Politik | Offener Brief

Plädoyer für den Wutbürger

„Ich bin froh, ja sogar sehr froh, dass es die Wutbürger auch in Südtirol gibt“: Hansjörg Kofler vom Forum Politikerrenten schreitet zur Verteidigung einer neuen Spezies.

Bei der offiziellen Geburtsstunde des Südtiroler Wutbürgers, den Protesten am Landhausplatz im vergangenen März, führte er Regie. Nun schreitet Hansjörg Kofler, Sprecher des Forums Politikerrenten, in einem offenen Brief einmal mehr zur Verteidigung der „Geister“, die er zumindest mit rief.

Wenn ich Leitartikel, Kommentare und Aussagen zum Thema „Wutbürger" lese und höre, bin ich sehr enttäuscht. Das Wort "Wutbürger " wird fast schon zu einer Degradierung der angesprochenen Personen. Der Landeshauptmann macht das Wort „Wutbürger" in seiner Replik zum Landeshaushalt zum Thema. Der Verantwortliche Direktor der Wochenzeitung ff erklärt das Jahr 2014 zum Jahr der Wutbürger und sagt, es sei ihm lieber, sie verschwänden möglichst bald wieder. Ihm sind Klugbürger lieber, vielleicht weil er meint, so könne wieder eine Zeitung die Themen diktieren. Nein, Herr Direktor, ich bin froh, ja sogar sehr froh, dass es sie - die „Wutbürger" - auch in Südtirol gibt. Das Wort Wutbürger kommt übrigens vom Protest zum Stuttgarter Bahnhofsareal.

Was ich hier sagen möchte: Die Wutbürgen sind hier in Südtirol ein neues Phänomen geworden, aber es hat sie gebraucht und es wird sie noch langen brauchen. Ohne sie wäre der Rentenskandal, die Diskussion über das Gesundheitswesen und vieles mehr nie so diskutiert worden. Nur durch diese couragierten Personen mussten die Medien über so viele Monate berichten, ohne Wutbürger wären nie so schnell gerichtliche Ermittlungen zum Rentenskandal eingeleitet worden. Wenn in der Politik Regierung und Opposition versteckt zusammenspielen, wird und muss man zum WUTBÜRGER werden.

Hansjörg Kofler, Sprecher des Forum Politikerrenten

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gorgias So., 21.12.2014 - 13:01

Wutbürger ist noch ein Euphemismus. Wer an diesem Tag anwesend war, konnte Schimpf- und Fluchwörter und Vulgaritäten hören. Die einzelnen Redner die aus der Masse kamen, konnten die Sau rauß lassen und wurden von den Organisatoren in keinster weise gestoppt. Als anwesender stiller Beobachter dieses neuen Südtiroler Phänomens am besagten Tage, würde ich sagen, dass das Wort Mob oder Pöbel schon besser passen würde.

So., 21.12.2014 - 13:01 Permalink
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gorgias So., 21.12.2014 - 17:14

Antwort auf von Erna Marsoner

>Warum waren Sie an diesem besagten Tag anwesend?<
Weil ich mir das Ganze ansehen wollte und vieleicht auch mittun, habe aber bald gesehen, dass das eine Veranstaltung zum Fremdschämen war. Das ist der Tag an dem in Südtirol der servile Untertan vom pöbelden Prolenten abgelöst wurde und ich wollte nicht in diesem Chorus mit einstimmen. Wollte mir aber, als ich schon dort war das Ganze aus einer bestimmten Distanz beobachten, denn mir war schon damals als politisch interessierter Mensch bewusst, dass das für Südtirol ein Novum war.

>Und welches Recht nehmen Sie sich, andere Menschen pauschal als Mob oder Pöbel zu bezeichnen?<
Wenn Menschen nicht fähig sind sich klar zu artikulieren und am Ende noch hinzufügen: "Auf guat Deitsch gsog: Des sein olls fockn", dann gibt es für mich keine bessere Bezeichnung als Mob oder Pöbel. Und das ist nur ein Ausfall von vielen an diesem Tag. Wenn man Politiker auf die Bühne holt und sie nur ausbuht und nicht zu Wort kommen lässt. Wenn man ein Dildo und ein Galgen und andere Geschmacklosigkeiten aufstellt und einzelne Sprecher in ihrer Rede mehr als 20 Mal fluchen. Ich habe nicht alle, aber sicher 10 Redner an diesem Tag gehört und von denen hat nur einer sich kritisch, aber gesittet über den Rentenskandal ausgedrückt.
Es gehören nicht alle, die an jenem Tag anwesend waren ein Mob oder Pöbel, aber jene die sich wie ein Moder oder Pöbel benommen haben, haben diese Bezeichnung durchaus verdient.

So., 21.12.2014 - 17:14 Permalink
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Erna Marsoner So., 21.12.2014 - 19:27

Antwort auf von gorgias

Wenn ich das jetzt richtig verstanden habe, so bezeichnen Sie etwa 10 Redner als Mob oder Pöbel. Sie zählen sich dann zu den restlichen nach Zeitungsberichten 600 – 700 protestierenden Menschen oder wie Sie es bezeichnen servile Untertanen.
Nun sieht die Situation doch schon ganz anders aus!
Jede/r hat seine eigene Meinung zu dem besagten Tag. Populistisch und pöbelhaft, gemobbt oder nicht, ... in der Politik ist es im Prinzip dasselbe Verfahren, nur taktisch ausgeklügelt und in Worten schön verpackt.
Ich ziehe den Hut vor allen anwesenden DemonstrantInnen in Bozen (bis auf wenige Ausnahmen) die über Stunden vor dem Landhaus ausgeharrt haben und ihren Unmut Kund getan haben.
Wovon ich jedoch nicht viel halte, sind Menschen, die sich hinter irgendwelchen Decknamen verstecken und nicht unter ihrem vollständigen Namen schreiben.
Ich wünsche noch einen schönen Abend Frau oder Herr Gorgias.

So., 21.12.2014 - 19:27 Permalink
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gorgias So., 21.12.2014 - 19:43

Antwort auf von Erna Marsoner

Der Pöbel war auch in der Masse die auch nicht mit Geschrei, Gefluche und Geschimpfe gespart hat und so die ganze Veranstaltung mit begleitet hat. Die Redner habe ich nur exemplarisch genannt, aber die Veranstaltung und die ganze Menge wurde von Gepöble dominiert. Wenn die Redner ihres von sich gaben und dabei oft unter die Gürtellinie gingen, gab es niemals ein ablehnendes Zeichen, sondern nur zustimmende Zurufe. Außerdem haben die Menge alle Politiker die ihnen nicht genehm waren niedergebrüllt und auch beschimpft. Das ist und bleibt für mich Pöbelhaftes benehmen.

Frau Marsoner, ich weiss nicht ob sie an jenem Tag auf dem Landtagsplatz waren, ich habe jedenfalls beobachtet, dass jene die sich zurücknahmen die Ausnahme oder zumindest die Minderheit an diesem Tag waren.

So., 21.12.2014 - 19:43 Permalink
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Erna Marsoner So., 21.12.2014 - 20:45

Antwort auf von gorgias

Klaus Egger schreibt es treffend in seinen ersten beiden Sätzen: „In dem Moment wo solche Bewegungen aufkommen, ist sowieso schon sehr viel schief gegangen. Da ist das Kind schon in den Brunnen gefallen.“
Es ist nicht schwer, das Verhalten der Bevölkerung zu kritisieren Georgias. Dieses Verhalten hat seine Gründe! Wir alle sollten die Reaktion der Bevölkerung nicht unterschätzen und auch Ernst nehmen. Abgeordneter Josef Noggler hat dies in einem Interview ebenfalls erwähnt, genauso wie den Umstand, dass diese Demonstration notwendig war um bestimmte Dinge zu ändern.
Frau/Herr … , … unangenehm, wenn man nicht weiß mit wem man es zu tun hat, dies könnte man ebenfalls auf eine Weise als pöbelhaft bezeichnen.
Was ich eigentlich sagen wollte: ich war anwesend in Bozen, habe teilweise mitgeholfen und selbst auf der Bühne einige Sachen vorgebracht, ohne irgendwelche Schimpfwörter zu benutzen.
Eine Bemerkung noch: bei der Kundgebung in Sterzing vor dem Krankenhaus war die Stimmung ebenfalls sehr angespannt und die Leute waren sehr sehr aufgebracht und brüllten ebenfalls. Die Organisatoren waren diesmal jedoch andere. Fazit: irgend etwas läuft schief in der Politik ... oder?

So., 21.12.2014 - 20:45 Permalink
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gorgias So., 21.12.2014 - 21:19

Antwort auf von Erna Marsoner

> Es ist nicht schwer, das Verhalten der Bevölkerung zu kritisieren Georgias. Dieses Verhalten hat seine Gründe! <
Dass dieses Verhalten sein Gründe hat bestreite ich keineswegs. Ich kritisiere die Art der Reaktion. Man kann seinen Unmut auch auf Zivilisierte Art Luft machen. Das waren ja einzelne auch im Stande. Ein Großteil war es nicht.

>Frau/Herr … , … unangenehm, wenn man nicht weiß mit wem man es zu tun hat, dies könnte man ebenfalls auf eine Weise als pöbelhaft bezeichnen.<
Tut mir leid wenn ihnen die Onlinekultur fremd ist, aber ein Tip: Einfach die Anrede weglassen. Ich muss sagen ich finde es immer komisch wenn man bei einem pseudonym noch ein Herr oder Frau vorne anstellt.

>ich war anwesend in Bozen, habe teilweise mitgeholfen und selbst auf der Bühne einige Sachen vorgebracht, ohne irgendwelche Schimpfwörter zu benutzen.<
Dann bin ich für Sie froh, dass Sie ein Mindestniveau halten konnten, war an diesem Tag nicht selbstverständlich.
Es gab auch einiger Personen, die es schafften auch ohne Schimpfworte unter die Gürtelline zu gehen. Jemand aus Vahrn, eine Frau, ich weis nicht mehr wer sie war, witzelte über Laimer der nun unter der Fuchtel der Schwiegermutter sein sollte. Das ist nicht das Niveau das ich mir wünsche.

So., 21.12.2014 - 21:19 Permalink
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Erna Marsoner Mo., 22.12.2014 - 22:09

Antwort auf von gorgias

„Ich kritisiere die Art der Reaktion. Man kann seinen Unmut auch auf Zivilisierte Art Luft machen.“
Natürlich kann man auf zivilisierte Art Luft machen, da schließe ich mich gerne an. Jede/r ist für ihr/sein Verhalten SELBST verantwortlich. Niemand wurde zu etwas gezwungen, bzw. genötigt. Diese und ähnliche Demonstrationen waren notwendig, davon bin ich überzeugt!
Vielleicht waren es gerade die schlimmen Schimpfwörter die viele von uns erst hellhörig machten? (soll nicht heißen, dass ich das für gut befinde!)
Vielleicht war es die Ausdauer der Protestierenden die stundenweise warteten, bis die Abgeordneten herauskamen und sich zu Wort meldeten?
Vielleicht waren es die brennenden Fackeln in Sterzing, die die Stimmung zündelten?
Darauf werden wir wohl kaum Antworten erhalten, wir können nur Vermutungen anstellen.
Eines sollte uns allen jedoch klar sein: wir dürfen das nicht auf die leichte Schulter nehmen! Das Maß ist lange schon voll! Dann braucht es nur solche „Kleinigkeiten“ wie den Rentenskandal und das Fass läuft über!
Die 1.500 MILLIONEN Euro die JÄHRLICH den Bach runterfließen, weil sich Rom nicht an die Abkommen mit Südtirol hält, sämtliche Prestige Projekte wie Flughafen, Brennerbasistunnel, usw. Sel-Skandal und und und … um nur einige zu nennen, das sind die eigentlichen Skandale die die Menschen lange schon wachrütteln hätten sollen!!! Die Betonung liegt auf: hätte sollen!
Beim Rentenskandal haben die Menschen einen direkten Vergleich zu ihrer eigenen Rente, viele sagen die Menschen sind neidisch, ist verständlich. Mit welcher glaubwürdigen Begründung sind solch hohe Unterschiede beim Gehalt und bei der Rente der verschiedenen Berufe zu RECHTfertigen? Das ist NICHT nachvollziehbar!
Die Krönung zum Schluss: die Rekurse der Altmandatare … GELD, GELD, und nochmals GELD
Zur „Onlinekultur, die mir scheinbar fremd sei“: Meiner Meinung nach ein großer Fehler den die Herausgeber der jeweiligen Seiten machen, wenn sie es erlauben, Pseudonyme zu verwenden! Das unterstützt keinesfalls eine niveauvolle Unterhaltung, sondern ist Nährboden für schlechtes Benehmen!

Mo., 22.12.2014 - 22:09 Permalink
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Klaus Egger So., 21.12.2014 - 14:40

Indem Moment wo solche Bewegungen aufkommen, ist sowieso schon sehr viel schief gegangen. Da ist das Kind schon in den Brunnen gefallen. Ich hatte mich ursprünglich auch sehr schnell auf deine Begrifflichkeiten beschränkt Gorgias. Mob und Pöbel kamen auch mir in den Sinn. Es würde der Sache aber nicht gerecht werden. Wie du schreibst, gab es auch viele stille Beobachter, nicht nur direkt vor Ort. Vielen denen "etwas stinkt", aber es noch nicht eingrenzen oder formulieren können. Diese alle in einem Topf zu werfen, würde der Sache auch nicht dienlich sein.
Fakt ist, dass die Sachen niemal so einfach sind, wie Populisten oder auch selbst ernannte Sprecher der Wutbürger vermeintlich propagieren.

So., 21.12.2014 - 14:40 Permalink
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Michael Bockhorni So., 21.12.2014 - 15:26

"was lange gärt wird endlich wut" war ein spruch der sponti szene in den 70er jahren und hat sich auf die unzufriedenheit mit (der unveränderlichkeit) herrschender verhältnisse bezogen. insofern ist etwas veränderungsenergie sicher gut, auch in südtirol. das erschrecken hat m.e. mit dem stil zu tun, der allerdings bei den meisten revolutionären = gesellschaftverändernden bewegungen (arbeiter, grüne, ...) zu beginn von den situierten wenig goutiert wurde. es wird sich also zeigen welche gestalterische qualität die wutbürger_innen in südtirol an den tag legen.

So., 21.12.2014 - 15:26 Permalink
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Christian Mair So., 21.12.2014 - 16:32

In Krisen tritt ein geläufiger Mechanismus auf, der des Sündenbocks, mit dessen Vertreibung aus dem Gemeinwesen archaische Welten seine Heilung bewirkten. Und aus diesem Grund ist eine Facette des Wutbürgers die Niedertracht, eine Komponente besteht aus "Pegida"-ähnlichen Einflüssen und nicht die eines aufgeklärten Bürgers, der sich zu einer engagierten Lebenshaltung entscheidet, zu gewaltloser Revolte und zu zivilem Ungehorsam.

So., 21.12.2014 - 16:32 Permalink
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Markus Lobis So., 21.12.2014 - 21:40

Eine ungute Entwicklung, hier orte ich den Geist, der hinter Pegida, Dügida etc. steckt. Undifferenziertes, kanalisierbares dumpfes Wütend- und Frustiertsein, das von dubiosen Tribunen hochgeschaukelt wird - nein, das kann's nicht sein.

So., 21.12.2014 - 21:40 Permalink
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Erna Marsoner Sa., 03.01.2015 - 11:07

Antwort auf von Markus Lobis

Wir hatten bereits auf facebook in Bezug auf die Demo in Bozen andere Anschauungen und einige Diskussionen darüber. Jeder so wie er/sie meint.
Dieser Kommentar ist mir neu: „ ... der Geist, der hinter Pegida, Dügida etc. steckt“.

Bitte was haben die Forderungen des Forums Politikerrenten mit den Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes zu tun?

Forderungen des Forums Politikerrenten:

1. Rückgabe der ausbezahlten Rentenvorschüsse, sofortige Auflösung des Family Fonds und die Annullierung der heutigen Rentenvorschüsse.
2. Rücktritt aller Verantwortlichen, die dieses Gesetz 2012 verabschiedet haben.
3. Abschaffung der Politikerrenten (Nordtirol hat es uns schon vor 17 Jahren vorgemacht).
4. Alle Abgeordnete neu und alt müssen die Rentenvorschüsse zurückzahlen. Sie müssen sich selber versichern.
5. Gottfried Tappeiners Rücktritt. ERLEDIGT.
6. Mandatsbeschränkung auf zwei Legislaturen.
7. Abschaffung des Regionalrats.
8. Reduzierung des Landtages auf 20 Abgeordnete und Landesregierungsmitglieder dürfen nicht gleichzeitig im Landtag sitzen.
9. Mindestrenten und Invalidenrenten müssen sofort auf 800 Euro angepasst werden und vom aufgelösten Family Fond finanziert werden.
10. Gleichstellung des „Öffentlichen“ und privaten Rentensystems.
11. Offenlegung der Buchhaltung des Landes (Betrieb Land) Südtirol.

Solidarisch erklären wir uns mit den Sorgen der Menschen bezüglich dem Gesundheitswesen!

Sa., 03.01.2015 - 11:07 Permalink
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Wilfried Meraner Mi., 07.01.2015 - 10:29

Antwort auf von Markus Lobis

Sehr geehrter Herr Lobis,
diese Diskussion geht zwar schon sehr lang hin, aber vielleicht "nützt" es doch noch etwas zur besseren Verständigung.
Meistens bin ich mit Ihren Beiträgen sehr einverstanden, aber diesmal nicht. Begründungen: siehe auch meinen früheren Kommentar, am 2.1.15.
Ich verstehe Ihre Gründe sehr wohl, aber den Vergleich mit Pegida usw. finde ich nicht richtig. Hier ein berechtigter Aufschrei gegen die richtigen Leute in falscher Form, dort eine unberechtigte Vorgangsweise, weil gegen die falschen Leute gerichtet und verallgemeinert.
Ich sage bewusst "in falscher Form", denn der Inhalt war meist nicht so falsch! "Olls Fockn" z.B. Ist der Inhalt falsch?
Ist es nicht eine bodenlose Gemeinheit, sich selber zu bereichern und gleichzeitig den Ärmsten noch etwas wegzunehmen?
Wundern Sie sich wirklich, wenn dann solche Aussagen kommen? Ich sage: schrei lieber deine Wut "falsch" heraus,
bevor du dich noch weiter malträtieren lässt!
Vielleicht können viele erst nach einem befreienden Aufschrei zu einem konstruktiven Verhalten finden - wenn sie auch sehen, dass es die richtigen Konsequenzen gibt. Ohne einen massiven Aufschrei hätte sich jedenfalls gar nichts
geändert!
Oder glauben Sie, es hätte ausgereicht, wenn man in massvoller Form und mit sachlichen Argumenten protestiert hätte?
Und wer hätte das gemacht? Sie und ich und ein paar andere? Wäre das nicht einfach untergegangen? Die meisten Leute hätten mMn nichts davon gemerkt, und wir hätten heute nicht diese zumindest viel wachsamere Haltung der Bürger und Bürgerinnen.

Mi., 07.01.2015 - 10:29 Permalink
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Martin Daniel Mo., 22.12.2014 - 10:46

Man kann über die Wutbürger denken wie man will, Fakt ist, dass sie mit ihren Protesten einen Reformdruck ausgeübt bzw. verstärkt haben, wie es allen anderen Kritikern nicht gelungen ist. Eine Bekannte von mir, die sich nie für Politik interessiert hat, war am Magnago-Platz, um der Entrüstung gegenüber der Selbstbedienungsmentalität einer Kaste Unterstützung zu verleihen. Einfach nur Präsenz, ohne Brüllen und Schimpfen. Als Kury vor Jahren im Regionalrat wiederholt die Abschaffung der Leibrenten beantragte, wurde sie von den Kollegen angefeindet, heute hätte solch ein Vorschlag die Rückendeckung der öffentlichen Meinung. Veränderungen kommen nicht immer Samthandschuhen daher.

Mo., 22.12.2014 - 10:46 Permalink
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gorgias Di., 23.12.2014 - 09:17

. Ich will keine hochtrabenden historischen Vergleiche anbringen, doch die meisten Revolutionen gingen nicht von intellektuellen Lesezirkeln aus, sondern vom Pöbel, vom Mob, vom Wutbürger.

Das stimmt nicht, das prominenteste Beispiel ist die russische Revolution 1917, wo alles von einer intellektuellen Elite gesteuert wurde. Die meisten Mob lösen sich so schnell auf wie sie sich zusammengerottet haben, nachdem der Pöbel Dampf abgelassen hat. Verga hat das sehr gut in seiner novelle libertà verarbeitet, wo bei dem erwarteten Antreffen der Truppen anfangen die Oberschicht abzuschalten. Nach dem sich die Leute ausgetobt hatten gehen sie wieder zurück ihre gewohnten Tätigkeiten zu verrichten, weil sie nichts anderes kennen. Als die Truppen Garibaldis kommen werden viele festgenommen und hingerichtet.
Mit dumpfer Wut kommt man nicht weit.

Di., 23.12.2014 - 09:17 Permalink
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gorgias Di., 23.12.2014 - 15:05

Man hat es geschafft, sich den Dampf des Pöbels zu Nutze zu machen. Ist die Situation für die Bürger besser geworden? Vom Zarentum in den Stalinismus? Fortschritt ist das keiner.

Dieses Resümee ziehe ich auch. Kultureller und politischer Fortschritt entsteht durch diese Pöbelaufstände sicher nicht.

Di., 23.12.2014 - 15:05 Permalink
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Erna Marsoner Di., 23.12.2014 - 16:34

Haben wir mit den Demos scheinbar nichts erreicht, so war dies hier auf salto eine recht interessante Unterhaltung.
Ich wünsche euch allen, besonders dem Mob, Pöbel und den Wutbürgern von Bozen, Sterzing, Innichen und Schlanders besinnliche Weihnachtsfeiertage und alles Gute, Glück, Zufriedenheit und besonders die Gesundheit für das Neue Jahr 2015!
Liebe Grüße an alle
Erna Marsoner

Di., 23.12.2014 - 16:34 Permalink
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gorgias Di., 23.12.2014 - 16:54

Antwort auf von Erna Marsoner

Was die Krankenhäuser in der Peripherie anbelangt bin ich dafür dass neue Konzepte ausgearbeitet werden. Allgemeine Krankenhäuser dieser Größe sind für die Allgemeinheit nicht tragbar.
Und was die Politikerpensionen angeht haben sich die Neumandatare schon etwas ausgedacht. Für sowas wie Langatmigkeit, Details und Differenzierung fehlt dem Pöbel die genügende Aufmerksamkeitsspanne.

Di., 23.12.2014 - 16:54 Permalink
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Erna Marsoner Di., 23.12.2014 - 22:42

Oliver, dies ist nicht spöttisch gemeint. Vielleicht hätte ich besser schreiben sollen, dass ich euch und allen die an den Demonstrationen teilgenommen haben viel Glück wünsche. Es ist hier nicht viel Gutes, geschrieben worden: Mob und Pöbel, Moder, Wutbürger, servile Untertanen, Pöbel und nochmals Mob. Ich habe vollsten Respekt vor allen (wie gesagt mit ein paar wenigen Ausnahmen) die sich an den Demos beteiligt haben und durch ihr Dasein etwas bewirken, verändern wollten, auf die verschiedensten Dinge aufmerksam machen wollten. Es war nicht umsonst und es war nicht alles schlecht!
Deshalb nochmals auch wenn ich mich wiederhole: besinnliche Weihnachtsfeiertage und alles Gute, Glück, Zufriedenheit und besonders die Gesundheit für das Neue Jahr 2015!

Di., 23.12.2014 - 22:42 Permalink
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Erna Marsoner Mi., 24.12.2014 - 09:57

Jean Ziegler, eingeladen die Festspielrede 2011 in Salzburg zu halten, dann wieder ausgeladen, schreibt im "Aufstand des Gewissens":

"Wo ist Hoffnung? Die Hoffnung liegt im Kampf der Völker der südlichen Hemisphäre die aufgestanden sind, von Ägypten bis Libyen, bis Syrien, bis Bolivien und auch bei uns in den Herrschaftsländern die Demokratien sind im geduldigen mühsamen Aufbau der radikalen Opposition, kurz in der aktiven, unermüdlichen, solidarischen, demokratischen Organisation der Gegengewalt. Es gibt keine Ohnmacht in der Demokratie. ...

Mutter Courage von Berthold Brecht erklärt das ihren Kindern in folgenden Worten:

Es kommt der Tag, da wird sich wenden
das Blatt für uns, er ist nicht fern.
Da werden wir, das Volk, beenden
den großen Krieg der großen Herrn.
Die Händler, mit all ihren Bütteln
und ihrem Kriegs- und Totentanz
sie wird auf ewig von sich schütteln
die neue Welt des g'meinen Manns.
Es wird der Tag, doch wann er wird,
hängt ab von mein und deinem Tun.
Drum wer mit uns noch nicht marschiert,
der mach' sich auf die Socken."

Mi., 24.12.2014 - 09:57 Permalink
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Sebastian Felderer Do., 25.12.2014 - 09:53

Stoße heute am Weihnachtstag erst zu die Beitrag und wenn ich die Kommentare sehe, nicht lese -lese sie bewusst nicht- dann würde ich das Thema am liebsten schnell fallen lassen. Tue ich aber nicht, denn wenn Herr Kofler Recht hat , hat er eben Recht und alle mit ihm, die am Magnagoplatz gestanden sind und ihre Stimme erhoben haben. 400.000 hätten es sein sollen, jeder Bürger in Südtirol hat eigentlich die Pflicht, nicht nur das Recht, gegen solche Missstände und Skandale anzukämpfen. Wir kennen diese Taktik zu gut, wo für jeden schnell eine Schublade gefunden wird in Südtirol, um ihn schnell zu definieren, lokalisieren, brandmarken und zu isolieren. Schubladen isolieren nämlich gut. Man ist nicht ein mündiger Bürger, nein, man ist ein Grüner, ein Ausländerfeind, ein Alternativer, ein Spinner, ein Rebell und nun eben ein Wutbürger. Dass wir aber Manipulierte, Betrogene, Ausgesaugte, bei der Nase Herumgeführte sind und letztlich nur Stimmvieh sein sollten, das fällt niemandem auf von diesen Schubladendenkern. Nur wer schweigt, macht sich mitschuldig! Was ich und viele meiner Freunde aber auch wissen, ist die Tatsache, dass protestieren nur ein Anfang sein kann. Wut richtet sich letztlich aber gegen uns selbst, so wie Gewalt. Deshalb ist es richtig und notwendig, dass wir unsere Wut in Stärke verwandeln. Aus dieser Stärke heraus eine Veränderung in der Gesellschaft planen und durch gezielte Aktionen und Maßnahmen durchzusetzen versuchen. Wir kennen ja auch in der Sanität eine "Erste Hilfe" und eine "Therapie". Die Proteste sind das eine, die Bemühungen des "Südtiroler Frühlings" das andere. Aber so einfach in Schubladen sperren lassen wir uns alle nicht mehr und das macht uns stark. Auf ein starkes 2015 ! Prosit Neujahr!

Do., 25.12.2014 - 09:53 Permalink
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gorgias Do., 25.12.2014 - 12:01

Antwort auf von Sebastian Felderer

Ausgesaugte?

Vom System Südtirol haben über die Jahre eine ganze Menge von Personen Profitiert. Warum hat man in den letzten 20 Jahren nichts von diesen Personen von mangelnder Transparenz und Rechtstaatlichkeit gehört und brav SVP gewählt? Weil sonange der Pöbel den Bauch voll hat rührt er sich nicht und jetzt wo die fetten Jahre vorbei sind, fängt er an zu rumoren.

Und was die Politikerpensionen angeht, hat sich jahrelang niemand aufgeregt, erst als man eine Reform durchgeführt wurde, die zwar unerhört ist, aber den Steuerzahler billiger kommt als das alte System, regen jetzt einige auf die bis dahin nichts zu sagen hatten. Und warum? Weil man endlich die Summen zusammengezählt hat, so dass auch den weniger Aufgeweckten endlich ein Lichtlein aufgeht. Aber zum aufgeklärten Bürgertum fehlt da noch viel!

Do., 25.12.2014 - 12:01 Permalink
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Wilfried Meraner Fr., 02.01.2015 - 14:23

ICH BIN SEHR FROH, DASS ES DIESEN AUFSCHREI GEGEBEN HAT!
Liebe Mitbürger,
ich war damals auch dabei, keinesfalls als Wutbürger, aber als entrüsteter Bürger der das nicht einfach hinnimmt. Ich habe auch konstruktive Vorschläge vorgetragen (wie auch einige andere), nämlich darüber, was nötig ist, um solche Zustände zu vermeiden: v.a. direkte Demokratie! Diese Vorschläge sind übrigens von den "Wutbürgern" sehr gut angenommen worden, trotzdem wurden sie leider nicht weiterverfolgt. Darüber hat leider niemand berichtet!
Natürlich war viel unschönes dabei, das ganze wurde radikal aufgepeitscht, gut war das bestimmt
nicht. Und trotzdem: ENDLICH stehen die vielen brav schweigenden auf und empören sich!
Das war meiner Meinung nach ein sehr wichtiger Aufbruch für die Südtiroler, von dem wir noch lange etwas haben werden.
Der Stil war ganz falsch, aber das Schweigen wurde endlich gebrochen. Wer dabei war, hatte die Gelegenheit, ganz konkret zu sehen und zu VERSTEHEN, wieso ganz einfache - und bisher "brave" - Leute plötzlich die Schnauze voll haben, weil sie selber in prekären Situationen leben müssen.
Wie soll es weitergehen? Natürlich konstruktiv. Und es geht weiter. Wir erhalten hoffentlich endlich ein brauchbares Gesetz über direkte Demokratie, siehe:
http://www.landtag-bz.org/download/doku_direkte_Demo_de.pdf

Ohne direkte Demokratie werden vor allem die Interessen der Mächtigsten verwirklicht - mit direkter Demokratie jene der Mehrheit.

Fr., 02.01.2015 - 14:23 Permalink
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Erna Marsoner Fr., 02.01.2015 - 15:52

Dieser kleine Beitrag von Hansjörg Kofler vom Forum Politikerrenten hat ganz schön für Gesprächsstoff gesorgt. So soll es sein!
Der Kommentar von Mair Johann gefällt mir besonders gut. Er dreht den Spieß um und spricht von „politischem Mob“ und „politischem Pöbel“. Ich glaube wir sind am Punkt angekommen.
Veränderung ist bereits im Gange, wir müssen sie nur zulassen! Raus aus dem alten Schema! Statt andere dazu zu legitimieren, dass sie über uns entscheiden, sollten wir selbst mehr Verantwortung übernehmen und mehr Zivilcourage zeigen!
Jede/r von uns ist lernfähig. Wenn beim ersten Mal nicht alles gleich zur Zufriedenheit aller funktioniert (was sowieso unmöglich ist), so kann man daraus lernen und bei der zweiten Demonstration die vom Forum Politikerrenten geplant ist, es versuchen besser zu machen!

Fr., 02.01.2015 - 15:52 Permalink