Wirtschaft | Doppelmoral

Ebners Frauen

Michl Ebner fordert als Handelskammerpräsident die Steigerung des Frauenanteils in den Führungsgremien von Unternehmen. Nur im Athesia-Konzern ist davon nichts zu sehen.

Die Nachricht kam termingerecht. Einen Tag nach dem 8. März verschickte die Handelskammer Bozen eine Pressemitteilung. Unter dem Titel
Frauenquote für Führungsgremien in Unternehmen nicht sinnvoll“ geht man darin auf eine Gesetzesänderung in Deutschland ein.
Der deutsche Bundestag hat eine gesetzliche Frauenquote von 30 Prozent für die Aufsichtsräte von 108 großen börsennotierten Unternehmen in Deutschland beschlossen. Wird die Quote verfehlt, so müssen Aufsichtsratsposten zur Strafe in Zukunft unbesetzt bleiben. Auch die Europäische Kommission hat schon 2013 einen Richtlinienentwurf vorgelegt, der ebenfalls eine Frauenquote für Führungsgremien in börsennotierten Unternehmen vorsieht.
Per Aussendung lässt jetzt die Südtiroler Handelskammer wissen, dass sie grundsätzlich die Stärkung der Rolle der Frauen in Unternehmensgremien positiv beurteilt, Frauenquoten dafür aber ein ungeeignetes Instrument seien, weil sie die Grundrechte der Anteilseigner einschränken. Deshalb sollte verstärkt auf Sensibilisierungsarbeit und auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen gesetzt werden.

Handelskammerpräsident Michl Ebner in der Aussendung wörtlich:

„Die Handelskammer fördert mit der Initiative Frau in der Wirtschaft aktiv das weibliche Unternehmertum und Frauen in Führungspositionen. Sie befürwortet auch die Steigerung des Frauenanteils in den Führungsgremien. Selbstverpflichtungen und Sensibilisierungsarbeit sind dafür aber viel geeignetere Maßnahmen als neue gesetzliche Vorschriften und Einschränkungen von privaten Eigentumsrechten.“

Die Alibifrau?

Es sind schöne Worte. Wie die Steigerung des Frauenanteils, die Selbstverpflichtung und die Sensibilisierungsarbeit in Südtirol allerdings ausschaut, lässt sich am Athesia-Konzern veranschaulichen. In Michl Ebners Familienkonzern muss man die Frauen in Führungspositionen mit der Lupe suchen.
Im Athesia-Imperium gibt es vor allem eine Frau: Christine Mayr. Die Bozner Rechtsanwältin und ehemalige SVP-Landtagsabgeordnete ist die einzige Verwaltungsrätin in den Kerngesellschaften des Athesia-Konzern.
Christine Mayr ist eine von fünf Verwaltungsräten in der Holding-Mutter „Verlagsanstalt Athesia AG“. Die Bozner Anwältin sitzt zudem im Verwaltungsrat der beiden Konzern Töchter „Athesia Buch GmbH“ und „Athesia Druck GmbH“.
Die Athesia Buch GmbH hat vier Töchter. In den Verwaltungsräten der Athesia Handels GmbH, der Grafus GmbH und der Loeff System Gmbh gibt es keinen weiblichen Verwaltungsrat. Allein in der Service Pack GmbH – Athesia hat hier eine Beteiligung von 51 Prozent – sitzt mit Giuliana Grossi eine weitere Frau im Verwaltungsrat.

Ähnlich sieht es auch in den über einem Dutzend direkten oder indirekten Tochtergesellschaften der Athesia Druck GmbH aus. Christine Mayr sitzt in der Athesia Tourdolomit und im Verwaltungsrat der Hotel Therme Meran GmbH.
In den restlichen Verwaltungsräten der Athesia-Tyrolia-Druck GmbH, der Cormar Publiser GmbH, der Vinschger Medien GmbH, der Bezirksmedien GmbH, der Geo Marketing GmbH, der Südtirol News GmbH, der Sport Media Südtirol GmbH, der First Avenue GmbH, sowie in der KM Invest GmbH und in der Tappeiner Gmbh gibt es keine einzige Frau.
Eine Ausnahme macht nur hier die Athesia Energy GmbH. In der Muttergesellschaft und in vier der fünf Tochtergesellschaften sitzt mit Claudia Kosidlo, die Direktionsassistentin von Athesia-Direktor Michl Ebner, im Verwaltungsrat. Im Verwaltungsrat der zwei landwirtschaftlichen Gesellschaften Budrio GFE 123 S.A. Srl und Budrio GFE 375 S.A. Srl sitzen sogar zwei Frauen.

Verschwindender Frauenanteil

Aus der Genderperspektive fällt die Gesamtschau nicht gerade schmeichelhaft aus. In den gesamten Verwaltungsräten aller Athesia-Gesellschaften finden sich 35 Männer und vier Frauen. Das sind 11,4 Prozent.
Von den 91 Ämtern als Verwaltungsräten oder Alleinverwalter sind nur 13 von Frauen besetzt. Davon haben Christina Mayr und Ebners Direktionsassistentin Claudia Kosidlo jeweils fünf Ämter inne.
Noch trister sieht es bei den Direktoren und Geschäftsführern aus. Eine weibliche Direktorin gibt es nicht. Bei den Geschäftsführern gibt es nur eine Ausnahme. Elke Ziernhöld ist Geschäftsführerin der Vinschger Medien GmbH, sowie der Bezirksmedien GmbH.
In 15 Athesia-Gesellschaften und Abteilungen gibt es in allen Führungsebenen nicht eine einzige Frau. In einer Handvoll Athesia Gesellschaften findet man in der dritten Führungsebene die ersten Frauen. Etwa in der Athesia Handels GmbH die Rosenheimer Prokuristin Ursula Lammich. Frauen kommen im privaten Reich von Michl Ebner meistens erst in der vierten oder fünften Führungsebene vor.
Auch in der Redaktion der Tageszeitung „Dolomiten“ kommen Frauen erst in der vierten Führungsebene vor. Dort sind dann immerhin fünf von elf Ressortleitungen in weiblicher Hand.

Ebners Doppelmoral

Vor diesem Hintergrund wird Michl Ebner die angekündigte Selbstverpflichtung und Sensibilsierungskampagne im eigenen Haus starten müssen. Auch eine andere Passage in der Presseaussendung der Handelskammer scheint auf die private unternehmerische Situation des Handelskammer-Präsidenten maßgeschneidert zu sein:

Besonders stark würde diese Beschränkung familiengeführte Unternehmen betreffen. Den stimmberechtigten Mitgliedern der Familie wäre es nicht mehr möglich, einen qualifizierten Vertreter der Familie in den Aufsichtsrat zu benennen, wenn dadurch die Frauenquote verletzt würde.“

Wie heißt es doch in einem bekannten Märchen der Gebrüder Grimm: „Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!