Kultur | Bauaufträge

Was wird aus dem Bibliothekenzentrum?

Dem Chefplaner des Bozner Bibliothekenzentrums Christoph Mayr Fingerle wurde der Bauauftrag entzogen, ein neuer Wettbewerb für Firmen soll das Gebäude billiger bauen.

Herr Mayr Fingerle, das Land hat den Bauauftrag an Sie für das Bibliothekenzentrum zurückgenommen, hat man Sie vor die Tür gesetzt?
Das Ganze hat sich über einen längeren Zeitraum hin entwickelt, wir haben am 26. Mai ein Schreiben erhalten, mit dem sich die Landesverwaltung vom Auftrag zurückzieht und auch von den Folgeaufträgen. Man beabsichtigt, einen neuen Wettbewerb auszuschreiben, einen sogenannten appalto integrato, es wird also eine neue Baufirma gesucht, die das definitive Projekt, das Ausführungsprojekt, die Detailpläne und den Bau realisieren soll. 

Sie haben sehr viel Arbeit und Aufwand in dieses nicht einfache Bauprojekt integriert, Sind Sie nun enttäuscht?
Es tut mir leid, dass es so weit gekommen ist und ich habe mir das auf keinen Fall erwartet. Doch im Leben kommen immer wieder unvorhergesehene Dinge auf einen zu und ich glaube immer noch, dass diese Bibliothek ein tolles und spannendes Projekt sein kann. Wir haben im Lauf der letzten Jahre 15 bis 20 Bibliotheken besichtigt und studiert, wir haben Hefte dazu gemacht, wie jenes letzte "Das neue Bibliothekenzentrum", das eine Baufertigstellung für 2017 vorsah. In ganz Europa werden solch große und wichtige Gebäude, die ja nicht nur reine Bücheraufbewahrungsgebäude sind, sondern Zentren des Wissens und des Austausches, von Architekten begleitet, von Anfang bis zum Ende. Es ist schwer vorstellbar, dass eine solche Struktur nun über einen Firmenwettbewerb ausgeführt wird; der Architekt dient nicht nur der Konzeptentwicklung, da wird auch ein Prozess begleitet und dem Gebäude eine Seele gegeben.

Ist jetzt die Gefahr gegeben, dass das komplexe Bibliothekenzentrum "entseelt" wird?
Meine Prozessbegleitung wird es nun nicht mehr geben, das ist alles was ich sagen kann, und das ist sehr schade für das ganze Projekt. 

Könnte aus dem von Ihnen geplanten Gebäude nun auch ganz etwas anderes werden?
Das ist dem neuen Planungsteam überlassen. Diese müssen ja vor allem die Kosten reduzieren, von meinen ursprünglich 68 Millionen Euro auf 60 Mio.  Je nachdem wie die Ausschreibung verfasst wird, kann es sein, dass von meinem Projekt nur mehr 10 oder 20 Prozent übrig bleiben, oder auch etwas mehr,  das liegt nicht mehr in meiner Hand. Ich habe mein Möglichstes getan und viele Kompromisse und Hürden überwunden. Wir haben ja auch bereits den Bestand und das Transportsystem der Bücher evaluiert, waren also mit den einzelnen internen Abläufen befasst, der Akustik, der Bauphysik, dem Klima, der Beleuchtung. Die Komplexität im Projekt ist auch dadurch gegeben, dass die Fassade der ehemaligen Pascoli-Schule in das Projekt integriert werden soll, hier muss gut saniert werden um den vorgeschriebenen Klimahausstandard A zu erreichen.

Welches Szenario ist nun vorstellbar, um den Bau des Bibliothekenzentrums zu Ende zu bringen, billiger und schneller, wie es die Landesverwaltung will?
Da müssen Sie mit der Landesverwaltung reden oder mit den zuständigen Politikern Christian Tommasini und Philipp Achammer.

Haben Sie mit ihnen geredet?
Die Entscheidung, den Auftrag zurückzunehmen, ist über meine Kopf hinweg getroffen worden, ich hatte da relativ begrenzte Einspruchmöglichkeiten, deshalb kann ich keine Aussage dazu treffen. 

Die Polemik um das Bibliothekenzentrum gab es seit Beginn seiner Planung, doch hieß es 2012 und auch 2013, dass der Baubeginn kurz bevorsteht, warum wurde da nicht gebaut?
Das ist richtig und wir haben damals schon an einem Vermittlungskonzept für das Gebäude gearbeitet, damals hieß es, das Zentrum sei 2017 fertig; schließlich wurden damals die Polemiken um den Grundstückübergang von der Gemeinde Bozen an das Land beigelegt; warum es damals nicht zum Baubeginn kam, weiß ich auch nicht, ich weiß nur, dass dieses Bibliothekenzentrum und die Kultur allgemein eine schwache Lobby in Südtirol hat, im Gegensatz zum Sport etwa. 

Auch die Bozner Bürger hatten sich gegen das Zentrum gestellt?
Es gab mehrere Phasen im ganzen Prozess, nach unserem Wettbewerbsgewinn im Jahr 2006 kam die Diskussion auf, ob man nicht den Bestand der Pascoli-Schule erhalten sollte, wir haben zwei Projektvarianten vorgelegt, einmal mit dem teilweisen Erhalt der Schule und einen weiteren, der die Ausrichtung zum Petrarca-Park hin vorsah. Die Politik hat sich dann für den Erhalt der Fassade der alten Schule entschieden.

Im letzten Jahr ist es sehr ruhig um das ganze Projekt geworden, man hat kaum mehr etwas gehört zum Bibliothekenzentrum, können Sie uns sagen, was da lief?
Wir wurden vor einem Jahr, im April 2014 von der Landesregierung zu einer Kostenreduzierung aufgefordert, die besagten 68,8 Millionen sollten auf 60 Millionen reduziert werden. Wir legten 3 Varianten vor, doch die Landesregierung hat damals beschlossen, die Kostenreduzierung über einen neuen Wettbewerb auszuschreiben, und das ist jetzt geschehen.   

Also hat man Ihre Varianten zur Kostenreduzierung nicht gewollt?
Ich habe keine Einsicht oder Informationen dazu erhalten. Die Tatsachen sind nun diese und ich finde es nach wie vor nicht nur ein interessantes Projekt, sondern die Verwirklichung einer Vision. Ein Gebäude das so viele Funktionen innehaben kann, nicht nur literarische, sondern der Kultur insgesamt dient, ist ein Ort der Inspiration, des Lernens, des Forschens, der Gestaltung. 

Wie finden Sie die Art der Kommunikation, mit der man Ihnen den Bauauftrag entzogen hat?
Ich habe mir nicht erwartet, dass es so über meine Kopf hinweg geschieht; wenn man von Transparenz und Dialog reden hörte, die die neue Landesregierung angeblich anstreben wollte, dann wurde in meinem Fall nicht danach gehandelt. 

Wie positionieren Sie sich jetzt, ist das Thema Bibliothekenzentrum für Sie gestorben?
Im Moment liegt die Angelegenheit beim Rechtsanwalt, es ist vom Gesetz vorgesehen, dass ich Anspruch auf Schadenersatz habe. Ich warte jetzt mal ab.

 

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Massimo Mollica Do., 18.06.2015 - 15:56

Io non capisco perché tanta attenzione per Benko e poco o niente per il polo bibliotecario di cui c'è bisogno come il pane! Bolzano Bozen ha davvero bisogno di più cultura, contro l'ignoranza e la demagogia! Questo dovrebbe essere il luogo più frequentato dai bolzanini! Dovrebbe invogliare a leggere, ad approfondire, ad acculturarsi! Senza contare che tale edificio assumerebbe un carattere importante perché unirebbe più culture della città! E invece qui si parla solo di Benko...e a me viene una stristezza...

Do., 18.06.2015 - 15:56 Permalink
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Marco Putti Do., 18.06.2015 - 18:34

Hab keine Kenntniss vom Projekt. Nur soviel, 60mio sind realitàtsfremd, bzw nur bei òffentlichen Bauten vorrechenbar. Bin mir fast sicher ,dass wenn ein Privater vergleichbares plant und baut kommt unterm Strich ein Bruchteil davon raus.

Do., 18.06.2015 - 18:34 Permalink
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Lorenz Brugger So., 21.06.2015 - 14:42

Diese Entscheidung, den vermeintlich einfacheren Weg zu gehen, zeigt wie unsensibel und inkompetent in Bezug auf Stadtentwicklung und Architektur politische Entscheidungsträger wiederholt sind. Wie kann man sich denn wegen 12% zu hoher Baukosten dafür entscheiden, den Wettbewerb völlig neu und in anderer Form zu wiederholen? Wenn das alle immer machen würden, dann untergräbt man den Sinn von Wettbewerben und stellt die Kompetenz der Jury in Frage ... und die war ein geballtes Team an Kompetenz bestehend aus bekannten Architekten, Ingenieuren und Professoren aus Südtirol. Mailand, Stuttgart und Wien. Die kennen sich aus, würde ich mal sagen.

Ich bin überzeugt, dass Fingerle und sein Team es auch geschafft hätten, die 60 Mio Grenze vorzurechnen, damit die Politik zufrieden ist, aber am Ende wären es dann doch mehr geworden. So ist das nun mal: Kostenberechnungen für Bauten, vor allem wenn auch noch bestehende Strukturen/Gebäudeteile integriert werden müssen, sind äußerst schwierig und nie exakt berechenbar. In Deutschland z.B. ist beim klassischen Bauen im Bestand oft eine Kostensteigerung von bis zu 30% immer inbegriffen, da es extreme Unwägbarkeiten gibt, die im Vorfeld nicht erfasst werden können. Wenn also 12% Mehrkosten schon zuviel sind, dann ist grundsätzlich eine realitätsferne Betrachtung der Politik vom Baugeschehen festzustellen. Nun wird man die Mittel stark reduzieren und wo fängt das an? ... Beim Entwurf. Da wird dann fröhlich geschnippelt und geürzt und am Ende steht ein deformiertes und in seiner Kernaussage komplett amputiertes Gebäude da, das keinen Wert mehr hat.

Es ist am Ende sogar unglaublich, dass ein derart wichtiges Instrument der Integration, also die Wissensvermittlung auf der Basis eines Ortes, der unterschiedlichste Kulturen vereinen kann, derart kleinlich und aus rein finanziellen Aspekten degradiert wird, in einem Land, das Vorbild sein will und Sprachgruppen vereinen will... Traurige Welt

So., 21.06.2015 - 14:42 Permalink