Politik | 37°

Gastfreundschaft hier und dort

Gastfreundschaft auf Tirolerisch, ich denke, ich kenne sie: Ist halt am Tourismus orientiert.

Kommt das Thema auf Immigranten, beschränkt sich die Debatte eigentlich auf die Abwehr allzu extremer Parolen. Ein Gutmensch ist bereits, wer am Schreibtisch sitzend fundamentalste europäisch-christliche Werte einfordert. Auch das erfordert Courage und Energie, sicher, nur – geholfen, ist damit freilich noch niemanden.

Allzu heimisch fühlt sich jene Episode im Osttiroler Prägraten an, wo sich die Bevölkerung dagegen wehrt, dass am Fuße des Großvenedigers 16 Flüchtlinge eine temporäre Bleibe in einem aufgelassenen Gasthof finden können. Die aus Innsbruck herbeigeeilte Soziallandesrätin Christine Baur konnte die Bürgerwut nicht besänftigen:

Wir werden uns sehr genau anschauen, welche Gruppen am besten nach Prägraten passen. […] Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich diese Bedenken legen, sobald die Flüchtlinge im Ort leben. Dann bekommen diese Menschen, die verfolgt werden und in ihren Herkunftsländern keinen Schutz finden, nämlich für die Bürgerinnen und Bürger ein Gesicht.

Sich seiner Landsleute offensichtlich genierend widmete hingegen Gerhard Pirkner, Herausgeber der Dolomitenstadt, der verwehrten Gastfreundschaft einen bitteren Kommentar:

Die Bejammerer der “Abwanderung” halten ein gutes Dutzend hilfsbedürftiger Menschen für eine “Asylantenflut” und kommen sich auch noch “mutig” vor, weil sie den Ärmsten die Tür vor der Nase zuschlagen, mit dem Argument übrigens, dass ein paar Flüchtlinge der touristischen Entwicklung in diesem hintersten Winkel Osttirols schaden würden.

 

Gastfreundschaft auf Allgäuerisch

Nun, so sind halt wir Alpenländer, sagte ich mir seufzend und glaubte es auch, bis ich mich gestern im ZDF zu einem ergreifenden Beitrag von 37° verirrte: Das Oberallgäuer Örtchen Fischen, das keine 3000 Seelen zählt und keine 10km von der Tiroler Grenze entfernt liegt, hat da einen ganz anderen Zugang zu Asylbewerbern. Obwohl anfänglich von ähnlichen Ängsten wie die Prägratner geplagt, gab sich Fischen einen beherzten Ruck und hat 36 Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan – ausschließlich Männer – warmherzig und aktiv bei sich aufgenommen.

Dass man wirklich weltoffen ist und nicht nur das Geld nehmen möchte, um seinen eigenen Profit zu fördern, sondern dass man insgesamt gastfreundlich ist. Das können wir jetzt beweisen, dass wir das wirklich sind.

Irgendwie kuschelte ich mich in heile-Welt-Gedanken und fühlte mich – wunschdenkend und selbstzufrieden – alpenländisch von den Fischenern repräsentiert. Spätestens als ich sah, wie die Einheimischen die Gäste mit auf eine Ciaspole-Wanderung durch die Allgäuer Alpen mitnahmen, begann mich dann aber schon das Gewissen zu plagen. Jäh wurde ich aber aus meinen Tagträumen gerissen, als eine Einheimische im Bericht aufschrie:

Abschieben nach Italien? Ich sage jetzt bewusst Italien, wo du weißt, dass sie auf der Straße stehen. Wir können doch nicht Freunde verlieren. Das geht nicht einfach so!

Schaut euch doch bitte das 30min Video in der ZDF Mediathek an. Es lohnt!

 

P.S. Um den Osttirolern nicht Unrecht zu tun, sei noch auf die Geschichte vom Somalier Ismail in Lienz hingewiesen.