Gesellschaft | Toleranz-Übung

Kopftuch im Sanitätsbetrieb

Stellen wir uns vor, eine muslimische Studentin der Krankenpflege möchte beim Praktikum ihr Kopftuch tragen...
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Im Südtiroler Sanitätsbetrieb gibt es eine Kleiderordnung. Damit soll den Leistungsempfängern eine gewisse Orientierung im sanitären Wirrwarr gegeben werden. Man/frau kann so Ärzte von Krankenpflegern, Techniker von Pflegehelfern, Reinigungskräfte von Verwaltungsangestellten, usw... unterscheiden. Auch für die Krankenhaushygiene ist eine geordnete und saubere Dienstkleidung unerlässlich. Sie trägt auch entschieden zu einer besseren "erlebten Qualität" bei, d.h. als Patient fühlt man sich sofort in besseren Händen, wenn das Personal ordentlich gekleidet ist. Auch sehen die einzelnen Berufe im einheitlichem outfit ihre Identität und Stolz. Eine Uniform gibt Sicherheit - ganz konkret als Schutz, aber auch beim Auftreten in der Öffentlichkeit, beim Verkörpern der Rolle. Der Arbeitgeber muss vertraglich für eine angemessene und sichere Dienstkleidung sorgen. Der Arbeitgeber ist verpflichtet diese zu tragen. Nicht zuletzt dient eine Kleiderordnung auch dazu, die Dienstkleidung von Tausenden von Angestellten auf vernünftige und wirtschaftliche Art und Weise zu managen, denn die Wäsche muss gekauft, gewaschen, gelagert und verteilt werden - und das auf Kosten des Steuerzahlers.

Die Arbeitskleidung im Sanitätswesen soll und darf also - ganz im Gegensatz zum Privatleben - nicht Ausdruck von Individualität sein. Oder doch? Und wenn ja, bis zu welchem Punkt? Die Gratwanderung zwischen der Einhaltung von Regeln und dem menschlichen Bestreben nach individuellem Ausdruck ist oft schwierig, manchmal delikat, manchmal führt sie zum Absturz... Sicher gewährt sie uns eine Gelegenheit zum Nachdenken, manchmal zwingt sie uns zu Entscheidungen - wie im vorliegenden Fall: ist das Tragen eines Kleidungsstückes als Ausdruck des religiösen Glaubens - auch entgegen der gültigen Kleiderordnung - legitim? Sollte die Regel geändert werden? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Haben Patienten das Recht auf "neutral" gekleidete Angestellte? Wenn nicht, könnte das Vertrauen bestimmter Patienten in das Gesundheitspersonal durch das Tragen religiöser Symbole beeinträchtigt werden? Soll eine muslimische Krankenpflegerin gegenüber einem katholischen Patienten tolerant sein, wenn sie weiß, dass ihre Kleidung Angst oder Unbehagen hervorruft, oder soll jeglicher Patient gegenüber dieser Krankenpflgerin tolerant sein, welche umgekehrt ohne ihre Kopfbedeckung Unbehagen empfindet? Würde ein Kopftuchverbot die Religionsfreiheit einschränken? Würden wir einem jüdischen Angestellten auch die Kippa verbieten? Könnten wir dann dennoch die Kruzifixe an der Wand hängen lassen..? 

Die Meinung der salto-comunity könnte zur Entscheidungsfindung beitragen...

 

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Oskar Egger Mi., 08.10.2014 - 07:39

Interessante Frage, Herr Blumtritt und sehr besonnen formuliert.
Also was den Vergleich angeht: Der Kippa ist religionsgesetzlich betrachtet das unwichtigste Symbol des Judentums und wird grundsätzlich nur in Ausübung der Religion getragen. Es ist, auch religionstechnisch gesehen (Juden betreiben bekannterweise keinen Proseletismus), kaum zu erwarten, dass man in Zukunft den von Ihnen beschriebenen Konflikt erleben wird. Eher finde ich den Vergleich mit der Schwesternkleidung der Klöster zutreffend und daran hat sich niemand gestört. Mich persönlich betreffen Symbole, die ich nicht mit freiem Willen verbinden kann, besonders wenn sie Frauen kennzeichnen und im Grunde verfassungsfeindlich sind. Dazu ein Artikel der Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor http: //de.qantara.de/inhalt/koran-auslegung-warum-ich-als-muslima-kein-kopftuch-trage-0. Der Arbeitgeber sollte hierin die Bekleidung ohne Ausnahmen festlegen und wer den Arbeitsvertrag unterschreibt, weiß was er tut.

Mi., 08.10.2014 - 07:39 Permalink
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gorgias Mi., 08.10.2014 - 07:53

Am Arbeitsplatz sollen Weltanschauungsfragen in den Hintergrund treten. Das soll für beide Seiten gelten. So soll ein Arbeitnehmer nicht für seine Äußerungen und Handlungen außerhalb seines Arbeitsplatzes gegängelt werden, solange sie nicht strafrechtlich relevant sind.

Mi., 08.10.2014 - 07:53 Permalink
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Christoph Moar Mi., 08.10.2014 - 08:53

Antwort auf von gorgias

"So soll ein Arbeitnehmer nicht für seine Äußerungen und Handlungen außerhalb seines Arbeitsplatzes gegängelt werden, solange sie nicht strafrechtlich relevant sind."

Das stimmt so leider nicht. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben beiderseits Rechte und Pflichten. Konkret sind bestimmte Dinge (beispielsweise die Schmähung von Vorgesetzten oder Kunden) einem Arbeitnehmer auch in seiner privaten Freizeit nicht erlaubt. Ansonsten ist das Vertrauensverhältnis, das die Grundlage eines Arbeitsvertrags bildet, nachhaltig geschädigt und eine Auflösung des Arbeitsvertrags "per giusta causa" rechtens. Bei kirchlichen Trägern kommen noch ein paar weitere Spezialfälle dazu.

Das, was gestern hier (aber woanders) passiert ist, war in der Vorgehensweise (öffentliche Zurschaustellung) aber völlig daneben.

Mi., 08.10.2014 - 08:53 Permalink
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Sylvia Rier Mi., 08.10.2014 - 09:39

Antwort auf von Christoph Moar

Ich habe lange darüber nachgedacht, bin aber noch nicht wirklich zu einem Ergebnis gekommen (aber so ziemlich fast ;-), d. h.: Wenn sich eine Person zwar außerhalb ihres Arbeitsumfeldes, aber keineswegs privat (= aller Welt einsehbar und zugänglich) als Arbeitnehmer eines Betriebes zu erkennen gibt (umso mehr wenn letzterer ein öffentlicher Betrieb ist), dann muss diese Person doch damit rechnen, irgendwann "erkannt" zu werden? Kann dann noch von "öffentlicher Zurschaustellung" (aka: an den Pranger stellen) gesprochen werden? Und natürlich: Wenn diese Person Aussagen tätigt, die sich weit, weit abseits jeglicher gesellschaftlichen, moralischen und ethischen Norm/en bewegen, und wenn sich noch dazu diese Aussagen mit der (öffentlichen) Aufgabe ihres Arbeitsgebers mehr als nur kreuzen und ihnen völlig und in jeder Hinsicht zuwider laufen - ist es dann nicht selbstverständlich und sogar zwingend, diese Person zur Rechenschaft zu ziehen? Und ich habe noch gar nicht davon gesprochen, dass ja die (öffentlichen!) Aussagen und Handlungen von Arbeitnehmerinnen stets auch auf ihre Arbeitgeber zurück fallen und - im Falle, von dem ich spreche - ein überaus hässliches Schlaglicht auf letztere/n werfen. Ja, ich glaube, wer sich öffentlich "betätigt" - ob im Guten oder im Schlechten - muss damit rechnen, öffentlich zur Rechenschaft gezogen zu werden. Irre ich?

Mi., 08.10.2014 - 09:39 Permalink
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Christoph Moar Mi., 08.10.2014 - 10:11

Antwort auf von Sylvia Rier

Nein, du irrst dich nicht. Das Problem ist nicht neu, Facebook gibts ja schon ein paar Jährchen. Zumindest im Deutschen Rechtsraum gilt die private Facebookseite, selbst wenn sie öffentlich zugänglich ist, als privat im Sinne dass der Arbeitgeber sich nicht wirklich darauf beziehen kann. Entsprechende Gerichtsurteile in Deutschland sind vorhanden. In Italien keine Ahnung. Wenn der Arbeitgeber aber über andere Wege erfährt, dass du ihn oder seine Kunden schmähst, und hier kann ich in vorliegendem Fall Parallelen sehen, hat er alle Recht der Welt, das Vertrauensverhältnis, das die Grundlage des Arbeitsvertrages bildet, als gebrochen zu sehen.

Wer sich öffentlich äußert, darf öffentlich kritisiert werden. Ich stimme dir zu. Journalistische Medien haben aber auch Privatsphäre und den Schutz der Person zu gewähren, das "öffentliche Interesse" ist stets dagegen abzuwägen. Will damit nichts kleinreden, bloss darauf hinweisen dass unterschiedliche Rechte (das des Arbeitgebers oder seiner Kunden, das des Mitarbeiters) stets sorgfältig gegeneinander abgewägt werden müssen. Auch "Täter" (ohne dass ich den konkreten Fall meine, und schon gar nicht von "Tat" reden möchte) haben Rechte, die respektiert werden sollten.

Mi., 08.10.2014 - 10:11 Permalink
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Sylvia Rier Mi., 08.10.2014 - 11:41

Antwort auf von Christoph Moar

Schon klar, Christoph, aber lass mich nochmal nachhaken: Dass die private Facebook-Seite privat ist und ff. wie du erklärst, ist kein Thema - gilt das alles aber auch dann noch, wenn auf der privaten Facebook-Seite der Arbeitgeber und zwar ganz eindeutig und unverwechselbar genannt wird? Was ist übrigens mit dem sog. "Image" (des Arbeitgebers), das ja Schaden nehmen kann!? Selbstverständlich haben auch "Täter" Rechte, das stellt ja niemand in Abrede und in dieser Hinsicht wurde/n ja auch kein/e Fehler begangen, meine ich (keine Selbstjustiz, kein Lynchmob usw. usf.) sondern schlicht der korrekte – meine ich – Weg gewählt, den Fall bei den zuständigen (!) Stellen/Behörden zu melden und denen das weitere Vorgehen zu überlassen. What’s wrong with that? NB: Und was ist mit dem „schlauen Bauern“ nebenan, dessen Namen sogar hervorgehoben wird? *blicktnimmerdurch* (ok, ich weiß, bin mehr oder weniger off topic und höre jetzt also auf).

Mi., 08.10.2014 - 11:41 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Mi., 08.10.2014 - 11:44

Antwort auf von Sylvia Rier

Interessant ihre Legitimierung des Prangers... seit dem Artikel am Montag haben für mich Wörter wie "Exempel statuieren" und "Zivilcourage" (ich glaube sogar von "Geißelung" war irgendwo die Rede) eine ganz neue Bedeutung bekommen.

Mi., 08.10.2014 - 11:44 Permalink
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Sylvia Rier Mi., 08.10.2014 - 12:34

Antwort auf von Mensch Ärgerdi…

Sämtliche Kommentare liegen ja noch auf meinem Rechner. Von "Zivilcourage" ist die Rede, allerdings (wüsste nicht, was daran falsch wäre) und auch von "Exempel statuieren", und zwar schreibt der user im Wortlaut: "Ich schlage vor, wir statuieren hier ein Exempel: Wir alle machen eine Mitteilung an das Krankenhaus Meran (Leitung), an den Südtiroler Sanitätsbetrieb, an die zuständige Landesrätin, an die Postpolizei." Alles andere sind böswillige Unterstellungen.

Mi., 08.10.2014 - 12:34 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Mi., 08.10.2014 - 12:51

Antwort auf von Sylvia Rier

Deswegen war das mit der Geißelung auch in Klammern, ich meine das war ein Kommentar unter einem anderen Artikel, es ging aber um das gleiche Thema, aber lassen wir das mal weg.
Was hat die Anschwärzung wegen rassistische Parolen auf seinem privatem Fb-Account eines Arbeiters bei seinem Vorgesetzten mit Zivilcourage zu tun? Wollte man mit dem "Exempel statuieren" nicht eher diesen Menschen für sein Denken bestrafen als das Image des öffentlichen Arbeitgebers zu schützen? Exempel statuieren bedeutet für mich jemanden in aller härte zu bestrafen um andere zu mahnen. Mit Zivilcourage handelt man wenn man in einer Situation ein hilfloses Opfer erkennt nicht hinweg sieht und schützend handelt.
Wenn Sie die Kommentare noch haben, dann würde ich Sie bitten posten sie in der gleichen Ordnung wie sie am Montag zu lesen waren in einen eigenen Artikel zu posten. Sonst macht diese Diskussion wenig Sinn.

Mi., 08.10.2014 - 12:51 Permalink
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gorgias Mi., 08.10.2014 - 10:43

Antwort auf von Christoph Moar

Ich habe natürlich nur Belange gemeint die das Arbeitsverhältnis tangiert. Was den in Deutschland als dritten Weg bezeichnetes Arbeitsverhältnis bei Angestellten der Kirchen angeht sehe ich Handlungsbedarf. Was geht es die Verwaltung in einem Krankenhaus in kirchlicher Trägerschaft an, ob die Putzfrau sich scheiden lässt oder ob der Internist zum Buddhismus konvertiert?

Mi., 08.10.2014 - 10:43 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 08.10.2014 - 08:15

Wenn man es katholischen Klosterfrauen erlaubt, als Krankenschwestern ihre Tracht zu tragen, dann kann man es moslemischen Frauen nicht verbieten, ein Kopftuch zu tragen. Allerdings sollte es dafür klare Regeln bezüglich Machart, Stoff und Farbe geben, damit Hygiene und Einheitlichkeit gewahrt werden.

Mi., 08.10.2014 - 08:15 Permalink
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Christoph Moar Mi., 08.10.2014 - 09:35

"Insofern finde ich auch, dass die öffentliche Hand als Arbeitgeber bei der Bewertung privater Aktivitäten sehr vorsichtig sein sollte und sich an geltendes Recht zu halten hat."

Völlig klar. Nichts anderes habe ich gesagt: Geltendes Recht ist, dass du als Arbeitnehmer zum Beispiel weder Arbeitgeber noch Kunden des Arbeitgebers schmähen kannst. Tust du das, ist das Vertrauensverhältnis nachhaltig geschädigt, eine Auflösung des Arbeitsvertrags möglich, rechtens, und aus meiner Sicht selbstverständlich legitim. Von Weltanschauung oder anderen Dingen habe ich nicht gesprochen.

Mi., 08.10.2014 - 09:35 Permalink
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Sylvia Rier Mi., 08.10.2014 - 09:49

Das Kopftuch übrigens würde ich erlauben. Das freundliche Gesicht bleibt ja dabei frei, und ein Kopftuch hindert in keiner Weise die pflegende Person daran, ihrer Aufgabe gerecht zu werden (das wäre bei einem Ganzkörper-Umhang oder einem weiten, wallenden Gewand wohl anders). Nicht zuletzt finde ich es eine ungeheure Anmaßung, dass wir glauben, anderen Frauen aus unseren Kulturen unsere Lebensweise/Ansichten aufzwängen zu müssen. Ob diese Frauen ihre Kopftuch aus freiem Willen tragen oder nicht, geht uns doch nichts an? So lange sie und alle, die hier leben, unsere Gesetze respektieren, dort, wo das im Sinne eines guten und friedlichen Zusammenlebens/Zusammenarbeitens nötig ist, wüsste ich nicht, wo diese Frage über eine simple Frage der Kleidung/des Stils hinaus geht?

Mi., 08.10.2014 - 09:49 Permalink
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Hartmuth Staffler Mi., 08.10.2014 - 11:07

Antwort auf von gorgias

Für die Sikh ist es eine religiöse Vorschrift, einen Turban zu tragen. Das kann für einen Krankenpfleger akzeptiert werden, nicht aber im OP-Saal, wo es eine vorschriftsmäßige Kopfbedeckung gibt. Für moslemische Frauen ist das Kopftuch keine religiöse Vorschrift, sondern religiöse Tradition. Sie könnten daher auch darauf verzichten. Die Türkei - von Atatürk bis zum Beginn der Erdogan-Herrschaft - hat als laizistischer Staat das Kopftuch im öffentlichen Bereich ausdrücklich verboten, jetzt kommt es mit Macht wieder. Ich halte von Verboten in diesem Bereich nicht viel, weil man Weltanschauungen oder Religionen damit nicht aus der Welt schaffen kann und auch nicht soll. Wohl aber müssen in einem Krankenhaus hygienische Vorschriften konsequent durchgesetzt werden.

Mi., 08.10.2014 - 11:07 Permalink
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Sylvia Rier Do., 09.10.2014 - 12:55

Antwort auf von Oskar Egger

Auf den ersten Blick könnte ich jetzt sagen, ja, sie könnten in gewisser Hinsicht Recht haben. Aberlgleich danach will mir scheinen, dass der Vergleich, den sie da ziehen, doch ein wenig hanebüchen ist. Wollen sie wirklich Prostitution und das Tragen eines Kopftuches auf ein und dieselbe Ebene ziehen? Ich glaube, das ist jetzt doch ein wenig weit her geholt, weshalb ich auch nicht weiter darauf eingehen möchte. Wenn ich aber andererseits diesen ihren bei-Kopftuch-Unterdrückung-Gedanken weiterspinne, dann gelange ich unweigerlich an einen Punkt, an dem unsere westlichen - emanzipierten, beruflich erfolgreichen und selbstständigen Frauen (es sind viele, glauben sie mir!) - sagen, sie schneiden ihr langes Haar nicht, weil ihr Mann das nicht wünscht. Oder sie tragen Röcke und keine Hosen, ihrem Mann zuliebe, usw. usf. Ich würde also - auch in der Kopftuchfrage - weniger von Zwang als von gesellschaftlichen/religiösen/familiären usw. usf. Konventionen sprechen, denen Menschen Folge leisten können, oder eben nicht. Tatsächlich sagt die Islam-Wissenschaftlerin in dem Spiegel-Text, den sie oben eingestellt haben, ja genau das: Es gibt keinen Zwang, einen Schleier/ein Kopftuch tragen zu müssen. Das heißt aber keineswegs, dass die nicht getragen werden können, wenn die Person sich dazu entschließt. Ich glaube auch nicht, dass ein Mensch sich für so etwas rechtfertigen muss, zumindest vor uns nicht, die wir der Kultur nicht angehören. Was aber m. E. gar nicht geht - und das war eigentlich mein Punkt - ist, dass "Außenstehende", in unserem Falle wir von einer fremden Kultur, sich in die "inneren" oder wenn sie wollen: privaten Belange einer anderen Kultur einmischen, bzw. dort herrschen wollen. Das geht in meinen Augen zu weit.

Do., 09.10.2014 - 12:55 Permalink
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Sepp.Bacher Mi., 08.10.2014 - 11:42

Mein kurzer Kommentar noch bevor ich die anderen Kommentare lese:
Mich wundert diese Frage, haben doch christl. Ordensfrauen-Krankenschwestern in Vergangenheit und jetzt ihr Kopftuch (oder wie das heißt) auch vor den Patienten getragen.

Mi., 08.10.2014 - 11:42 Permalink
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Sepp.Bacher Mi., 08.10.2014 - 11:51

Sie waren sicher in Vergangenheit auch in öffentlichen Spitälern angestellt, das Gehalt hat dann wahrscheinlich der Orden kassiert.

Mi., 08.10.2014 - 11:51 Permalink
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Christoph Moar Mi., 08.10.2014 - 12:23

Du musst niemand einstellen, der dir nicht schmeckt, sei es weil er oder sie das falsche Parteikartl hat. Du solltest das aber am Besten nicht als formellen nicht-Einstellungsgrund nennen. Als Kündigungsgrund hingegen, wenn du das also erst später rausfindest und du "nicht mehr magst" taugt dieser Grund recht wenig. Eine Kündigung für giusta causa ist nur legitim, wenn es objektive Gründe gibt, warum das Vertrauensverhältnis zwischen dir und dem Mitarbeiter zugrundegegangen ist. Ein falsches Parteikartl ist dabei sicher kein objektiver Grund, weder bei uns noch in anderen Ländern in denen ich das Thema Kündigungsschutz ein bisschen verfolge. Wie ich subjektiv finde, ist dieser eine Punkt zumindest nicht verkehrt - auch wenn sicher Vieles am Kündigungsschutz diskussionswürdig und modernisierbar wäre. Eine Kündigungsmöglichkeit nach Gutdünken ("mir gefällt dein Parteikartl nicht") ist sicher nicht in unserem Sinne.

Drum gilt: prüfe, wer sich ewig bindet. Gilt insbesondere auch bei Arbeitsverträgen.

Mi., 08.10.2014 - 12:23 Permalink
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Michael Bockhorni Mi., 08.10.2014 - 17:11

Antwort auf von Christoph Moar

in Österreich kann jeder Arbeitgeber ohne Angabe von Gründen (also auch wg. Parteikartl) aber unter Einhaltung der kollektivvertraglichen Kündigungsfristen (bei Angestellten üblicherweise 6 Wochen zu jedem Quartlasende) einen Arbeitsvertrag beenden. Im Unterschied zu fristlossen Entlassungen die begründet sein müssen, die Gründe sind durch Kollektivvertrag bzw. Gesetz vorgegeben. Allerdings gibt es in Österreich auch bei Kündigung durch den/die Arbeitnehmer_in nach 4 Wochen Sperrfrist ein Anrecht auf Arbeitslosengeld mit einer max. Höhe von ca. 1300 € netto (in Italien ca. 850 €).

Mi., 08.10.2014 - 17:11 Permalink
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Harald Knoflach Mi., 08.10.2014 - 19:13

Antwort auf von Michael Bockhorni

stimmt. im grunde gibt es vier möglichkeiten, ein dienstverhältnis zu beenden. entlassung (grobe verfehlung durch den arbeitnehmer. kein anspruch auf abfertigung), austritt (grobe verfehlung durch arbeitgeber. alle gesetzlichen ansprüche des arbeitnehmers bleiben bestehen), kündigung von seiten des arbeitgebers (einhaltung von fristen, abfertigungsanspruch usw.), kündigung von seiten des arbeitnehmers (einhaltung von fristen).

Mi., 08.10.2014 - 19:13 Permalink
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Christoph Moar Mi., 08.10.2014 - 20:29

Antwort auf von Harald Knoflach

Einer Kündigung durch den Arbeitgeber ist in Italien mit dem famosen Art. 18 ein ziemlicher Riegel vorgeschoben, ohne "giusta causa" schauts düster aus. Darum mein Hinweis, dass du wegen eines Parteikarterls keinen Mitarbeiter kündigen wirst, das wäre nicht sehr erfolgversprechend. Am Ende ist es aber auch egal, Gewerkschaften und Arbeitnehmer handeln ein Schmerzensgeld aus, ab dem der Arbeitnehmer der Kündigung zustimmt. Ohne seine Zustimmung, und ohne objektive Gründe, kann ein Unternehmen keinen Mitarbeiter kündigen, das mag in Österreich sicher anders sein.

Mi., 08.10.2014 - 20:29 Permalink
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gorgias Mi., 08.10.2014 - 17:49

Wenn ich so eine saloppe Aussage wie Es wird nicht so heiß gegessen wie gekocht wird, wundert es mich noch weniger dass es so Fälle von Infektionen in Krankenhäusern gibt.

Mi., 08.10.2014 - 17:49 Permalink
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Benno Kusstatscher Mi., 08.10.2014 - 20:08

Ich würde Kopftuch und Kippa ( ich kenne übrigens gar einige orthodoxe Juden, die die Kippa täglich bei der Arbeit tragen ) nicht mit Religionsfreiheit in Zusammenhang bringen, sondern mit dem Recht zur persönlichen Selbstbestimmung. Sie sind natürlich demonstrierte Zurschaustellung von Weltanschauungen, genau wie es Minirock, Dark-Kleidung, Punkfrisur, Springerstiefel oder eine Trachtenbluse sind. Verbot finde ich schäbig, solange nicht aus beruflichen Gründen unpassend. (Bademeister mit Springerstiefel wäre so ein Widerspruch) Im Falle eines Krankenhauses ist ein Kopftuch wohl wesentlich passender, als irgendwelche Zotteln. Man könnte aber ein weißes Tuch vorschlagen, das durch die Kochwäsche muss und die Erkennbarkeit garantiert. Die Flucht nach vorne, wäre, die Option Kopftuch gleich mit den Krankenhausklamotten anzubieten. Das würde auch gleich entgleisten Versionen Einhalt gebieten, denn bei beginnender Verschleierung, wäre der Akzeptanzgrad wohl schnell niederer.

Mi., 08.10.2014 - 20:08 Permalink
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gorgias Mi., 08.10.2014 - 21:07

Ja mit dem Problem dass viele Ärzte es nicht so mit dem Händewaschen haben, hatte schon Semmelweiss zu kämpfen. Die Ärzte sind eine störrischer reformresistente Priesterkaste, die mehr Wert auf Ständedünkel legt als auf das Wohl der Patienten legt.

Mi., 08.10.2014 - 21:07 Permalink
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Profil für Benutzer Maximilian Benedikter
Maximilian Ben… Mi., 08.10.2014 - 23:12

Ich komme etwas spät, aber ich möchte auch meine Antwort auf Franks Fragen abgeben. Also:
Ja, das Tragen des Kopftuchs für volljährige Personen im Krankenhaus sollte erlaubt sein. Nein, es ist keine Symbol nur einer spezifischen Religion, sondern ein sittlicher Verhaltungscodex mehrerer Religionen. Ja, die Regel sollte geändert werden. In welchem Aussmaß? Es darf keine Depersonalisierung (Erkennbarkeit/Gesicht) zugelassen werden. D.h Gesicht muss erkennbar bleiben. Nein, der Patient hat nicht das Recht sein Unbehagen vor dieser Art von Diversität zu äußern und sich hinter seiner Notlage zu verstecken. Die Institution garantiert für die professionelle Qualität der Leistung. Das nuss reichen. Ein Kopftuchverbot würde wahrscheinlich nicht Religionsfreihehit einschränken, aber das Zusammenleben erschweren. Nein, das Kruzifix soll/kann bleiben. Man sollte wenn schon diskutieren, ob auch andere Symbole auf die Wand dürfen. Seit wann sind Haare hygenisch? So. In aller Kürze meine Antworten.

Mi., 08.10.2014 - 23:12 Permalink
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Profil für Benutzer Oskar Egger
Oskar Egger Do., 09.10.2014 - 07:43

Um die hier ausufernde Diskussion zurückzuführen auf's Thema: Benno Kusstatscher, Sie geben sich selbst die Antwort: ich habe noch nie einen Arzt/Krankenschwester/Pfleger/Reinigungspersonal mit Dark, Springer oder in der Tracht gesehen. Ganz neben bei bin ich auch für die Einheitskleidung in Schulen (die gute alte Schürze), die, so haben Psychologen geforscht, sich sehr positiv auf das Schulgeschehen auswirkt.
Eine Kleiderregelung hat weder mit Erwachsensein, noch mit Religionsfreiheit zu tun, noch kann sie letztere einschränken (das ist zu banal). Sie ist ein Ausdruck von Demokratie, denn sie reduziert den Leistenden auf das Menschliche, auf die Gleichheit seiner Arbeitsleistung, auf seine Professionalität und lässt keinen Raum für Interpretationen anderer Natur. Sie gibt Sicherheiten im Umgang, denn sie erlaubt, im Ernstfall, den Arzt vom Feuerwehrmann zu unterscheiden. Dadurch wird sie nicht zur Uniform mit Machtinsignen oder Eidgeboten (wie die Toga), denn das ist wieder ein anderes Kapitel.
Ich bin, abschließend, dafür, dass alles Staatliche, aus Respekt, laizistisch sein muss. Also kein Kreuz und kein Thangka. Auch religiöse Speiseregelung finde ich in Mensen nicht zumutbar. Jeder findet etwas, wenn er will. Vielleicht ist das endlich ein Weg hinaus aus diesem Religionsdesaster, das uns allen nur Unheil gebracht hat.

Do., 09.10.2014 - 07:43 Permalink
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Profil für Benutzer Oskar Egger
Oskar Egger Do., 09.10.2014 - 08:14

Antwort auf von Oskar Egger

...ps. mit staatlich meine ich natürlich alles öffentliche. Und Herr Blumtritt, die Überlegung muss auch sein: wann ist der Beitrag zur Demokratie langfristig größer? Das Problem Klosterfrauentracht ist ein schwindendes, in re ipsa. Andererseits finde ich es an der Zeit, dass alle, die in einer Demokratie leben möchten, bereit sind, ihren Beitrag dafür zu leisten. Dazu gehört, dass eine buddhiste Nonne/Mönch, z.B., ihre orangenen Gewänder zugunsten der Krankenhauskleidung ablegt. Warum das ganze Theater mit der Kopfbedeckung? Tatsache, dass dies so ein Thema wurde, lässt in mir so manchen Zweifel aufkommen.

Do., 09.10.2014 - 08:14 Permalink
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Profil für Benutzer Frank Blumtritt
Frank Blumtritt Do., 09.10.2014 - 23:48

Antwort auf von Oskar Egger

Die Kopfbedeckung ist ja nur eine "pars pro toto", ein Aufhänger, um ein weitaus größeres Phänomen zu beschreiben (sonst hätte es nicht zig Kommentare gegeben).
Mir kommen eher Zweifel, wenn eine Kopfbedeckung plötzlich eine Gefährdung für die Demokratie sein soll. Ich denke, weder eine "laizistische Sterilisation individueller Eigenarten", noch die "Krankenpflegerin im Mönchsgewand" können zur langfristigen Demokratie beitragen.

Do., 09.10.2014 - 23:48 Permalink
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Profil für Benutzer Oskar Egger
Oskar Egger Fr., 10.10.2014 - 09:06

Antwort auf von Frank Blumtritt

Ich möchte mich wirklich nicht an dieser Stelle über Symbole und deren Gefahr für die Demokratie einbringen. Ihren Vorwurf, Beurteilung, Bewertung meiner Überlegung als, wie sie sie nennen "laizistische Sterilisation individueller Eigenschaften" (kurios, zumindest kreativ im Vergleich zu den oft automatischen Schubladierungen anderer Gesprächsteilnehmer) möchte ich dahingehend überlegt wissen, indem über folgende Frage nachgedacht wird: sind es wirklich die individuellen Eigenschaften eines Menschen, die durch die wirtschaftsgelenkte äußerliche Erscheinung (Markendruck auf Kids) oder religionsindoktrinierte Kennzeichen in Erscheinung treten? Was machen die individuellen Eigenschaften aus? Was ist kulturell aufgesetzt/manipuliert, was ist frei? Ich kann mich an eine Zeit erinnern, in der kleine Mädchen in derSchule angehalten wurden, ihre Arme zu bedecken, denn das sei unkeusch. Hier in Südtirol. Dahin will ich, zumindest, nie wieder zurück.

Fr., 10.10.2014 - 09:06 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Fr., 10.10.2014 - 11:33

Antwort auf von Oskar Egger

Ich denke die von Ihnen gestellten Fragen muss jeder für sich selbst beantworten. Ich bin Atheist, und war doch bei der Volkstanzgruppe und habe die Messe mitgestaltet, weil es in der Gruppe so gemacht wurde.
Ich habe trotzdem ein goldenes Kreuz um meine Hals hängen, weil ich es vor 30 Jahren, 5 Monaten und 1 Tag von meinem Vater zum Geburtstag geschenkt bekam, und er noch am selben Tag verstorben ist.
Bin ich nun kulturell manipuliert? Sind es individuelle Eigenschaften, oder ist es einfach "MEIN LEBEN"?

Ich kann mich auch an diese Zeiten erinnern, aber wenn Sie wirklich fürchten, es könnte wieder so werden, schätzen Sie die Religion zu stark ein, oder die Gesellschaft zu schwach.
Ich habe eher davor Angst, dass es Marken - Konzern- indoktriniert in die genau andere Richtung geht.

Fr., 10.10.2014 - 11:33 Permalink
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Profil für Benutzer Oskar Egger
Oskar Egger Fr., 10.10.2014 - 12:49

Antwort auf von Manfred Gasser

Ihr goldenes Kreuz, als Erinnerungsstück kann ich so gut verstehen, auch, dass Sie als Atheist in der Gruppe trotzdem mitmachen. Ich glaube, wenn Sie mir erlauben, gerade, weil Sie es bewußt machen, ist es ein verantwortungsbewußtes, erwachsenes Sozialverhalten. Individuelle Eigenschaften sind anderer Natur, meine ich. Dass Marken und Konzerne manipulieren, darüber sind wir einer Meinung. Religion schätze ich deswegen so stark ein, weil sie mit dem Irrationalen arbeitet, mit der Knechtschaft und Abhängigkeit, das hat gar nichts mit Glauben zu tun. Wenn religion nicht stark wäre, könnte es nicht sein, dass Menschen in ihrem Namen töten und sich selbst das Leben nehmen. Und ja, die Gesllschaft erachte ich für schwach, besonders die europäische. Sie besinnt sich ihrer Geschichte, ihrer Werte, nicht, lässt sich manipulieren, hat keine Zukunftsperpesktiven, rennt immer wieder irgendwelchen Machern nach, die sagen wo' s langgeht, analysiert nicht und hat keinen Mut zum Widerstand.

Fr., 10.10.2014 - 12:49 Permalink
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Profil für Benutzer Oskar Egger
Oskar Egger Do., 09.10.2014 - 15:21

Um noch einmal auf das Thema Zwang zu kommen, das hier sogar von weiblicher Seite wegdiskutiert wird, erlaube ich mir das Buch der Muslimin, selbst 30 Jahre Kopftuchträgerin, Emel Zeynelabidin "Erwachsen wird man nur im Diesseits". Sie erzählt darin vom mutigen Schritt zu ihrer "Entlassung in die Unabhängigkeit" – wie sie das Ablegen des Kopftuches in ihrem persönlichen Fall bezeichnet. Für Zeynelabidin ist die Frage nach der Kopfbedeckung aber auch integrationsbedingt, denn "Integration beginnt mit der Bereitschaft, die Welt des anderen kennenzulernen, dies gelingt selbstverständlich nicht, wenn man sich nicht füreinander interessiert und freiwillig ausgrenzt", so die Autorin. Aus ihrer Aversion über das Tragen der Burka macht sie keinen Hehl, denn diesen Frauen bleibe ihrer Ansicht nach jegliche Art der zwischenmenschlichen Kommunikation verwehrt.
Beim Durchlesen der Beiträge fröstelt mich ein wenig, wenn Mann, Anhänger der Kopftuchmode, nun schon von Zotteln spricht. Das Haar ist immerhin von großem psychologischem Wert und ich würde mich nicht wundern, wenn hinter dem Mäntelchen der Tolleranz, sich so manche frauenfeindliche Haltung verstecken könnte.

Do., 09.10.2014 - 15:21 Permalink