Politik | Wahlrecht

Landtagswahlrecht zur Diskussion gestellt

Das Wahlrecht ist einer der Schlüssel für eine gute politische Vertretung. Wie sieht ein bürgerfreundlicheres Wahlrecht aus?
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Der nächste Abend der POLITiS-Gespräche „Baustelle Demokratie – Chance Bürgerbeteiligung“ geht am Donnerstag, 26.3., in der Brixner Cusanus Akademie auf diese Fragen ein.

Das geltende Wahlgesetz war von der SVP-Mehrheit im Jänner 2013 novelliert worden. Trotz einiger positiver Neuerungen greift es insgesamt zu kurz. Es hat die Briefwahl für Heimatferne eingeführt, eine Geschlechterquote von 2/3 geschaffen, die Landesregierung auf 9 Mitglieder begrenzt (Blockwahl) und die Wahlkampfkosten pro Kandidat auf 40.000 Euro begrenzt. Weitergehende Reformen waren vor zwei Jahren nicht drin.

Eine weitergehende Innovation wäre etwa das Panaschieren und Kumulieren, das den Wählern weit mehr Freiheit für eine personalisierte Verteilung der Vorzugsstimmen über mehrere Listen gäbe. Zahlreiche Schweizer Kantone, einige deutsche Bundesländer und viele deutsche Kommunen erlauben das Panaschieren schon seit Jahrzehnten, Hessen seit 2001. Und die Mehrheit der Wähler nutzt diese Möglichkeit, listenübergreifend Kandidaten wählen zu können. Damit können die Wählerinnen die persönliche Zusammensetzung des Landtags viel stärker beeinflussen.

Ein weiteres Thema ist die freie Kandidatennominierung. Heute werden die guten Listenplätze meist von den Parteizentralen vorgegeben, Primärwahlen sind rein freiwillig. Wie wäre es, wenn die Bürger selbst Kandidaten vorschlagen könnten, die sich um Listenplätze bei Parteien oder einer freien Liste bewerben könnten? Müsste nicht ein eigenes Parteiengesetz geschaffen werden, wie der L.Abg. A. Pöder vorschlägt, um die Parteien zu mehr Transparenz bei den Finanzen, zu Bilanzpflicht, zu innerparteilichen demokratischen Verfahren zu verpflichten?

Eine wichtige Streitfrage war, neben der Geschlechterquote wie eben beim Gemeindewahlgesetz, auch die Direktwahl des LHs, die mit Zweidrittel-Mehrheit vom Landtag eingeführt werden könnte. Dies haben 2013 die Freiheitlichen und die Südtiroler Freiheit gefordert. Ohne Zweifel braucht es eine Aufwertung des Landtags und eine klarere Trennung von Exekutive und Legislative. Die kann allerdings eher durch eine Direktwahl der gesamten Landesregierung wie bei den Schweizer Kantonen erfolgen. Die Direktwahl nur des LH könnte andernfalls nur die Vormacht des LH gegenüber dem Landtag weiter stärken. Dabei müsste gerade der Landtag in seiner gesetzgebenden Funktion aufgewertet werden, was nicht so sehr über ein Wahlgesetz erfolgen kann.

Solche und weitere Innovationen im Sinne eines bürgerfreundlicheren Wahlrechts stehen im Zentrum des nächsten Abends der Reihe „Baustelle Demokratie“, der am 26.3., 20 Uhr, in der Brixner Cusanus Akademie geboten wird mit drei Gästen, die sich schon intensiv mit Wahlrechtsreformen auseinandergesetzt haben: Brigitte Foppa, Andreas Pöder und Stephan Lausch. Das Gesamtprogramm der Reihe, die in Partnerschaft mit der Cusanus Akademie und SALTO organisiert wird, findet man hier.

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gorgias Fr., 20.03.2015 - 00:59

Die Aufwertung des Landtages findet automatisch statt, wenn es nicht eine Partei im Landtag gibt, die quasi Gesetzte durch ihre überordentliche Mehrheit durchwinken kann.
Durch das Panchieren und Akkumulieren kann ich mir vorstellen, dass weitere Personen davon absehen würden, die SVP zu wählen um bei jemanden von der "internen Opposition" ankreuzen zu dürfen. Somit würde der Landtag automatisch aufgewertet ohne weitere Veränderungen vornehmen zu müssen.

Fr., 20.03.2015 - 00:59 Permalink
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Thomas Benedikter So., 22.03.2015 - 11:40

Ein Mehrheitsbonus ist eine Art "verdecktes Mehrheitswahlrecht" und in dem vom ITALICUM vorgesehenen Modus höchst bedenklich. Das ITALICUM-bis sieht vor, dass der Liste mit dem höchsten Stimmenanteil der Mehrheitsbonus in Form der Mehrheit der Parlamentssitze zuerkannt wird. Um eine Stichwahl zu vermeiden, muss diese Liste 40% der Stimmen erreichen. Eine Partei mit 30-35% Stimmenanteil, wie derzeit für den PD der Fall, wird sich eher der Stichwahl stellen müssen. Sie wird alles daran setzen, zum Sieg in der Stichwahl kleinere Parteien ins Boot zu holen. Das kann mit allerhand Versprechungen geschehen (Posten, Zugeständnisse usw.): also eine Art verdeckte Koalitionsverhandlung. Man öffnet dadurch gerade unter italienischen Verhältnissen den Weg zur schlimmsten Art von Kuhhandel.
Der Mehrheitsbonus wird andererseits immer (auch beim ITALICUM) mit der Stabilität der Regierungsbildung und der "governabilità" begründet. Das ITALICUM läuft auf eine Art Investitur eines Parteileaders an der Spitze einer relativen Mehrheit hinaus, der ungehindert eine Legislatur regieren können soll.
Andererseits gibt es ja auch eine Sperrklausel von 3%, d.h. Kleinstparteien scheiden von vornherein aus. In Deutschland reicht diese Hürde, um über Koalitionen zu stabilen Regierungen zu führen. Die Koalitionen werden in transparenter Form nach den Wahlen verhandelt und vereinbart. Beim Mehrheitsbonus und Stichwahl werden Bündnisse hinter den Kulissen vor dem entscheidenden Wahlgang geführt.
Das ITALICUM-Wahlrecht führt dazu, dass die Repräsentativität der Parlamentswahlen enorm geschwächt wird, und die Komplexität der politischen Landschaft Italiens gar nicht mehr zum Ausdruck kommt. Viele Wähler gehen bei der Stichwahl gar nicht mehr hin (sie wollen auch nicht das kleinere Übel wählen), kleine Parteien werden von den zwei Großen mit intransaprenten Versprechungen ins Boot geholt. Die Qualität der Demokratie verschlechtert sich.

So., 22.03.2015 - 11:40 Permalink