Gesellschaft | Elternumfrage

"Mehr Italienisch-Stunden keine Option"

Der Landesbeirat der Eltern hat sich mit Philipp Achammer getroffen. Der Wunsch nach Intensivierung des Unterrichts in der Zweitsprache bleibt ein solcher.

“Essere bilingue ha un sacco di vantaggi”, so titelte die italienische Online-Ausgabe der Huffington Post am vergangenen Donnerstag. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass das Risiko, an Demenz zu erkranken, bei den zweisprachigen Personen besonders gering ist. Auch Alzheimer tritt bei Zweisprachigen im Durchschnitt fünf Jahre später auf als bei Personen, die nur eine Sprache verwenden. Darüber hinaus haben Studien bestätigt, dass jene Menschen, die zwei oder mehrere Sprachen sprechen, rationalere Entscheidungen treffen, wenn es darum geht, wirtschaftliche Risiken abzuwägen. Außerdem scheint es, als ob das Verwenden verschiedener Sprachen auch erlaubt, verschiedene Perspektiven auf die Umwelt einzunehmen. Kurzum, die Vorteile, mehrere Sprachen sprechen und auch verwenden zu können, sind nicht von der Hand zu weisen.

Dessen ist man sich offensichtlich auch innerhalb des Landesbeirats der Eltern bewusst. Vor gut einem Monat hatte man eine Umfrage unter Eltern von Kindergarten- und Schulkindern aller Schulstufen gemacht. Mehr als drei Viertel der befragten Eltern – 77,2 Prozent – hatten damals den Wunsch geäußert, den Italienisch-Unterricht zu intensivieren. “Ich hatte mir schon erwartet, dass sich mehr als die Hälfte der Eltern mehr Stunden in Italienisch wünschen. Mit einem solch eindeutigen Ergebnis habe ich allerdings nicht gerechnet”, gesteht Kurt Rosanelli ein. Er ist der Vorsitzende des Landesbeirats der Eltern und hat sich vergangene Woche mit Schullandesrat Philipp Achammer getroffen. Nicht mit konkreten Forderungen, sondern zunächst einmal mit einer klaren Positionierung des Landesbeirats wollte man an den Landesrat herantreten.

Von dem gab es jedoch eine kalte Dusche. “Achammer hat uns gesagt, dass wir eine Erhöhung der Italienisch-Unterrichtsstunden vergessen können”, berichtet Rosanelli im Gespräch mit dem Corriere dell’Alto Adige. Ein milder Trost scheint dabei die von Achammer zugesicherte Öffnung gegenüber anderen Methoden zum Sprachenlernen. “Der Landesrat hat uns klar gemacht, dass mehr Stunden Italienisch-Unterricht für ihn keine Option sind”, so Rosanelli, “was er uns hingegen angeboten hat, ist eine Intensivierung des CLIL-Unterrichts an den Oberschulen.” Gerade dort, in den Oberschulen, war der Ruf der Eltern nach mehr Sprachunterricht auf Italienisch besonders laut gewesen. 83 Prozent wünschen sich laut der besagten Umfrage des Landesbeirats der Eltern einen intensiveren Unterricht in der Zweitsprache.

Neben mehr CLIL-Unterricht, den es bislang nur in der vierten und fünften Klasse der Oberschulen gibt, zeigte sich Philipp Achammer bereit, den Austausch zwischen deutscher und italienischer Schule zu verstärken. Nicht nur die Lehrer, sondern in erster Linie die Schülerinnen und Schüler sollen häufiger die Möglichkeit erhalten, sich zu begegnen, um miteinander und voneinander zu lernen. Kurt Rosanelli hingegen bleibt nichts anderes übrig, als die klare Botschaft Achammers den Elternvertretern an den einzelnen Schulen mitzuteilen. “Ob es allerdings die Antwort ist, die man sich vom Landesrat erwartet hat, das kann ich nicht sagen.”

Bild
Profil für Benutzer Roman Brugger
Roman Brugger So., 03.05.2015 - 09:59

Seit Monaten wird die muttersprachliche Schule in Süd-Tirol von einigen Elternvertretern und grünalternativen Politkern systematisch schlechtgeredet. Mit pauschalen Behauptungen über schlechte Sprachkompetenzen werden Eltern gezielt verunsichert und die Landesregierung zu Schulexperimenten gedrängt, die den muttersprachlichen Unterricht gefährden. Der Landtagsabgeordnete der SÜD-TIROLER FREIHEIT, Sven Knoll, hat daher eine Anfrage an die Landesregierung gerichtet, um in Erfahrung zu bringen, wie es um die Sprachkenntnisse der Schüler in der zweiten Landessprache bestellt ist. Die ernüchternde Antwort: DIE LANDESREGIERUNG HAT KEINE AHNUNG!!!

Es ist unbestritten, dass das Ziel der Süd-Tiroler Schulen sein muss, den Schülern neben der Muttersprache bestmögliche Kompetenzen in der zweiten Landessprache zu vermitteln. Der Schlüssel hiefür kann jedoch nur in der Qualität des Unterrichtes liegen und nicht in der Aufgabe des muttersprachlichen Unterrichtes.

Die italienische Schule experimentiert mit der Vorverlegung des Zweitsprachenunterrichtes und diversen CLIL-Projekten bereits seit Jahren. Die Beantwortung der Anfrage beweist nun jedoch, dass die Landesregierung keine Ahnung hat, ob diese Experimente überhaupt zu einer Verbesserung der Sprachkompetenzen geführt haben.

Anfrage:

1) Haben sich die Deutschkenntnisse der italienischen Schüler in den letzten 5 Jahren verbessert? (aufgeschlüsselt nach Grund-, Mittel- und Oberschulen)

→ Antwort der Landesregierung: „Es wurden in den letzten fünf Jahren in keiner Schulstufe Untersuchungen durchgeführt, die diese Frage beantworten könnte.“

2) Vor einigen Jahren hat eine Studie für Aufsehen gesorgt, aus welcher ersichtlich wurde, dass italienischsprachige Schüler in Süd-Tirol schlechtere Deutschkenntnisse aufweisen, als die italienischsprachigen Schüler im Trentino. Verfügen die Schüler aus dem Trentino noch immer über bessere Deutschkenntnisse, als die italienischen Schüler in Süd-Tirol?

→ Antwort der Landesregierung: „Es liegen keine Vergleichsstudien vor, die diese Behauptung untermauern oder widerlegen könnten.“

3) Wie ist es um die Kenntnisse der Zweitsprache an Süd-Tirols Schulen bestellt? Sprechen italienische Schüler gleich gut die deutsche Sprache, wie deutsche Schüler die italienische Sprache?

→ Antwort der Landesregierung: „Um diese Frage beantworten zu können, müsste es auch dafür Vergleichsdaten geben, die derzeit allerdings nicht vorliegen. …“

Es ist erschreckend, mit welch stümperhafter Ignoranz die Landesregierung in der Schule herumexperimentiert und dabei das Prinzip des muttersprachlichen Unterrichtes gefährdet, ohne seriös zu erheben, wie es überhaupt um die Sprachkenntnisse der Schüler bestellt ist.
Bar jeder wissenschaftlichen Grundlage wird einfach behauptet, dass die Süd-Tiroler schlecht Italienisch lernen würden. Wie gut oder schlecht die Italiener aber Deutsch sprechen, interessiert offenbar niemanden.

Diese Entwicklung ist äußerst besorgniserregend und zeigt auf, dass der SVP zunehmend das Bewusstsein für den Wert der Muttersprache abhanden kommt. Beim Gesetz zum „Autonomie-Konvent“ hat die SVP bereits — zusammen mit den Grünen — einen Antrag der SÜD-TIROLER FREIHEIT niedergestimmt, welcher vorsah, dass am muttersprachlichen Unterricht festgehalten wird.

Ohne muttersprachlichen Unterricht gibt es jedoch kein Überleben als ethnische Minderheit in einem fremdnationalen Staat!

So., 03.05.2015 - 09:59 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Michael Bockhorni
Michael Bockhorni So., 03.05.2015 - 10:33

Antwort auf von Roman Brugger

wenn ich die Aussendungen der ASTAT lese, wundere ich mich was nicht alles gezählt und ausgewertet wird. Jedes Mal, wenn es allerdings um ein (aktuelles) gesellschaftspolitisches Thema geht (s.o. bzw. Obdach- und Wohnungslosigkeit, aktive Arbeitsmarktpolitik, Trennung und Scheidung) fehlen brauchbare Daten.

So., 03.05.2015 - 10:33 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Sepp.Bacher
Sepp.Bacher So., 03.05.2015 - 10:58

Antwort auf von Roman Brugger

Es scheint aber erwiesen zu sein, dass die Kinder und Jugendlichen, welche eine ladinische Schule besuchen, bei allen möglichen Studien besser abschneiden als die deutschen und die italienischen. Wenn man weiß, dass in den ladinischen Schulen in etwa gleich viel in Deutsch wie in Italienisch unterrichtet wird und ladinisch nur zwei Wochenstunden unterrichtet wird, die Ladinischkenntnisse trotzdem zunehmen, dann muss dir das schon zu denken geben. Oder?

So., 03.05.2015 - 10:58 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Sepp.Bacher
Sepp.Bacher So., 03.05.2015 - 12:06

Antwort auf von Sepp.Bacher

Ich habe schon einmal auf diesem Portal, den Vorschlag gemacht, das ladinische Schulmodell als Wahlmöglichkeit in allen größeren Orten Südtirols anzubieten: einerseits für ehrgeizige Eltern und sprachbegabte Schüler; andererseits für Zuwanderer-Kinder/Familien.
"...vorgeschlagenen Ladinischen Schul-Modell: der Unterricht in der Muttersprache der Kinder- neben dem paritätischen Unterricht in den beiden großen Landessprachen Italienisch und Deutsch. Fächer-Beispiel in der Ladinischen Mittelschule: Unterricht in deutscher Sprache: Deutsch, Naturkunde, Mathematik, Geschichte, Religion; in italienischer Sprache: Italienisch, Geografie, Technische Erziehung, Kunst, Musik, Turnen; dazu noch Ladinisch und Englisch."
www.salto.bz/node/1690; www.salto.bz/article/06062013/zweisprachige-schule-fuer-und-auslaender

So., 03.05.2015 - 12:06 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Harald Knoflach
Harald Knoflach So., 03.05.2015 - 10:42

es ist in der tat erschreckend, wie hemdsärmelig hier vorgegangen wird. ich bin der letzte, der südtirol pauschal rückständigkeit oder provinzialität vorwirft. aber die schulpolitik ist eine provinzposse sondersgleichen.

bauchgefühl und mythen bilden die grundlage für weitreichende schul- und gesellschaftspolitische entscheidungen (schulpolitik in einem mehrsprachigen land ist nämlich auch gesellschaftspolitik).

es ist skandalös, dass die entwicklung der sprachkenntnisse der schüler wie auch der bevölkerung im allgemeinen nicht über einen längeren zeitraum hinweg erhoben wird.

bezeichnend die antwort rita franceschinis in einem ff-interview auf die entscheidende frage, die all die forderungen in jüngster zeit treibt:

ff: In Südtirol wird immer behauptet, die Kenntnisse der zweiten Sprache würden zurückgehen, auf allen Seiten. Ist das so?

Franceschini: Wir wissen es nicht genau. Ich hätte auch gerne eine deutliche, objektive Antwort darauf. Aber womit wollen wir die Sprachkenntnisse vergleichen?

es wurden und werden (außer der bisher einmaligen kolipsi-studie) keine diesbezüglichen daten erhoben.

ja nicht einmal die jüngsten schulpolitischen experimente werden von einer professionellen wissenschaftlichen evaluation begleitet.

wie professionell schulpolitik und pilotprojekte in anderen zweisprachigen regionen begleitet, analysiert und ausgewertet werden, zeigt dieses papier aus wales: http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=23449#comment-283989

es ist zum plärren.

So., 03.05.2015 - 10:42 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Harald Knoflach
Harald Knoflach So., 03.05.2015 - 11:00

ich werd jetzt auch mal ein bisschen kaffeesudlesen. das ist ja im moment en vogue.

niemand bestreitet, dass zweisprachigkeit von vorteil ist. niemand bestreitet, dass das ziel sein sollte, dass wir alle zumindest zwei sprachen nahezu perfekt beherrschen sollten.

aber was sagt es mir (achtung kaffeesudlesen), wenn schüler hierzulande nicht selten besser englisch als italienisch beherrschen? obwohl für englisch nicht mehr stunden als für italienisch zur verfügung stehen.

die prämisse muss - wie überall im leben - nicht "mehr" sondern "besser" lauten. was bringt es, mehr von etwas zu veranstalten, das (vorsicht kaffeesudlesen) nicht funktioniert.

und seit wann ist "intensivierung" synonym mit "mehr stunden"?

*kaffeesudlesen ende*

was wir brauchen, sind daten. daten zur entwicklung der sprachkenntnisse in den einzelnen sprachen und innerhalb der einzelnen sprachgruppen. wenn wir die haben, können wir experimentieren anfangen um herauszufinden, welche wege funktionieren, uns unserem ziel näher zu bringen. dazu müssen diese experimente wiederum wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden.

freilich gibt es bereits erkenntnisse, die belegen, was für den spracherwerb förderlich ist. dennoch müssen diese wege immer auch auf die individuelle situation angepasst werden. das ist ein bisschen wie mit der dosis von medikamenten: wir wissen um deren wirkungsweise. aber um die optimale wirkung zu erzielen muss die dosis an die individuellen bedürfnisse des patienten angepasst werden.

So., 03.05.2015 - 11:00 Permalink