Politik | Seilbahn Brixen

DirekteDemokratie: Fail oder falsch interpretiert?

Ist das Ergebnis vom 21.9 vom Plose-Referendum eine vergeudete Chance oder die Niederlage der direkten Demokratie?
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Vorabgenommen, dass ich mich eigentlich zum Thema Seilbahn nicht wirklich äußern wollte, da ich die Anzahl von Facebook- Posts, Leserbriefen und Zeitungsartikeln ziemlich überflüssig finde, hat mich schlussendlich das Lesen solcher dazu gebracht eine eigene Meinung zu verfassen. Schließlich ist es faszinierend was ein solches Thema in Brixen gestartet hat. Ich hätte nie gedacht welches journalistisches Potential in den Brixnern steckt, mich miteinbegriffen.

Der Funke der mich zum Verfassen dieser Zeilen geführt hat, war der Leitartikel von Herrn Vontavon in der letzten Ausgabe des „Brixners“.

Herr Vontavon äußert sich in seinem Editorial zur Direkten Demokratie indem er behauptet, sie hätte sich als Solche in seinen Augen als Misserfolg ergeben. Seiner Meinung nach, geht den Brixnern das Thema „beim Allerwertesten“ vorbei.

Ich bin wiederum der Meinung, vielmehr lag der Fehler dieser Initiative ganz klar bei der Präsentation und Ausarbeitung der Fragestellung. Persönlich habe ich mich als Brixner richtig auf den Arm genommen gefühlt, mit dem was man uns in den letzten Monaten bezüglich Seilbahnverbindung präsentiert hat. Man hat uns ständig das wunderbare Projekt präsentiert, ohne uns aber schwarz auf weiß das Gesamtbild zu präsentieren.

Ich bin auf der Plose aufgewachsen, arbeite im Winter dort, habe sie in letzter Zeit auch im Sommer öfters besucht und bin von einer Seilbahnverbindung richtig überzeugt gewesen. Aber das Gefühl, dass man uns nie wirklich sagen wollte, was gewisse Schlüsselfiguren wirklich im Schilde haben (oder besser gesagt: hatten), hat dazu geführt, dass auch ich dagegen gestimmt habe. Man sprach von Blödheit der Brixner, ein „Geschenk“ im Wert von 25 Mio. seitens der Provinz abzulehnen. Ich bin vielleicht mit meinen 23 Jahren nicht der weißeste Mensch, aber Geld verschenken, habe ich noch nie jemanden gesehen, und schon gar nicht Politiker. Zudem fand ich das Ganze eine freche Erpressung seitens des Bürgermeisters und einiger Unternehmer Brixens: „Akzeptiert die Seilbahn am Bahnhof, oder wir investieren keinen Cent mehr.“ In den Augen vieler Brixner war dies einfach zu viel und wie gesagt, ich bin überzeugt man hat uns nicht Alles gesagt.

Die Reaktionen, die nach dem Referendum auf Facebook- Seiten, Blogs, Zeitungsartikeln, usw. erschienen sind, haben mich regelrecht verblüfft. Der Zorn und Hass derjenigen, die dafür waren, gegenüber den Nein- Sagern war unglaublich. Wird man jetzt für die eigene Meinung als „Idiot“, „Gegner des Fortschritts“ und noch viel Schlimmeres beschimpft, nur weil man gegen Etwas stimmt? Vielmehr sollten sich diejenigen die Frage stellen wieso dies passiert ist und, viel wichtiger, was nun? Stattdessen regt man sich immer noch wegen des gescheiterten Projekts auf, Unternehmer, die interessiert waren ein Hotel zu bauen, führen ihre beleidigten Erpressungen weiter und die Plose und die Bewohner St. Andräs fühlen sich von den Brixnern verraten.

Zudem fand ich das Ganze eine freche Erpressung seitens des Bürgermeisters und einiger Unternehmer Brixens: „Akzeptiert die Seilbahn am Bahnhof, oder wir investieren keinen Cent mehr.“

Persönlich glaube ich nicht, dass die Seilbahn allein, die „Probleme“ der Plose gelöst hätte. Erst vor kurzem wurde mir von der Geschichte der „Geislerhütte“ auf der Plose berichtet: wie dem Pächter der Vertrag nicht verlängert wurde, weil die Plose „keine Mafia unterstützt“ (der Pächter ist ein in Südtirol lebender Italiener der es gewagt hat, neue Ideen auf die Plose zu bringen, wie z.B. Fischgerichte und Pizza; klarerweise war sein Erfolg ein Dorn im Auge für andere Hüttenwirte am Berg). „Wieso kommen etwa die Brixner nicht auf die Plose!?“, heißt es dann.

Das Einzige, was mich seit dem Referendum sehr erfreut hat, war die Reaktion des Mannes, der eigentlich am Meisten involviert ist, ausgenommen die Brixner selbst: Geschäftsführer Alessandro Marzola. Sein Interview in der Tageszeitung „Alto Adige“ war meiner Meinung ein Zeichen, für all jene Brixner, die für die Seilbahn waren, aber auch für jene, die, wie ich selbst, die Busverbindung befürwortet haben um die Seilbahnverbindung vom Bahnhof zu vermeiden. Seine Worte („Studiare un altro piano di sviluppo di Bressanone e della Plose […] Serve un progetto chiaro e complessivo di sviluppo del turismo a Bressanone. Con le idee chiare e le carte in tavola le cose si possono fare e gli albergatori sono disposti ad investire. Ma senza un piano nessuno ci metterà un cent.”) sollten auch vor allem für die ursprünglichen Schlüsselfiguren ein Aufruf sein: es hat keinen Sinn sich jetzt Monate lang zu hassen oder sogar den Beleidigten spielen und leere Busse auf die Plose schicken, „weil es die Brixner so wollten“.

Wer bereit ist soll sich mit Herrn Marzola an einem Tisch setzen und einen neuen Plan ausarbeiten, einen Plan „con le carte in tavola“. Wer aber nicht bereit ist, lieber Herr Bürgermeister, Herr Huber und die vielen anderen unbekannten Figuren im Schatten, der darf gerne zurücktreten und woanders den Beleidigten spielen. Ihr wolltet den Brixnern einen Bären umhängen, habt Euch aber selbst ins Knie geschossen, also ist es jetzt Euch überlassen ob ihr die nächsten Monate weiterheult oder an einem neuen Projekt mitarbeitet. Ich hoffe Herr Marzola findet die richtigen Partner, weil wie er selbst sagt: das Potential der Plose ist da.

Ihr wolltet den Brixnern einen Bären umhängen, habt euch aber selbst ins Knie geschossen, also ist es jetzt Euch überlassen ob ihr die nächsten Monate weiterheult oder an einem neuen Projekt mitarbeitet.

Um zum Editorial von Herrn Vontavon zurückzukommen, möchte ich dazu sagen, dass Nein, Herr Vontavon, den Brixnern geht es nicht am Allerwertesten vorbei was mit ihrer Stadt und ihren Steuergeldern passiert. Vielmehr sind sie bewusste Bürger, die der Meinung sind, eine blöde Frage erwartet nicht immer eine blöde Antwort, manchmal ist es auch weise, auf eine blöde Frage gar nicht zu antworten. 

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Waltraud Astner So., 28.09.2014 - 19:23

Die Frage wieso sowas passieren konnte ist leicht zu beantworten. Weil die Gemeinde Brixen als Entscheidungsträger gewählt, ihrem Auftrag nicht nachgekommen ist und wegen interner Querelen die Entscheidung auf das Volk abgewälzt hat, obwohl dieses nicht von selbst die Initiative ergriffen hatte, was wenn es mitreden gewollt hätte, doch der Fall gewesen wäre (Beispiel Ried Piste Bruneck). Ich behaupte dass das Volk überhaupt nicht berechtigt ist zu Projekten, die einer bestimmten Schicht das wirtschaftliche Überleben sichert abzustimmen. Die Seilbahn Plose betrifft unmittelbar nur diejenigen, die ihre Lebensgrundlage daraus beziehen und die direkt (in diesem Fall durch den Überflug) Betroffenen. Alle anderen geht es schlicht und einfach nichts an. Denn ob ein Überflug, eine Schneise im Wald oder anderes das werte Auge beleidigt, ist einerlei. Dasselbe gilt für Investitionen anderer Art, die wieder andere Interessengruppen betreffen genauso, z.B. Sportanlagen, Hotels, Fabriksgebäude usw. Es kann doch nicht zielführend sein, wenn jedesmal wenn eine bestimmte Kategorie von Bürgern eine Investition tätigen will um konkurrenzfähig zu bleiben, alle anderen, die nicht unmittelbar betroffen sind, und keinen unmittelbaren Schaden haben, um Erlaubnis fragen muss. Dann wird nämlich nie etwas realisiert, und ein Eingriff bringt immer eine Veränderung mit sich. Es ist die Aufgabe der Gemeinde alle Kategorien von Bürgern, die mit Projekten an sie herantreten, gleichermaßen zu behandeln und nicht wenn man sich nicht einigen kann, die Verantwortung abzuschieben (zum Abschuss freizugeben). Denn wie gesagt es muss nicht jeder in Dinge involviert werden, die nicht jeden betreffen und darum auch nicht das geringste angehen. Denn ob Sie es verstehen oder nicht, es gibt übergeordnete Ziele, nämlich die wirtschaftliche und soziale Zukunft der Bevölkerung und den sozialen Frieden, die auf dem Spiel stehen.
Und noch etwas,während andernorts Investoren angelockt werden, kann man es sich in Brixen offenbar leisten sie zu vergraulen. Denn wer glaubt, schnell ein neues Konzept aus dem Hut zaubern zu können, ist wirklich naiv.

So., 28.09.2014 - 19:23 Permalink
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gorgias So., 28.09.2014 - 19:50

Antwort auf von Waltraud Astner

>Die Frage wieso sowas passieren konnte ist leicht zu beantworten. Weil die Gemeinde Brixen als Entscheidungsträger gewählt, ihrem Auftrag nicht nachgekommen ist und wegen interner Querelen die Entscheidung auf das Volk abgewälzt hat, obwohl dieses nicht von selbst die Initiative ergriffen hatte, was wenn es mitreden gewollt hätte, doch der Fall gewesen wäre (Beispiel Ried Piste Bruneck).<

Hier liegen Sie absolut falsch, es wurden schon von Seiten der Bevölkerung die notwendigen 5000 Unterschriften innhalb weniger Tage gesammelt und diese hatte gegenüber der von der Koalition SPD/PD/Freiheitliche mehrere Standorte zur abstimmung. Wäre man dieser Inititaive mit einer einengenden Fragestellung zuvorkommen hätte es durchaus gute Chancen für eine Seilbahn gegeben.

>Denn wie gesagt es muss nicht jeder in Dinge involviert werden, die nicht jeden betreffen und darum auch nicht das geringste angehen.<

Wie können Sie überhaupt behaupten dass es jene die nicht so unmittelbar betroffen sind diese Sache nichts angeht? Als Bürger von Brixen geht es jeden an wenn ein Infrastrukturprojekt dieses Ausmaßes zu Frage steht, das zudem solche weitreichende und nachhaltige Auswirkungen hat.

>Ich behaupte dass das Volk überhaupt nicht berechtigt ist zu Projekten, die einer bestimmten Schicht das wirtschaftliche Überleben sichert abzustimmen.<

Hier legen Sie ein politisches Selbstverständnis am Tag, die an einem demokratischens Grundkonsens zweifeln lassen.

So., 28.09.2014 - 19:50 Permalink
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willy vontavon So., 28.09.2014 - 23:54

Lieber Federico, Sie haben mein Editorial völlig missverstanden. Brixen ist seit dieser Volksabstimmung eine zerstrittene Stadt - Freundschaften sind auseinandergegangen, die Menschen grüßen sich auf der Straße nicht mehr. Da ich als Gemeinderat für diese Volksabstimmung gestimmt habe, fühle ich mich mitverantwortlich dafür, dass ich in eine Stadtgemeinschaft einen großen Zwist gebracht habe. Das ist der Grund, warum ich ein Gegner der direkten Demokratie bin - der Preis ist mir zu hoch, nach dieser Erfahrung. Diese Meinung habe ich bereits letzte Woche geäußert, als noch gar nicht feststand, wie die Volksabstimmung ausgehen würde - das Editorial wäre in derselben Form auch veröffentlicht worden, wenn die Seilbahnbefürworter gewonnen hätten.

PS: Ihr Zitat ist aus dem Zusammenhang gerissen: Ich habe Bezug genommen zur Landesvolksabstimmung zur direkten Demokratie. Damals hat es lediglich eine Wahlbeteiligung von 25 Prozent gegeben, was für mich ein klares Zeichen der Bevölkerung war, was sie grundsätzlich über die direkte Demokratie denkt. Die Wahlbeteiligung in Brixen war ja viel höher.

So., 28.09.2014 - 23:54 Permalink
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gorgias Mo., 29.09.2014 - 00:35

Antwort auf von willy vontavon

Werter Herr Vontavon,

ich glaube, dass sowohl die Befürworter als auch die Gegner der direkten Demokratie sich einig sind, dass so eine direkte Demokratie, wie Sie in den letzten Tagen in Brixen veranstaltet wurde, nicht mehr haben wollen. Doch unterscheiden sich diese beide Gruppen in der Interpretation des Geschehenen. Nun meinen Sie zu glauben, dass die direkte Demokratie an sich fehlerbehaftet sei. Ich kann nicht beurteilen wieviel Sie sich mit dem Thema beschäftigt haben, um zu diesem Ergebnis zu kommen, es gib aber auch Personen kommen, die kritisch und gewissenhaft seit geraumter Zeit damit außeinandergestzt haben, und zu einem anderen Urteil gekommen sind.

Somit möchte ich Ihnen den herrvorragenden Artikel von Harald Knoflach auf brennerbasisdemokratie empfehlen, um Ihnen Gelegenheit zu geben, die Sache aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten: http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=20921

Ich glaube der Text kann Sie doppelt ansprechen. Sowohl in Ihrer Rolle als Gemeinderat als auch als Herausgeber einer Bezirkszeitung.

Auszüge aus Die Wutbürger und der Medienterror von Harald Knoflach, bbd

>“Direkte Demokratie ist schuld”
Ich befürchte, dass nun dieses schlechte Beispiel Brixen dazu missbraucht werden könnte, um der direkten Demokratie im Allgemeinen die „Funktionstüchtigkeit“ abzusprechen. Erste Tendenzen diesbezüglich hab ich schon gelesen. Dabei war in diesem Fall nicht das Mittel sondern der Modus schuld.<

>Direkte Demokratie in den Kinderschuhen
Südtirol hat diese Form der Demokratie relativ neu für sich entdeckt. Ich stelle fest, dass es daher noch ein wenig an der Umsetzung hapert. Direkte Demokratie bedeutet nämlich nicht, einfach nur eine Abstimmung abzuhalten. Der Prozess davor ist mindestens genauso wichtig. Meiner Meinung nach sogar wichtiger. Die so genannte deliberative Demokratie – also jene Beteiligungsformen bei denen beraten und informiert wird – wurde sträflich vernachlässigt.<

Mo., 29.09.2014 - 00:35 Permalink
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Hartmuth Staffler Mo., 29.09.2014 - 00:42

Antwort auf von willy vontavon

Willy Vontavon malt ein gar schreckliches Bild von Brixen. Meine Erfahrung ist seiner diametral entgegengesetzt. Gerade zwischen Freunden, aber auch zwischen völlig unbekannten Menschen hat die Diskussion über die Seilbahn Gespräche in Gang gesetzt. Das hat der Diskussionskultur in Brixen sehr gut getan. Freundschaften sind gefestigt worden, neue entstanden. Eine echte Freundschaft wird ja durch verschiedene Ansichten zu einem nicht gerade weltbewegenden Thema nicht zerstört, sondern sie bewährt sich gerade in der kontroversen Diskussion. Ich bin in den letzten Tagen auf der Straße viel öfter gegrüßt worden, auch von mir unbekannten Menschen, die mit mir ins Gespräch kommen wollten. Auch Befürworter der Seilbahn haben mich gegrüßt und sich über meine Argumente gegen diesen Standort informieren wollen. Und wenn Herr Vontavon mich nicht mehr grüßen wollte, so werde ich das verkraften können.

Mo., 29.09.2014 - 00:42 Permalink
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willy vontavon Mo., 29.09.2014 - 09:14

Antwort auf von Harald Knoflach

Das ist jetzt etweas überspitzt formuliert, Herr Knoflach, außerdem gehen wir ja längst in diese Richtung, wenn man beispielsweise an die EU-Wahlen denkt, die eine dramatisch geringe Wahlbeteiligung verzeichnen. Die Wahlbeteiligung an der Landesvolksabstimmung zur direkten Demokratie lag aber bei 25 Prozent, das heißt, dass 75 Prozent der Wahlberechtigten sich nicht zehn Minuten Zeit genommen haben, zu den Urnen zu gehen, was für mich schon eine relevante Aussage beinhaltet. Nun, wenn wir irgendwann bei demokratischen Wahlen nicht mehr 25 Prozent Wahlbeteiligung erreichen, dann wäre das System der repräsentativen Demokratie effektiv grundsätzlich zu überdenken, meinen Sie nicht? Soweit wird es aber nicht kommen, also ist die Beantwortung Ihrer Frage obsolet. Viel spannender wäre aus meiner Sicht die Frage, ob man die Wahlpflicht wieder einführen sollte - im Moment ist der Art. 48 in der italienischen Verfassung ja ziemlich schwammig formuliert.

Mo., 29.09.2014 - 09:14 Permalink
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Harald Knoflach Di., 30.09.2014 - 10:03

Antwort auf von willy vontavon

klar ist es überspitzt formuliert. wollte damit nur aufzeigen, dass nicht notwendigerweise das instrument schuld sein muss. und vor allem, dass man demokratische kultur - sei es in direkter, deliberativer als auch repräsentativer ausprägung - pflegen muss. boykottaufrufe, wie man sie von der svp 2009 anlässlich der offiziellen abstimmung zur direkten demokratie vernommen hat, zeugen hingegen von demokratischer unkultur.
weiters müssen wir uns fragen, wie wir mit dem sinkenden interesse, sich an institutionellen demokratischen prozessen beteiligen zu wollen, umgehen. ich glaube, eine wahlpflicht ist nicht der richtige weg, denn mein verständnis von meinungsfreiheit beinhaltet auch die möglichkeit, sich seiner meinung zu enthalten. wir müssen also vielmehr situationen schaffen, die den menschen beweisen, dass sie mit ihrer stimme tatsächlich etwas bewirken können. und ich glaube, dass da das zusammenspiel von direkter und repräsentativer demokratie zielführend ist. freilich könnte man auch über formen wie die liquid democracy diskutieren.
ich bin nach wie vor überzeugt, dass die instrumente die richtigen sind. nur der falsche umgang damit hat uns die suboptimalen situationen beschert. oder hast du eine besseres system in petto.

Di., 30.09.2014 - 10:03 Permalink
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Waltraud Astner Mo., 29.09.2014 - 08:02

Die Demokratie braucht man nicht gleich abzuschaffen. Wenn die Gemeindeverwaltung ihrer eigentliche Aufgabe nachgeht, nämlich Entscheidungen zu treffen, dann wird es die Bevölkerung zu würdigen wissen. Wenn aber die Menschen das Gefühl haben, eingreifen zu müssen, dann werden sie ein SELBSTVERWALTETES REFERENDUM (mit vorhergehendem deliberativem Prozess) auf die Beine stellen. Das ist direkte Demokratie in Reinkultur, entstanden aus Selbstinitiative und nicht von oben verordnet.
Dass eine zerstrittene Stadt übrig bleibt ist ja klar. Wenn nämlich die eine Gruppe in unmittelbarer Zukunft auf ein Projekt angewiesen ist um die wirtschaftliche Zukunft zu sichern, und die andere Gruppe, obwohl sie nicht unmittelbar betroffen ist und keinen direkten Nachteil hat , dagegen stimmt, und das im Auftrag der Gemeinde, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass der soziale Friede auf dem Nullpunkt angelangt ist. Aber wie gesagt, jeder muss sich in alles einmischen und seinen Senf dazugeben, egal ob man dem Nachbarn die Lebensgrundlage entzieht, und ob man die wirtschaftlichen Auswirkungen überrissen hat. Der Überflug war ein Monster und basta. Eingriffe in die Natur und Landschaft etwa Schneisen, Straßen Parkplätze in der grünen Wiese sind halb so schlimm. Wenn es wieder 10 Jahre dauert, bis Investoren gefunden werden um eine Finanzierung auf die Beine zu stellen, ist auch egal, Hauptsache jeder kann, ob betroffen oder nicht, mitreden, dieses Ziel wird offenbar von manchen als das höchste Gut gepriesen. Die unmittelbare wirtschaftliche Zukunft eines ganzen Bezirkes muss da natürlich zurückstehen. Geht`s uns aber gut!

Mo., 29.09.2014 - 08:02 Permalink
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Karl Gudauner Mo., 29.09.2014 - 14:15

Das ist ein ausgezeichneter Kommentar zur Volksabstimmung in Brixen. Niemand ist nun dazu gezwungen, sich in irgend einer Position zu verbarrikadieren. Alle Beteiligten und die Bürgerinnen und Bürger selbst können nur daraus lernen.
Ist was schief gegangen mit der Aufbereitung der Thematik, der Definition der Handlungsoptionen, der Kommunikation oder der Formulierung der Fragestellung? Das werden wir noch öfter erleben. Schließlich ist Südtirol ein Experimentierfeld, was die Bürgerbeteiligung angeht.
Umso mehr können wir daraus lernen. Vor allem die Argumente derjenigen Ernst nehmen, die einer anderer Meinung sind. Deren positive Ziele und Ansätze erkennen und anerkennen. Schnittmengen zwischen den verschiedenen Zielen und Vorstellungen feststellen. Die Bereitschaft entwickeln, städtische und dörfliche Entwicklung über politische und interessensmäßige Zuordnungen hinweg als gemeinsame Aufgabe zu verstehen. Uns von vorgefassten Meinungen aufgrund von Einsichten lösen, die im Zuge der Diskussion aufgetaucht sind. Nach vorne schauen und die Lösungen neu entwickeln. Vielleicht reicht ja schon der Beginn einer neuen Verwaltungsperiode ab 2015, um das umzusetzen und wieder optimistisch ans Werk zu gehen.

Mo., 29.09.2014 - 14:15 Permalink
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Roman Zanon Mo., 29.09.2014 - 15:10

Freue mich nicht nur auf die lebhafte Diskussion um die Überflug-Seilbahn, die nun nach erfolgter Volksabstimmung so richtig in Gang kommt. Hätte mir die Diskussion vor der Abstimmung gewünscht, aber nach diesem Ergebnis haben wir alle Zeit, diese nachzuholen.
Herr Federico Rossis Analyse deckt sich mit meinen Gedanken und ich empfinde es ermutigend, dass er uns animiert, uns alle auf einen Tisch zu setzen und das Projekt Plose so anzugehen, wie es eigentlich von Anfang an gemacht hätte werden sollen.
Herrn Vontavons Angriffe auf die Direkte Demokratie habe ich im Gemeinderat schon ertragen müssen, aber da wird er sich in Zukunft wohl von seiner negativen Meinung verabschieden müssen. Großprojekte dieser Größenordnung bedeuten Naturverbrauch und prägen eine Stadt und sind deshalb nicht Projekte von Wenigen, sondern aller BürgerInnen. Und deshalb eignen sie sich besonders für Volksabstimmungen.
Herr Vontavon will uns seine Thesen damit verkaufen, dass er die landesweite Volksabstimmung 2009 (Direkte Demokratie-Gestz und Flughafen) schlecht redet und behauptet, dass nur 25% der Bevölkerung zur Wahl gegangen sind. In Wirklichkeit waren es um die 38%. Und jeder Interessierte weiß, dass bei einem Beteiligungsquorum von 40% die Gegner zur Nichtteilnahme aufgerufen werden, um die Volksabstimmung zu Fall zu bringen. Und so war es.
Aber bei uns in Brixen waren ja 58% der BrixnerInnen an der Urne und das ist ein Spitzenergebnis. Deshalb nicht alles kaputt reden, sondern als Demokrat froh sein, dass so viele BrixnerInnen teilgenommen haben.
Übrigens, wenn man sich mit Zahlen herumschlägt. Auch in Vontavons Monatszeitschrift Brixner werden unübliche Zahlen verwendet. 29,37% waren bei der Plose-Volksabstimmung für die verbesserte Buslösung (stimmt, aber auf alle Wahlberechtigten berechnet, was völlig unüblich ist). Da könnte man auch sagen, dass die SVP bei den letzten Gemeinderatswahlen nur 33,39% erreicht hat.
In Wirklichkeit haben sich 56,28% gegen die Seilbahn vom Bahnhof ausgesprochen und das ist ein eindeutiges Ergebnis! Da gibt es kein Schönreden mehr.
Übrigens: ich war viel auf der Strasse und habe mit vielen BrixnerInnen geredet und das Klima war ausgesprochen gut. Angebliche Streits (sogar in Familien!) mag es zwar gegeben haben, aber als sonst Minderheitendenker ist man Dissens gewöhnt und nicht so empfindlich. Einzelne Wenige waren böse und ausfällig, aber das hat nichts mit Direkter Demokratie zu tun.
Große Genugtuung empfinde ich, den vielen besorgten Bürgern nun sagen zu können, dass ihre Befürchtung, dass alles schon ausgemacht sei und die Volksabstimmung nichts bringen würde, nicht stimmt und dass ihre Teilnahme und ihre Entscheidung für die Zukunft ein wichtiger Schritt war.
Und bitte nicht vergessen, dass die Volksabstimmung in Zukunft auch eine starke indirekte Wirkung auf die gewählten Politiker hat. Sie werden sich mehr um die Meinung der BürgerInnen kümmern müssen, wollen sie sich nicht auf dem falschen Fuß erwischen lassen.
Wir werden den richtigen Weg für unsere Plose finden und man braucht kein Wahrsager zu sein, um voraussehen zu können, das unsere Plose nicht sterben wird.

Mo., 29.09.2014 - 15:10 Permalink
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Erwin Demichiel Mo., 29.09.2014 - 15:58

Klare Analyse und sehr guter Kommentar und: es ging nie um den Bus. Das Thema war die lückenlose Einbindung der Bürger in ein Großprojekt mitten in ihrer Stadt - und zwar von Anfang an. Dies wurde beharrlich und systematisch vermieden und das direktdemokratische Instrument der Volksabstimmung wurde gezielt missbraucht. Die Antwort der Mehrheit der Menschen war überzeugend: so nicht (mehr)! Auch Wirtschaftsplanung ist zusammen mit den betroffenen Menschen möglich – mit besseren Resultaten und zum Wohle von vielen.
Einbindung der Bürger: ganz sicher heißt das nicht, dass es in einem solchen Prozess keine konträren Positionen und keine Konflikte gibt. Entwicklung geschieht nur dort, wo Gegensätze aufeinandertreffen. Wieso sollten wir nicht imstande sein, zu lernen, mit ihnen umzugehen und zu Lösungen zu gelangen? Sicher, es ist ein Lernprozess, der – solange Leben existiert - nie wohl nie abgeschlossen sein wird. Der „Unfrieden und die tiefe Spaltung“ zwischen den Menschen, auf die oft hingewiesen wird, zeigt nur, dass wir in diesem Lernprozess und in der Anwendung von direktdemokratischen Instrumenten noch ganz am Anfang stehen. Sie sind in keiner Weise ein Argument gegen die Direkte Demokratie. Diese ist kein Lutschbonbon, das man aus der Tasche zieht, wenn der Mund trocken wird. Sie bedarf klarer und gut anwendbarer Regeln und eines hohen Maßes an Verantwortung, Klarheit und Korrektheit von Seiten der gewählten Verwalter und Politiker. Je mehr Manipulation, Verschleierung und Missbrauch im Spiel sind, desto massiver sind emotionale Entgleisungen und Verwirrungen mit all den negativen Folgen.

Und außerdem: wenn es einen offenen und gut moderierten Partizipationsprozess gibt, der nicht als Tarnung für alte Entscheidungsstrategien missbraucht wird – wer sagt dann, dass es in jeden Fall zu einer direktdemokratischen Abstimmung kommen muss?

Mo., 29.09.2014 - 15:58 Permalink
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Ingo Dejaco Mi., 01.10.2014 - 21:54

Antwort auf von Erwin Demichiel

Leider hat die Initiative für mehr Demokratie in der vorangegangen Diskussion eine Fragestellung befürwortet, die keine klare Vorgabe für die Gemeindeverwaltung gebracht hätte, damit keine klare direktdemokratische Legitimation, dafür aber mit einem hohen Potential an politischer Sprengkraft für die Zeit nach der Abstimmung. Auf diesen klaren Mangel habe ich bis heute weder von den Einbringern noch vonseiten der "Initiative" je eine Antwort bekommen. Die Initiative, die nicht im Sinne demokratie-politischer Überlegungen, sondern 1:1 die Argumentationslinie der Projektgegner widergegeben hat, verspielt leider ein Stück weit ihrer Glaubwürdigkeit. Schade! Bezeichnenderweise wurde die entsprechende Presseaussendung nie auf ihrer Homepage veröffentlicht.

Mi., 01.10.2014 - 21:54 Permalink
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Profil für Benutzer Edo Plane
Edo Plane Mo., 29.09.2014 - 16:28

Übrigens ein Zahlenvergleich:
Seilbahn Hamburg - da gab es Ende August ebenfalls einen Volksentscheid. Abgestimmt haben 25% der Wahlberechtigten - 63% waren dagegen.
"Hamburger geben Seilbahn keine Chance".

Und wie Roman auch geschrieben hat: liebe Athesia und Co., hört mit dem Quatsch der komischen Prozentrechnung auf. Würde man diese Rechenart für Hamburg anwenden, wären nur knapp 16 Prozent gegen die Seilbahn.

Mo., 29.09.2014 - 16:28 Permalink