Umwelt | Alternativer Antrieb

Wie man Entscheidungen auf der Basis von Vorurteilen fällt

Abstimmen ohne genau zu wissen, worüber man abstimmt? Ein Beispiel dafür hat man im Südtiroler Landtag am 13. November 2015 erlebt...
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...Dies ist anlässlich der Debatte zur Anschaffung von Bussen mit alternativen und nachhaltigen Antrieben geschehen, wo die Tatsachen von den Vorurteilen besiegt wurden. Die verbalen Kapriolen, die gemacht wurden, sind einmalig.

In meinen Beiträgen vom 27. Oktober und 9. November hier auf salto.bz hatte ich aufgezeigt, wie die letzten Einkäufe von Dieselbussen seitens Sasa, Sad und Libus sowie jene, die noch anstehen - und geheim gehalten werden - in der Tat in Widerspruch zum Klimaplan Energie-Südtirol-Adige-2050 stehen, der von der Landesregierung am 20. Juni 2011 mit Beschluss Nr. 940 genehmigt wurde. Ein Überblick über gute Absichten u.a.:

3.5.5.2 Öffentlicher Personennahverkehr

Fahrzeuge des ÖPNV in innerstädtischen Einsatzgebieten werden innerhalb 2025 zur Gänze auf emissionsarme Antriebssysteme (Strom, Wasserstoff, Methan) umgestellt. Auch im Überlandverkehr werden verstärkt solche Technologien eingesetzt. Dort sollte die Fahrzeugpalette innerhalb 2050 vollständig umgestellt sein.

Nun, jede Person durchschnittlicher Intelligenz versteht, dass die Busse, die sowohl im Jahr 2013 erworben wurden, als auch jene „geheimen“ (Hauptsache, der „Feind“ erfährt es nicht , also – unter uns gesagt ..), die im Jahr 2016 voraussichtlich angekauft werden, werden 2025 noch auf der Straße sein. Es zirkulieren auch heute 15 Jahre alte Busse auf unseren Straßen.

Die Politik, d.h. LR Mussner, aber auch die Landtagsabgeordneten Blaas und Steger, sollten erklären, auf Grund welcher Informationen sie zur Überzeugung gelangen, „dass man auf Bergstrecken auf Diesel (nicht) verzichten könne“. Und jene Landtagsabgeordneten, die gegen die Anträge gestimmt haben? Ihr Feedback wäre wünschenswert, wird es aber nicht geben. Erstaunlich die Erklärung von LR Mussner: "Auf Diesel ganz zu verzichten, wäre nicht möglich, Methan- und E-Busse würden die für Bergstraßen nötige Leistung noch nicht erbringen.“ Eigenartige Aussage, weil gerade Wasserstoffbusse, also Elektrobusse, für Bergstraßen absolut tauglich sind! Es wäre interessant zu erfahren, woher solche „Informationen“ kommen. Es sind wohl eher Vorurteile. Denn Erdgasbusse der Klasse Euro VI haben dieselbe Leistung und dieselben Drehmomente eines Dieselmotors. Das galt bereits für Erdgasmotoren der Emissionsklassen Euro V EEV, wie ich bereits vor einem Jahr erfahren konnte.

Auf welche Weise? Eine einfache E-Mail-Anfrage an die Bushersteller genügte. Diese dementierten kategorisch, dass Erdgasbusse auf Steigungen Probleme hätten. Wussten das die zuständigen Landesstellen nicht, oder haben sie LR Mussner über den tatsächlichen, aktuellen Sachverhalt nicht korrekt informiert? Ist das Zufall? Oder sind es die Öpnv-Unternehmen (Sasa, Sad, Libus), die über keine aktuellen Infos verfügen? Ist es möglich, dass ich der einzige bin, der darüber Bescheid weiß? Diese Falschinformation scheint stark verwurzelt zu sein, wie ich kürzlich auf der Website der Tageszeitung „Alto Adige“ zu bedenken gab, indem ich einen Busfahrer widerlegte.

LR Mussner hat auch gesagt, das erdgasbetriebene Busse oder mit anderen Energien betrieben „…nicht so fortgeschritten sind um die nötige Leistung z.B. auf den Bergstraßen zu erbringen. Da sind auch Proben gemacht wurden, auf den Pässen wären auf keinen Fall möglich…“. Ja, aber wann fanden diese Proben statt? Mit welchen Bussen und in welcher Euronorm-Klasse? Niemand hat in der Vergangenheit dies veröffentlicht. Alles geheim? Außerdem widerspricht sich LR Mussner selbst. H2-Busse, die Elektrobusse sind, konnten einwandfrei bis zur Seiser Alm gefahren werden. Na ja, Erdgasbusse Euro VI werden in den Gebirgen von Südamerika eingesetzt, die ein bisschen höher sind als jene in Südtirol.

Also wie konnte man darüber abstimmen ohne Konkrete Fakten, ohne Daten, ohne sich darüber richtig und ausführlich zu informieren?

Dass die Busse in der Zukunft direkt von den Transportbetrieben gekauft werden, ändert die Lage eigentlich nicht. Die Öpnv-Betriebe werden immer noch Zuschüsse bzw. öffentliche Mittel für ihre Tätigkeit erhalten, dann hat das Land (ich fürchte, hatte) die Möglichkeit, ja die Pflicht, die Einkäufe zu lenken. Man sollte mich nicht widerlegen, sonst wird es wieder die lächerliche Lage des letzten Busankaufes geben, wo das Wichtigste war, so viel Busse wie möglich zu kaufen. Warum? Über mehr als fünf Jahren fand keine Erneuerung der Busflotte statt (es genügt den ehemaligen LR Widmann nachzufragen – der die politische Verantwortung trägt - über den rücksichtslosen Kauf von 150 Dieselbussen, einschließlich des Metrobus) und die Wahl fiel damals auf Dieselbusse. Weitblick gleich Null.

Der dritte Punkt der Tagesordnung des Movimento 5 Stelle wurde angenommen: „vorrangig solche Verkehrsmittel anzukaufen, die sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich nachhaltig sind (Methan, Elektroantrieb)“. Aber welche wird die konkrete Anwendung dieses Passus sein? Ich vermute, dass dies – leider – auf dem Papier bleiben wird. Wenn die Öpnv-Betriebe nur Dieselbusse vorziehen, was dann? Wird das Land die Finanzierungen verweigern?

Was mehr? Diesel über alles, das Land zahlt und wir atmen die Luft. Der Diesel-Duft besonders vormittags in Bozen bestätigt es, trotz der fünf Wasserstoffbusse der "Grünen Region" ... wofür dann? Also, man sollte besser auf die ganzen Geschichten der Wasserstoffbusse besser verzichten, die außerdem sündteuer sind. Es ist offensichtlich, dass die H2-Busse mit einer ausgezeichneten Lobbytaktik vorangetrieben wurden, die aber buchstäblich alle anderen Antriebslösungen der alternativen und nachhaltigen Mobilität faktisch ausradiert hat. Man hat damit bewiesen, dass sie hundertprozentig das Feigenblatt für zukünftige Käufe von Dieselbussen sein werden. Diese werden dann auch die letzten sein, die bis Ende 2018, d.h. bis Ende der Amtsperiode dieser Landesregierung, angekauft werden.

Somit wurde auch gezeigt, was man vom Klimaplan 2050 hält: eine schöne, glänzende Publikation, voll mit Aussagen, die aber nicht das Papier wert sind wo sie gedruckt werden, zumindest was den Öpnv betrifft. Wenn es so ist, dann möchte ich mal wissen was der Klimaplan eigentlich wert ist ... Ach ja, noch etwas: am 1. Dezember werden 20 Jahre Erdgasbusse in Augsburg gefeiert, wusste das niemand hier in Südtirol?

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Die Videoaufnahme der Landtagsdebatte am 13. November.

Aus der Pressemitteilung des Landtages des gleichen Tages:

Die 5 Sterne Bewegung wollte die Landesregierung verpflichten, bei der Erneuerung des Fuhrparks nur ökologisch und wirtschaftlich nachhaltige Verkehrsmittel anzukaufen. Paul Köllensperger wies darauf hin, dass entgegen dem Klimaplan des Landes erst wieder Dieselbusse angekauft wurden.
Bernhard Zimmerhofer bedauerte, dass sei Antrag zur ökologischen Mobilität in der Euregio seinerzeit abgelehnt wurde; dadurch würden Synergieeffekte verloren gehen.
Andreas Pöder bezeichnete es als bemerkenswert, dass das Land entgegen seinen eigenen Beschlüssen Dieselbusse ankaufe. Er wies darauf hin, dass der vorliegende Gesetzentwurf den Ankauf zusätzlicher Wasserstoffbusse ermögliche. Das Trentino sei bei der Ökobilanz der Busse weiter.
Walter Blaas begrüßte den Antrag grundsätzlich, zeigte jedoch Bedenken, ob man auf Bergstrecken auf Diesel verzichten könne.
Die Stoßrichtung der Tagesordnung sei richtig, befand Dieter Steger, aber er teilte auch die Bedenken von Walter Blaas. Seines Wissens könnten Methan- oder E-Busse Bergstrecken nicht bewältigen. Unterstützen könne er Punkt 3 des Antrags, der ökologisch und wirtschaftlich nachhaltigen Bussen den Vorzug gibt.
In Zukunft würden die Dienstanbieter die Busse selbst ankaufen, erklärte LR Florian Mussner. Auf Diesel ganz zu verzichten, wäre nicht möglich, Methan- und E-Busse würde die für Bergstraßen nötige Leistung noch nicht erbringen.
Punkt 3 des Antrags wurde angenommen, die anderen wurden mehrheitlich abgelehnt.