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EVTZ/BL: Der Briefwechsel

Bellunos formales Ansuchen zur Aufnahme als Beobachter in die Euregio und die Absage. saltoleaks präsentiert einen Briefwechsel, der tief blicken lässt.

Nachdem wir von offizieller Seite nicht informiert werden und der professionelle Journalismus dieses wichtige Thema nicht zu beachten scheint, ist das wohl ein Fall für „saltoleaks“.  Mir liegt jetzt der originale Schriftverkehr zwischen dem EVTZ und Belluno in italienischer Sprache vor. Ich gebe ihn hier auf Deutsch übersetzt wieder.

Der Briefwechsel lässt tief blicken. Offensichtlich hatte Arno Kompatscher die Belluneser Präsidentin, Daniela Larese Filon in Rom ermuntert, die Anfrage formell zu stellen. Günther Platter lässt sie daraufhin mit auffallend distanziertem Ton abblitzen. Ein diplomatischer Affront! In ihrer Heimat ist Larese Filon nun dem Spott der Venezianischen Zentralisten und Sezessionisten ausgesetzt – und das kurz vor der Regionalwahl. Ob der Antwort-Brief von diplomatischer Unreife oder von Uneinigkeit zwischen unseren Landeshauptleuten zeugt, muss sich noch weisen.

Überraschend auch die Argumentation Platters: Angeblich gäbe es in den Statuten des EVTZ keine Möglichkeit einer Beobachterrolle. Bleibt die Frage, warum denn beim letzten Dreierlandtag in Schwaz Vorarlbergs Landtagspräsident als Beobachter geladen war und bei selbiger Sitzung die drei Belluneser Gemeinden Buchenstein, Col und Cortina als Beobachter in der EVTZ betätigt wurden. Sollte es tatsächlich Statuts wegen keine solche Möglichkeit geben, so könnte man immer noch handreichend zu den Dreierlandtagen ohne formelle Sonderstellung einladen. Der fehlende politische Wille ist also offensichtlich.

Noch überraschender ist die andere angegebene Begründung: Die Europaregion scheint nicht in der Lage, sich ohne das explizite Einverständnis der beteiligten Staaten räumlich selbst definieren zu können. Hatten also Wien und Rom die Zustimmung für Cortina und Buchenstein gegeben? Platter scheint auch bereits zu wissen, dass Rom bzw. Wien einer weiteren Ausdehnung ins Bellunesische ihre Zustimmung nicht geben würden. Ist das vorauseilender Gehorsam, oder wurden in vergangenen Geheimverhandlungen gewisse Verzichtsgarantien gegeben?

Sollte sich der EVTZ zu mehr entwickeln wollen, als zu einer politischen Absichtserklärung zu opportuner Zusammenarbeit? Das würde zwar die Bedenken Wiens und Roms erklären, das Risiko-Gebiet nicht weiter ausufern zu lassen, würde also einem echten Beitrittsgesuch Bellunos widersprechen. Aber wie groß muss die Angst sein, wenn man nicht einmal eine passive Beobachterrolle zu gewähren mag?

Nun, lest selber:

From: Daniela Larese Filon, Präsidentin Provinz Belluno
To: Arno Kompatscher, Ugo Rossi, Günther Platter
Date: 12. März 2015
Subject: Anfrag um Aufnahme als Beobachter in den EVTZ Euregio

Hochgeschätzte,

in Anschluss auf das Gespräch vom vergangenen 5. März 2015 mit dem Präsidenten Kompatscher in Rom, frage ich mit diesem Schreiben formell die Verwaltungen, die Ihr repräsentiert, nach der Möglichkeit, die Provinz Belluno als Beobachter in den EVTZ Euregio eintreten zu lassen.

Unsere Anfrage wird von der Jahrzehnte langen Erfahrung der Verwaltung der Provinz Belluno untermauert, an Europäischen Projekten teilzunehmen und auch zu koordinieren. Projekte, an denen wir gemeinsam mit anderen im Euregiogebiet teilgenommen haben und die es uns ermöglichten, solide Beziehungen mit deren Einrichtungen grenzüberschreitend aufzubauen.

Ich danke Euch für die Aufmerksamkeit soweit und sende meine besten Grüße.

From: Günther Platter, Landeshauptmann Tirol, Präsident des EVTZ „Euregio Tirol-Südtirol-Trentino“
To: Daniela Larese Filon
CC: Arno Kompatscher, Ugo Rossi
Date: 2. April 2015

Sehr geehrte Präsidentin Larese Filon,

ich bedanke mich für Ihr Schreiben vom 12. März 2015. In meiner Funktion als Präsident des EVTZ „Euregio Tirol-Südtirol-Trentino“ ist mir die Ehre zuteil, nach Absprache mit meinen lieben Kollege Arno Kompatscher und Ugo Rossi zu antworten.

Ihre Anfrage, der Provinz Belluno den Status eines Beobachters innerhalb der Euregio Tirol-Südtirol-Trentino anzuerkennen, erreicht uns in Anerkennung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Euregio. Wir müssen Ihnen deshalb mit Bedauern mitteilen, dass das Statut des EVTZ den Status des Beobachters nicht vorsieht. Der EVTZ untersteht der Aufsicht der involvierten Staaten, die vermutlicherweise der Ausstellung des Beobachterstatus außerhalb oder gegen der geltenden Regelung nicht zustimmen würden. Im Falle einer zukünftigen Neuregelung der Regelung des EVTZ „Euregio Tirol-Südtirol-Trentino“ werden wir Ihre Anfrage im Augen behalten.

Zwischenzeitlich erlauben wir uns, wie bereits bei anderen Gelegenheiten betont, die Provinz Belluno einzuladen, bei der Europäischen Strategie zur Makroregion des Alpenbogens aktiv mitzuarbeiten, die sich in Ausarbeitung befindet und die auf Europäischer Ebene den passenden Rahmen für verstärkte Zusammenarbeit darstellt. Zwischen Europäischer Union, den Mitgliedstaaten und den Regionen ist gerade eine intensiver Prozess zur Koordination fundamentaler Themen im Gange, der die Inhalte unserer gemeinsamen Politik im Alpenbogen für die nächsten Jahre maßgeblich bestimmen wird. Die drei Gebiete der Euregio sind der speziellen Rolle der alpinen Territorien immer wohlgesinnt gegenübergestanden, gerade deshalb, da eine Strategie für den Alpenbogen nur dann Erfolg haben kann, wenn sie von den betroffenen Territorien mitgetragen und mitentwickelt wird.

Das Land Tirol ist seit Jahrhunderten an Ihr Territorium gebunden, diesem wunderschönen Teil der Dolomiten, auch dank den historischen Wurzeln, die uns mit den Gemeinden Buchenstein, Col und Cortina d’Ampezzo verbinden. Mit Südtirol und Trentino bestehen mit Sicherheit noch direktere Bindungen. Der EVTZ „Euregio Tirol-Südtirol-Trentino“ schlägt vor, mit Ihrer Provinz und mit anderen interessierten Belluneser Körperschaften anhand konkreter Projekte zusammenzuarbeiten. Ein gutes Beispiel in diesem Sinne zeigte sich im Euregio-Treffen zur dualen Ausbildung und Jugendbeschäftigung, das in Bozen am 8. und 9. April 2014 stattgefunden hatte. Dieses Treffen wurde von einem überregionalem Verband der Zentralalpen organisiert und auch von Belluneser Teilnehmern frequentiert.

Wir stehen Vorschlägen für weitere Projekte im gemeinsamen Interesse sehr offen gegenüber.

Vertrauend auf Ihr Verständnis verbleiben wir mit freundlichen Grüßen.

Vor diesem Hintergrund möge man sich nun die Worte auf der Zunge zergehen lassen, die Arno Kompatscher angeblich im Rahmen der SVP Versammlung in Meran kundtat: „er spräche auch im Namen von Günther Platter … die Absage sei eine rein formale aber keine substanzielle … wir sind damit einverstanden, alle notwendigen Modifikationen am Statut vorzunehmen, um das Anliegen Bellunos zu erfüllen“. Das klingt irgendwie anders als das offiziell dokumentierte „Wir sind nicht für Italien, sondern für Südtirol zuständig. Deshalb schauen wir auf Südtirol!“

EVTZ Diplomatie vom Feinsten. Chapeau! 

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gianluca rossi Mo., 13.04.2015 - 10:19

Da bellunese, ritengo la risposta del GECT Euregio, forse formalmente ineccepibile per quanto riguarda l'osservanza del regolamento statutario (ma il Vorarlberg in quale veste partecipava alle sedute congiunte delle assemblee legislative delle tre regioni dell'Euregio?...), sicuramente "miope" nella sostanza.
Sembra non si voglia comprendere come la cooperazione con i territori alpini meno "fortunati" dal punto di vista amministrativo e finanziario in quanto inseriti in regioni a statuto ordinario con i centri di potere situati a centinaia di km di distanza, e non parlo solo della distanza fisica, sia di interesse anche per i territori a spiccata autonomia come il TAA-Sűdtirol; fosse anche solo per la semplice considerazione che queste chiusure non fanno altro che gettare benzina sul fuoco della polemica di chi nel considerare le ragioni dell'autonomia oramai anacronistiche e ingiustificate, evidenzia anche un indubbio aspetto di iniquità e ingiustizia sociale nel vedere cittadini di una stessa nazione, che abitano in territori molto simili, a volte solo a poche centinaia di metri di distanza, avere accesso a risorse economiche, servizi, infrastrutture e capacità di autogoverno così fortemente sperequati.
Da bellunese, dico che non ci bastano più generiche "pacche sulle spalle" e, mi sia consentito, ipocriti inviti a conquistarci la nostra autonomia, ben sapendo, chi fa questi inviti, che lo Stato Centrale è men che mai disposto a rinunciare fosse anche a una briciola di potere e… di gettito fiscale. Lo ha detto chiaramente il Ministro Delrio a Belluno: "non sarete mai come Trento e Bolzano" leggasi: non ci sono i soldi…
Abbiamo studiato le brillanti lezioni degli antropologi e ascoltato le filippiche dei detentori dell'autonomia dalla prima ora, su cosa sia l'Autonomia. Ora serve altro.

Mo., 13.04.2015 - 10:19 Permalink
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Benno Kusstatscher Mo., 13.04.2015 - 11:59

Antwort auf von gianluca rossi

Mentre mi associo con il tuo commento, lasciami riflettere sul termine "cittadini di una stessa nazione" che usi. L'argomento è certamente giusto, ma nell'2015 direi che con ci serve più distinguire fra cittadini di quella nazione e quelli dell'alta corinzia, quelli delle alpi bavarese o quelli fuori UE, come dell'Engiadina per esempio. É un argomento generale ed è proprio quello che è espresso con l'idea dell'Euregio. Ben chiaro che nel caso concreto lo sono lo stato italiano e la regione veneta che mescolando disponibilità di risorse con la qualità di autogoverno di territori specifici anticipano il potere centrale al benessere della populazione.

Mo., 13.04.2015 - 11:59 Permalink
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gianluca rossi Mo., 13.04.2015 - 13:09

Antwort auf von Benno Kusstatscher

Concordo con quanto affermi in riferimento all'espressione "cittadini di una nazione" che ho usato... spero di non aver toccato la sensibilità di alcuno; non sono affezionato al concetto ottocentesco di "nazioni" in contrapposizione tra loro, tutt'altro... credo abbia poco senso ormai ragionare secondo questo schema ideologico. Diversamente intendevo affermare che se da un lato può essere comprensibile che vi siano dei divari nel tenore di vita di popolazioni che abitano paesi diversi con diverse risorse, ordinamenti, istituzioni e regimi fiscali, è più difficile accettare che gli stessi divari sussistano tra persone che, nel bene e nel male, queste cose condividono e, abitando ad un tiro di schioppo, su queste cose si confrontano quotidianamente...

Mo., 13.04.2015 - 13:09 Permalink