Wirtschaft | Human Economy

Ein neues Geldsystem ohne Zinsen?

Mit „gut gemeint“ hat die FF vor einer Woche die Aktion von Human Economy zur Reform des heutigen Geldsystems abgetan.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Die von dieser Initiativgruppe um Paul Kircher und Eleonora Brugger gestartete Kampagne will wachrütteln, Zusammenhänge im Geldsystem aufzeigen, die ans Betrügerische grenzen und Wege aus der Krise weisen. Ganz militant stand man vor Südtiroler Banken und verteilte Info-Material, und diese Woche wurde Politikern, Anwälten, Richtern ein 70-Seiten-Dossier zugestellt. Inhalt: man will nachweisen, dass die heutige Geldschöpfung durch Geschäftsbanken rechtswidrig erfolgt. Das Medienecho auf diese Systemkritik war trotz Sommerloch verhalten (nur die Tageszeitung berichtete ausführlicher), doch eine Diskussion ist die geltende Geldordnung allemal wert.

Im Zentrum der Kritik steht der heutige Mechanismus der Giralgeldschöpfung durch die Banken. Aus der Sicht von Prof. Franz Hörmann, dem Mentor dieses bankenkritischen Ansatzes, ist die Buchgeldschöpfung ein buchungstechnischer Vorgang,  womit die Banken Geld aus dem Nichts schaffen (Giralgeld). Bei ihrer Kreditvergabe müssen die Banken über keine liquiden Mittel verfügen (die sie üblicherweise schon haben) und keine wirtschaftlichen Vermögenswerte bereitstellen. Verzinstes Schuldgeld (Giralgeld) führe mit mathematischer Zwangsläufigkeit zu einer Überschuldung von Staaten, Unternehmen und Privatpersonen. Dies verschaffe den Banken einen systemischen Wettbewerbsvorteil, vor allem wenn im Wertpapier- und Immobilienmarkt, und treibe die Kreditnehmer massenhaft in die Schuldknechtschaft. „Das verzinste Schuldgeldsystem lässt automatisch Arme immer ärmer und Reiche immer reicher werden.“ (alle Dokumente der Human Economy-Pressekonferenzen vom Juli 2015 auf www.humaneconomy.it/deutsch ).

Kern der Auseinandersetzung ist die technische und rechtliche Fähigkeit der Banken, durch einfache Bilanzverlängerung Giralgeld zu schöpfen, ganz ohne Sichteinlagen von Sparern und fast ohne Mindestreserven. Die von Human Economy mantraartig verwendete Formulierung „Die Banken schaffen Giralgeld aus dem Nichts“ ist nicht falsch, führt aber oft zu Missverständnissen. Bei Bargeldoperationen wird kein neues Geld geschaffen, es wechselt einfach den Besitzer. Bei der Kreditvergabe wird Buchgeld geschaffen, die Giralgeldmenge nimmt zu. Aber „aus dem Nichts geschaffen“ kann nicht bedeuten, dass die Banken dadurch nur Aktiva ohne Passiva schaffen, also einen Gewinn in der Höhe dieser Giralgeldschaffung erzielen. Au0erdem wird durch die Kredittilgung umgekehrt Giralgeld wieder vernichtet. Nur ein kleiner Teil der Kredite wird nicht getilgt.

Worauf in einer seriösen Debatte einzugehen wäre sind die spätestens seit der letzten Finanzmarktkrise evidenten Missstände in der heutigen Geldordnung: die unkontrollierte Zunahme der Giralgeldmenge, die immer wieder zu Blasen führt, der Zinsvorteil des Giralgeldmonopols der Geschäftsbanken, die mangelnde Trennung zwischen Investmentbanking und Kreditgeschäft, die Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der Banken, die zu geringe Einlagensicherung, die mangelhafte Bankenaufsicht und Ähnliches. Für eine grundlegende Reform der Geldreform muss nicht gleich der Zins abgeschafft werden, diskutiert wird aber immer mehr die Einführung von „rein staatlichem Geld als öffentlichem Zahlungsmittel“ (Vollgeld), mit andern Worten: die Giralgeldschöpfung muss als öffentliche Aufgabe begriffen werden, die demokratisch gesteuert könne werden muss. Nur mehr die Zentralbanker soll Buchgeld schöpfen können, nur dem Staat soll der Gewinn daraus zufließen.

Die Vorschläge von Human Economy zur Entschuldung der Staaten durch Änderung der Regelung der Buchungssätze, zur Schaffung einer Südtiroler Zentralbank, zum Freikauf Südtirols durch anteilige Übernahme der italienischen Staatsschulden, zur Schaffung einer regionalen Parallelwährung ohne Zinssystem und einige weitere Reformvorschläge von Human Economy muten dann eher exotisch an. Zwar eine mutige Systemkritik, ob sich Banken, Politiker und Institutionenvertreter auf diese Debatte einlassen, ist aber mehr als fraglich.

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Michael Schlauch Mo., 10.08.2015 - 17:22

Antwort auf von josef.kaufmann…

Das Geld für die Bedienung der Zinsattraktion muss nicht "aus dem Nichts" entstehen. Wie oben gezeigt, können die Zinsen mit demselben Geld bezahlt werden, welches vorher als Kredit und Guthaben über Bilanzverlängerung geschöpft wurde (kein Goldstück muss die Bank verlassen oder zu ihr kommen) . Entscheidend ist, dass der Kreditnehmer am Ende den Tauschwert der Zinsmenge in Form von Arbeit/Gütern abgeleistet hat und die Bank den Gegenwert dieser Arbeit erhalten hat - und hier sollte die Kritik ansetzen. Am Ende des Kreislaufes bzw. der Transaktion "Bezahlung des Zinses durch Gegentausch" ist kein Geld mehr nötig. Das "Geld", das während des Kreislaufes benutzt wird, um diese Transaktion zu verwirklichen, besteht, so wie jedes andere Geld, nicht aus "Nichts" sondern als Schuld von A (hier Pflicht, x EUR Zinse zu zahlen) und Guthaben von B (Anspruch auf x EUR Zins) und erlischt in dem Moment, in dem die Leistung empfangen und der eingenommene Zins dafür ausgegeben wird.

Mo., 10.08.2015 - 17:22 Permalink
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EleoNora Brugger Mo., 10.08.2015 - 17:29

Antwort auf von Michael Schlauch

Wenn ich 10 Einheiten verleihe und 11 dafür zurück möchte, woher nimmt mein Schuldner die 11., wenn nur ich sie kreieren kann?
: Er ist gezwungen erneut einen Kredit zu beantragen oder, falls es mehrere Mitspieler gibt, den anderen einen Teil abzujagen (gesunder Wettbewerb genannt) um die Zinsen (11. Teil) zu bezahlen. Das ist kein Kreislauf, sondern eine Spirale.

Mo., 10.08.2015 - 17:29 Permalink
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Michael Schlauch Mo., 10.08.2015 - 19:24

Antwort auf von EleoNora Brugger

Wenn ich 10 Einheiten verleihe, und währendessen leistungslos Arbeit im Wert einer Einheit konsumieren darf - allein auf dem Rücken des Kreditnehmers - und die Essenz des Zinses, dann brauche ich keine 11. Einheit. Es reicht, die 10. Einheit einmal hin und her zu schieben: 1: Kreditnehmer zweigt von seinem kürlich aufgenommenen Kredit 1. Einheit ab und bezahlt damit die Zinsen des ersten Monats - 2: Kurz darauf bzw. gleichzeitig bezahlt die Bank mit dieser Einheit die angeeignete Arbeit des Kreditnehmers.

Mo., 10.08.2015 - 19:24 Permalink
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josef.kaufmann… Mo., 10.08.2015 - 18:18

Antwort auf von Michael Schlauch

"Das Geld für die Bedienung der Zinsattraktion muss nicht "aus dem Nichts" entstehen. Wie oben gezeigt, können die Zinsen mit demselben Geld bezahlt werden, welches vorher als KREDIT und Guthaben über Bilanzverlängerung geschöpft wurde..." Widerspruch?!!

Sie haben in ihrem Beitrag zwar noch mit den ersten beiden Sätzen einen offenen Widerspruch dargestellt, aber mit dem zweiten Satz kommen sie der Sache schon sehr nahe, Herr Schlauch. Zinsen werden AUSSCHLIEßLICH mit Krediten bezahlt. Denn auch die von ihnen erwähnten Guthaben sind in letzter Konsequenz KREDITE, die nur schon im Wirtschaftskreislauf weitergereicht und akkumuliert wurden. Die neuen Kredite allerdings, mit denen sie die Zinsen der vorangegangenen Kredite bedienen, fordern Ihrer seits aber wiederum Zinsen, die nur über neue Kredite aus Bilanzverlängerungen "Forderung an Verbindlichkeit" geschöpft werden können und so weiter und so fort. Ein Ponzi scheme - Schneeballsystem??!!

Mo., 10.08.2015 - 18:18 Permalink
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Michael Schlauch Mo., 10.08.2015 - 20:12

Antwort auf von josef.kaufmann…

Das ist genau dann kein Widerspruch, wenn wir aufhören, die Dimension "Zeit" wegzuignorieren. Sie vergessen, dass bei jedem Ihrer Schritte das Zeitintervall der Transaktion (Abstand zwischen Bezahlung des Zinses und Bezahlung der Leistung des Kreditnehmers) kleiner wird (Zinslast=Zinssatz*Zeit!) und gegen Null konvergiert. Das Gegenteil eines Schneeballsystems also - genauso wie Achilles am Ende die Schildkröte überholt, obwohl Zenons Trugschluss das Gegenteil suggeriert. Eine einfache Grenzwertbetrachtung löst den Trugschluss auf https://de.wikipedia.org/wiki/Achilles_und_die_Schildkr%C3%B6te
Genauso hier: der Zins, der für das Geld anfällt, welches bis zur Beendigung der Transaktion "Zinsanspruch gegen Leistung" zirkulieren muss, hat einen endlichen, begrenzten Wert. Und nicht immer muss dieser Zins zugunsten der Bank gehen. Absolviert der Kreditnehmer seinen (mit Erlass von Verbindlichkeiten) bezahlten Dienst x Tage bevor er mit diesem Geld den Zins bezahlt, dann ist er und nicht die Bank für x Tage Besitzer und Zinseigner des für diesen Austausch zirkulierenden Geldes.

Mo., 10.08.2015 - 20:12 Permalink
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josef.kaufmann… Di., 11.08.2015 - 15:09

Antwort auf von Michael Schlauch

Herr Schlauch, es ist immer wieder bemerkenswert, welche Geschichten sich einzelne Ökonomen (??) einfallen lassen, diesen banalen Fehler im Geldsystem zu verschleiern, dass nämlich ALLES Geld, auch der Zins, ZWINGEND erst einmal als KREDIT entstehen und der Zinsbetrag über den Wirtschaftskreislauf aus einer Neuverschuldung kommen MUSS. Um bei ihrer blumigen Geschichte zu bleiben, wir haben hier nur EINE Schildkröte die rennt. Den Achilles gibts nicht, soll heißen, es gibt nur den Kredit, da kann niemand überholen. Die Zeit spielt hier überhaupt keine Rolle, denn damit können sie die Tatsache, dass Geld nur als Kredit ensteht und somit auch der Zins, nicht erklären bzw. wegdiskutieren. Banken geben nun mal bei der Kreditvergabe nur den Kreditbetrag ohne Zinsbetrag aus. Es sei denn, sie glauben wirklich daran, dass Geld sich außer bei Banken noch anderes vermehren kann. Es gibt leider noch zu viele, die das glauben.

Di., 11.08.2015 - 15:09 Permalink
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Michael Schlauch Di., 11.08.2015 - 16:11

Antwort auf von josef.kaufmann…

Dass Geld als Versprechen (Kredit) zwischen Schuldner, der sich eine Leistung kauft, und Gläubiger, der diese Leistung als erstes erbringt, entsteht, und sich dieses Versprechen (Kredit) in dem Moment auflöst, wenn der Schuldner dem Gläubiger eine Leistung zurückgibt, ist kein Fehler, sondern das Prinzip, wie Geld als Tauschmittel fungiert. Das muss auch nicht verschleiert werden: auch die alternative, ganz ohne Banken selbstgeschöfpte Währung "Minuto" funktioniert nach diesem Prinzip http://minutocash.org/ Das Stichwort heißt "Vetrauen" - vertrauen wir in ein gesetzliches Versprechen der Zentralbank/Staat, dass alle den Euro als Zahlungsmittel annehmen werden/müssen, vertrauen wir in die Bürgschaft von Personen, oder vertrauen wir nur noch in den intrinsischen Wert von haltbaren Gold u. Silberstücken (was die Minen der Welt vor einem großen Problem stellen würde)? - nur mit diesem Vertrauen funktioniert Geld als weiterreichbares Tauschmittel.
Nun gibt es eine Art des Tausches, die heißt "Kapitalausleihe für Gegenleistung", über die wir ganz offen fragen können, ob es sich dabei um einen ganz natürlichen Tausch handelt oder eher um eine Art Frondienst für eine Pseudo-Leistung, von denen der Zins nur EINE von vielen Formen sei - dies unabhängig vom Geldsystem, ob Schwundgeld, Goldstücke, Strandmuscheln etc. Die Kapitalkontroverse in den 60ern ist eines der wenigen Beispiele, wo diese Frage noch offen gestellt wurde. Schade finde ich, dass es Ihnen in dieser Debatte nicht gelingt, an diesen Kern des Problems zu gelangen, sondern Sie sich weiter an Zinstautologien verheddern (Natürlich braucht die Bank bei der Kreditvergabe keinen Zinsbetrag ausgeben - diesen erhält sie nach Abschluss der Transaktion als Leistung oder Gut! Wenn die Transaktion an einem identischen Zeitpunkt und nur zwischen Bank u. Schuldner stattfindet, braucht es für diese Transaktion noch nicht einmal Geld!).

Di., 11.08.2015 - 16:11 Permalink
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josef.kaufmann… Mo., 10.08.2015 - 11:35

Antwort auf von Michael Schlauch

Sie haben jetzt zumindest erkannt, dass Banken Kredit aus dem Nichts schöpfen durch einen simple Bilanzverlängerung.

Ist für sie nicht das schon eine fragwürdige Praxis, wenn man an den Zins denkt? Vielleicht noch einige Kuriositäten, wie Geld/Bankschuld geschöpft wird bei PRIVATEN Geschäftsbanken.

Banken kaufen auch Assets, indem das Asset (Immobilie, Wertpapier, Edelmetalle.....) auf der Aktivseite mit einem Wert aktiviert (man sollte sich fragen, wie der zustande kommt?) und auf der Passivseite die Verbindlichkeit, der entsprechende Betrag dem Verkäufer gut geschrieben wird (auch eine Bilanzverlängerung und Verbindlichkeit bzw. eine Schuld der Bank). Interessant, oder?

Zudem gestatten ab 2008 die Bilanzierungsregeln des IASB (International Accounting Standards Board, vielleicht machen sie sich die Mühe und Fragen sich ob es sich hierbei um eine demokratische Körpersschaft handelt oder doch eher um einen Privaten Verein^^) es den Banken Ihre "WERTPAPIERE" nach dem Einkaufswert zu bilanzieren, sollten die Werte dieser Papier sinken, muss dieser Verlust nicht ausgewiesen werden, was einer Eigenkapitalerhöhung gleichkommt, gleichzeitig aber können Wertsteigerungen der Papiere in die Bilanz übernommen werden. Ist schon schön eine Bank zu sein bzw. zu besitzen, oder?

Mo., 10.08.2015 - 11:35 Permalink
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josef.kaufmann… Mo., 10.08.2015 - 11:49

Für den Ein oder anderen interessierten Leser sei noch auf einen weiteren Umstand verwiesen.

PRIVATE Banken dürfen nicht nur Kredite aus dem Nichts erschaffen, sie können Kredite auch bündeln und diese Bündel als WERTpapiere weiterverkaufen unter den tollen Namen CDO (Collateralized Debt Obligation) bzw. ABS (Asset Backed Securities). Fragt doch mal die Sparkasse ob sie euren Kredit noch hat, oder ob er schon weiterverkauft wurde (Die Dolo hat dazu anfang August letzten Jahres berichtet!! - Wens interessiert, ich hab noch den Artikel).

Mo., 10.08.2015 - 11:49 Permalink
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Stefan Hauptmann Mo., 10.08.2015 - 11:53

Sehr schön, dass dieses Thema immer öfter besprochen wird. Jetzt gilt es noch die kritische Masse zu erreichen, um einen Paradigmenwechsel herbeizuführen :)

In Zeiten von Derivaten und Hochfrequenzhandel behalten nicht einmal mehr die Erfinder der "Finanzprodukte" den Gesamtüberblick, da der Markt unberechenbare Eigendynamiken annimmt. Ich wäre für eine starke Vereinfachung des Geldsystems.

Das Geld sollte wieder dem Menschen dienen und nicht umgekehrt...

Mo., 10.08.2015 - 11:53 Permalink
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EleoNora Brugger Mo., 10.08.2015 - 12:58

Wenige leben auf Kosten vieler - bis hin zu deren Tod (30.000 Kinder VERHUNGERN täglich, um nur eine der grausamen Folgen dieses Geldsystems aufzuzeigen), weil dieses Geld- und Finanzsystem über Umverteilung Reiche automatisch reicher macht und Arme, ärmer. PRIVATE Banken verleihen gegen Zins etwas, das sie selbst nicht einmal haben (es handelt sich lediglich um ein Versprechen physisches Geld auszubezahlen, was NICHT möglich ist, denn 97% sind Buchgeld) und das in dieser Höhe NIEMALS 'zurückbezahlt' werden kann, weil die Zinsen NIE mit geschöpft werden - und pfänden dann werthaltige Sachen, wie Boden, Immobilien etc. Durch den Zinseszins nimmt das Ganze an Geschwindigkeit zu (exponentiell) - bis hin ins Unermessliche.

Mo., 10.08.2015 - 12:58 Permalink
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Wolfgang Decarli Mo., 10.08.2015 - 16:36

Ich stelle fest, daß scih seit Anfang des Jahres (11.2.2015 ) bis heute das Interesse am Geldsystem doch merklich gesteigert hat: denn der Beitrag damals [http://salto.bz/article/11022015/das-ende-des-geldes] brachte es "nur" auf fünf Kommentare.

Heute sieht die Sache wohl etwas belebter aus! Das könnte man wahrscheinlich als "exponentiellen Wachstum" an Interesse bezeichnen.

Schönen Gruß an alle frundlichen Teilnehmer der Diskussion.

Mo., 10.08.2015 - 16:36 Permalink
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Profil für Benutzer Wolfgang Decarli
Wolfgang Decarli Mo., 10.08.2015 - 17:32

Ja so ähnlich sollte das funktionieren. Hast Du "Informationsgeld für die Neue Gesellschaft" von Franz Hörmann schon gelesen? Im Teil "Ein demokratischer Lösungsvorschlag" (ab Seite 5) gibt's dazu eine Erklärung.

Dieses Konzept auf Anhieb zu verstehen, ist allerdings nicht unbedingt ganz einfach. Man muß sich den Text schon genauer durchlesen und durch den Kopf gehen lassen und sich einige Zeit mit dem Thema befassen.

Mit unsererm derzeitigen Geldkonzept und -verständnis, hat das allerdings wenig zu tun. Ich behaupte stets, daß es sich hierbei um eine vollständig neue Weltanschauung handelt, die sich jeder einzelne in einem längeren Denkprozess erst einmal erarbeiten muß. Diskussionen wie diese hier sind dazu recht geeignet.

Und ja es gibt bereits einen Feldversuch, der allerdings noch im Aufbruch steht. Am 26.05.2015 wurde in Höchstädt an der Donau (im Bundesland Bayern etwa 105 km von München entfernt) eine Genossenschaft Namens "OSBEEE eG." (Open Source Banking Economy) gegründet, die Hörmanns Infomoney in ihr System einzubauen gedenkt.

Derzeit ist "ØSBEEE:Money" mit der Kurzbezeichnung "OSB" [1 ØSB = 1 Ø = umgerechnet 15 Euro (an der externen Tausch-Schnittstelle)] erst noch einmal als echtes VOLLGELD anzusehen.

Ein kurzer Ausschitt der Homepage entnommen:

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"OSB übernimmt die Funktionsweise von InfoMoney (http://www.informationsgeld.info). Dies bedeutet, dass es im inneren Rechnungskreis von OSBEEE nur geschöpft und vernichtet wird und selbst keinen „inneren Wert“ besitzt, sondern nur als Bewertung einer menschlichen Leistung fungiert. Da wir jedoch in der Übergangsphase Menschen aus dem „alten Geldsystem“ (US-$, €, Yen etc.) einladen wollen, wird sich OSBEEE:Money an der Schnittstelle nach außen wie „Tauschgeld mit innerem Wert“ darstellen, kann daher auch gegen US-$, € etc. „getauscht“ werden.

In der Startphase beginnt OSBEEE:Money in Verbindung mit dafür zugeeigneten und von einem Kontrollkomitee verwalteten Genossenschaftsanteilen der OSBEEE eG. In der Genossenschaft sind die Nutznießer des neuen Geldes als Mitglieder organisiert. Die Genossenschaftsanteile werden in Folge mit den Aktien der Finanzgesellschaft zu einem Gesamtsystem verknüpft."

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Hier vorerst einmal der Link zur Homepage mit einer kurzen Beschreibung:
https://www.osbeee.com/ueber-osbeee/

InfoMoney und ØSBEEE :
https://www.osbeee.com/ueber-osbeee/info-money/

Mo., 10.08.2015 - 17:32 Permalink
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Thomas Benedikter Mo., 10.08.2015 - 22:19

Die Diskussion ist spannend, wird aber leider langsam unübersichtlich. Wie so oft, wäre eine Live-Veranstaltung dazu gar nicht schlecht. Die Genossenschaft POLITiS muss sich so was in Zusammenarbeit mit SALTO im richtigen Format überlegen.
Zwei Antworten bin ich aber auf jeden Fall schuldig. Zunächst für Gorgias hier eine Express-Fassung des Konzeptes des Vollgeldes (wenn es einer solchen Erläuterung noch bedarf):
Durch die Einführung des Vollgeldes soll dem Staat (unabhängige monetäre Staatsgewalt=Monetative) das exklusive Recht auf Geldschöpfung und Steuerung der Geldmenge übertragen werden. Durch Vollgeld wird das staatliche Recht auf Geldschöpfung auf Buchgeld (Giralgeld) ausgeweitet und den privaten Geschäftsbanken das gegenwärtige de-facto-Monopol auf Geldschöpfung entzogen. Laut Christian Felber (Geld – Die neuen Spielregeln, Deuticke, 2014) sind die wichtigsten Punkte des Vorschlags:
1. Die Notenbank erhält das ausschließliche Recht auf Geldschöpfung sowohl für Bargeld wie für Buchgeld.
2. Die Steuerung der Geldmenge wird langfristig an die Wirtschaftsleistung geknüpft (antizyklische Geldpolitik).
3. Das Geld, das die Zentralbank in Umlauf bringt, fließt der Staatskasse zins- und schuldenfrei zu (Geldschöpfungsgewinn geht an den Staat).
4. Nur Vollgeld steht zur Kreditvergabe zur Verfügung.
5. Es werden reine Depotkonten der Bankkunden für reine Sichteinlagen bei den Banken angelegt. Die Banken haben keinen Zugriff darauf und können nicht mehr „Geld aus dem Nichts“ schöpfen. Girokonten und Sparkonten (Anlagen) sind strikt getrennt.
6. Bei einer Kreditvergabe wird Vollgeld von der Aktivseite der Bankbilanz auf das Depotkonto des Kreditnehmers überwiesen bzw. umgebucht.
7. Erst wenn ein Bankkunde eine Sparanlage tätigt, wandert Vollgeld aus dem Depot in den Besitz der Bank (Aktivseite der Bankbilanz).
8. Geldsortenmäßig gibt es im Vollgeldsystem nur noch Zentralbankgeld (=Vollgeld). Die Zentralbank ist die einzige Instanz, die Geld schöpft und in Umlauf bringt.
9. Das Halten von Reserven (Mindestreserve) erübrigt sich, weil alles Geld Reserve ist.
Das Vollgeldsystem hat eine Reihe von Vorteilen, vor allem wirkt es der heute systemischen Überschuldung von Staaten, Haushalten und Unternehmen entgegen. Neben C. Felbers Buch sei als Einführung dazu empfohlen: Joseph Huber (2013), Monetäre Modernisierung, 3. Aufl. METROPOLIS Verlag

Eine kurze Replik auch zu Josef Kaumann (1. Kommentar). Ich habe die Giralgeldschöpfung "aus dem Nichts" nicht bezweifelt, nur die Formulierung ist missverständlich. Es geht um die korrekte Einordnung und Bewertung dieses Vorgangs im Gesamtsystem. Auch stehen der Giralgeldschöpfung durch eine Geschäftsbank immer auch Verbindlichkeiten auf der Passivseite gegenüber. es wird also nicht direkt ein Gewinn lukriert.
Ich habe überdies niemanden als Verschwörungstheoretiker bezeichnet, sondern halte die Thesen von Prof. Hörmann für wichtige Anregungen für die notwendige Reformdiskussion des heutigen Geldsystems. Analysen, die man nicht unbedingt im Paket teilen muss. Zu beneiden jedenfalls die Schweizer, die über eine Volksinitiative gleich eine breite politische Debatte und Stellungnahmen der Politik und Bankenwelt dazu auslösen.

Mo., 10.08.2015 - 22:19 Permalink
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Profil für Benutzer josef.kaufmann@dnet.it
josef.kaufmann… Di., 11.08.2015 - 18:54

Antwort auf von Thomas Benedikter

Herr Benedikter, danke für diese notwendige Ergänzung. Es ist leider all zu oft der Fall, auch hier, dass einzelne Kommentatoren unsere und die Ausführungen von einigen renommierten Professoren als Verschwörungstheorien oder reine Meinungen abtun, obwohl es sich um harte Fakten handelt.

Es freut mich, dass auch sie ein staatliches (Monetative) Vollgeld dem privaten Kreditgeld vorziehen. Im übrigen eine alte Idee von Irving Fisher und vom IWF empfohlen. Natürlich haben wir uns im Netzwerk Human Economy mit den verschiedenen Ausprägungen der "Vollgeldidee" beschäftigt. Die von ihnen beschriebene Variante stammt im Kern von Prof. Josef Huber, während die unabhängige monetäre Staatsgewalt= Monenative, welche das Vollgeld emittieren soll, von Prof Emeritus Dr. Bernd Senf angeregt wurde.

Zusätzlich zu dieser Variante diskutiert HE auch das Wörgler Freigeld oder den Gradido als alternative Varianten des Vollgeldes. Wir diskutieren diese Varianten, weil sie neben der Schöpfung des Geldes als aktive Größe mit dem Buschungssatz "Kassa an Eigenkapital" die Geldvernichtung über eine Umlaufgebühr erklären. Professor Huber müsste eine allfällige Geldvernichtung über Steuern bzw. Abgaben in den Griff bekommen. Allerdings handelt es sich bei allen diesen Varianten um Tauschmittel mit vorgetäuschtem Eigenwert. Diese Problematik würde eine eigene Diskussion erfordern.

Schließlich sei hier noch einmal auf die Vollgeldvarainte von Prof. Franz Hörmann verwiesen, in der Vollgeld stets geschöpft wird, wenn jemand eine Leistung erbringt und Geld vernichtet, wenn jemand knappe Güter konsumiert! Die Geldschöpfung und Vernichtung wird auf das Individuum übertragen und an eine Leistung bzw. Konsum als Voraussetzung gekoppelt. Der Leistungsbegriff wird dabei durch einen demokratischen Gesellschaftsvertrag geregelt, den im übrigen schon Jean-Jacques Rousseau einforderte!
Es handelt sich beim sogenannten Informationsgeld um eine Regel zur Verteilung von Gütern und Dienstleistungen mit einer reinen Wertmaßstabsfunktion, ohne EIGENWERT. Es gibt also nicht vor, ein werthaltiges Tauschmittel zu sein, wie die anderen Vollgeldvarianten, sondern entspricht mehr einem Gutschein!
Ein weiteres entscheidendes Element des Informationsgeldkonzeptes ist die Entkoppelung von Produktion und Leistung (Aufhebung von: "du kannst im Konsum nur ausgeben, was du in der Produktion erwirtschaftet hast"). Im Wissen, dass in Zukunft Maschinen die menschliche Arbeit mehr und mehr ersetzen, ist gerade diese Entkoppelung von immenser Wichtigkeit (Siehe dazu die Publikationen von Prof. Jeremy Rifkin).
Eines der größten Vorteile aber ist die asymmetrische Preisgestaltung (Ich verweise hier auf die Webseite www.informationsgeld.info zur Vertiefung), dh. der Verkäufer kann durchaus einen anderen Betrag erhalten als der Käufer zahlt. Der Unterschied ergibt sich aus der Verfügbarkeit der Waren und Dienstleistungen. So erhält der Leistende immer den dafür im Vertrag vorgesehenen Betrag gut geschrieben, währende dem Empfänger der Leistung, sofern diese im ausreichenden Maß für alle zur Verfügung steht, auf seinem Konto kein Geld vernichtet wird.

Beispiel:
Wenn in einem Gebiet genügend Ärzte Dienst verrichten, kann jeder sich behandel lassen und die Leistung dem Arzt bestätigen, damit entsteht "Geld" am Konto des Arztes, während dem Patienten kein "Geld" am Konto vernichtet werden muss, weil die Leistung für alle im ausreichenden Maß vorhanden ist. Sollten allerdings Leistungen oder Waren knapp sein, können diese Engpässe mit Lohnerhöhungen, Versteigerungen oder Warteschlagenmodelle überwunden werden, bis die Leistung wieder im ausreichenden Maß vorhanden ist.

Di., 11.08.2015 - 18:54 Permalink
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Profil für Benutzer Pasqualino Imbemba
Pasqualino Imbemba Do., 13.08.2015 - 16:07

"Hudini war auch ein großer Zauberkünstler!

Aber meine knappe Lebenserfahrung sagt mir, ohne Brot wird keiner satt und Brot gab es nur einmal umsonst, zumindest berichtet das Neue Testament davon."

Do., 13.08.2015 - 16:07 Permalink