand sonst längst schon die Lebensgrundlage entzogen hätte. Dass nun, 2014, auch viele "Bauern" existieren, die eigentlich hochwertige touristische Unternehmer sind - für die dieses Gesetz nicht mehr gelten sollte - ist tatsächlich ein anzugehendes Problem. Nur würde ich das nicht dem Beirat für Chancengleichheit in die Schuhe schieben.

Do., 10.07.2014 - 16:06 Permalink
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klaus heinz Do., 10.07.2014 - 16:29

Antwort auf von Christoph Moar

Der Beirat für Chancengleichheit hat nicht nur Diskrimnierungssituationen zu behandeln, die Frauen betreffen, sondern in gleichem Maße auch dann zu handeln, wenn Männer betroffen sind. Es handelt sich um eine Einrichtung zum Schutz vor Diskriminierung, egal, ob Männer oder Frauen davon betroffen sind. Was nun die konkrete Situation beim geschlossenen Hof anbelangt, so werden tatsächlich weit mehr Frauen durch diese Regelung diskriminiert als Männer. Ein Grund mehr für den Beirat, endlich zu handeln.
Dass das Rechtsinstitut des geschlossenen Hofes heute noch eine Existenzberechtigung hat, wage ich zu bezweifeln. Mit dem gleichen Recht müsste man dann auch Handwerkern, Kaufleuten usw. das Recht einräumen, den ganzen Betrieb nur einem Nachfolger zu übertragen.
Das Hauptproblem ist aber Folgendes: Die gegenwärtige Regelung verhindert nicht nur eine Teilung des geschlossenen Hofes, sondern die weichenden Erben werden mit einem lächerlich geringen Betrag abgefunden. das wiederspricht eindeutig der Verfassung.
Wenn man unbedingt will (und in diesem Punkt kann ich Christoph Moar Recht geben), kann man den geschlossenen Hof vielleicht für Bergbauern beibehalten (sagen wir ab 1000 m Meereshöhe). Für millionenschwere Agrar- und Touristikunternehmen in der Talsohle, hochgefördert und weitgehend steuerbefreit, ist die Enterbung der weichenden Erben mit nichts zu rechtfertigen.

Do., 10.07.2014 - 16:29 Permalink
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Livia Minnea Do., 10.07.2014 - 22:48

Antwort auf von Stephan Kerschbaumer

Da irrst Du Dich aber, lieber Stephan Kerschbaumer, und zwar in vielerlei Hinsicht. Der Landesbeirat ist in Durchführung EU-rechtlicher Bestimmungen geschaffen worden, die eben die GLEICHSTELLUNG von Mann und Frau anstreben. Du solltest den zitierten Satz nochmals lesen, dann wirst Du vielleicht erkennen, dass es hier nicht um die systematische Förderung von Frauen geht (was eindeutig wieder EU-rechtswidrig wäre).

Im vorliegenden Fall geht es aber gar nicht zentral um diese Frage, sondern um andere Themen, wo Du Dich leider wieder irrst. Diskriminierung besteht - ganz zu Beginn festgehalten - nicht allein in den von Dir zitierten Fällen, sondern immer dann, wenn Ungleiches gleich und Gleiches ungleich behandelt werden. Wenn ein Antidiskriminierungsgesetz einen engeren Anwendungsbereich vorsieht, dann findet - genau DIESES GESETZ - eben nur für den betreffenden Sachverhalt Anwendung.

Aber kommen wir nun zum eigentlichen Thema: Wie kannst Du behaupten, dass die "Erhaltung einer kleinstrukturierten Landwirtschaft" ein "öffentliches Interesse" sei, das dem Gleichheitsgrundsatz vorgeht? Der Gleichheitsgrundsatz zählt zu den höchsten verfassungsrechtlichen Prinzipien überhaupt. Für die Erhaltung der Landwirtschaft braucht es im Übrigen keinen geschlossenen Hof.
Und weiter: Wenn das Gesetz von "Übernehmer/Übernehmerin" spricht, dann ist das noch lange kein Indiz dafür, dass dieses Gesetz nicht diskriminiert. So viel politisches (und rechtliches) Fingerspitzengefühl ist den Bauernvertretern schon zuzutrauen, dass sie nicht einfach sprachlich das Ergebnis vorwegnehmen, auf welches das Gesetz abzielt.

Do., 10.07.2014 - 22:48 Permalink
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Sylvia Rier Do., 10.07.2014 - 11:03

Antwort auf von magda baur

(der Kommentar sollte hier rein, sorry @ alle!) Hallo Frau Baur, ist es wirklich so, dass die weiblichen Erben mit kleineren Summen ausgezahlt werden als die männlichen Erben? Oder sind die Auszahlungssummen für alle gleich gering, weil bei Bauernhöfen nach dem Ertrags- und nicht nach dem Immobilien-/Buchwert ausgezahlt wird?! Hat mir eine Bäuerin mal erzählt, aber davon abgesehen und grundsätzlich habe ich schon den Eindruck, dass im Lande stillschweigend davon ausgegangen wird, dass "die Mädchen" sich in Erbangelegenheiten zugunsten der "Buben" zu bescheiden haben.

Do., 10.07.2014 - 11:03 Permalink
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Sylvia Rier Do., 10.07.2014 - 11:02

Hallo Frau Baur, ist es wirklich so, dass die weiblichen Erben mit kleineren Summen ausgezahlt werden als die männlichen Erben? Oder sind die Auszahlungssummen für alle gleich gering, weil bei Bauernhöfen nach dem Ertrags- und nicht nach dem Immobilien-/Buchwert ausgezahlt wird?! Hat mir eine Bäuerin mal erzählt, aber davon abgesehen und grundsätzlich habe ich schon den Eindruck, dass im Lande stillschweigend davon ausgegangen wird, dass "die Mädchen" sich in Erbangelegenheiten zugunsten der "Buben" zu bescheiden haben.

Do., 10.07.2014 - 11:02 Permalink
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magda baur Do., 10.07.2014 - 11:25

Antwort auf von Sylvia Rier

Vielen Dank, Silvia, für Deine Anmerkung. Das Problem ist folgendes: Was "Ertragswert" heißt, ist in Wirklichkeit eine lächerlich geringe Summe. Ein Bauernhof in der Talsohle mit Villa, Fremdenzimmern, zahlreichen Hektar Grund, Schwimmbad wird mit dem Ertragswert eines Butterbrotes bewertet. Die weichenden Erben (Frauen, aber auch Männer) bekommen die Hälfte eines Butterbrotes. Der Bauer behält den Hof (meistens der Sohn). Ist auf den ersten Blick gerecht (die weichenden Erben haben doch die Hälfte eines Butterbrotes erhalten), ist in Wirklichkeit aber eine krasse Enterbung.

Do., 10.07.2014 - 11:25 Permalink
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Sylvia Rier Do., 10.07.2014 - 16:46

Antwort auf von magda baur

Ja, Magda das ist tatsächlich ein Problem, und kein geringes, ich kenne es von beiden Seiten und könnte Bücher darüber schreiben. Auch daraus übrigens meine Überzeugung (Erkenntnis), dass Frauen noch Lichtjahre von Gleichstellung und Gleichberechtigung entfernt sind (insofern wäre IMHO das Thema durchaus auch beim Beirat für Chancengleichheit nicht am falschen Ort). Aber ich kenn‘s halt eben auch von der anderen Seite, und zwar so (kann mich aber durchaus irren und bin für Feedback jedenfalls dankbar - so hatte mir das aber auch jene Bäuerin, mit der ich über das Thema gesprochen hatte, bestätigt): Wenn der Immobilienwert ausgezahlt werden müsste, dann würde das in 99 % aller Fälle auch heute noch das Ende des Hofes/Erbes bedeuten, weil diese stolzen Höfe, von denen du sprichst, Christoph, ja meist in Gegenden zu finden sind, die entsprechend entwickelt und teuer sind. Denn der (Millionen)Wert, der in den Büchern steht, muss ja erst „realisiert“, d. h. der Hof verkauft werden. Ist das richtig so?

Do., 10.07.2014 - 16:46 Permalink
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Christoph Moar Do., 10.07.2014 - 17:13

Antwort auf von Sylvia Rier

Ja, Silvia, da hast du (und weiter oben in gewisser Weise auch klaus heinz) den Nagel genannt, und warum das Instrument des geschlossenen Hofes durchaus auch internationale Anerkennung verdient. Man darf jetzt nur nicht den Fehler machen, wegen der negativen Aspekte (gewissermaßen das "Missbrauchspotential") das Kind mit dem Bade auszuschütten. Folgendes ist Richtig: um jemandem Auszuzahlen muss der Preis realisiert werden oder ein entsprechender Kredit aufgenommen werden. Letzteres ist utopisch, ersteres würde ebenfalls das Ende des in dieser Familie bewirtschafteten Hofes bedeuten. Differenzierter kann man das bei touristischen Betrieben sehen: wären diese stolzen Höfe, die diese Diskussion hier zum Starten gebracht haben, "ganz einfache" touristische Betriebe im Sinne einer wie auch immer gearteten Kapitalgesellschaftsform, dann könnte das Unternehmen vererbt werden, aus 100% Anteilen des Erblassers macht man halt 3x33% Beteiligung der Erben, so es denn im Beispiel drei gäbe. Dann müsste mindestens einer der Erben den Betrieb weiterühren, dafür ordentliche Geschäftsführervergütungen erhalten, und wenn dann immer noch Gewinne überbleiben können diese ja nach Kapitalquote ausgeschüttet werden. Aber, du merkst es selbst, das bleibt wohl ein reines Gedankenkonstrukt. ****** Trotzdem, versteht mich nicht falsch, gegen Mißbrauch habe ich immer was. Und wenn ein "geschlossener Hof" längst kein solcher mehr sein sollte, sondern ein richtiger touristischer Betrieb, dann ist das Hauptargument für eine Benachteiligung der anderen Erben für mich nicht mehr vorhanden. Denn natürlich handelt es sich genau um das: dem "höheren Ziel" Aufrechterhaltung der Höfelanfschaft wird ein "anderes Ziel" (Vemögensschutz der Erben) untergeordnet. Das Werkzeug an sich entspricht, leider, ja, exakt dem Konzept der "affirmative action", also der positiven Diskriminierung, das auch in anderen Fällen (zum Beispiel bei Chancengleichheit) zum Tragen kommt. Leider ist das der Knackpunkt, man kann nicht beide Ziele erreichen, man muss den richtigen Kompromiss finden. Und ich wäre dafür, dass immer dort, wo affirmative action stattfindet, mindestens alle zehn Jahre nach dem Rechten geschaut werden muss: ist die Maßnahme immer noch tragfähig? Wird sie missbräuchlich angewendet? Hat sie die Ziele erreicht? Muss gegengesteuert werden? Muss angepasst werden? Das gilt für alle diese Diskriminierungen, wie Proporz, Quotenregelungen, und eben auch Erbfolge im Geschlossenen Hof. Wegen mir kann sich dem auch der Beirat für Chancengleichheit annehmen, auch wenn ich der Meinung bleibe dass letzterer dort einzugreifen hat, wo Menschen aufgrund ihres Geschlechts, sozialen Ursprungs, Religion, Sprache, Behinderung usw. diskriminiert werden. Der "weichende Erbe" ist (glaube ich) nicht per Gesetz die Frau. Zumindest bin ich mir beim Tiroler (AT) Höfegesetz davon sehr sicher. Wenn aber "das unsrige" Gesetz zum Geschlossenen Hof tatsächlich irgendeinen Erben begünstigen sollte, nur weil dieser männlich ist, dann, ja, dann sollte der Beirat bitte lieber gestern als heute aktiv werden. Anderenfalls fände ich es subjektiv zielführender, wenn diese Diskussion unabhängig vom Beirat stattfinden würde, sondern quer durch alle Parteien und Interessensvertretungen geführt würde, da sie schlicht und ergreifend unsere gesamte Gesellschaft betrifft - die meisten von uns könnte glatt ziemlich schnell in einer solchen Erbsituation landen.

Do., 10.07.2014 - 17:13 Permalink
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Profil für Benutzer Mensch Ärgerdichnicht
Mensch Ärgerdi… Do., 10.07.2014 - 11:12

Ich bin dafür ein Beirat für bekennende nicht Feministinnen zu Gründen! Eine Minderheit die gesellschaftlich ständig angegriffen wird: sieh sich hier nur einer an wie schwer sich so eine Frau nach ihren comming out tut.

Do., 10.07.2014 - 11:12 Permalink