Politik | Flüchtlinge

Kaltes Südtirol

Seit Monaten hausen rund 90 Flüchtlinge unter unmenschlichen Bedingungen in den Baracken am Bozner Bahnhof. Sie fallen durch alle Raster. Ein Lokalaugenschein.

Denn die einen sind im Dunkeln
und die andern sind im Licht
und man siehet die im Lichte
die in der Kälte sieht man nicht.

frei nach Bertolt Brecht, Dreigroschenoper

Der junge Mann steht fast täglich vor einem Geschäft in der Gemeinde Eppan. Er ist gut gekleidet, freundlich und beim Betteln hat er meist ein Lächeln auf den Lippen. Der Mann kommt aus Nigeria und er hat eine reguläre Aufenthaltsgenehmigung. Sein Aussehen würde nie vermuten lassen, wo er in Südtirol lebt.
Ein Abend, Mitte Dezember 2015. Das Thermometer zeigt deutlich unter Null.
Auf dem Gelände des Bozner Bahnhofs in Richtung Schlachthofstraße stehen mehrere Baracken. Dort leben seit Monaten zwischen 70 und 90 Flüchtlinge. Die meisten kommen aus Pakistan oder Afghanistan, einige auch aus Afrika.
In den Baracken gibt es weder Wasser, noch hygienische Einrichtungen und schon gar keine Heizung. Die Menschen schlafen mit Decken auf dem eiskalten Boden. Zum Wärmen und zum Kochen entzündet man ein offenes Feuer. Bis zu 40 Männer liegen jede Nacht auf engstem Raum, um nicht zu erfrieren.


Unmenschliche Zustände: Eiskalt ohne Wasser und Heizung.

Der Großteil von ihnen hat gültige Dokumente, den Status eines Flüchtlings und das Asylansuchen in Bearbeitung. Doch das Problem ist, dass sie keinen Platz in den von der Landespolitik so hochgepriesenen Einrichtungen mehr finden. Diese Menschen fallen durch den Rost.

Das Rotationsprinzip

Nur einen Katzensprung von den illegal besetzen Baracken am Bozner Boden entfernt ist das Winterquartier „Emergenza freddo“. Die Vereine Volontarius und River Equipe betreiben in der Schlachthofstraße 17 ein Notquartier, in dem bis zu 50 Personen übernachten können.
Jeden Abend bilden sich vor dem Eingang lange Schlangen. Obwohl man die Bettenanzahl längst erhöht hat, bleiben jede Nacht zwischen 30 und 40 Menschen auf der Straße. Es gibt eine Warteliste. An diesem Abend stehen allein auf dieser Liste 67 Namen.
Weil man keinen Platz mehr hat, wendet man inzwischen eine Art Rotationsprinzip an. Das heißt: Jeder und jede dürfen drei Nächte hintereinander im Winterquartier verbringen. Danach geht es wieder zurück auf die Straße und in die kalten Bahnhofsbaracken, wo man unter unmenschlichen Bedingungen haust.
Die meisten dieser Flüchtlinge sind seit rund einem Monat in Bozen. Sie haben zwischen drei und sechs Nächten im warmen Winterquartier verbracht, die restliche Zeit in den Baracken.

Winterquartier am Bozner Boden: Drei Nächte ein warmes Bett.

Einige haben versucht aus Südtirol wegzugehen. Sie wurden aber von den Quästuren in Görz oder Udine wieder umgehend nach Südtirol zurückgeschickt. Der Grund: Die meisten wurden in Bozen registriert und müssen deshalb in den Südtiroler Auffangstrukturen unterkommen.
Die offizielle Wartezeit für die Flüchtlinge in einer dieser Strukturen unterzukommen, beträgt aber sechs Monate. „Das Ganze ist eine Situation, die gegen alle Menschenrechte verstößt“, ist eine freiwillige Helferin empört. Man denkt laut über eine Aktion nach, die die Südtiroler und Südtirolerinnen wachrütteln soll.
Wir werden alles tun, was aus humanitärer Sicht notwendig ist“, wiederholt die zuständige Landesrätin Martha Stocker. Schränkt gleichzeitig aber ein: „Aber wir können kein Anziehungspunkt für Flüchtlinge werden“.
Es mag zynisch klingen: Aber wahrscheinlich muss erst ein Mensch am Bahnhof erfrieren, damit jene im Licht merken, wie andere still in der Kälte leiden.

* diese Fotos wurden von den Flüchtlingen selbst gemacht.

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Thomas Kobler Fr., 18.12.2015 - 09:02

Ich frage mich ernsthaft, wo Frau Stocker, Herr Kompatscher und Co. sind? In Südtirol gibt es unzählige leerstehende Wohnungen, aber anscheinend ist Bau- und Mietspekulation der Reichen wichtiger, als dass diese Menschen im Winter vor sich hinsiechen müssen. Ich schäme mich für unsere öffentlichen Institutionen, Südtirol ist nicht Rumänien, sondern einer der wohlhabendsten Landstriche auf diesem Planeten!

Fr., 18.12.2015 - 09:02 Permalink
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Ulrich Ladurner Fr., 18.12.2015 - 10:20

Unsere Kirche und die prunkvollen Klöster und tlw damit verbundenen Bildungseinrichtungen (das schmucke Kloster Neustift zb) sollen endlich die Räume zur Verfügung stellen die ohnehin schon geheizt sind. Oder will uns jemand erzählen dass es derartige Plätze nicht gibt? Über Weihnachten und darüber hinaus stehen 100e Schulen leer mit 10000 2m von Turnhallen, Mensen, Sanitären Anlagen....vielleicht findet sich dort ein Platz für 50? sind es 60? Menschen?
Die Kirche täte gut daran die "HEILIGEN PFORTEN" endlich zu öffnen und das Jahr der Barmherzigkeit einzuleiten.
Es lebe die Stille Nacht.

Fr., 18.12.2015 - 10:20 Permalink
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Alberto Stenico Fr., 18.12.2015 - 10:45

C'è da vergognarsi, come Altoatesini. Siamo la provincia più ricca d'Italia ed oggi il Consiglio Provinciale di Bolzano approva un bilancio di 5,4 miliardi, il maggiore del dopoguerra.

Fr., 18.12.2015 - 10:45 Permalink
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Willy Pöder Di., 29.12.2015 - 09:00

Ulrich Ladurner hat offensichtlich eine Aversion gegen die Kirche, wie sonst käme er dazu, die negativen Begleiterscheinungen einer von der Politik verursachten Flüchtlingswelle auf diese abzuschieben. Die Kirche kann nicht zum Zwangslager für politisches Versagen gemacht werden. Sehr wohl steht es ihr an, Leid durch spontane Hilfe zu lindern. Das, so finde ich, macht sie über ihre Organisationen (Caritas etc.) auch. Außerdem dürfen sich auch Privatpersonen einbringen, Herr Ladurner.

Di., 29.12.2015 - 09:00 Permalink